Entscheidungsstichwort (Thema)
Religionsgemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Religionsgemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts werden will (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV), muss rechtstreu sein.
- Sie muss die Gewähr dafür bieten, dass sie das geltende Recht beachten, insbesondere die ihr übertragene Hoheitsgewalt nur in Einklang mit den verfassungsrechtlichen und sonstigen gesetzlichen Bindungen ausüben wird.
- Sie muss außerdem die Gewähr dafür bieten, dass ihr künftiges Verhalten die in Art. 79 Abs. 3 GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien, die dem staatlichen Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des freiheitlichen Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes nicht gefährdet.
2. Eine darüber hinausgehende Loyalität zum Staat verlangt das Grundgesetz nicht.
Beteiligte
der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland e. V. |
Rechtsanwalt Prof. Dr. Hermann Weber |
Der Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur |
Rechtsanwälte Dr. Karlheinz Knauthe und Koll. |
Verfahrensgang
Tenor
1. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 11.96 – verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Recht aus Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 5 Satz 2 der Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919. Es wird aufgehoben.
Die Sache wird an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen.
2. Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Voraussetzungen, unter denen eine Religionsgemeinschaft nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 der Verfassung vom 11. August 1919 (Weimarer Reichsverfassung, im Folgenden: WRV) den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erlangen kann.
I.
1. Art. 140 GG erklärt die Art. 136 bis 139 und 141 WRV zu Bestandteilen des Grundgesetzes. Nach Art. 137 Abs. 5 Satz 1 WRV behalten die Religionsgesellschaften, die bereits vor Erlass der Weimarer Reichsverfassung Körperschaften des öffentlichen Rechts waren, diesen Status. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV bestimmt, dass anderen Religionsgesellschaften dieser Status auf ihren Antrag hin zu verleihen ist, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten.
2. Der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts vermittelt eine Reihe öffentlich-rechtlicher Befugnisse.
Nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 6 WRV sind die korporierten Religionsgemeinschaften berechtigt, von ihren Mitgliedern Steuern zu erheben. Die Organisationsgewalt gibt ihnen die Befugnis, öffentlich-rechtliche Untergliederungen und andere Institutionen mit Rechtsfähigkeit zu bilden.
Aufgrund ihrer Dienstherrenfähigkeit können sie öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse begründen. Sie können eigenes Recht setzen und durch Widmung kirchliche öffentliche Sachen schaffen. Das Parochialrecht gibt der Religionsgemeinschaft die Befugnis, die Zugehörigkeit eines Mitglieds zu einer Gemeinde allein von der Wohnsitznahme abhängig zu machen.
Der Gesetzgeber hat mit dem Körperschaftsstatus für Religionsgemeinschaften eine Vielzahl von Einzelbegünstigungen verbunden (sog. „Privilegienbündel”). Zu ihnen gehören beispielsweise steuerliche Begünstigungen (§ 54 AO, § 13 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG, § 3 Abs. 1 Nr. 4 GrStG, § 2 Abs. 3 und § 4 a UStG), der Vollstreckungsschutz nach § 882 a ZPO und § 17 VwVG, die in § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 6 BauGB angeordnete bauplanungsrechtliche Rücksichtnahme auf die Erfordernisse der korporierten Religionsgemeinschaften, die institutionelle Absicherung der Zusammenarbeit der Sozialhilfeträger mit den korporierten Religionsgemeinschaften in § 10 BSHG und ihre Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe durch § 75 Abs. 3 SGB VIII.
3. Neben den nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Satz 1 WRV geborenen Körperschaften haben viele, auch kleinere, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften den Korporationsstatus nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV erworben. Zu ihnen gehören etwa die Alt-Katholische Kirche, der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten), der Bund freier evangelischer Gemeinden, der Bund freikirchlicher Pfingstgemeinden, der Bund freireligiöser Gemeinden, der Bund für Geistesfreiheit in Bayern, die Christengemeinschaft, die Christliche Wissenschaft, die Dänische Seemannskirche in Hamburg, die Deutschen Unitarier, die Europäisch-Festländische Brüder-Unität (Herrnhuter Brüdergemeine), die Evangelisch-Bischöfliche Gemeinde in Hamburg, die Evangelisch-Methodistische Kirche, die Französische Kirche zu Berlin (Hugenottenkirche), die Freigeistige Landesgemeinschaft Nordrhein-Westfalen, die Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten, die Heilsarmee in Deutschland, die Johannische Kirche in Berlin, die Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage (Mormonen), die Neuapostolische Kirche, die Russisch-Orthodoxe Kirche (Moskauer Patriarchat), die Russisch-Orthodoxe Metropolie von Deutschland, die Vereinigung der Mennoniten-Gemeinden oder die Wallonisch-Niederländische Gemeinde Hanau.
II.
1. a) Die Zeugen Jehovas sind – zunächst unter der Bezeichnung „Bibelforscher” – seit Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland aktiv. Als „Internationale Bibelforscher-Vereinigung” wurde die Gemeinschaft 1927 als Verein im Vereinsregister des Amtsgerichts Magdeburg eingetragen. Unter dem Nationalsozialismus wurden die Zeugen Jehovas verfolgt und verboten; die Eintragung wurde gelöscht. 1945 erfolgte eine vereinsrechtliche Neugründung mit Eintragung wiederum beim Amtsgericht Magdeburg. 1950 wurde dieser Verein erneut, nun durch das Innenministerium der DDR, verboten. Daraufhin konstituierte sich die Gemeinschaft für den Bereich der damaligen Bundesrepublik unter dem Namen „Wachtturm Bibel- und Traktatgesellschaft, Deutscher Zweig e. V.” mit Sitz in Selters/Taunus.
b) Beschwerdeführerin ist die „Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland e. V.”. Sie hat ihren Sitz in Berlin und ist aus der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in der DDR hervorgegangen. Diesen, den „Zeugen Jehovas in der DDR”, hat der Ministerrat der DDR, Amt für Kirchenfragen, auf Antrag mit Urkunde vom 14. März 1990 die „staatliche Anerkennung” ausgesprochen.
c) Im Laufe des Verfassungsbeschwerde-Verfahrens haben die Zeugen Jehovas ihre rechtliche Organisation in Deutschland verändert. Der Tätigkeitsbereich der Beschwerdeführerin wurde auf ganz Deutschland erweitert und diese am 14. Oktober 1999 in das Vereinsregister beim Amtsgericht Charlottenburg in Berlin eingetragen. Sie ist nunmehr die geistliche aufsichtsführende Körperschaft aller Zeugen Jehovas in Deutschland.
2. a) Mit Schreiben vom 23. Oktober 1990 bat die Beschwerdeführerin den Magistrat und Senat von Berlin um Bestätigung ihrer Rechtsstellung als Körperschaft des öffentlichen Rechts und verwies auf die Urkunde des Ministerrats der DDR vom 14. März 1990. Am 8. April 1991 beantragte sie zudem vorsorglich die Verleihung der Körperschaftsrechte gemäß Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV.
b) Mit Bescheid vom 20. April 1993 hat das Land Berlin, Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten, die Anträge abgewiesen. Die vom Ministerrat der DDR ausgesprochene Anerkennung sei keine Verleihung des Körperschaftsstatus gewesen. Ein Anspruch auf Verleihung der Körperschaftsrechte nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV bestehe nicht. Dieser Anspruch setze ein positives, zumindest nicht distanziertablehnendes, Grundverhältnis der Beschwerdeführerin zum Staat voraus. Außerdem müsse sie die zum Kernbestand des Grundgesetzes zählenden Normen des Demokratie- und des Toleranzprinzips bejahen.
Zu beobachten sei bereits ein strukturell negatives Grundverständnis gegenüber dem Staat. Auch gebe es Zweifel hinsichtlich des Toleranzgebots. So werde, geleitet von einem religiösen Ausschließlichkeitsanspruch im Verhältnis zu anderen Religionsgemeinschaften, jede Form des Miteinanders abgelehnt.
Entscheidend sei, dass die Beschwerdeführerin das aktive wie das passive Wahlrecht ablehne und lediglich die Mitgliedschaft in Berufsvertretungen zulasse. Auch habe offenbar keines ihrer Mitglieder Sitz und Stimme in einem Kommunal- oder Landesparlament. Die Teilnahme an der politischen Willensbildung durch Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts gehöre aber zu den elementaren Prinzipien der demokratischen Grundordnung. Die generelle Ablehnung einer Mitwirkung am Prozess der politischen Willensbildung sei nicht mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts vereinbar.
