Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweigerung der Akteneinsicht verletzt den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs; Rügeverzicht; Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Recht auf Akteneinsicht im finanzgerichtlichen Verfahren ist sowohl Ausfluss des Anspruchs der Prozessbeteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs als auch Ausdruck eines das gesamte Prozessrecht beherrschenden Grundsatzes, dass die Beteiligten alle tatsächlichen Grundlagen, die das Gericht seiner Entscheidung zugrunde legt, vorher kennen sollen und zur Kenntnis nehmen dürfen und dient damit auch der Waffengleichheit der Beteiligten und damit dem umfassenden Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG.
2. Das Akteneinsichtsrecht ist im finanzgerichtlichen Verfahren von besonderer Bedeutung. Die Steuerpflichtigen haben – mangels entsprechender Regelung in der Abgabenordnung – regelmäßig erst im Prozess Gelegenheit, unabhängig von einer Ermessensentscheidung des Finanzamts, die (Steuer-)Akten einzusehen. Denn im Verwaltungsverfahren beim Finanzamt besteht kein Anspruch auf Einsicht in die Steuerakten. Eine Entscheidung darüber liegt vielmehr im Ermessen des Finanzamts.
3. Zum Verzicht auf die Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, wenn ein fachkundig vertretener Steuerpflichtiger von seinem Recht auf Akteneinsicht keinen Gebrauch macht oder auf dieses verzichtet. Ein Verzicht liegt auch dann vor, wenn ein fachkundig vertretener Steuerpflichtiger die Versagung der Akteneinsicht in der letzten mündlichen Verhandlung nicht rügt.
4. Dem im finanzgerichtlichen Verfahren nicht anwaltlich vertretenen Kläger das Versäumen eines Protokollberichtigungsantrags mit der Folge eines konkludenten Rügeverzichts entgegenzuhalten, überspannt die Anforderungen an dessen prozessuale Sorgfaltspflichten und erschwert die Wahrung des rechtlichen Gehörs in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise, wenn er bereits in wiederholten schriftsätzlichen Anträgen darauf hinwies, dass er Akteneinsicht begehrt. Vor allem zeigt der Umstand, dass das Finanzgericht sich in Tatbestand und Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils mit dem Antrag auf Akteneinsicht befasst hat, dass es selbst nicht von einem Antragsverzicht ausgegangen ist.
5. Wegen Aufhebung des Urteils des FG Düsseldorf vom 24.1.2008, 11 K 3182/05 Gr, BG wird der nachfolgende Beschluss des BFH vom 4.11.2008, II B 35/08 gegenstandslos.
6. Hängt der Erfolg eines Rechtsmittels von der Darlegung verfassungsrechtlicher Fragen ab, erfordert der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, die verfassungsrechtlichen Fragen bereits im fachgerichtlichen Verfahren vorzutragen.
Normenkette
FGO § 78 Abs. 1; ZPO § 295; GG Art. 103 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4; BVerfGG § 90 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 24. Januar 2008 – 11 K 3182/05 Gr, BG – verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 103 Absatz 1 Grundgesetz. Das Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird an das Finanzgericht Düsseldorf zurückverwiesen.
Damit wird der Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 4. November 2008 – II B 35/08 – gegenstandslos.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Bundesrepublik Deutschland und das Land Nordrhein-Westfalen haben je zu gleichen Teilen den Beschwerdeführern die Hälfte ihrer notwendigen Auslagen zu erstatten.
Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 EUR (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung des Grundbesitzes nach dem Bewertungsgesetz bei Erhebung der Grundsteuer sowie die Versagung einer Akteneinsicht im finanzgerichtlichen Verfahren.
I.
1. Die verheirateten Beschwerdeführer kauften im Jahr 1999 ein bebautes Grundstück in Mülheim an der Ruhr. Die Beschwerdeführer wurden im Mai 2000 im Grundbuch mit je einem halben Anteil als Eigentümer eingetragen. Aufgrund des Erwerbs führte das Finanzamt auf den 1. Januar 2001 eine Zurechnungsfortschreibung nach § 22 Abs. 2 Bewertungsgesetz (BewG) durch. Das Finanzamt stellte den Wert nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes auf 54.600 DM fest und ordnete das Grundstück in die Grundstücksart „Zweifamilienhaus” ein.
Die Beschwerdeführer führten anschließend umfangreiche Umbauarbeiten durch. Dies nahm das Finanzamt zum Anlass, am 13. April 2004 nach § 22 Abs. 1 und 2 BewG eine Wert- und Artfortschreibung auf den 1. Januar 2002 vorzunehmen. Der Einheitswert wurde auf 85.130 EUR (= 166.500 DM) und die Grundstücksart mit „Einfamilienhaus” festgestellt. Das bisher im Ertragswertverfahren (vgl. §§ 78 ff. BewG) bewertete Grundstück wurde nunmehr im Sachwertverfahren bewertet (vgl. §§ 83 ff. BewG). Da die Beschwerdeführer einer Ortsbesichtigung durch die Bewertungsstelle nicht zugestimmt hatten, hatte das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen anhand der ihm vorliegenden Bauzeichnungen und der von ihm angeforderten Bauakte geschätzt. Ebenfalls am 13. April 2004 erließ das Finanzamt einen Grundsteuermessbescheid auf den 1. Januar 2002 mit einem Messbetrag von 263,44 EUR.
