Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerungsrecht für Einkünfte des in Deutschland ansässigen Prokuristen einer Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz. Einkommensteuer 1996 und 1997
Leitsatz (redaktionell)
Entgegen der Auffassung des BFH im Beschluss vom 15.12.1998 I B 45/98 (BFH/NV 1999, 751) kann die in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz vorausgesetzte Ausübung der Arbeit in der Schweiz nicht fingiert werden. Das Besteuerungsrecht für Einkünfte der in Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz genannten leitenden Angestellten bestimmt sich daher nach dem Ort der tatsächlichen Arbeitsausübung. Die Vermeidung der Doppelbesteuerung erfolgt, soweit der tatsächliche Ausübungsort im Inland oder in Drittstaaten gewesen ist, nicht im Wege der Freistellung unter Progressionsvorbehalt, sondern durch Anrechnung der in der Schweiz gezahlten Quellensteuer.
Normenkette
DBA CHE Art. 15 Abs. 4 S. 1, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 Buchst. d, Nr. 2; EStG 1990 § 19 Abs. 1 Nr. 1, §§ 32b, 34c; EStG 1997 § 19 Abs. 1 Nr. 1, §§ 32b, 34c
Nachgehend
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit eines bei einer Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz angestellten Prokuristen dem Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland (Wohnsitzstaat) unterliegen.
Der Kläger ist Diplom-Ingenieur. Er war in den Streitjahren 1996 und 1997 in der Funktion eines Leiters der Zentrale für Logistik und Planung als Prokurist bei einer auf dem Gebiet des Maschinenbaus tätigen Aktiengesellschaft mit Sitz in … (Schweiz) angestellt. Seine Ehefrau, die Klägerin, war Hausfrau. In ihren Einkommensteuererklärungen 1996 und 1997 erklärten die Kläger, der Kläger sei ausweislich der von seinem Arbeitgeber aufgestellten Einzelaufstellungen aufgrund seiner Arbeitsausübung jeweils an mehr als 60 – nämlich 1996 an 76 und 1997 an 74 – in Drittstaaten bzw. Deutschland verbrachten Arbeitstagen nicht an seinen Wohnsitz in … zurückgekehrt.
Das beklagte Finanzamt (FA) behandelte den auf diese Arbeitstage entfallenden Teil (1996 76/235, 1997 74/235) der Gesamteinkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit als in der Bundesrepublik Deutschland steuerpflichtig. Zugleich rechnete es die in der Schweiz gezahlte Quellensteuer für 1996 von (umgerechnet) 12.366,– DM bzw. 1997 von 11.778,– DM gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Schweiz (DBA-Schweiz), § 34 c Einkommensteuergesetz (EStG) steuermindernd an. In den Einkommensteuerbescheiden 1996 vom 14. Mai 1998 und 1997 vom 22. Februar 1999 setzte es dementsprechend Einkommensteuer von 4.407,– DM bzw. 566,– DM gegen die Kläger fest.
Die Einsprüche der Kläger wurden in den Einspruchsentscheidungen vom 15. April 1999 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit ihrer Klage machen die Kläger unter Berufung auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. Dezember 1998 I B 45/98 (Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH –BFH/NV– 1999, 751) im Wesentlichen geltend, ein leitender Angestellter im Sinne des Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz – also auch der Kläger – übe seine Arbeit fiktiv selbst dann am Sitz der Kapitalgesellschaft in der Schweiz aus, wenn er sich auf Dienstreisen außerhalb der Schweiz befinde. Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchstabe d DBA-Schweiz sei die Doppelbesteuerung der aus dieser Arbeit resultierenden Einkünfte durch Steuerfreistellung unter Progressionsvorbehalt zu vermeiden, eben weil die Arbeit im Sinne der Bestimmung „in der Schweiz ausgeübt” werde.
Die Kläger beantragen demgemäß,
- die Einkommensteuerbescheide 1996 vom 14. Mai 1998 und 1997 vom 22. Februar 1999 sowie die Einspruchsentscheidungen vom 15. April 1999 abzuändern und die Einkommensteuer jeweils auf 0,– DM herabzusetzen,
- hilfsweise: die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die tatsächlich in Drittstaaten oder Deutschland geleistete Arbeit werde von Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchstabe d DBA-Schweiz nicht erfasst, selbst wenn sie fiktiv als am Sitz der Kapitalgesellschaft in der Schweiz ausgeübt betrachtet werde. Die Doppelbesteuerung der auf diese Tätigkeit entfallenden Einkünfte könne deshalb nicht durch Steuerfreistellung, sondern nur durch Anrechnung der in der Schweiz gezahlten Quellensteuer gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz wie in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden geschehen besteuert werden.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig, sie ist aber nicht begründet.
1) Nach Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz können vorbehaltlich der Art. 15 a bis 19 DBA-Schweiz Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit d...