3. a) Mit ihrer Klage zum Verwaltungsgericht Berlin beantragte die Beschwerdeführerin festzustellen, dass sie eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sei, hilfsweise, das Land Berlin zu verpflichten, ihr die Rechtsstellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen.
b) Das Verwaltungsgericht Berlin hat mit Urteil vom 25. Oktober 1993 (NVwZ 1994, S. 609 ff.) den Hauptantrag abgewiesen und dem Hilfsantrag stattgegeben.
Die Voraussetzungen für eine Verleihung der Korporationsrechte gemäß Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV seien gegeben. Die Beschwerdeführerin erfülle alle Merkmale einer Religionsgemeinschaft. Die Dauerhaftigkeit ihrer Existenz sei unzweifelhaft.
Ebenso sei die weitere, ungeschriebene, Verleihensvoraussetzung der „Rechtstreue” bzw. der „uneingeschränkten Achtung der Rechtsordnung” erfüllt. Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin bei der Ausübung ihrer Rechtsstellung als Körperschaft im außerkirchlichen Bereich nicht die Gewähr der Rechtmäßigkeit ihrer Handlungen biete oder dem Staat aktiven Widerstand leisten werde – was allein die Versagung der Verleihung von Körperschaftsrechten begründen könne –, seien nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich. Angesichts des Umstands, dass die Beschwerdeführerin als mitgliederstarke Religionsgemeinschaft jahrzehntelang – mit Ausnahme von Verboten und Verfolgungen während der nationalsozialistischen und der kommunistischen Gewaltherrschaft – in der demokratischen Gesellschaft unbeanstandet tätig sei, müsse man davon ausgehen, dass es verfassungsfeindliche Bestrebungen und gesetzeswidrige Verhaltensweisen nicht gebe.
Die Annahme, eine Religionsgemeinschaft mit Korporationsstatus müsse in Bezug auf das Toleranz- und das Demokratiegebot ein Mindestmaß an Bejahung erkennen lassen, verkenne die Besonderheit des Körperschaftsbegriffs i. S. d. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV. Dieser sei nicht im allgemeinen staatsorganisationsrechtlichen Sinn zu verstehen. Er sei lediglich ein Hilfsbegriff, der die Zuerkennung eines öffentlichen, besonderen, nichtstaatlichen Status und damit die herausgehobene gesellschaftliche Bedeutung bestimmter Kirchen und Religionsgemeinschaften unterstreichen solle.
Ihre Einstellung zum Staat und zu staatlichen Wahlen könne der Beschwerdeführerin nicht entgegen gehalten werden.
Sie beruhe auf religiösen Überzeugungen, die zu bewerten dem Staat auch dann versagt sei, wenn ihre Auswirkungen in den öffentlichen Bereich hineinwirkten. Die Beschwerdeführerin überschreite auch die der Religionsfreiheit gezogenen Grenzen nicht, weil es jedem Mitglied freistehe, sein Recht zur Teilnahme an der politischen Willensbildung dennoch wahrzunehmen.
Auch die an das Toleranzgebot anknüpfende Begründung, die Beschwerdeführerin lehne im Verhältnis zu anderen Religionsgemeinschaften jede Form des Miteinanders ab, verkenne Bedeutung und Tragweite des Art. 4 GG. Anders als der Staat seien Kirchen und Religionsgemeinschaften nicht zur Toleranz verpflichtet. Auch bestünde keine Pflicht zur Zusammenarbeit mit anderen Religionsgemeinschaften.
Ob die Beschwerdeführerin organisatorisch eine „demokratische Binnenstruktur” habe, sei unbeachtlich. Die innere Organisation einer Religionsgemeinschaft entspringe dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht. Der Einfluss der Religionsgemeinschaft auf ihre Mitglieder unterliege ebenfalls ihrer autonomen Gestaltung, sofern gewährleistet sei, dass die Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhe. Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin dieses Gebot der Freiwilligkeit missachte, seien weder vorgetragen noch ersichtlich.
4. Mit Urteil vom 14. Dezember 1995 hat das Oberverwaltungsgericht Berlin (NVwZ 1996, S. 478 ff.) die Berufungen der Beschwerdeführerin und des Landes Berlin zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin besitze den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht, könne aber dessen Verleihung durch das Land Berlin beanspruchen.
Die seit nahezu 100 Jahren auf vereinsrechtlicher Basis tätigen Zeugen Jehovas böten sowohl nach ihren Statuten und ihren Vermögensverhältnissen als auch nach der Zahl ihrer Mitglieder die erforderliche Gewähr der Dauer. Die ungeschriebene Voraussetzung der „Rechtstreue” sei ebenfalls erfüllt. Dass die Beschwerdeführerin bei der Ausübung ihr zuerkannter Körperschaftsrechte nicht die Gewähr der Rechtmäßigkeit ihrer Handlungen biete oder dem Staat in kämpferischer Form aktiven Widerstand leisten werde, sei nicht zu erkennen.
Darüber hinausgehende Forderungen ließen sich nicht aus dem Begriff oder der Bedeutung des Körperschaftsstatus i. S. d. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV herleiten. Die Verpflichtung des Staates zu strikter religiöser und weltanschaulicher Neutralität lasse sich nicht durch einen Rückgriff auf das Demokratieprinzip in Frage stellen. Die Vorwürfe, mit denen die Versagung der Körperschaftsrechte begründet würden, beträfen im Wesentlichen Verhaltensweisen, die nach dem Selbstverständnis der Beschwerdeführerin ihrem elementaren geistig-religiösen Auftrag entsprächen, im staatlichen Zuständigkeitsbereich keine unmittelbaren Rechtswirkungen entfalteten und sich staatlicher Bewertung deshalb von vornherein entzögen. Der Appell zur umfassenden Wahlenthaltung beruhe auf dem religiösen Selbstverständnis der Beschwerdeführerin und sei nicht von der Zielsetzung getragen, das staatliche Demokratieprinzip als solches in Frage zu stellen oder zu beseitigen.
5. Auf die wegen des Hilfsantrags zugelassene Revision des Landes Berlin hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 26. Juni 1997 (BVerwGE 105, 117 ff.) die Urteile des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben, soweit sie das Land Berlin verpflichteten, der Beschwerdeführerin die Rechtsstellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts im Land Berlin zu verleihen, und die Klage der Beschwerdeführerin abgewiesen.
a) Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Anerkennung die ihr zuerkannten Hoheitsrechte nicht im Einklang mit dem einschlägigen Recht ausüben würde, seien nicht zu sehen.
b) Dem Einwand, die Beschwerdeführerin praktiziere ein Zwangssystem, das der Wertordnung des Grundgesetzes widerspreche, sei entgegenzuhalten, dass die Verfassung den Religionsgemeinschaften kein Demokratiemodell vorschreibe.
Vielmehr sei auch die Herausbildung hierarchischer oder autoritärer Organisationsstrukturen verfassungsrechtlich geschützt.
c) Ob die Beschwerdeführerin die Voraussetzung der „Rechtstreue” erfülle, ob insbesondere die weiteren Vorwürfe – sie halte austrittswillige Mitglieder zwangsweise oder sonst mit unlauteren Mitteln in ihrer Gemeinschaft fest und beeinträchtige durch ihre Erziehungsgrundsätze und –praktiken das Kindeswohl – berechtigt seien, könne dahinstehen, weil der Anspruch auf Verleihung der Korporationsrechte an einem anderen, durch den Sinn und Zweck des Korporationsstatus vorgegebenen, Grund scheitere:
d) Von einer Religionsgemeinschaft, die mit ihrem Antrag auf Verleihung der Korporationsrechte die Nähe zum Staat suche und dessen spezifische rechtliche Gestaltungsformen und Machtmittel für ihre Zwecke in Anspruch nehmen wolle, könne erwartet werden, dass sie die Grundlagen der staatlichen Existenz nicht prinzipiell in Frage stelle. Die Gemeinschaft sei dem Staatswesen gegenüber zwar grundsätzlich positiv eingestellt, lehne aber prinzipiell die Teilnahme an staatlichen Wahlen ab. Diese Ablehnung sei – ebenso wie die Ablehnung des Wehr- und des Ersatzdienstes – Ausdruck eines strikt zu befolgenden Glaubensgebots. Ein Zeuge Jehovas, der auf der Teilnahme an staatlichen Wahlen beharre, könne nicht in der Glaubensgemeinschaft verbleiben.
Mit dem Verbot der Wahlteilnahme und dem entsprechenden Verhalten ihrer Mitglieder setze sich die Beschwerdeführerin in einen verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Widerspruch zu dem für die staatliche Ordnung im Bund und in den Ländern konstitutiven Demokratieprinzip, das zum unantastbaren Kernbestand der Verfassung gehöre. In dem Umfang, in dem die Beschwerdeführerin auf das Wahlverhalten der Bürger Einfluss nehme oder künftig gewinne, schwäche sie die Legitimationsbasis, auf die der Staat für die Ausübung der Staatsgewalt – einschließlich der Übertragung dieser Gewalt an Private – angewiesen sei.