Die Beschwerdeführer legten gegen den Einheitswertbescheid und den Grundsteuermessbescheid Einspruch ein. In der Einspruchsentscheidung reduzierte das Finanzamt den Einheitswert zum 1. Januar 2002 auf 75.415 EUR und den Grundsteuermessbetrag auf 229,43 EUR.
2. Anschließend erhoben die Beschwerdeführer Klage mit dem Ziel, den Einheitswert auf 57.450 DM herabzusetzen. Während des Klageverfahrens änderte das Finanzamt mit Bescheid vom 18. Oktober 2006 die Wertfortschreibung erneut. Das Grundstück wurde wieder im Ertragswertverfahren bewertet und der Einheitswert auf 120.051 EUR festgesetzt. Das Finanzamt war der Auffassung, wegen falscher Angaben der Beschwerdeführer zu dieser Änderung befugt zu sein.
Im Klageverfahren beantragte der Beschwerdeführer zu 1) Akteneinsicht in die Steuerakten des Finanzamts. Daraufhin übersandte das Finanzgericht die Akten an das Finanzamt mit dem Hinweis, dass „gegen eine Akteneinsicht ab Blatt 14 der Einheitswertakte” keine Bedenken bestünden. Unter Bezugnahme auf dieses Schreiben verweigerte das Finanzamt dem Beschwerdeführer zu 1) Einsicht in Blatt 1 bis 13 der Einheitswertakte. Die Beschwerdeführer beantragten in der Folgezeit mehrfach schriftsätzlich beim Finanzgericht und bei der Finanzbehörde sowie – nach ihrem Vortrag – in der mündlichen Verhandlung Akteneinsicht in die vollständige Einheitswertakte. Eine Reaktion des Finanzgerichts darauf erfolgte nicht, obwohl die Beschwerdeführer eine Entscheidung über ihren Antrag auf vollständige Akteneinsicht ausdrücklich anmahnten. Auch eine Protokollierung des Antrags im Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung erfolgte nicht.
Die Klage, die sich nicht mehr gegen die Artfortschreibung, sondern nur gegen die Wertfortschreibung richtete, hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht war der Auffassung, der Änderungsbescheid vom 18. Oktober 2006 sei mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig. Die Klage gegen den Wertfortschreibungsbescheid vom 13. April 2004 sei dagegen im Ergebnis unbegründet. Es sei zu Recht eine Wertfortschreibung durchgeführt worden. Das Finanzamt habe zwar das Sachwertverfahren angewendet, obwohl das Ertragswertverfahren habe angewendet werden müssen. Doch bei Anwendung des Ertragswertverfahrens ergebe sich mit 82.829 EUR (= 162.000 DM) ein höherer Wert als der vom Finanzamt in der Einspruchsentscheidung angesetzte Wert, so dass die Klage erfolglos bleiben müsse. Die Klage gegen den Grundsteuermessbescheid vom 13. April 2004 wies das Finanzgericht ebenfalls ab, weil es die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beschwerdeführer nicht teilte und der Grundsteuermessbescheid nicht mit Argumenten gegen die Höhe des Einheitswerts angefochten werden könne. Den Antrag auf Akteneinsicht lehnte das Finanzgericht mit der Begründung ab, dass die dort aufgeführten Vorgänge keine Bedeutung für das Klageverfahren hätten. Die Revision ließ das Finanzgericht nicht zu.
Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts erhoben die Beschwerdeführer beim Bundesfinanzhof eine Nichtzulassungsbeschwerde. Sie machten unter anderem Verfahrensmängel wegen der Versagung der vollständigen Akteneinsicht geltend.
Der Bundesfinanzhof wies die Nichtzulassungsbeschwerde der Beschwerdeführer als unbegründet zurück. Die Entscheidung wurde am 27. November 2008 zugestellt. Soweit die Beschwerdeführer rügten, das Finanzgericht habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, ihnen Einsicht in die Einheitswertakte zu gewähren und dadurch ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, sei die Beschwerde unbegründet. Die Beschwerdeführer hätten ihren Antrag auf Akteneinsicht nicht weiter verfolgt. Das Sitzungsprotokoll verzeichne weder einen Antrag auf Akteneinsicht noch eine Rüge der Beschwerdeführer, das Finanzgericht habe ihnen die Einsicht verweigert. Es sei daher davon auszugehen, dass sich die Beschwerdeführer rügelos auf die Sache eingelassen hätten.
