Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt des Zuflusses einer Abfindung bei Hinausschieben der Fälligkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Abfindung wird als Arbeitslohn, der nicht laufend gezahlt wird (sonstige Bezüge) in dem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Arbeitnehmer zufließt; laufender Arbeitslohn gilt dagegen in dem Kalenderjahr als bezogen, in dem der Lohnzahlungszeitraum endet.
2. Die Vereinbarung über das Hinausschieben der Fälligkeit einer Abfindungszahlung, die vor dem erstmaligen Eintritt der Fälligkeit getroffen wird, ist keine wirtschaftliche Verfügung über die Abfindungszahlung selbst, so dass die Abfindung – ohne Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO – erst zum vereinbarten, hinausgeschobenen Fälligkeitszeitpunkt nach § 11 Abs. 1 EStG zufließt.
3. Erfolgt die Vereinbarung über die Fälligkeit bevor der Anspruch entstanden ist, liegt eine anfängliche Stundung im Sinne eines von vornherein vereinbarten späteren Fälligkeitstermins vor.
4. Der Umstand, dass ein Abfindungsanspruch in einer kollektivrechtlichen innerbetrieblichen Vereinbarung zwischen Geschäftsleitung und Betriebsleitung seinen Ursprung hat, hat keine Auswirkung auf die rechtliche Beurteilung des individuell vereinbarten Zeitpunkt der Fälligkeit und damit des Zuflusses der Abfindung nach § 11 Abs. 1 EStG.
Normenkette
EStG §§ 11, 8 Abs. 1, § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 1; AO § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 42
Nachgehend
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 vom 07.12.2004 und die Einspruchsentscheidung vom 06.05.2005, soweit diese die Einkommensteuer 2000 betrifft, werden aufgehoben. Die Einkommensteuer 2000 wird auf 42.681 DM festgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens hat das beklagte Finanzamt zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, haben die Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann das beklagte Finanzamt der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet haben.
Tatbestand
Streitig ist, ob der zweite Teilbetrag einer Abfindung erst im Veranlagungszeitraum der tatsächlichen Auszahlung oder bereits im Veranlagungszeitraum der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zugeflossen ist, wenn die Fälligkeit zunächst allgemein durch Sozialplan für den November 2000 bestimmt war und sie noch vor ihrem Eintritt auf Wunsch der Arbeitnehmerin hinsichtlich des steuerpflichtigen Teils der Abfindung auf den Januar 2001 hinausgeschoben wurde.
Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2000 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Klägerin war bis zum Jahr 2000 als technische Angestellte bei der X technik GmbH (X GmbH) beschäftigt. Sie erhielt von ihrer früheren Arbeitgeberin anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von 75.000 DM. In dem zugrundeliegenden Sozialplan vom 26. September 2000 war zur Fälligkeit der Abfindung unter Tz. 3 ausgeführt:
„Die Abfindung wird bei rechtlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit X fällig und ist bereits vor Fälligkeit vererblich. Erhebt allerdings ein Arbeitnehmer gegen eine ihm erklärte Kündigung Kündigungsschutzklage, tritt Fälligkeit erst nach Abschluss des Klageverfahrens, infolge dessen das Arbeitsverhältnis endet, ein.”
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sozialplans wird auf die Rechtsbehelfsakte (Fach Einspruchsvorgänge, Blatt 11 c ff.) Bezug genommen. Die Betriebsvereinbarung trat am 26. September 2000 in Kraft und endete nach Abschluss der in einem sog. Interessenausgleich aufgeführten personellen Maßnahmen.
Laut Interessenausgleich (Rechtsbehelfsakte, Fach Einspruchsvorgänge, Blatt 11 h f.) galt der Sozialplan für Arbeitnehmer, die von der Möglichkeit der Übertrittsregelung zur AuB Ausbildungs- und Beschäftigungsgesellschaft mbH (A+B GmbH) Gebrauch machten; die Abfindungen sollten danach mit Austritt aus der X GmbH fällig werden (siehe Blatt 11 i). Auf der Grundlage des Interessenausgleichs schlossen die Klägerin, die X GmbH und die A+B GmbH einen „dreiseitigen Vertrag” über die Beendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses der Klägerin bei der XGmbH und die Begründung eines befristeten Arbeitsverhältnisses bei der Auffanggesellschaft A+B GmbH.
Das alte Arbeitsverhältnis endete aus betriebsbedingten Gründen mit Ablauf des 14. November 2000 (§ 1), mit Wirkung zum 15. November 2000 trat die Klägerin in das bis zum 30. November 2002 befristete neue Arbeitsverhältnis ein (§§ 2 und 3, zur Vergütung vgl. § 6). In § 9 (Sozialabfindung) wurde vereinbart, dass eine etwaige Abfindung gemäß dem Interessenausgleich und Sozialplan direkt von der X GmbH an den anspruchsberechtigten Mitarbeiter abgerechnet un...