Der Einwand, in der Bundesrepublik Deutschland bestehe keine Rechtspflicht zur Beteiligung an Parlamentswahlen, verfange nicht. Die Verfassung erlege allen Bürgern die Verantwortung auf, ihr Recht auch tatsächlich auszuüben.
Auch verkenne die Beschwerdeführerin die Bedeutung des Art. 4 GG, wenn sie vortrage, ihre Einstellung zu den Wahlen sei unmittelbarer Ausfluss ihrer grundrechtlich geschützten Religionsfreiheit und dürfe daher nicht mit Rechtsfolgen zu ihren Lasten verknüpft werden. Der durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleistete Freiraum bleibe einer Religionsgemeinschaft nämlich uneingeschränkt erhalten, gleichgültig ob sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt sei oder nicht.
III.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung der Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3, Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG i. V. m. Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV.
1. Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig. Sie könne zwar nicht unmittelbar auf die Verletzung des Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV gestützt werden. Die Beschwerdeführerin könne aber eine Verletzung von Art. 4 GG rügen. Die Verleihung der Rechtsform sei eine besondere Form der „staatlichen Grundrechtssubventionierung”, die in gleicher Weise allen Religionsgemeinschaften, die Träger des Grundrechts aus Art. 4 GG seien, zugute kommen müsse. Es gehöre zum Schutz der religiösen Vereinigungsfreiheit, dass eine Religionsgemeinschaft, wenn sie die Verleihensvoraussetzungen erfülle, frei unter den angebotenen Organisationsformen wählen könne. Im Übrigen sei auch Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als striktes Paritätsgebot verletzt.
2. Die Verfassungsbeschwerde sei auch begründet.
a) Die Beschwerdeführerin erfülle alle ausdrücklich in der Verfassung genannten Verleihensvoraussetzungen. Ihre eschatologische Ausrichtung stelle die Gewähr der Dauer angesichts eines mehr als ein Jahrhundert währenden Bestands nicht in Frage. Im Übrigen gehe die Beschwerdeführerin nach ihrem Selbstverständnis davon aus, dass sie das Ende der Welt überdauern werde. Eine vorgängige Bewährung als eingetragener Verein dürfe nicht verlangt werden. Im Übrigen habe sich die Beschwerdeführerin – abgesehen von den Verbotsperioden der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und des DDR-Unrechtssystems – als privater Verein bewährt. Auf diese Frage komme es außerdem nicht mehr an, nachdem sich die Beschwerdeführerin in das Vereinsregister habe eintragen lassen.
b) Die rechtsschöpferische Konstruktion des Bundesverwaltungsgerichts, über die Anforderung der „Rechtstreue” hinaus eine weitere ungeschriebene Verleihensvoraussetzung zu entwickeln und eine besondere „Staatsloyalität” zu fordern, sei von der Verfassung nicht gedeckt. Zwar werde vertreten, dass zu den Voraussetzungen eines Korporationsstatus nicht nur „Rechtstreue”, sondern auch „Hoheitsfähigkeit”, „Anerkennungswürdigkeit” oder „Dignität” gehörten. Bei genauerer Betrachtung sehe man jedoch, dass diese Begriffe lediglich eine andere Umschreibung des Erfordernisses der „Rechtstreue” seien. Wollte man sie für ein zusätzliches materielles Kriterium halten, so liefe dies auf eine unzulässige Qualitätsprüfung hinaus. Dann würden nämlich inhaltlich-qualitative Anforderungen an die innere Ordnung und an das Bekenntnis der Gemeinschaft eingeführt. Eine solche Qualitätsprüfung sei bereits unter dem Gesichtspunkt der Statusgleichheit aller Religionsgemeinschaften unzulässig. Das Prinzip strikter Parität werde unterlaufen, wenn mit Hilfe einer zusätzlichen, ungeschriebenen, Verleihensvoraussetzung inhaltliche, bekenntnisgebundene, Gesichtspunkte als Abgrenzungskriterien herangezogen würden.
Im Übrigen würde die Beschwerdeführerin auch solche Voraussetzungen erfüllen. Ihr Staatsverständnis, das sich nicht grundlegend von dem anderer christlicher Religionsgemeinschaften, insbesondere dem der großen Kirchen, unterscheide, lasse eine grundsätzliche Akzeptanz der verfassungsrechtlichen Grundordnung erkennen.
c) Mit dem neu entwickelten Kriterium der „Staatsloyalität” verlange das Bundesverwaltungsgericht nicht nur ein grundsätzlich positives Staatsverständnis und die vorbehaltlose Hinnahme der Ergebnisse des demokratischen Prozesses, sondern darüber hinaus die Bejahung aktiver Teilnahme am demokratischen Prozess. Dies schaffe ein Zwei-Klassen-System von Verfassungsreligionsgemeinschaften und Religionsgemeinschaften minderen Status, welches die Legitimation des gesamten Staatskirchenrechts in Frage stellen könne. Der Korporationsstatus aber begründe nicht eine besondere „Nähe zum Staat”, sondern sei Ausdruck staatlicher Grundrechtsförderung. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV enthalte zudem eine strikte Paritätsentscheidung. Diese sei im Zusammenhang mit Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV zu sehen. Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts seien keine Quasi-Staatskirchen. Die Verleihung des Körperschaftsstatus dürfe deswegen nicht von einer spezifischen Bindung an den Staat abhängig gemacht werden.
Die Ablehnung, an Wahlen teilzunehmen, sei im Übrigen nicht Ausdruck mangelnder Loyalität. Da es im Geltungsbereich des Grundgesetzes keine Rechtspflicht zur Beteiligung an Wahlen gebe, bedeute die Verknüpfung des Demokratieprinzips mit dem Gesichtspunkt der „Staatsloyalität” eine unzulässige Umdeutung des Demokratieprinzips: von einem Strukturprinzip der staatlichen Ordnung in eine an die Gesellschaft gerichtete Forderung auf Partizipation.
Soweit die Entscheidung, sich nicht an staatlichen Wahlen zu beteiligen, religiös motiviert sei, sei nicht nur die Propagierung dieser Glaubensüberzeugung, sondern auch deren Praktizierung speziell, nämlich durch Art. 4 GG i. V. m. dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht (Art. 137 Abs. 3 WRV), geschützt. Die Praktizierung dieser Glaubensüberzeugung dokumentiere nicht, dass die Grundlagen staatlicher Existenz prinzipiell in Frage gestellt würden. Wie die Schriften der Zeugen Jehovas belegten, bedeute ihr Verständnis von religiöser Neutralität – mit der Konsequenz der Nichtteilnahme an Wahlen – nicht, dass sie die Wahlen als Grundlage des demokratischen Staates in Zweifel zögen. Die Zeugen Jehovas akzeptierten vielmehr die Ergebnisse demokratischer Wahlen als Grundlage einer staatlichen Obrigkeit, die auch im Lichte ihrer Religion legitim sei.
Im Übrigen weise das Verständnis der Zeugen Jehovas deutliche Parallelen zur protestantischen Glaubensüberzeugung auf. Auch die Haltung der katholischen Kirche, die Inkompatibilitäten hinsichtlich politischer Ämter normiere, sei nur graduell, nicht aber grundsätzlich anders als die Auffassung der Zeugen Jehovas. Man müsse auch beachten, dass die von den Zeugen Jehovas praktizierte „gewisse Weltabkehr” und Zurückhaltung gegenüber jedem Staat die Gemeinschaft vor jeder Verstrickung, insbesondere in die zwei Gewaltherrschaften der jüngeren deutschen Vergangenheit, bewahrt und ihnen zugleich vielfältige Verfolgung eingetragen habe.
IV.
Das Bundesverfassungsgericht hat den Äußerungsberechtigten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
1. Die Bayerische Staatsregierung hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas stelle sich in Widerspruch zur Werteordnung des Grundgesetzes, wenn sie ihre Glaubensmitglieder daran hindere, als mündige Bürger in einem demokratischen Rechtsstaat ihre Rechte und Pflichten wahrzunehmen; ihre Lehre sei von Absolutheitsdenken geprägt und wirke im Gemeinschaftsleben massiv auf einzelne Mitglieder ein.
