Leitsatz (amtlich)
1. Die von einer GmbH mit ihrem Geschäftsführer vereinbarte Wettbewerbsklausel unterliegt grundsätzlich nicht den für Handlungsgehilfen geltenden Beschränkungen der §§ 74 ff HGB.
2. An die Zulässigkeit einer Vereinbarung, die den Geschäftsführer einer GmbH für die Zeit nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses in seiner gewerblichen Betätigung beschränkt, sind strenge Anforderungen zu stellen.
Normenkette
GmbHG § 35; HGB § 74 ff; BGB § 138; GG Art. 2
Tenor
Die Kläger sind Geschäftsführer der beklagten GmbH, deren Stammkapital 20.000 DM beträgt und deren Gegenstand auf die Herstellung und den Vertrieb von wettertechnischen Erzeugnissen für Bergbau, Tunnelbau und artverwandte Branchen gerichtet ist. Der Kläger zu 2 war einer der beiden Gründer der Gesellschaft. Den übernommenen Geschäftsanteil hat er noch am Gründungstage an den Kaufmann S. abgetreten, für den er bei der Gründung als Treuhänder aufgetreten war. Die Beklagte kündigte dem Kläger zu 1 am 21. April 1960 und dem Beklagten zu 2 am 16. Mai 1960 das Anstellungsverhältnis fristlos.
Die Kläger begehren die Feststellung, daß diese fristlosen Kündigungen unwirksam sind. Die Beklagte verlangt vom Kläger zu 1 widerklagend Zahlung von 2.584,08 DM. Nach § 9 des Gesellschaftsvertrages unterliegen die Geschäftsführer der Beklagten für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung ihrer Tätigkeit als Geschäftsführer einem „Konkurrenzverbot innerhalb des Bundesgebietes, betreffend die Artikel der GmbH”. Bei Verstoß hiergegen haben die Geschäftsführer eine Vertragsstrafe von 5.000 DM zu zahlen, unbeschadet der Geltendmachung weiterer Ansprüche durch die GmbH. Die Beklagte behauptet, diese Bestimmungen seien auch Bestandteil der Anstellungsverträge geworden. Im Wege der Widerklage hat sie verlangt, den Klägern zu untersagen, sich innerhalb von zwei Jahren seit dem 17. Mai 1960 im Bundesgebiet auf ihren, der Beklagten, Sachgebieten zu betätigen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, den Anträgen der Widerklage im wesentlichen stattgegeben und im übrigen die Widerklage abgewiesen.
In der Berufungsinstanz hat der Kläger zu 1 mit einem Gehaltsanspruch über 750 DM aufgerechnet. Die Beklagte hat statt des Unterlassungsantrages beantragt, festzustellen, daß es dem Kläger zu 1 in der Zeit vom 21. April 1960 bis zum 20. April 1962 und dem Kläger zu 2 in der Zeit vom 16. Mai 1960 bis zum 15. Mai 1962 untersagt war, sich auf dem Gebiet der Herstellung und des Vertriebs von wettertechnischen Erzeugnissen für Bergbau, Tunnelbau und artverwandte Branchen innerhalb des Bundesgebiets zu betätigen. Das Berufungsgericht hat durch Teilurteil vom 12. April 1962 die Berufungen der Kläger, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage richteten, zurückgewiesen, den Kläger zu 1 zur Zahlung von 1.834,08 DM verurteilt, die weitergehende Widerklage, soweit sie auf Zahlung gerichtet ist, abgewiesen und sich die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Widerklage und über die Kosten des Rechtsstreits vorbehalten.
Gegen dieses Teilurteil haben die Kläger Revision eingelegt. Insoweit trägt die Sache das Aktenzeichen II ZR 104/62. Der Kläger zu 2 hat seine Revision zurückgenommen. Antragsgemäß ist er des Rechtsmittels der Revision für verlustig erklärt worden.
Durch Schlußurteil vom 20. Juni 1963 hat das Berufungsgericht die Widerklage zum Feststellungsantrag abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits unter die drei Parteien verteilt. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Tatbestand
I.
Die Beklagte ist vom Unterlassungsanspruch zur Feststellungsklage übergegangen, weil inzwischen die Zwei Jahresfrist des § 9 des Gesellschaftsvertrages abgelaufen war. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß die Beklagte das Ausmaß ihres Schadens noch nicht abschließend übersehen könne, und hat mit dieser Begründung das Feststellungsinteresse bejaht. Das ist rechtlich einwandfrei.
Entscheidungsgründe
II.
Das Berufungsgericht stellt fest, daß die in § 9 des Gesellschaftsvertrages vorgesehene Wettbewerbsklausel Inhalt der mit beiden Klägern geschlossenen Anstellungsverträge geworden sei. Diese Feststellung unterliegt keinen rechtlichen Bedenken.
III.