3. Neben der Klage gegen den Einheitswertbescheid und den Grundsteuermessbescheid erhoben die Beschwerdeführer nach erfolglosem Widerspruchsverfahren auch eine Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen den Grundsteuerbescheid der Stadt Mülheim an der Ruhr. Zur Begründung trugen sie vor, die Erhebung der Grundsteuer sei verfassungswidrig. Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht Düsseldorf abgewiesen. Den Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 30. Juni 2008 ab. Der Beschluss ging den Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführer ausweislich des Eingangsstempels am 3. Juli 2008 zu.
Entscheidungsgründe
II.
Mit ihrer gegen die Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen erhobenen und am 19. Dezember 2008 beim Bundesverfassungsgericht eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 6, Art. 14, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG. Die Beschwerdeführer wenden sich dabei zum einen gegen die Einheitsbewertung ihres Grundstücks und die darauf beruhende Grundsteuerfestsetzung (1). Sie rügen zum anderen die Versagung der Akteneinsicht durch das Finanzgericht (2).
1. Die Erhebung von Grundsteuer nach dem Grundsteuergesetz in Verbindung mit dem Bewertungsgesetz sei für selbstgenutzte Einfamilienhäuser verfassungswidrig. Der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG werde massiv verletzt. Sowohl zwischen als auch innerhalb der unterschiedlichen Grundstücksarten komme es zu gleichheitswidrigen Wertverzerrungen. Nach wie vor würden die Werte der Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1964 der Einheitsbewertung zugrunde gelegt. Turnusmäßige Wertanpassungen, die der Gesetzgeber zunächst alle sechs Jahre vorgesehen habe, seien seitdem nicht mehr erfolgt.
Ertrags- und Sachwertverfahren führten zu stark unterschiedlichen Werten und vernachlässigten im Rahmen der Einheitsbewertung altersbedingte Wertunterschiede. Hinzu komme die Ungleichheit zwischen den alten und den neuen Bundesländern seit 1991. In § 42 GrStG habe der Gesetzgeber für Häuser in den neuen Bundesländern, für die ein Einheitswert auf den 1. Januar 1935 nicht festgestellt worden sei, ein einfaches Verfahren festgelegt, das auf ein aufwendiges Einheitswert- und Steuermessbetragsverfahren verzichte. Das Verfahren werde direkt von der Gemeinde, die die Grundsteuer erhebe, durchgeführt und führe zu wesentlich niedrigeren Werten als die in den alten Bundesländern geltenden umständlichen Regelungen.
Schon bei der Hauptfeststellung auf den 1. Januar 1964 sei keine vollständige und genaue Wertermittlung erfolgt. In vielen Fällen sei niemals eine Ortsbesichtigung durch die Finanzverwaltung erfolgt. Daher müsse davon ausgegangen werden, dass schon im Jahr 1964 die Wertermittlung mangels geeigneter Erhebungsregeln nicht gleichmäßig erfolgt sei. Sowohl beim Sachwertverfahren als auch beim Ertragswertverfahren bestünden massive Erhebungs- und Vollzugsdefizite. Diese begründeten die Verfassungswidrigkeit der Steuererhebung.
Die Grundsteuererhebung bei selbstgenutzten Einfamilienhäusern stehe auch in Widerspruch zur Vermögensteuerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 93, 121). Danach stehe das persönliche und familiäre Gebrauchsvermögen nach Art. 14 und Art. 6 GG unter besonderem Schutz. Es sei steuerrechtlich freizustellen und damit von der Sollertragsteuer und Substanzbesteuerung abzuschirmen. Unvertretbar sei jedenfalls die bisher geäußerte Auffassung des Bundesfinanzhofs, wonach wegen der geringen finanziellen Belastung durch die Grundsteuer Wertverzerrungen in höherem Maße hinnehmbar seien. Dies ignoriere den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Dasselbe gelte für die Begründung, dass eine Neuregelung der Einheitsbewertung wohl kaum zu einer Herabsetzung der Einheitswerte führen werde.