2. Der Senat von Berlin, vertreten durch die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur, hat seinen Beitritt zum Verfahren erklärt, einen Beschluss der Landesregierung über den Beitritt allerdings trotz Hinweises nicht vorgetragen. Der Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur ist dem Verfahren ebenfalls beigetreten. Sie tragen vor:
- Die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Die staatskirchenrechtlichen Normen seien keine Grundrechte, und dies könne auch nicht durch einen Rückgriff auf Art. 3 bzw. Art. 4 GG kompensiert werden.
- Die Verfassungsbeschwerde sei auch unbegründet.
Der Beschwerdeführerin fehle es an der Fähigkeit zur dauerhaften Kooperation mit dem Staat, weil sie nach ihrem Selbstverständnis nicht auf längere Dauer angelegt sei; sie erwarte nämlich zu einem bestimmbaren, in näherer Zukunft liegenden, Zeitpunkt den Weltuntergang. Der Korporationsstatus setze zudem Erfahrungen und Bewährungen auf der vorangegangenen Rechtsstufe des eingetragenen Vereins voraus. Dies fehle der Beschwerdeführerin.
Es sei ein unüberbrückbarer Wertungswiderspruch, wenn einerseits die Beschwerdeführerin aufgrund staatlicher Privilegierung den Korporationsstatus erlange, andererseits der sie privilegierende Staat selbst mit Recht vor eben dieser Körperschaft warnen dürfe. Im Hinblick auf schwerwiegende Verletzungen im Bereich sozialrechtlicher Schutz- und Fürsorgepflichten, angesichts der grundlegenden Verstöße gegen das Datenschutzrecht sowie die sanktionierte Fremdbestimmung von höchstpersönlichen Gewissensentscheidungen sei dies der Fall.
Der Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, die Zeugen Jehovas achteten den Staat, müsse man widersprechen. Es sei höchst widersprüchlich, einem Staat gänzlich indifferent gegenüberzustehen, ihn als „Werkzeug des Satans” zu begreifen und zugleich von ihm Privilegien zu beanspruchen. Der Begriff „Loyalität” sei möglicherweise nicht glücklich gewählt. In der Sache aber fordere das Bundesverwaltungsgericht keineswegs die Angleichung von Strukturen und Aufgaben oder die Preisgabe von Glaubensinhalten.
Zur Wahrung seiner Legitimationsbasis und Glaubhaftigkeit dürfe der Staat eine Religionsgemeinschaft, die ihm die demokratische Legitimation verweigere, nicht durch Verleihung staatlicher Machtbefugnisse fördern. Dieses Argument mache den Körperschaftsstatus nicht zur Prämie für Staatsnähe.
Es gehe vielmehr um den Schutz elementarer Grundsätze.
Der Körperschaftsstatus sei zu versagen, wenn eine Religionsgemeinschaft grundlegende Verfassungsnormen wie etwa das Demokratieprinzip nachhaltig verletze.
3. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Äußerung des 7. Senats vorgelegt, wonach ein anderes Verfahren mit vergleichbarer Problematik nicht anhängig sei.
4. Für die Bundesregierung hat das Bundesministerium des Innern Stellung genommen. Im Wahlverbot der Beschwerdeführerin zeige sich die Ablehnung des Staates und seiner demokratischen Willensbildung. Das berühre die Lebensprinzipien des freiheitlichen Verfassungsstaates.
Entscheidungsgründe
B.
I.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdeführerin befugt, die Verfassungsbeschwerde zu erheben.
1. Als eine Vereinigung, die sich die Pflege und Förderung eines religiösen Bekenntnisses und die Verkündung des Glaubens ihrer Mitglieder zum Zweck gesetzt hat, ist die Beschwerdeführerin Trägerin des Grundrechts der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Die Grundrechtsträgerschaft ist unabhängig von dem Erwerb der Rechtsfähigkeit als eingetragener Verein des Privatrechts (vgl. BVerfGE 24, 236 ≪247≫; 99, 100 ≪118≫), der erst im Laufe dieses Verfahrens erfolgt ist.
2. Eine Verletzung der in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleisteten Religionsfreiheit ist möglich. Aus der Religionsfreiheit folgt auch der Grundsatz staatlicher Neutralität gegenüber den unterschiedlichen Religionen und Bekenntnissen (BVerfGE 93, 1 ≪16≫). Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Bundesverwaltungsgericht mit seinem Erfordernis einer Loyalität gegenüber dem Staat nicht allein Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV unrichtig ausgelegt und angewendet, sondern zugleich zum Nachteil der Beschwerdeführerin die Grenzen überschritten hat, die dem Staat bei der Bewertung religiöser Lebensäußerungen durch das Gebot der Neutralität gezogen sind.
II.
Der Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur ist dem Verfahren nach § 94 Abs. 5 Satz 1 BVerfGG i. V. m. § 94 Abs. 2 BVerfGG wirksam beigetreten. Der Beitritt des Senats von Berlin ist dagegen unwirksam. Der Beitritt eines kollegialen Verfassungsorgans zu einem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht setzt einen Beschluss des Kollegialorgans voraus (BVerfGE 7, 282 ≪Leitsatz 1., 288 f.≫). Ein solcher Beschluss ist trotz Hinweises nicht vorgetragen worden.
C.
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Das angegriffene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsmäßigen Recht aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV.
I.
Bei der Beurteilung einer zulässigen Verfassungsbeschwerde ist das Bundesverfassungsgericht nicht darauf beschränkt zu prüfen, ob die in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 BVerfGG aufgeführten Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte verletzt sind. Die angegriffene Entscheidung kann vielmehr unter jedem in Betracht kommenden Gesichtspunkt auf ihre verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit hin geprüft werden (stRspr; vgl. BVerfGE 99, 100 ≪119≫). Den verfassungsrechtlichen Maßstab für die Prüfung des Anspruchs einer Religionsgemeinschaft auf Verleihung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts enthält Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV.
II.
1. Als geschriebene Voraussetzung für die Verleihung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verlangt Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV die „Gewähr der Dauer”. Eine Religionsgemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts werden will, muss durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die prognostische Einschätzung stützen, dass sie auch in Zukunft dauerhaft bestehen wird. Grundlage für diese Einschätzung sind der gegenwärtige Mitgliederbestand der Religionsgemeinschaft und ihre Verfassung im Übrigen.
Dabei bezeichnet der Begriff der Verfassung mehr als eine den Erfordernissen des Rechtsverkehrs genügende rechtliche Satzung. „Verfassung” im Kontext des Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV meint auch den tatsächlichen Zustand einer Gemeinschaft, ihre Verfasstheit (allg. Meinung, vgl. etwa A. Frhr. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/v. Campenhausen, GG, Bd. 14, 3. Aufl. 1991, Art. 140 GG/Art. 137 WRV Rn. 150; D. Ehlers, in: Sachs, GG, 2. Aufl. 1999, Art. 140 GG/Art. 137 WRV Rn. 20; H. Weber, Die Verleihung der Körperschaftsrechte an Religionsgemeinschaften, ZevKR 34 ≪1989≫, S. 337, 350). Denn der tatsächliche Gesamtzustand einer Religionsgemeinschaft kann eine aussagekräftige Grundlage für die Einschätzung des künftigen Fortbestehens bieten, um das es nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV vor allem geht. Nach dem Willen der Weimarer Nationalversammlung sollte diese Einschätzung nicht auf ein zufälliges, äußeres Kriterium, sondern auf das „tiefere Moment des Inhalts ihrer Verfassung” gestützt sein (vgl. Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Band 329, S. 2159).
Für die Einschätzung dauerhaften Bestands ist also neben dem Kriterium der Mitgliederzahl der tatsächliche Gesamtzustand der Gemeinschaft zu würdigen. Dafür wurden weitere Indizien benannt: eine ausreichende Finanzausstattung, eine Mindestbestandszeit und die Intensität des religiösen Lebens (vgl. BVerfGE 66, 1 ≪24≫; OVG Berlin, OVGE 10, 105 ≪108 ff.≫, und NVwZ 1996, S. 478, 480; VG München, ZevKR 29 ≪1984≫, S. 628, 630 ff.). Derartige Indizien sind hilfreich, wenn sie nicht schematisch angewendet werden und die von Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV geforderte Gesamteinschätzung nicht stören. Zudem dürfen nicht Umstände in die Beurteilung einfließen, deren Bewertung dem religiös-weltanschaulich neutralen Staat verwehrt ist.
