Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlung einer Entschädigung. Zulässigkeit einer Klage des Ehemannes auf Änderung von Einkünften der Ehefrau im gemeinsamen Einkommensteuerbescheid. Einkommensteuer 1998
Leitsatz (redaktionell)
1. Ehegatten haben eine selbständige Rechtsbehelfsbefugnis, auch soweit es um die Einkünfte des jeweils nicht klagenden Ehegatten geht. Der andere Ehegatte ist zu dem Verfahren nicht notwendig beizuladen.
2. Ob eine Einnahme vorliegt, bestimmt sich ausschließlich danach, ob sie zu einer – wenn auch nur vorübergehenden – Steigerung der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen führt. Das Behaltendürfen ist kein Merkmal der Einnahme. Ein Zufluss liegt deshalb auch vor, wenn der Empfänger den Betrag später wieder zurückzahlen muss.
3. Muss der Steuerpflichtige einen Teil einer Entschädigung für den Verlust seines Arbeitsplatzes in einem späteren Veranlagungszeitraum wieder zurückzahlen, liegt in der Rückzahlung kein Ereignis, das auf die Versteuerung der Entschädigung im Zuflussjahr zurückwirkt. Die Rückzahlung führt vielmehr zu negativen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit im Abflussjahr, denn laufender Arbeitslohn wie auch Einmalzahlungen werden im Rahmen des § 19 EStG einheitlich zur Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit herangezogen. Ein gesetzgeberischer Wille, die Einmalzahlung – entsprechend der Vorschrift des § 16 EStG – als in sich geschlossenen, von den laufenden Einkünften zu trennenden, einheitlichen Vorgang zu behandeln, ist nicht erkennbar.
Normenkette
EStG 1997 § 11 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 24 Nr. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 38a Abs. 1 S. 3, § 16; AO 1977 § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; FGO § 40 Abs. 2, § 60 Abs. 3
Nachgehend
Tenor
1. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 1998 vom 22. April 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Oktober 1999 wird die Einkommensteuer auf … DM festgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Der Streitwert wird auf … DM festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wird mit seiner am 7. März 1954 geborenen Ehefrau für den Veranlagungszeitraum 1998 (Streitjahr) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als Amtsrat Außenprüfer bei der Finanzverwaltung Baden-Württemberg. Die Ehefrau des Klägers war bis zum 30. November 1997 bei der … (im Folgenden: L-GmbH) im Werk N. beschäftigt (§ 1 Ziffer 1 des 3-seitigen Vertrags vom 17. November 1997 i.V. mit Buchstabe A Ziffer 2.1 der Betriebsvereinbarung vom 11. November 1997, Bl. 16 ff., 21 ff. der FG-Akten). Diese war eine Tochtergesellschaft der … A. und gehörte damit zum D. Konzern. Die Tätigkeit der Ehefrau des Klägers war als Sachbearbeiterin Kostenträgerrechnung in der Abteilung AN 721 im Werk N. umschrieben. Sie war seit 1. Juli 1973 (Hinweis auf den Anstellungsvertrag vom 16. Juli 1973, Bl. 53 und 54 der FG-Akten) im Werk N., das damals noch zur M. GmbH gehörte, beschäftigt.
Aufgrund der strukturbedingten Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage durch den anhaltenden Druck auf das Beschaffungsbudget des Verteidigungshaushalts vereinbarten die L-GmbH und deren Gesamtbetriebsrat das Werk N. zu schließen (Ziffern 1 und 2.2.1 des Interessenausgleichs vom 16. Oktober 1997, Bl. 37–43 der FG-Akten; Buchstabe A Ziffer 1 der Betriebsvereinbarung vom 11. November 1997, Bl. 21 f der FG-Akten). Zusammen mit ca. 300 anderen Arbeitnehmern wurde das Arbeitsverhältnis der Ehefrau des Klägers aus betriebsbedingten Gründen auf Veranlassung der L-GmbH einvernehmlich zum 30. November 1997 beendet [Hinweis auf § 1 Ziffer 1 3-seitiger Vertrag vom 12. November 1997 zur Betriebsvereinbarung vom 11. November 1997 als Ergänzung zum Interessenausgleich vom 16. Oktober 1997 und zum Sozialplan vom 22.10.1997 (Bl. 26–27 FG-Akten)].
Zur Vermeidung kurzfristig entstehender Arbeitslosigkeit der betroffenen Mitarbeiter und zur Verbesserung ihrer persönlichen Wettbewerbsfähigkeit auf dem regionalen Arbeitsmarkt wurde durch die L-GmbH die Gründung einer Qualifizierungsgesellschaft gefördert. Diese Qualifizierungsgesellschaft wurde von der … (im Folgenden: M-GmbH) in R. betrieben. Sie nahm zum 1. Dezember 1997 ihre Tätigkeit auf (Tz. 4 des Interessenausgleichs vom 16. Oktober 1997, Bl. 37– 42 der FG-Akten).
Die L-GmbH zahlte für jeden Mitarbeiter, der freiwillig bis spätestens zum 19. November 1997 in die Qualifizierungsgesellschaft wechselte (wie die Ehefrau des Klägers), einen individuellen Förderbetrag (Ziffer 4 des Interessenausgleichs vom 16. Oktober 1997). Näheres ist in einem Rahmenvertrag zwischen der L-GmbH und M-GmbH geregelt. Dieser liegt dem erkennenden Senat nicht vor. Die in der Qualifizierungsgesellschaft beschäftigten Mitarbeiter erhielten 80 v. H. ihres letzten Nettolohnes. Das Arbeitsamt zahlte hiervon ca. 60–67 v.H. Die Differenz (einschließlich der Beiträge zur Sozialversicherung) und der Kosten der Qualifizierungsgesellschaft zahlte die L-GmbH [sog. Remanenzkosten – Zuschusszahlunge...