2. Durch die Nichtgewährung vollständiger Akteneinsicht und die Nichtberücksichtigung wesentlichen Vortrags im finanzgerichtlichen Verfahren sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG und auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG verletzt worden. Sie hätten vor dem Finanzgericht Einsichtnahme in die vollständigen Akten beantragt, um sich über die dem Finanzamt vorliegenden Angaben zur Beschaffenheit und den Ausstattungsmerkmalen des Hauses informieren zu können. Durch die Nichtgewährung vollständiger Akteneinsicht sei ihnen die Möglichkeit zur Information und zu entsprechendem Klagevortrag genommen worden. Der Bundesfinanzhof habe in seiner Entscheidung zwar eingeräumt, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör durch die Versagung der Akteneinsicht verletzt werden könne. Der Bundesfinanzhof habe die Revision aber nicht zugelassen, weil er unterstellt habe, sie hätten durch Untätigkeit auf die Verfolgung ihres Antrags auf Akteneinsicht verzichtet. Tatsächlich habe der Beschwerdeführer zu 1) jedoch in der mündlichen Verhandlung nochmals auf seinen Antrag auf Akteneinsicht hingewiesen und um Entscheidung gebeten. Schon durch einen Blick auf das Urteil des Finanzgerichts hätte der Bundesfinanzhof dies feststellen können. Denn das Finanzgericht habe in seinem Urteil ihre Forderung auf Akteneinsicht wiedergegeben und im Urteil den Antrag abgelehnt. Dies hätte es wohl kaum getan, wenn sie auf die Verfolgung ihres Antrags auf Akteneinsicht verzichtet hätten.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, dem Bundesfinanzhof, der Stadt Mülheim an der Ruhr und dem Finanzamt Mülheim an der Ruhr zugestellt worden. Geäußert haben sich der Bundesfinanzhof (1) und das Finanzamt Mülheim an der Ruhr (2).
1. Der Bundesfinanzhof führt unter anderem aus, dass das Recht auf Akteneinsicht sich auf sämtliche Akten erstrecke, die dem Finanzgericht in der konkreten Streitsache vorlägen. Allerdings habe das Finanzgericht von Fall zu Fall zu entscheiden, ob eine Offenbarung einzelner Informationen gegen das Steuergeheimnis verstoße und gegebenenfalls die Einsicht zu beschränken sei. Gegen die (teilweise) Versagung der Akteneinsicht sei die Beschwerde gegeben.
Die Annahme eines Rügeverzichts bei bloßem Unterlassen einer fristgerechten Verfahrensrüge sei von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Aus den Gründen des angefochtenen Urteils des Finanzgerichts ergebe sich, dass Akteneinsicht begehrt worden sei, nicht aber, dass die Nichtgewährung der Akteinsicht in der mündlichen Verhandlung gerügt worden sei. Die Beschwerdeführer seien allerdings im finanzgerichtlichen Verfahren nicht sachkundig vertreten gewesen. Soweit die angefochtene Entscheidung unter anderem auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 27. September 2007 – IX B 19/07 –, BFH/NV 2008, S. 27 Bezug nehme, habe dieser Entscheidung ein Sachverhalt zugrunde gelegen, bei der der Kläger sachkundig vertreten gewesen sei.
Außerdem sei bisher nicht problematisiert worden, dass das Finanzgericht es nicht erwogen habe, die Anträge der Beschwerdeführer als Beschwerde zu deuten. Dann wäre die Frage der Akteneinsicht in einem Zwischenstreit zu klären gewesen. Die wiederholten Anträge auf Akteneinsicht deuteten jedenfalls darauf hin, dass im Hinblick auf die Versagung der Akteneinsicht ein Rügeverzicht nicht gewollt gewesen sei. Daher habe das Finanzgericht prüfen müssen, ob es das Hauptsacheverfahren bis zur Rechtskraft eines den Umfang des Akteneinsichtsrechts betreffenden Zwischenstreits aussetze. Die unterlassene Aussetzung könne einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens darstellen.
2. Das Finanzamt führt unter anderem aus, die Verfassungsbeschwerde sei wegen Verstoßes gegen das in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG enthaltene Subsidiaritätsprinzip unzulässig. Die Beschwerdeführer hätten sich rügelos auf die Sache eingelassen. Dabei spiele keine Rolle, dass die Beschwerdeführer anwaltlich nicht vertreten gewesen seien und auf einer ausdrücklichen Protokollierung nicht bestanden hätten. Die Beschwerdeführer hätten nach der Zustellung des Urteils des Finanzgerichts ihr Begehren im Wege eines Protokollberichtigungsantrags weiterverfolgen können. Zu diesem Zeitpunkt seien die Beschwerdeführer auch fachkundig vertreten gewesen. Der damalige Bevollmächtigte der Beschwerdeführer habe es aber versäumt, vor Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde oder parallel dazu einen entsprechenden Berichtigungsantrag zu stellen. Dieses Versäumnis stehe einer inhaltlichen Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht entgegen.
IV.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, soweit sie das finanzgerichtliche Verfahren betrifft. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Verfassungsbeschwerde ist nur teilweise zulässig (1). Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung des als verletzt gerügten Grundrechts der Beschwerdeführer aus Art. 103 Abs. 1 GG angezeigt. Denn die Versagung der Akteneinsicht durch das Finanzgericht verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (2). Auf die übrigen Rügen kommt es daneben nicht mehr an (3).