2. Auf dieser Grundlage weckt das Vorbringen des Landes Berlin keine Zweifel an der fachgerichtlichen Einschätzung, die Beschwerdeführerin biete die Gewähr der Dauer.
a) Eine förmliche Voraussetzung des Inhalts, dass sich eine Religionsgemeinschaft, die den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erstrebt, zunächst als eingetragener Verein zu bewähren habe, folgt aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV nicht. Der Körperschaftsstatus kann durchaus eine angemessene Rechtsform auch für solche Religionsgemeinschaften sein, die den Status eines eingetragenen Vereins nicht erlangen können oder wollen, etwa weil ihre innere Struktur und Organisation, wie sie von ihrem religiösen Selbstverständnis gefordert sind, mit Vorgaben des Vereinsrechts in Konflikt liegen (vgl. BVerfGE 83, 341 ≪356 f.≫).
Dass eine Religionsgemeinschaft, die eine Körperschaft des öffentlichen Rechts werden will, noch nicht als eingetragener Verein organisiert ist, kann bei der gebotenen Gesamteinschätzung künftigen Fortbestands nicht mehr als ein Indiz neben anderen sein. Im Fall der Beschwerdeführerin ist dieser Umstand nicht geeignet, die positive fachgerichtliche Einschätzung in Frage zu stellen.
b) Auch der eschatologische Glaube der Beschwerdeführerin steht einer positiven Einschätzung der Gewähr der Dauer nicht entgegen. Ohnehin wäre es dem religiös-weltanschaulich neutralen Staat verwehrt, die Beschwerdeführerin gleichsam beim Wort zu nehmen und ihren dauerhaften Bestand wegen des nach ihrem Glauben bevorstehenden Weltendes zu verneinen. Staatlicher Beurteilung zugänglich wäre allein die Frage, ob es einer Religionsgemeinschaft tatsächlich gelingen könnte, ihren zukünftigen Fortbestand auch in dem Fall zu sichern, dass ein konkret prophezeiter Weltuntergang ausbleibt. Dadurch könnten enttäuschte Mitglieder zum Austritt veranlasst und so der Fortbestand der Religionsgemeinschaft möglicherweise gefährdet werden. Der Beschwerdeführerin jedenfalls kann unter diesem Gesichtspunkt die Gewähr der Dauer nicht abgesprochen werden. Ihr Mitgliederbestand ist unbeeinträchtigt, obwohl mehrmals ein von ihr konkret berechneter Weltuntergang nicht stattgefunden hat.
III.
Für die Verleihung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an eine Religionsgemeinschaft müssen – im Rahmen der Grundwerte der Verfassung – weitere, in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV nicht ausdrücklich genannte, Voraussetzungen erfüllt sein.
1. Art. 140 GG erklärt die Weimarer Kirchenartikel zu Bestandteilen des Grundgesetzes. Ihre Auslegung hat sich nunmehr von den Wertungen des Grundgesetzes leiten zu lassen (BVerfGE 19, 226 ≪236≫; 53, 366 ≪400≫). Insbesondere sind die Weimarer Kirchenartikel Bestandteil des Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes, welches das Grundrecht der Religionsfreiheit ohne Gesetzesvorbehalt in den Katalog unmittelbar verbindlicher Grundrechte übernommen und es so gegenüber der Weimarer Reichsverfassung erheblich verstärkt hat (vgl. BVerfGE 33, 23 ≪30 f.≫). Die Gewährleistungen der Weimarer Kirchenartikel sind funktional auf die Inanspruchnahme und Verwirklichung des Grundrechts der Religionsfreiheit angelegt (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG; vgl. BVerfGE 42, 312 ≪322≫).
2. Im Kontext des Grundgesetzes ist der den Religionsgemeinschaften in Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV angebotene Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ein Mittel zur Entfaltung der Religionsfreiheit (vgl. K. Meyer-Teschendorf, Der Körperschaftsstatus der Kirchen, AöR 103 ≪1978≫, S. 329 ff.; M. Morlok/M. Heinig, Parität im Leistungsstaat – Körperschaftsstatus nur bei Staatsloyalität?, NVwZ 1999, S. 697, 700 f.). Der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts soll die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Religionsgemeinschaften unterstützen. Die Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Status sind in gleichem Umfang grundrechtsfähig wie Religionsgemeinschaften privat-rechtlicher Rechtsform.
Sie stehen dem Staat als Teile der Gesellschaft gegenüber (vgl. BVerfGE 53, 366 ≪387≫; 70, 138 ≪160 f.≫). Dass sie ihre Tätigkeit frei von staatlicher Bevormundung und Einflussnahme entfalten können, schafft die Voraussetzung und den Rahmen, in dem die Religionsgemeinschaften das Ihre zu den Grundlagen von Staat und Gesellschaft beitragen können (vgl. E.-W. Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: Säkularisation und Utopie. Ernst Forsthoff zum 65. Geburtstag, Stuttgart et al. 1967, S. 75, 93; ders., Demokratie als Verfassungsprinzip, in: J. Isensee/P. Kirchhof ≪Hrsg.≫, Handbuch des Staatsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 1995, § 22 Rn. 61 f.).
Damit unterscheiden sich die korporierten Religionsgemeinschaften im religiös-weltanschaulich neutralen Staat des Grundgesetzes, der keine Staatskirche oder Staatsreligion kennt (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV), grundlegend von den Körperschaften des öffentlichen Rechts im verwaltungs- und staatsorganisationsrechtlichen Verständnis. Sie nehmen keine Staatsaufgaben wahr, sind nicht in die Staatsorganisation eingebunden und unterliegen keiner staatlichen Aufsicht (vgl. BVerfGE 18, 385 ≪386≫; 19, 1 ≪5≫; 30, 415 ≪428≫; 42, 312 ≪332≫; 66, 1 ≪19 f.≫).
3. Verglichen mit dem Begriff der öffentlich-rechtlichen Körperschaft im allgemeinen Verständnis hat dieser Begriff im Regelungszusammenhang des Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV nur die Funktion eines „Mantelbegriffs” (BVerfGE 83, 341 ≪357≫). Er ist aber mehr als eine leere Form, weil er den korporierten Religionsgemeinschaften auch eine besondere Rechtsstellung vermittelt, die über diejenige privatrechtlich verfasster Religionsgemeinschaften hinausgeht: Mit dem Körperschaftsstatus werden ihnen bestimmte hoheitliche Befugnisse übertragen, sowohl gegenüber ihren Mitgliedern – etwa beim Besteuerungsrecht und der Dienstherrenfähigkeit – als auch – bei der Widmungsbefugnis – gegenüber Anderen.
Zudem verschafft ihnen das öffentlich-rechtliche Kleid in der Wahrnehmung der Gesellschaft eine besondere Stellung (vgl. A. Frhr. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Aufl. 1996, S. 139 ff.; A. Hollerbach, Grundlagen des Staatskirchenrechts, in: J. Isensee/P. Kirchhof ≪Hrsg.≫, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, 1989, § 138 Rn. 130; P. Kirchhof, Die Kirchen und Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, in: J. Listl/D. Pirson ≪Hrsg.≫, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. I, 2. Aufl. 1994, § 22, S. 651 ff.). Diese Vergünstigungen erleichtern es der Religionsgemeinschaft, ihre Organisation und ihr Wirken nach den Grundsätzen ihres religiösen Selbstverständnisses zu gestalten und die hierfür erforderlichen Ressourcen, etwa in Form finanzieller Mittel, zu erlangen.
Die Vergünstigungen bewirken mit erhöhten Einflussmöglichkeiten aber auch die erhöhte Gefahr eines Missbrauchs zum Nachteil der Religionsfreiheit der Mitglieder oder zum Nachteil anderer Verfassungsgüter. Bei der Bestimmung der Voraussetzungen, unter denen eine Religionsgemeinschaft den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erlangen kann, muss deswegen auch die Verantwortung des Staates zur Geltung gebracht werden, welche das Grundgesetz ihm auferlegt. Es gibt ihm die Achtung und den Schutz der Menschenwürde als des tragenden Konstitutionsprinzips und obersten Grundwerts der freiheitlichen, demokratisch verfassten Grundordnung auf (Art. 1 Abs. 1 GG, vgl. dazu BVerfGE 96, 375 ≪398≫) und verpflichtet ihn zur Wahrung und zum Schutz der Grundwerte der Verfassung (vgl. BVerfGE 40, 287 ≪291 f.≫).