Die von einer GmbH mit dem Geschäftsführer vereinbarte Wettbewerbsklausel unterliegt grundsätzlich nicht den für Handlungsgehilfen geltenden Beschränkungen der §§ 74 ff HGB, da der Geschäftsführer nicht Handlungsgehilfe, sondern Organmitglied ist (Schilling in Hachenburg, GmbHG § 35 Anm. 52, 44; Scholz, GmbHG § 35 Anm. 8; Baumbach/Hueck, GmbHG, Anhang nach § 35 Anm. 2). Eine andere Frage ist es, ob diese a Bestimmungen durch die Art und Weise der Ausgestaltung, des Anstellungsverhältnisses anwendbar werden können. Sie braucht jedoch nicht entschieden zu werden, da das Berufungsgericht zwar festgestellt hat, daß die Kläger im Verhältnis zur Beklagten wirtschaftlich die Stellung sozial Abhängiger hatten, die Vorschrift des § 74 Abs. 2 HGB aber nicht angewendet, sondern angenommen hat, die Wettbewerbsklausel der Anstellungsverträge beider Kläger sei wegen Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) nichtig.
IV.
Hierzu führt das Berufungsgericht aus: Es liege eine Anzahl besonderer Umstände vor, die die Wirksamkeit der vereinbarten Wettbewerbsklausel in Frage stellten. Die Beklagte habe personalmäßig nur aus den beiden Klägern und einem weiblichen, 17jährigen Anlernling bestanden. Mit dem Kläger zu 1 sei kein schriftlicher Anstellungsvertrag geschlossen. Er habe von der Gründung der Gesellschaft (14. März 1957) an bis zum Sommer 1958 auch grobe körperliche Arbeiten verrichten müssen. Der Kläger zu 2 habe wie ein Handlungsreisender fast dauernd unterwegs sein sollen. Beide Kläger seien bei den ihnen als Geschäftsführern der Beklagten obliegenden Entschließungen in erheblichem Maße eingeschränkt gewesen, Ihre Vergütungen hätten sich in engem Rahmen gehalten. Dem Kläger zu 1 sei ein Gehalt von monatlich 750 DM brutto zugesagt worden. Mit dem Kläger zu 2 sei eine Abschlußprovision von 3 % des Verkaufspreises vereinbart gewesen, wobei ihm ein Mindestgehalt von 1.200 DM brutto garantiert worden sei. Hiervon habe er alle Unkosten, insbesondere seine Reisespesen und Autounkosten, bestreiten sollen. Ab April 1958 habe der Kläger zu 1, der bis dahin ausschließlich im Innendienst verwendet worden sei, auch Außendienst versehen sollen. Von da ab hätten ihm ein Gehalt von monatlich 1.000 DM und 1½ % von den 40.000 DM übersteigenden Umsatz zugestanden. Hiervon habe er aber die Spesen seines Außendienstes tragen sollen. Zugleich sei die Provision des Klägers zu 2 auf 1½ % gekürzt worden. Beide Kläger seien verheiratet, besäßen kein Vermögen und seien auf ihr Arbeitseinkommen angewiesen. Das Unternehmen habe unter der Herrschaft des alleinigen Gesellschafters der Beklagten gestanden. Wenn auch die Kläger materiell bloß Angestellte gewesen seien, fänden doch im Hinblick auf ihre Organstellung die Bestimmungen der §§ 74 ff HGB und des § 133 f GewO keine Anwendung. Die zwischen einer GmbH und ihrem Geschäftsführer vereinbarte Wettbewerbsklausel sei aber wegen Sittenverstoßes nichtig, wenn sich wegen der Art und des Umfangs sowie der zeitlichen und räumlichen Geltung der Abrede eine untragbare oder unbillige Beschränkung ergäbe. So liege es hier. Die getroffene Vereinbarung verbiete den Klägern jeden Wettbewerb. Das Verbot wahre völlig einseitig die Interessen der Beklagten und trage in keiner Weise den Belangen der Kläger Rechnung. Irgendeine Entschädigung für die Unterlassung wettbewerblicher Tätigkeit habe ihnen die Beklagte nicht zugesagt und nicht gewährt. Bei Beendigung des Anstellungsverhältnisses des Klägers zu 2 hätten alle Ansprüche erlöschen sollen, insbesondere auch die Ansprüche aus angebahnten, noch nicht bezahlten Geschäften. Andererseits seien den Klägern recht weitgehende Beschränkungen auferlegt worden, die ihnen ein erhebliches Opfer abverlangten. Das Wettbewerbsverbot erstrecke sich zeitlich auf zwei Jahre, räumlich auf das ganze Bundesgebiet und gegenständlich auf alle Artikel der Beklagten. Bei der langen Zeitdauer sei zu berücksichtigen, daß die Beklagte mit technischen Artikeln handle, daß diese der fortschreitenden Entwicklung ausgesetzt seien und deshalb die Wettbewerbsklausel darauf hinauslaufe, die Verbindung der Kläger zu den von ihnen gewonnenen Abnehmern nahezu völlig abreißen zu lassen. In räumlicher Hinsicht sei den Klägern das gesamte Gebiet, in dem sie bei der Beklagten tätig geworden seien, für eine gleichartige oder ähnliche Tätigkeit verschlossen worden. Sachlich habe sich das Wettbewerbsverbot auf alle Waren der Beklagten bezogen, mit deren Vertrieb die Kläger bis zu ihrer Entlassung befaßt gewesen seien. Überdies sei für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine auch im Verhältnis zu den Bezügen der Kläger zu hohe Vertragsstrafe vereinbart worden, die unbeschadet der Geltendmachung weiterer Ansprüche habe entrichtet werden sollen. Auch bei Berücksichtigung des Interesses der Beklagten, sich ihren Kundenkreis und ihren Absatz zu wahren, seien die weitgehenden Beschränkungen der Tätigkeit der Kläger unangemessen und unbillig. Bei Würdigung aller Umstände des Falles sei die von den Parteien vereinbarte Wettbewerbsklausel mit den guten Sitten nicht vereinbar.