1. Die Verfassungsbeschwerde ist nur teilweise zulässig.
a) Soweit die Beschwerdeführer mit ihrer Verfassungsbeschwerde den Grundsteuerbescheid und die Widerspruchsentscheidung der Stadt Mülheim an der Ruhr, das Urteil des Verwaltungsgerichts und den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts angreifen, ist die Verfassungsbeschwerde wegen Verfristung unzulässig und nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Beschwerdeführer haben die Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG nicht eingehalten. Die letztinstanzliche Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts wurde dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführer am 3. Juli 2008 zugestellt. Die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde ging erst am 19. Dezember 2008 beim Bundesverfassungsgericht ein. Wiedereinsetzungsgründe sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
b) Soweit die Beschwerdeführer sich gegen den Beschluss des Bundesfinanzhofs und die vorangegangenen Entscheidungen zur Einheitsbewertung wenden, ist die Verfassungsbeschwerde ebenfalls nur zum Teil zulässig. Dies ist der Fall, soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG durch die Versagung der Akteneinsicht beanstanden (aa). Die Rüge mehrfacher Grundrechtsverletzungen durch das System der Einheitsbewertung ist hingegen nach dem Grundsatz der materiellen Subsidiarität unzulässig (bb), die weiteren geltend gemachten Grundrechtsverletzungen sind nicht hinreichend substantiiert begründet (cc).
aa) Die Rüge der Verletzung prozessualer Grundrechte durch die Versagung der Akteneinsicht haben die Beschwerdeführer innerhalb der Verfassungsbeschwerdefrist erhoben. Die angefochtene Entscheidung des Bundesfinanzhofs wurde den Beschwerdeführern am 27. November 2008 zugestellt. Die mit ordnungsgemäßer Vertretungsvollmacht versehene Beschwerdeschrift ging am 19. Dezember 2008 beim Bundesverfassungsgericht ein.
Der Verfassungsbeschwerde steht insoweit nicht der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Die Beschwerdeführer haben den Rechtsweg ordnungsgemäß ausgeschöpft. Soweit sie eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs durch die Entscheidung des Finanzgerichts rügen, weil dieses ihnen keine vollständige Akteneinsicht gewährt habe, kann ihnen nicht entgegengehalten werden, sie hätten einen Antrag auf Berichtigung des Protokolls der mündlichen Verhandlung beim Finanzgericht stellen müssen. Weder aus dem Unterlassen eines solchen Protokollberichtigungsantrags noch aus dem sonstigen prozessualen Verhalten der Beschwerdeführer kann auf einen entsprechenden Rügeverzicht geschlossen werden. Dies wird zum einen aus den die mündliche Verhandlung vorbereitenden Schriftsätzen der Beschwerdeführer deutlich. In ihnen haben sie mehrfach schriftlich die Gewährung von Akteneinsicht beantragt und die fehlende Entscheidung des Finanzgerichts darüber gerügt. Die Beschwerdeführer bringen zum anderen unwidersprochen vor, das Gericht habe in der mündlichen Verhandlung zugesagt, im Urteil über den Antrag auf Akteneinsicht zu entscheiden. Dies hat das Finanzgericht ausweislich der Urteilsgründe auch getan. Es ist daher hinreichend belegt, dass die Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren bis zuletzt auf Akteneinsicht bestanden und jedenfalls nicht auf eine entsprechende Rüge verzichtet haben (näher dazu s. unter IV. 2. b.).
bb) Soweit sich die Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde gegen die Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung insgesamt wenden, ist ihnen dieser Einwand nach dem Grundsatz der materiellen Subsidiarität verwehrt. Die Beschwerdeführer haben die Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung zwar vor dem Finanzgericht geltend gemacht, diese Rüge aber im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesfinanzhof nicht mehr weiter verfolgt.
(1) Der Grundsatz der Subsidiarität fordert, dass ein Beschwerdeführer über das Gebot der Rechtswegerschöpfung im engeren Sinn hinaus die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur des geltend gemachten Verfassungsverstoßes zu erreichen oder diesen zu verhindern (vgl. BVerfGE 73, 322 ≪325≫; 77, 381 ≪401≫; 81, 22 ≪27≫; 86, 15 ≪22≫; 95, 163 ≪171≫; stRspr). Er ist durch das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs aber nicht verpflichtet, bereits das fachgerichtliche Verfahren auch als „Verfassungsprozess” zu führen (vgl. BVerfGE 112, 50 ≪61≫). Etwas anderes kann jedoch insbesondere dann gelten, wenn der Erfolg eines Rechtsmittels, wie etwa der revisionsrechtlichen Nichtzulassungsbeschwerde, von der Darlegung auch verfassungsrechtlicher Grundsatzfragen abhängt (vgl. BVerfGE 112, 50 ≪62 f.≫).
