Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Anwendung der Abwanderungsregelung nach Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz bei bestehendem Arbeitsverhältnis. Feuerwehrersatzabgebe keine Steuer i. S. d. DBA Schweiz

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein erweitertes deutsches Besteuerungsrecht nach Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz aufgrund des Wohnsitzwechsels eines Grenzgängers in die Schweiz besteht nach Art. 4 Abs. 4 S. 4 DBA-Schweiz auch dann nicht, wenn nicht die erstmalige Arbeitsaufnahme in die Schweiz, sondern eine bereits längere Zeit ausgeübte nichtselbständige Tätigkeit für einen Schweizer Arbeitgeber das allein entscheidende Motiv für die Wohnsitzverlegung ist (im Streitfall: beruflicher Aufstieg und damit mehr Präsens im Unternehmen).

2. Dies gilt auch dann, wenn das Schweizer Arbeitsverhältnis aufgrund der (für den Kläger nicht absehbaren) Insolvenz des Schweizer Arbeitgebers kurz nach der Wohnsitzverlegung endet und eine neue Tätigkeit in der BRD aufgenommen wird.

3. Die Schweizer Feuerwehrersatzabgabe ist keine auf die deutsche Einkommensteuer anzurechnende Steuer nach DBA-Schweiz.

 

Normenkette

DBA CHE Art. 4 Abs. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.10.2010; Aktenzeichen I R 109/09)

 

Tenor

1. Der Bescheid für 2005 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 26. Februar 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 2007 werden ersatzlos aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt das beklagte Finanzamt. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anwendung der sog. Abwanderregelung gemäß Artikel 4 Absatz 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen (DBA-Schweiz) und insbesondere die Auslegung der in Satz 4 dieser Vorschrift vorgesehenen Ausnahme.

Der am … 1967 geborene Kläger ist von Beruf Diplom-Physiker und war als Entwicklungsingenieur im Bereich Medizintechnik tätig. Der Beklagte, das Finanzamt (FA), hat ihn im Jahr 2005 (Streitjahr) einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Nach seinem Studium in X/Deutschland war er seit Mitte 1998 bei der U U AG in Y in der Schweiz angestellt und wurde in dieser Zeit beim FA R als Grenzgänger geführt. Bis Ende Januar 2004 wohnte er wieder im Haus seiner Eltern in Z/Deutschland, … straße, wo ihm ein ca. 25 qm großes Zimmer zur Verfügung stand. Am … 2004 erwarb der Kläger in der Schweiz eine 2-Zimmer-Wohnung in der … gasse in P/Schweiz. Zum 31. Januar 2004 meldete er sich dorthin ab. Seinen deutschen Wohnsitz gab der Kläger auf. Sein Arbeitsweg verringerte sich auf diese Weise von ca. 35 km Autofahrt (einfache Fahrzeit: eine Stunde oder mehr) auf einen Fußweg von nur noch ca. 0,5 km.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der U AG endete Ende November 2004 aufgrund einer Kündigung der Arbeitgeberin vom 11. August 2004 (Gerichtsakte Blatt 85). Der Kläger wurde gemäß einem zweiten Schreiben vom selben Tag (Freistellungsbestätigung, Gerichtsakte Blatt 86 f.) „per sofort absolut von der Arbeit freigestellt”.

Im Dezember 2004 nahm der Kläger bei der L GmbH in T/Deutschland eine neue Beschäftigung auf, aus welcher er im Streitjahr Bruttoeinnahmen von 49.500 EUR erzielte. Der Lohnsteuerabzug belief sich auf 2.227,50 EUR, in der Lohnsteuerbescheinigung wurde ausdrücklich auf die Abzugsteuer von 4,5% gemäß Art. 15a DBA-Schweiz hingewiesen. Die an sich bis zum 31. Dezember 2005 befristete Anstellung in T/Deutschland endete gemäß Aufhebungsvereinbarung vom 14. November 2005 vorzeitig am 30. November 2005. Bis dahin pendelte der Kläger regelmäßig arbeitstäglich von seinem Wohnsitz in P/Schweiz zu seiner Arbeitsstelle in T/Deutschland und wieder zurück.

Im Dezember 2005 war der Kläger arbeitslos, seit Januar 2006 ist er wieder bei Unternehmen in der Schweiz beschäftigt, und zwar zunächst bei der W AG in R und seit dem 1. Dezember 2006 bei der D AG in G.

Hinsichtlich der Sachverhaltsschilderung des Klägers in seiner beim FA R eingereichten Einkommensteuererklärung wird auf Blatt 79 ff. der Gerichtsakte verwiesen. Der Kläger führte darin u.a. aus, dass sein früherer Arbeitgeber nach seinem Umzug in die Schweiz vom 1. Februar 2004 insolvent geworden sei und er sich deshalb vollkommen unplanmäßig nach einer neuen Arbeitsstelle habe umsehen müssen. Wegen der weiteren Sachverhaltsangaben des Klägers zur Motivation der Wohnsitzverlegung vor dem Hintergrund der vermeintlichen, sich kurze Z...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Steuer Office Basic enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge