Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschränkung des Abzugs von Vorsorgeleistungen verfassungsgemäß. Ausschluss von Unterhaltsleistungen für Kinder als außergewöhnliche Belastung verfassungsgemäß
Leitsatz (amtlich)
1. Vorsorgeaufwendungen dienen als Vorsorgemaßnahme für künftige Zeiten nicht der aktuellen Existenzsicherung des Steuerpflichtigen. Die Beschränkung des Abzugs dieser Aufwendungen nach § 10 Abs. 3 EStG berührt deshalb nicht die Freistellung des Existenzminimums von der Besteuerung.
2. Der Ausschluss von Unterhaltsleistungen für Kinder, für die ein Anspruch auf Kinderfreibetrag oder Kindergeld besteht, vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ist verfassungsgemäß.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 3, § 33 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 6, 14
Tatbestand
Der 1954 geborene Kläger war in den Streitjahren 1998 und 1999 freiberuflich tätig und unterlag nicht der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht. Er bezog Einkünfte aus einer Praxisgemeinschaft, die für 1998 auf 55 026,00 DM und für 1999 auf 61 791,00 DM gesondert und einheitlich festgestellt wurden. Zuvor hatte er 1996 Einkünfte von 61 618,00 DM und 1997 von 127 650,00 DM erzielt.
Der Kläger war Mitte 1998 geschieden worden. Seine drei Kinder, die in den Jahren 1979, 1982 und 1993 geboren waren, lebten nicht in seinem Haushalt, sondern bei ihren Müttern. Dem Kläger stand für sie jeweils das hälftige Kindergeld zu, das jedoch unmittelbar an die Mütter ausgezahlt wurde. Aufgrund familiengerichtlicher Festsetzungen musste der Kläger für die Kinder 1998 und 1999 jeweils Unterhaltsleistungen von knapp über 18 000,00 DM erbringen, wobei das hälftige Kindergeld von zusammen 3 960,00 DM im Jahre 1998 und von 4 500,00 DM im Jahre 1999 in diesen Beträgen enthalten war.
Zur Einkommensteuer für 1998 erklärte und belegte der Kläger eigeneVorsorgeaufwendungenfürAltersversorgungvon 10 093,00 DM,fürKranken-undPflegeversicherungvon 4 970,00 DM, für Lebensversicherung von 5 239,00 DM sowie für
Haftpflichtversicherungvon615,00 DM,zusammenalso 20 017,00 DM. Außerdem belegte er außergewöhnliche Belastungen von 2 205,00 DM. Aufgrund der gesondert und einheitlich festgestellten Einkünfte aus der Praxisgemeinschaft legte der Beklagte seinem Einkommensteuerbescheid für 1998 Folgendes zugrunde:
Insgesamt
DM
DM
Einkünfte aus selbstständiger Arbeit
55 026
55 026
Gesamtbetrag der Einkünfte
55 026
55 026 ab Sonderausgabenpauschbetrag
108 ab beschränkt abziehbare Sonderausgaben Summe der Versicherungsbeiträge
20 917
Vorwegabzug6 000
Minderung nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG 0
6 000
6 000 6 000
verbleibender Vorwegabzug
verbleibende Versicherungsbeiträge
14 917
abziehbar
2 610 2 610
verbleiben
12 307
davon höchstens abziehbar
1 305 1 305
abzugsfähig im Rahmen des § 10 Abs. 3 EStG
9 915 9 915 ab außergewöhnl. Belastung nach §§ 33-33c EStG Aufwendungen nach § 33 EStG2 205
zumutbare Belastung 550
(1 v. H. von55 026)
abziehbar nach § 33 EStG1 655
1 655
Einkommen/zu versteuerndes Einkommen
43 348
Da die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums der Kinder durch das an den Kläger ausgezahlte Kindergeld von 3 960,00 DM höher als bei Zugrundelegung von Kinderfreibeträgen war, setzte der Beklagte auf der Basis des zu versteuernden Einkommens nach der Grundtabelle eine Einkommensteuer von 8 904,00 DM sowie einen Solidaritätszuschlag von 315,15 DM, insgesamt also 9 219,15 DM fest. Der Bescheid erging hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge vorläufig im Sinne von § 165 Abgabenordnung -AG-.
Mit seinem rechtzeitig eingelegten Einspruch machte der Kläger geltend, er werde durch die Abzugsbeschränkungen für Vorsorge-
aufwendungen sowie eine unzureichende Berücksichtigung von Kosten für Kinder in verfassungswidriger Weise übermäßig besteuert. Nach Einrechnung der sich ergebenden Steuerlast verbleibe ihm zu seiner eigenen Lebensführung für 1998 ein Betrag von 6 812,00 DM, der deutlich unter dem Grundbetrag wie auch unter den Bezügen liege, die Sozialhilfeempfänger erhielten. Dabei machte er geltend, dass die bei seiner Einkommensteuererklärung angegebenen Belastungen noch durch notwendige Kosten für die Pflege des Verhältnisses zu seinen Kindern erhöht würden, die sich zur Förderung der Ausbildung und Erziehung sowie unter Berücksichtigung von Geschenken zu Festtagen pro Kind und Jahr auf geschätzte 700,00 DM beliefen. Hierzu gab der Kläger folgende Aufstellung:
Beträge Zwischensumme verbleibende in DM
DM DM Beträge
1. Einkünfte in 199855 026
55 026
2. Aufwand für Kinder
18 348 36 678
2.1. Unterhaltsaufwendungen
2.2. weiterer Aufwand
mind. 700,00 DM je Kind 2 100 2 100 34 578
3. Vorsorgeaufwendungen 4 970
3.1. Krankenversicherung
3.2. Rentenversicherung 10 093
3.3. Lebensversicherung 5 239 20 302 14 276
4. Außergewöhnliche Belastungen 205 2 205 12 071
in 1998 2
5. Steuern vom Einkommen für 1998
Einkommenst.8 904 Solid.-Zuschlag
315 9 219 2 852
6. Transferleistungen des Staates für Kinder, Hinzurechnung
Kindergeld für
1 320
1. Kind 12 x 110
2. Kind 12 x 110
1 320
3. Kind 12 x 110
1 320
3 960
6 812
7. Verbleibender Betrag für Lebensunterhalt 6 812
Der Beklagte wie...