(2) Soweit sich die Beschwerdeführer gegen die Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung wenden, haben sie sich im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzhof darauf nicht berufen und insbesondere ihren Vortrag zum Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht hierauf gestützt. Zwar haben sich die Beschwerdeführer noch im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Finanzgericht wiederholt umfangreich zur angeblichen Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung geäußert und insoweit eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht angeregt. Im Verfahren vor dem Bundesfinanzhof haben sie daran aber nicht mehr festgehalten. Eine entsprechend begründete Rüge fehlt in ihrem Beschwerdevorbringen. Im Hinblick auf die im Schrifttum in erheblichem Umfang geäußerten verfassungsrechtlichen Zweifel an der Einheitsbewertung (vgl. u.a. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 13 Rn. 210; Kühnold/Stöckel, NWB 2007, S. 3873 ff. ≪3878 ff.≫) kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Bundesfinanzhof auf ein entsprechendes Vorbringen die Revision zugelassen hätte. Es entspricht den dem Grundgesetz zugrunde liegenden Vorstellungen über die Verteilung der Aufgaben von Fachgerichtsbarkeit und Verfassungsgerichtsbarkeit bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 112, 50 ≪62 f.≫), auch für die Beantwortung der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung zunächst eine Auseinandersetzung der Fachgerichte und hier insbesondere des Bundesfinanzhofs mit den einfach – wie auch den verfassungsrechtlichen Aspekten des Falles zu erreichen.
cc) Soweit die Beschwerdeführer Verletzungen von Art. 3 Abs. 1 – insbesondere im Hinblick auf Ertragswert- und Sachwertverfahren –, Art. 6 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG rügen, ist ihr Vorbringen nicht hinreichend substantiiert und entspricht nicht den Darlegungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG.
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde und die Aufhebung des Urteils des Finanzgerichts Düsseldorf ist zur Durchsetzung des als verletzt gerügten Grundrechts der Beschwerdeführer aus Art. 103 Abs. 1 GG angezeigt, soweit sich die Beschwerdeführer gegen die Entscheidung des Finanzgerichts wenden. Der Beschluss des Bundesfinanzhofs wird damit gegenstandslos.
Das Finanzgericht hat den Anspruch der Beschwerdeführer auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, indem es den Beschwerdeführern trotz ihres Antrags keine Akteneinsicht gewährt hat (a). Dieser Verfassungsverstoß ist auch nicht wegen Rügeverzichts unbeachtlich (b). Das Urteil des Finanzgerichts beruht auch auf dem Verfassungsverstoß (c).
a) Durch die Verweigerung der vollständigen Akteneinsicht hat das Finanzgericht Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
aa) Das Gebot rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet ein Gericht nicht nur, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, sondern auch, die Beteiligten über die entscheidungserheblichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zu informieren. Eine Art. 103 Abs. 1 GG genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass die Verfahrensbeteiligten zu erkennen vermögen, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Sie müssen sich bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt über den gesamten Verfahrensstoff informieren können (BVerfGE 89, 28 ≪35≫ m. w. N.). Das Gebot rechtlichen Gehörs sichert daher den Beteiligten ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten im Prozess selbstbestimmt und situationsspezifisch gestalten können (vgl. BVerfGE 81, 123 ≪129≫). Zum Recht auf rechtliches Gehör gehört daher auch die Möglichkeit der Akteneinsicht (vgl. BVerfGK 7, 205 ≪212≫; vgl. im Schrifttum u. a. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl., Art. 103, Rn. 15; Koch, in: Gräber, FGO, 6. Aufl. 2006, § 78 Rn. 1a).
Dies gilt auch für das Recht auf Akteneinsicht im finanzgerichtlichen Verfahren nach § 78 FGO. Dieses ist sowohl Ausfluss des Anspruchs der Prozessbeteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs als auch Ausdruck eines das gesamte Prozessrecht beherrschenden Grundsatzes, dass die Beteiligten alle tatsächlichen Grundlagen, die das Gericht seiner Entscheidung zugrunde legt, vorher kennen sollen und zur Kenntnis nehmen dürfen. § 78 FGO dient damit auch der Waffengleichheit der Beteiligten und damit dem umfassenden Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG (Thürmer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO/FGO, § 78 FGO Rn. 17 ≪Juni 2007≫; Koch, in: Gräber, a.a.O. Rn. 1a).
Das Akteneinsichtsrecht ist im finanzgerichtlichen Verfahren von besonderer Bedeutung. Die Steuerpflichtigen haben – mangels entsprechender Regelung in der Abgabenordnung – regelmäßig erst im Prozess Gelegenheit, unabhängig von einer Ermessensentscheidung des Finanzamts, die (Steuer-) Akten einzusehen. Denn im Verwaltungsverfahren beim Finanzamt besteht kein Anspruch auf Einsicht in die Steuerakten. Eine Entscheidung darüber liegt vielmehr im Ermessen des Finanzamts (vgl. Thürmer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., Rn. 18 ≪Juni 2007≫; Koch, in: Gräber a.a.O. Rn. 1a). Das Akteneinsichtsrecht erstreckt sich dabei auf alle dem Gericht in der konkreten Streitsache vorliegenden Akten. Die Einsicht in diese Akten kann das Gericht auch dann nicht verweigern, wenn deren Inhalt seiner Auffassung nach keine Bedeutung hat. Denn über den Beweiswert vorgelegter Akten kann und darf es sich erst dann ein abschließendes Urteil bilden, wenn die Beteiligten Gelegenheit hatten, sich zu deren Inhalt zu äußern (vgl. Thürmer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., Rn. 40 m.w.N. ≪Juni 2007≫).