4. Der Wortlaut des Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV schließt nicht aus, dass der in dieser Gewährleistung eingeräumte Verleihensanspruch weiteren Einschränkungen aus dem Zusammenhang des Grundgesetzes unterliegt. Der Parlamentarische Rat hatte bei der Übernahme der Weimarer Kirchenartikel weder die Frage der Verleihensvoraussetzungen im Blick noch verwandte er seine Aufmerksamkeit darauf, Art. 137 WRV materiell in die Ordnung des Grundgesetzes einzupassen. Er begnügte sich damit, durch redaktionelle Änderungen des späteren Art. 4 GG doppelte Gewährleistungen zu vermeiden (ParlR, HA-Prot., 22. Sitzung vom 8. Dezember 1948, S. 255 – 261; 39. Sitzung vom 14. Januar 1949, S. 483, 489 – 491; 46. Sitzung vom 20. Januar 1949, S. 599 – 601; 51. Sitzung vom 10. Februar 1949, S. 673, 682; 57. Sitzung vom 5. Mai 1949, S. 743, 745 f. und 765; Redaktionsausschuss, Kurzprot. vom 28. April 1949, S. 1; vgl. auch BVerfGE 83, 341 ≪354 f.≫ zur religiösen Vereinigungsfreiheit).
Dass es mit den geschriebenen Verleihensvoraussetzungen nicht sein Bewenden haben kann, wird im Ergebnis auch in Rechtsprechung und Literatur nicht bezweifelt. Nach nahezu einhelliger Auffassung ist der Körperschaftsstatus jedenfalls dann zu versagen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen eine private Vereinigung nach Art. 9 Abs. 2 GG zu verbieten wäre (vgl. etwa BVerwGE 105, 117 ≪121 f.≫; OVG Berlin, NVwZ 1996, S. 478, 480; VG Berlin, NVwZ 1994, S. 609; St. Korioth, Loyalität im Staatskirchenrecht?, in: Gedächtnisschrift für Bernd Jeand'Heur, 1999, S. 221, 236; M. Morlok/M. Heinig, Parität im Leistungsstaat – Körperschaftsstatus nur bei Staatsloyalität?, NVwZ 1999, S. 697, 703 f.; G. Robbers, Sinn und Zweck des Körperschaftsstatus im Staatskirchenrecht, in: Festschrift für Martin Heckel, 1999, S. 411, 414; H. Weber, Die Verleihung der Körperschaftsrechte an Religionsgemeinschaften, ZevKR 34 ≪1989≫, S. 337, 356). Es wäre auch nicht einsichtig, dass Vereinigungen, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, insoweit weniger festen Bindungen unterliegen sollten als private Vereinigungen.
5. Die Grenzen, innerhalb deren eine Religionsgemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts frei handeln darf, zieht die Verfassung gerade auch durch ihre grundlegenden Wertentscheidungen. Zu diesen Wertentscheidungen gehören die Religionsfreiheit, aus der Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV als Verstärkung der Entfaltung grundrechtlicher Freiheit letztlich seine Rechtfertigung bezieht, das Verbot jeglicher Staatskirche oder Staatsreligion (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV) sowie die Grundsätze der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates und der Parität der Religionen und Bekenntnisse.
IV.
Eine Religionsgemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts werden will, muss rechtstreu sein. Sie muss die Gewähr dafür bieten, dass sie das geltende Recht beachten, insbesondere die ihr übertragene Hoheitsgewalt nur in Einklang mit den verfassungsrechtlichen und den sonstigen gesetzlichen Bindungen ausüben wird.
1. Das ist auch in der Literatur allgemein anerkannt (vgl. A. Frhr. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/v. Campenhausen, GG, 3. Aufl. 1991, Art. 140 GG/Art. 137 WRV Rn. 150; Ch. Link, Zeugen Jehovas und Körperschaftsstatus, ZevKR 43 ≪1998≫, S. 1, 20, m. w. N.). Schon aus der Bindung aller öffentlichen Gewalt an Gesetz, Recht und Verfassung (Art. 20 Abs. 3 GG) folgt, dass eine Religionsgemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts die Gewähr dafür bieten muss, die ihr übertragene Hoheitsgewalt in Einklang mit den verfassungsrechtlichen und den sonstigen gesetzlichen Vorgaben auszuüben.
Diese rechtsstaatliche Bindung scheitert nicht daran, dass korporierte Religionsgemeinschaften die ihnen übertragene Hoheitsgewalt nicht – wie Beliehene – zur Erfüllung staatlicher Aufgaben einsetzen, sondern zu eigenen Zwecken. Denn unter dem Grundgesetz ist jegliche Ausübung von Hoheitsgewalt an die Verfassung und an die gesetzliche Ordnung gebunden.
2. Freilich darf auch außerhalb des Bereichs hoheitlichen Handelns von den korporierten Religionsgemeinschaften Rechtstreue verlangt werden. Jede Vereinigung hat, wie jeder Bürger, die staatsbürgerliche Pflicht zur Beachtung der Gesetze.
Zwar trifft sie bei Verletzung dieser Pflicht nur die im Gesetz jeweils vorgesehene Sanktion, und ein Verbot der Vereinigung ist erst unter den in Art. 9 Abs. 2 GG bestimmten besonderen Voraussetzungen angeordnet. Von einer Vereinigung aber, die in öffentlich-rechtlicher Gestalt auftritt, darf erwartet werden, dass sie nicht erst durch die Drohung mit staatlichen Sanktionen und Zwangsmechanismen zu rechtskonformem Handeln angehalten werden muss. Ansonsten stünde nicht nur zu befürchten, dass diese Vereinigung auch ihre hoheitlichen Befugnisse nicht rechtskonform ausüben werde. Der Staat muss vielmehr darauf bedacht sein und dafür Sorge tragen, dass durch das Handeln öffentlich-rechtlicher Gebilde Rechte Dritter nicht verletzt werden, selbst wenn diese Zuordnung zum öffentlichen Recht eine eher formelle ist.
3. Allerdings stellt nicht jeder einzelne Verstoß gegen Recht und Gesetz die Gewähr rechtstreuen Verhaltens in Frage. Auch den korporierten Religionsgemeinschaften ist es unbenommen, Meinungsverschiedenheiten mit staatlichen Behörden darüber, wo im Einzelfall die der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) und dem religiösen Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV) durch das Gesetz gezogene Grenze verläuft, durch die Gerichte klären zu lassen (vgl. G. Robbers, Sinn und Zweck des Körperschaftsstatus im Staatskirchenrecht, in: Festschrift für Martin Heckel, 1999, S. 411, 413).
Außerdem erheben viele Religionen, die die Autorität staatlicher Gesetze für sich grundsätzlich anerkennen, gleichwohl einen Vorbehalt zu Gunsten ihres Gewissens und ihrer aus dem Glauben begründeten Entscheidungen und bestehen letztlich darauf, im unausweichlichen Konfliktfall den Glaubensgeboten mehr zu gehorchen als den Geboten des Rechts. Derartige Vorbehalte sind Ausdruck der für Religionen nicht untypischen Unbedingtheit ihrer Glaubenssätze. Sie sind auch von manchen alt- und neukorporierten Religionsgemeinschaften bekannt, und es ist nicht ausgeschlossen, dass sie, je nach Lage des Einzelfalls, unter dem Schutz des Art. 4 GG stehen. Aus Rücksicht auf die Religionsfreiheit, der der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV letztlich dient, stehen sie der Verleihung dieses Status jedenfalls so lange nicht im Wege, als die Religionsgemeinschaft im Grundsatz bereit ist, Recht und Gesetz zu achten und sich in die verfassungsmäßige Ordnung einzufügen.
V.
Eine Religionsgemeinschaft, die den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erwerben will, muss insbesondere die Gewähr dafür bieten, dass ihr künftiges Verhalten die in Art. 79 Abs. 3 GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien, die dem staatlichen Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des freiheitlichen Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes nicht gefährdet.
1. a) Art. 79 Abs. 3 GG entzieht die in Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze jeglicher Änderung. Das Grundgesetz erklärt damit neben dem in Art. 1 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz der Menschenwürde und den von ihm umfassten Kerngehalt der nachfolgenden Grundrechte (vgl. BVerfGE 84, 90 ≪120 f.≫; 94, 12 ≪34≫) auch andere Garantien für unantastbar, die in Art. 20 GG festgehalten sind.