1. Die Revision greift diese Ausführungen in tatsächlicher Hinsicht an. Diese Angriffe sind jedoch unbegründet.
a) Nach Ansicht der Revision hätten die Kläger ein Gehalt bezogen, das nach § 75 b Satz 2 HGB gegenüber sozial abhängigen Arbeitnehmern von der Einhaltung des Grundsatzes der bezahlten Karenz befreie. Davon kann hier keine Rede sein, da die Grundzahl dieser Bestimmung (5000) mit der jeweiligen Indexziffer für die Lebenshaltungskosten zu vervielfältigen ist und diese Ziffer bereits im September 1959 189 % betrug (Schlegelberger/Schröder, HGB § 68 Anm. 2).
b) Die Revision bewegt sich auf dem ihr nicht zugänglichen tatsächlichen Gebiet, soweit sie die Verhältnisse, unter denen die Kläger bei der Beklagten tätig geworden sind, anders als vom Berufungsgericht festgestellt, wahrhaben will.
c) Wenn die Kläger, wie die Revision unter dem Vorwurf der Verletzung des § 139 ZPO geltend macht, vor ihrer Anstellung bei der Beklagten „beruflich mehr oder weniger gescheitert” waren, so würde das ganz zu den vom Berufungsgericht festgestellten einfachen Verhältnissen passen.
d) Die Annahme der Revision, die vereinbarte Wettbewerbsklausel habe sich nicht auf alle Waren der Beklagten, sondern bloß auf Wetterlutten bezogen, steht im Widerspruch zu § 9 des Gesellschaftsvertrages und dem Feststellungsantrag der Widerklage. Nach § 9 a.a.O. betrifft das Wettbewerbsverbot „die Artikel der GmbH”. Mit der Widerklage will die Beklagte festgestellt haben, daß es den Klägern verboten war, sich „auf dem Gebiet der Herstellung und des Vertriebes von wettertechnischen Erzeugnissen für Bergbau, Tunnelbau und artverwandte Branchen” zu betätigen; das ist derselbe Wortlaut, mit dem § 3 des Gesellschaftsvertrages den Gegenstand der Gesellschaft umreißt.
2. Der Revision kann auch nicht gefolgt werden, soweit sie das Berufungsurteil in rechtlicher Hinsicht für verfehlt hält.
a) Das Berufungsgericht hat zur Annahme der Sittenwidrigkeit nicht einseitige Interessenberücksichtigung genügen lassen, sondern darauf abgestellt, daß das Wettbewerbsverbot die gewerbliche Betätigung der Kläger in einem Ausmaß beschränkt, daß dies den guten Sitten im Geschäftsleben widerspricht.
b) Da sich die Kläger gegen die Wirksamkeit der vereinbarten Wettbewerbsklausel gewandt und dies damit begründet haben, durch diese Abrede würden sie in ihrer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit in unzulässiger Weise beschränkt, kann auch nicht mit der Revision gesagt werden, die Annahme der Sittenwidrigkeit entspreche nicht der eigenen Anschauung der Kläger.
c) Es kann auch nicht beanstandet werden, daß das Berufungsgericht die Verhältnisse mit berücksichtigt hat, unter denen die Kläger bei der Beklagten tätig geworden sind. Die Stellung des Geschäftsführers bei den einzelnen Gesellschaften mbH ist sehr verschieden. Neben Geschäftsführern, die keines Schutzes bedürfen, finden sich solche, bei denen das Gegenteil der Fall ist. Hinzu kommt, daß das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG) nicht beeinträchtigt werden darf. Daher sind an die Zulässigkeit einer Vereinbarung, die den Geschäftsführer einer GmbH für die Zeit nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses in seiner gewerblichen Betätigung beschränkt, strenge Anforderungen zu stellen. Das Berufungsgericht ist hierüber nicht hinausgegangen, sondern hat die recht große Tragweite des hier vereinbarten Betätigungsverbots entscheidend sein lassen.
d) Es kann offenbleiben, ob eine nichtige Wettbewerbsklausel mit anderem Inhalt aufrechterhalten werden kann oder ob sich dies deshalb verbietet, weil damit ein Anreiz geschaffen würde, dem Betroffenen besonders harte Bedingungen aufzuerlegen. Denn das Berufungsgericht hat es schon aus tatsächlichen Gründen abgelehnt, die vereinbarte Wettbewerbsklausel mit anderem Inhalt aufrechtzuerhalten, und diese Erwägungen enthalten keinen Rechtsfehler.
Fundstellen