§ 78 FGO gewährt die Akteneinsicht ohne Begrenzungen hinsichtlich des gesamten Akteninhalts. Eine Akteneinsicht kann daher nur verweigert werden, wenn sich aus § 78 Abs. 3 FGO oder der Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses oder unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes Einschränkungen ergeben (vgl. Koch, in: Gräber, a.a.O., Rn. 4; Thürmer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O. Rn. 15 ≪Juni 2007≫). So ist auch im Rahmen der Akteneinsicht das Steuergeheimnis nach § 30 AO zu wahren. Vorgänge, die am Verfahren unbeteiligte Dritte betreffen, sind – soweit möglich – zu entfernen oder durch andere geeignete Maßnahmen von der Einsichtnahme auszuschließen. Ebenfalls ist nach § 78 Abs. 3 FGO keine Akteneinsicht in Voten und Entwürfe zu Urteilen und Beschlüssen zu gewähren (Thürmer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O. Rn. 80 und 110 ≪Juni 2007≫).
bb) Nach diesen Maßstäben verletzt die angegriffene Entscheidung des Finanzgerichts Art. 103 Abs. 1 GG.
(1) Die Beschwerdeführer konnten die von den Finanzgerichten für ihre Entscheidungen herangezogenen Bewertungsakten nicht vollständig einsehen. Den Beschwerdeführern wurde seitens des Finanzgerichts die Akteneinsicht in Bl. 1 bis 13 der Einheitswertakte mit der Begründung verweigert, auf diese Aktenteile komme es nicht entscheidungserheblich an. Zu diesen Aktenteilen konnten die Beschwerdeführer sich mithin nicht äußern. Daher konnten sie nicht überprüfen, ob die dort enthaltenen Aktenteile wirklich entscheidungserheblich sind oder nicht und ob die vom Finanzgericht hinsichtlich der Entscheidungserheblichkeit vorgenommene Würdigung zutreffend ist. Ebenso konnten die Beschwerdeführer nicht feststellen, ob sich in Bl. 1 bis 13 der Bewertungsakte Unterlagen befinden, die ihnen ergänzenden Vortrag ermöglicht und ihrer Klage gegebenenfalls Erfolgsaussichten verschafft hätten.
(2) Prozessrechtliche Gründe, die es gerechtfertigt hätten, den Beschwerdeführern die Akteneinsicht teilweise zu verweigern, werden von den Finanzgerichten nicht aufgeführt. Dass hier das Steuergeheimnis eines Dritten der Einsichtnahme entgegensteht, wird weder vom Finanzgericht noch vom Bundesfinanzhof dargelegt. Ein Fall des § 78 Abs. 3 FGO (Einsichtnahme in Voten und Urteilsentwürfe) ist ersichtlich nicht gegeben. Ein tragfähiger Grund, den Beschwerdeführern die Akteneinsicht in Bl. 1 bis 13 der Bewertungsakte zu verweigern, war danach im fachgerichtlichen Verfahren nicht erkennbar. Die Verweigerung der vollständigen Akteneinsicht durch das Finanzgericht verletzt daher das rechtliche Gehör der Beschwerdeführer.
b) Der Gehörsverstoß ist auch nicht durch Rügeverzicht unbeachtlich geworden. Soweit der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung von einem Rügeverzicht ausgeht, überspannt er die prozessualen Obliegenheitsanforderungen an die im Termin nicht sachkundig vertretenen Beschwerdeführer.
aa) Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dann nicht mehr gerügt werden, wenn ein fachkundig vertretener Steuerpflichtiger von seinem Recht auf Akteneinsicht keinen Gebrauch macht oder auf dieses verzichtet. Ein Verzicht liegt auch dann vor, wenn ein fachkundig vertretener Steuerpflichtiger die Versagung der Akteneinsicht in der letzten mündlichen Verhandlung nicht rügt. Denn ein verzichtbarer Verfahrensmangel wie die Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht kann nicht mehr als Gehörsverstoß gerügt werden, wenn der Beteiligte darauf verzichtet hat (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO). Das Rügerecht geht bei solchen Verfahrensmängeln nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung verloren, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge. Ein Verzichtswille ist dafür nicht erforderlich. Diese Folge wird vom Bundesfinanzhof allerdings nur für den Fall des sachkundig vertretenen Klägers angenommen (BFH, Beschlüsse vom 29. Oktober 2004 – XI B 213/02 –, BFH/NV 2005, S. 566 unter II.1.a bis c der Gründe; vom 27. September 2007 – IX B 19/07 –, BFH/NV 2008, S. 27 unter 3. der Gründe; so auch Thürmer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O. Rn. 172 ≪Juni 2007≫).