Dazu gehören die Prinzipien von Rechtsstaat und Demokratie (vgl. BVerfGE 89, 155 ≪182≫; 94, 49 ≪103≫). Eine systematische Beeinträchtigung oder Gefährdung dieser vom Grundgesetz auf Dauer gestellten Grundsätze darf der Staat nicht hinnehmen, auch nicht von Seiten einer als Körperschaft des öffentlichen Rechts verfassten Religionsgemeinschaft.
b) Die korporierten Religionsgemeinschaften sind – soweit sie außerhalb des ihnen übertragenen Bereichs hoheitlicher Befugnisse handeln – an die einzelnen Grundrechte nicht unmittelbar gebunden (P. Kirchhof, Die Kirchen und Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, in: J. Listl/D. Pirson ≪Hrsg.≫, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. I, 2. Aufl. 1994, § 22, S. 651, 676 ff.). Die Verleihung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts bindet sie aber an die Achtung der fundamentalen Rechte der Person, die Teil der verfassungsmäßigen Ordnung ist. Das Grundgesetz unterstellt die Menschenwürde und andere Grundrechte dem Schutz der Verfassung. So verpflichtet es den Staat, menschliches Leben und die körperliche Unversehrtheit zu schützen (BVerfGE 56, 54 ≪73≫; 79, 174 ≪201 f.≫; 88, 203 ≪251≫). Kinder können staatlichen Schutz ihres Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG beanspruchen; dabei bildet das Kindeswohl den Richtpunkt für den staatlichen Schutzauftrag aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG (BVerfGE 99, 145 ≪156≫). Und Art. 4 Abs. 1 und 2 GG fordert vom Staat, den Einzelnen und religiöse Gemeinschaften vor Angriffen und Behinderungen von Anhängern anderer Glaubensrichtungen oder konkurrierender Religionsgruppen zu schützen (BVerfGE 93, 1 ≪16≫).
Korporierte Religionsgemeinschaften haben einen öffentlich-rechtlichen Status und sind mit bestimmten hoheitlichen Befugnissen ausgestattet. Sie verfügen damit über besondere Machtmittel und einen erhöhten Einfluss in Staat und Gesellschaft. Ihnen liegen deshalb die besonderen Pflichten des Grundgesetzes zum Schutz der Rechte Dritter näher als anderen Religionsgemeinschaften. Diese Pflichten verbieten die Verleihung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an eine Religionsgemeinschaft, gegen die einzuschreiten der Staat zum Schutz grundrechtlicher Rechtsgüter berechtigt oder gar verpflichtet wäre.
c) Der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ist ein Mittel zur Erleichterung und Entfaltung der Religionsfreiheit. Für die korporierten Religionsgemeinschaften begründet er eine bevorzugte Rechtsstellung. Er ist in das freiheitliche Staatskirchenrecht des Grundgesetzes eingebettet. Dieses Staatskirchenrecht hat die Religionsfreiheit zum leitenden Bezugspunkt. Es hat Staatskirche und Staatsreligion abgeschafft. Es achtet die Grundsätze der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates und der Parität der Religionen und Bekenntnisse, und es gewährleistet, dass der Körperschaftsstatus die Freiheitlichkeit des Religionsverfassungsrechts insgesamt nicht schmälert. Diese Verfassung setzt dem Körperschaftsstatus Grenzen, und diese Grenzen müssen auch die mit dem bevorzugten Status ausgestatteten Religionsgemeinschaften achten. Ihr Verhalten darf diese Grundsätze des freiheitlichen Staatskirchenrechts nicht beeinträchtigen oder gefährden. Das Grundgesetz verbietet die Verleihung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an eine Religionsgemeinschaft, die nicht die Gewähr dafür bietet, dass das Verbot einer Staatskirche sowie die Prinzipien von Neutralität und Parität unangetastet bleiben.
2. Rechtliche Anforderungen an eine Religionsgemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts werden will, müssen in ihren Inhalten so gefasst werden, dass sie nicht ihrerseits in Widerspruch zu den prinzipiellen Wertungen des verfassungsrechtlichen Religions- und Staatskirchenrechts geraten.
a) Ob einer antragstellenden Religionsgemeinschaft der Körperschaftsstatus zu versagen ist, richtet sich nicht nach ihrem Glauben, sondern nach ihrem Verhalten. Der Grundsatz religiös-weltanschaulicher Neutralität (vgl. BVerfGE 19, 206 ≪216≫; 93, 1 ≪17≫) verwehrt es dem Staat, Glaube und Lehre einer Religionsgemeinschaft als solche zu bewerten. Mangels Einsicht und geeigneter Kriterien darf der neutrale Staat im Bereich genuin religiöser Fragen nichts regeln und bestimmen (BVerfGE 12, 1 ≪4≫; 41, 65 ≪84≫; 72, 278 ≪294≫; 74, 244 ≪255≫). Das hindert ihn freilich nicht daran, das tatsächliche Verhalten einer Religionsgemeinschaft oder ihrer Mitglieder nach weltlichen Kriterien zu beurteilen, auch wenn dieses Verhalten letztlich religiös motiviert ist.
Ob dabei Glaube und Lehre der Gemeinschaft, soweit sie sich nach außen manifestieren, Rückschlüsse auf ihr zu erwartendes Verhalten zulassen, ist eine Frage des Einzelfalls.
b) Die in Art. 20 GG niedergelegten Grundprinzipien und die Grundsätze des Religions- und Staatskirchenrechts sind schon ihrer Herkunft und ihrem Inhalt nach Strukturvorgaben staatlicher Ordnung. Nur als solche verdienen sie Schutz.
Sie enthalten keine Vorgaben für die Binnenstruktur einer Religionsgemeinschaft.
Überdies widerspräche es der Religionsfreiheit und dem in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV gewährleisteten Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften, von einer korporierten Religionsgemeinschaft etwa eine demokratische Binnenstruktur zu verlangen oder ihre Äußerungen über andere Religionen und Religionsgemeinschaften dem Gebot der Neutralität zu unterstellen. Auch den als Körperschaften des öffentlichen Rechts verfassten Religionsgemeinschaften bleibt es unbenommen, ihr Verhältnis zu anderen Religionen und Religionsgemeinschaften nach ihrem eigenen religiösen Selbstverständnis zu gestalten, solange sie den verfassungsrechtlichen Ordnungsrahmen, der auch die Grundlage ihrer eigenen religiösen Freiheit bildet, nicht beeinträchtigen. Dies wäre etwa der Fall, wenn sie auf die Verwirklichung einer theokratischen Herrschaftsordnung hinwirkten.
c) Von den korporierten Religionsgemeinschaften eine über die genannten Anforderungen hinausgehende Loyalität zum Staat zu verlangen, ist zum Schutz der verfassungsrechtlichen Grundwerte nicht notwendig und mit ihnen im Übrigen auch nicht vereinbar.
Das Wirken und der Status einer korporierten Religionsgemeinschaft bleiben, soweit nicht verfassungsrechtliche Einschränkungen geboten sind, von der grundrechtlichen Freiheit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geprägt. Dem Träger dieser Freiheit ist es überlassen, ob und wie er seinen Freiheitsraum ausfüllt. Grundrechtliche Freiheit ist, vom Staat aus betrachtet, formale Freiheit. Der Grundrechtsträger muss sein Handeln nicht an den Interessen des Staates orientieren. Dies aber würde man von einer Religionsgemeinschaft verlangen, die ihr Wirken auf die Ziele des Staates, seine Verfassungsordnung und die dort niedergelegten Werte „loyal” auszurichten hätte (vgl. St. Korioth, Loyalität im Staatskirchenrecht?, in: Gedächtnisschrift für Bernd Jeand'Heur, 1999, S. 221, 243).
Überdies ist die Forderung, eine korporierte Religionsgemeinschaft müsse loyal zum Staat stehen, rechtlich nicht leicht zu handhaben. „Loyalität” ist ein vager Begriff, der außerordentlich viele Deutungsmöglichkeiten eröffnet bis hin zu der Erwartung, die Religionsgemeinschaft müsse sich bestimmte Staatsziele zu Eigen machen oder sich als Sachwalter des Staates verstehen. Der Begriff zielt nämlich auch auf eine innere Disposition, auf eine Gesinnung, und nicht nur auf ein äußeres Verhalten. Damit gefährdet er nicht nur die Rechtssicherheit, sondern führt auch in eine Annäherung von Religionsgemeinschaft und Staat, die das Staatskirchenrecht des Grundgesetzes weder verlangt noch billigt.
Aus den gleichen Gründen kann es unter dem Grundgesetz nicht Ziel einer Verleihung des Körperschaftsstatus sein, eine Religionsgemeinschaft durch Privilegien zur Kooperation mit dem Staat anzuhalten. Das Grundgesetz sieht eine Zusammenarbeit des Staates mit den Religionsgemeinschaften zum Teil ausdrücklich vor – etwa bei der Erhebung von Kirchensteuern (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 6 WRV) oder beim Religionsunterricht (Art. 7 Abs. 3 GG) – und lässt sie in weiteren Bereichen zu. Es macht sie den Religionsgemeinschaften aber nicht zur Bedingung. Ob sie derartige Angebote annehmen oder Distanz zum Staat wahren möchten, bleibt ihrem religiösen Selbstverständnis überlassen. Andererseits hängt es von den Charakteristika der jeweiligen Kooperationsangebote und den konkreten Vorgaben der auf Neutralität und Parität bedachten Verfassung ab, welchen Religionsgemeinschaften sie offen stehen. Dass das Grundgesetz Religionsunterricht und Anstaltsseelsorge im Grundsatz allen Religionsgemeinschaften zugänglich macht, zeigt aber, dass es Vergünstigungen und Mitwirkungschancen nicht schematisch danach zuweist, in welcher Rechtsform eine Religionsgemeinschaft organisiert ist. Einen Automatismus zwischen dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und staatlichen Vergünstigungen, die nicht bereits mit diesem Status selbst gewährleistet sind („Privilegien”), gibt es nicht.
3. Die Prüfung, ob eine Religionsgemeinschaft nach ihrem gegenwärtigen und zu erwartenden Verhalten die Gewähr dafür bietet, die in Art. 79 Abs. 3 GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien, die staatlichem Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes nicht zu beeinträchtigen oder zu gefährden, setzt eine komplexe Prognose voraus. Dabei muss eine Vielzahl von Elementen zusammengestellt und gewürdigt werden. Mathematische Genauigkeit ist nicht zu erreichen. Für eine solche Prognose nicht untypisch wäre die Annahme, dass sich eine Gefährdung der genannten Schutzgüter erst aus dem Zusammenwirken vieler einzelner Umstände ergibt. Andererseits stellen bloß punktuelle Defizite die geforderte Gewähr nicht in Frage. Hier ist den Fachgerichten eine typisierende Gesamtbetrachtung und Gesamtwürdigung aller derjenigen Umstände aufgegeben, die für die Entscheidung über den Körperschaftsstatus von Bedeutung sind.
VI.
Nach diesen Maßstäben verletzt das angegriffene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts das Recht der Beschwerdeführerin aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV.
1. Zutreffend nimmt das Bundesverwaltungsgericht allerdings an, dass der Beschwerdeführerin der Körperschaftsstatus nicht schon wegen ihrer grundsätzlichen Haltung zum Staat versagt werden darf. Dass die Beschwerdeführerin in ihren religiösen Lehren jedes politische System und damit auch die Verfassungsordnung des Grundgesetzes als „Bestandteil der Welt Satans” ansieht (vgl. Wachtturm Bibel- und Traktatgesellschaft ≪Hrsg.≫, Du kannst für immer im Paradies auf Erden leben, 1982/1989, S. 210), ist nicht ausschlaggebend. Es ist dem religiös-weltanschaulich neutralen Staat verwehrt, Glauben und Lehre als solche zu bewerten. Maßgeblich ist vielmehr das tatsächliche Verhalten der Religionsgemeinschaft. In diesem tatsächlichen Verhalten erkennt die Beschwerdeführerin den Staat des Grundgesetzes wie andere „obrigkeitliche Gewalten” als von Gott geduldete Übergangsordnung an. Eine darüber hinausgehende Zustimmung oder Hinwendung zum Staat verlangt das Grundgesetz nicht.
2. Allein das religiöse Verbot der Teilnahme an staatlichen Wahlen rechtfertigt die Versagung des Körperschaftsstatus nicht.
Zu dem gemäß Art. 79 Abs. 3 GG nicht antastbaren Gehalt des Demokratieprinzips gehört, dass sich die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben und die Ausübung staatlicher Befugnisse auf das Staatsvolk zurückführen lassen müssen (BVerfGE 89, 155 ≪182≫). Das hat die freie Wahl der Volksvertreter als Grundakt demokratischer Legitimation zur Voraussetzung (vgl. BVerfGE 44, 125 ≪140≫).
Das Grundgesetz richtet an seine Bürger die Erwartung, dass sie die ihnen eröffneten Möglichkeiten demokratischer Mitwirkung auch wahrnehmen. Es hat aber aus guten Gründen davon abgesehen, diese vorrechtliche Verantwortung zu einer Rechtspflicht auszugestalten. Denn das Einverständnis der Bürger mit der vom Grundgesetz geschaffenen Staatsordnung, ohne die die freiheitliche Demokratie nicht leben könnte, lässt sich nicht durch eine Verpflichtung zum Gehorsam oder gar durch Sanktionen erzwingen. Das Lebenselement der Demokratie ist die freie geistige Auseinandersetzung (vgl. BVerfGE 69, 315 ≪344 f.≫). Sie schafft die motivierenden Kräfte, die die Bereitschaft der Bürger zur Teilnahme an den demokratischen Wahlen hinreichend, wahrscheinlich sogar besser gewährleisten.
Die Enthaltsamkeit der Beschwerdeführerin gegenüber staatlichen Wahlen betrifft deswegen das Demokratieprinzip nicht in seinen normativen Gehalten, sondern in seinen tatsächlichen Voraussetzungen. Sie ist weder politisch begründet noch intentional auf eine Schwächung der Demokratie gerichtet. Die Beschwerdeführerin will nicht die Demokratie durch eine andere Staatsform ersetzen. Sie entwirft und verfolgt kein politisches Programm, sie verfolgt im Gegenteil einen apolitischen Lebensentwurf. Die Bestrebungen der Beschwerdeführerin richten sich nicht gegen die freiheitliche Verfassungsordnung, sondern auf ein Leben jenseits des politischen Gemeinwesens in „christlicher Neutralität”.
Diese Deutung von Programm und Zielen der Beschwerdeführerin bestätigen auch die tatsächlichen Entwicklungen.
Man müsste erwarten, dass sich die Haltung der Beschwerdeführerin in ihren praktischen Folgen negativ auf die vom Demokratieprinzip geforderte demokratische Legitimation der Staatsgewalt durch Wahlen auswirkt, wenn es ihr gelänge, erhebliche Teile der wahlberechtigten Bevölkerung von einer Teilnahme an staatlichen Wahlen abzuhalten. Das ist in den über hundert Jahren ihres Bestehens aber nicht der Fall gewesen. In ihrer auf Abgrenzung bedachten Haltung, die sich auf religiös begründete Verlautbarungen beschränkt und sich politischer Optionen enthält, übt die Beschwerdeführerin offenbar keinen spürbaren Einfluss auf Nichtmitglieder aus. Deshalb ist ihr Verhalten gegenüber staatlichen Wahlen ein Gesichtspunkt, der zwar bei der gebotenen typisierenden Gesamtbetrachtung Berücksichtigung finden kann, der aber für sich allein die Annahme einer Gefährdung der unantastbaren Gehalte des Demokratieprinzips nicht trägt.
3. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts verletzt damit Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV. Die Entscheidung beruht auf diesem Verfassungsverstoß, weil nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht abzusehen ist, ob der Beschwerdeführerin der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts aus anderen Gründen zu versagen wäre oder nicht.
Insbesondere ist im fachgerichtlichen Verfahren offen geblieben, ob die Beschwerdeführerin – wie das Land Berlin behauptet – durch die von ihr empfohlenen Erziehungspraktiken das Wohl der Kinder beeinträchtigt oder austrittswillige Mitglieder zwangsweise oder mit vom Grundgesetz missbilligten Mitteln in der Gemeinschaft festhält und damit dem staatlichen Schutz anvertraute Grundrechte beeinträchtigt.
VII.
1. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist aufzuheben und das Verfahren an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Bei der den Fachgerichten nunmehr aufgegebenen erneuten Prüfung des Verleihensanspruchs im Wege der typisierenden Gesamtbetrachtung wird insbesondere zu klären sein, ob die staatlichem Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter einer Verleihung des Körperschaftsstatus entgegenstehen.
2. Soweit die Verfassungsbeschwerde auch den Bescheid der Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten vom 20. April 1993 einbezieht, kommt dem in diesem Verfahren keine eigenständige Bedeutung zu, weil die Verwaltungsgerichte diesen Bescheid auf die Verpflichtungsklage der Beschwerdeführerin hin in vollem Umfang überprüft und ihrerseits über den Anspruch der Beschwerdeführerin entschieden haben.
3. Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin gemäß § 34a Abs. 2 BVerfGG die notwendigen Auslagen zu erstatten.
D.
Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
Unterschriften
Limbach, Sommer, Jentsch, Hassemer, Broß, Osterloh, Di Fabio
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 19.12.2000 durch Frik Regierungsangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BVerfGE, 370 |
NJW 2001, 429 |
NWB 2001, 79 |
EuGRZ 2000, 659 |
NVwZ 2001, 316 |
JA 2001, 641 |
JuS 2001, 496 |
NJ 2001, 363 |
NJ 2001, 77 |
ZevKR 2001, 224 |
BayVBl. 2001, 720 |
DVBl. 2001, 284 |
FSt 2002, 80 |
LL 2001, 348 |
www.judicialis.de 2000 |