Erkennt ein Prozessbeteiligter, dass das Gericht seinen Antrag auf Akteneinsicht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung unberücksichtigt lässt, darf er nicht untätig bleiben. Vielmehr muss er das Übergehen seines Antrags rügen und dem Gericht Gelegenheit geben, zu dem Versäumnis Stellung zu nehmen und den Antrag zu bescheiden (BFH, Beschluss vom 29. Oktober 2004 – XI B 213/02 –, a.a.O.; Urteil vom 27. Juni 2006 – VII R 34/05 –, BFH/NV 2006, S. 2024 unter II. 1 der Gründe).
bb) Diese fachprozessualen Grundsätze zum Rügeverzicht sind von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Sie dürfen allerdings nicht in einer Weise zur Anwendung gebracht werden, die den durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten effektiven Rechtsschutz des Bürgers oder, sofern es wie hier beim Recht auf Akteneinsicht auch um ein aus Art. 103 Abs. 1 GG fließendes Verfahrensrecht geht, dessen Anspruch auf rechtliches Gehör durch überzogene Rügeanforderungen entwerten oder unangemessen einschränken. Gemessen hieran durfte der Bundesfinanzhof einen – auch nur konkludenten – Rügeverzicht bei den Beschwerdeführern hier nicht annehmen.
Die Beschwerdeführer waren im finanzgerichtlichen Verfahren nicht anwaltlich vertreten. Zudem deuteten bereits die wiederholten schriftsätzlichen Anträge darauf hin, dass ein Rügeverzicht im Hinblick auf die Versagung der Akteneinsicht von den Beschwerdeführern nicht gewollt war. Vor allem aber zeigt der Umstand, dass das Finanzgericht sich in Tatbestand und Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils mit dem Antrag auf Akteneinsicht befasst hat, dass es selbst nicht von einem Antragsverzicht ausgegangen ist. Dies belegt im Gegenteil den Vortrag der Beschwerdeführer, dass sie auch in der mündlichen Verhandlung noch auf der Akteneinsicht bestanden hätten. Den Beschwerdeführern bei dieser Sachlage das Versäumen eines Protokollberichtungsantrags mit der Folge eines konkludenten Rügeverzichts entgegenzuhalten, überspannt die Anforderungen an die prozessualen Sorgfaltspflichten des Bürgers und erschwert ihnen hier die Wahrung ihres rechtlichen Gehörs in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise.
c) Die angefochtene Entscheidung des Finanzgerichts beruht auch auf dem Gehörsverstoß. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass nach einer Einsichtnahme in Bl. 1 bis 13 der Bewertungsakte die Beschwerdeführer ergänzende Tatsachen hätten vortragen können, die das Finanzgericht zu einer geänderten Beurteilung des Falls veranlasst hätten. Ob die Bl. 1 bis 13 der Bewertungsakte tatsächlich entscheidungserheblich sind – wie die Beschwerdeführer geltend machen – oder ob dies nicht der Fall ist – wie das beklagte Finanzamt und das Finanzgericht behaupten –, kann im Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht entschieden werden. Denn die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts sowie die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind allein Sache der dafür zuständigen Fachgerichte und damit der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen (BVerfGE 18, 85 ≪92≫; 113, 88 ≪103≫; stRspr).
3. Da das Urteil des Finanzgerichts wegen der Verletzung des rechtlichen Gehörs aufzuheben ist, bedarf es keiner Entscheidung, ob es, soweit es zulässig mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen wird, die Beschwerdeführer auch in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzt. Auf die diesbezügliche Rüge kommt es nicht mehr entscheidungserheblich an.
4. Das Urteil des Finanzgerichts ist danach aufzuheben und die Sache an das Finanzgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BVerfGG). Der Beschluss des Bundesfinanzhofs über die Nichtzulassungsbeschwerde wird damit gegenstandslos ohne dass es einer Entscheidung darüber bedarf, ob er seinerseits dadurch Verfahrensgrundrechte der Beschwerdeführer verletzt hat, dass er einen Rügeverzicht im Hinblick auf die versagte Akteneinsicht angenommen hat, oder dadurch dass er es trotz Verfahrensrüge nicht beanstandet hat, dass das Finanzgericht kein Zwischenverfahren über die Berechtigung der Akteneinsichtsverweigerung durchgeführt hatte.
Die Entscheidungen über die Festsetzung des Gegenstandwerts und der Auslagenerstattung beruhen auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Unterschriften
Kirchhof, Eichberger, Masing
Fundstellen
Haufe-Index 2337127 |
BFH/NV 2010, 1403 |