Entscheidungsstichwort (Thema)
Erweiterte Kürzung des Gewerbeertrages nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG
Leitsatz (redaktionell)
- Die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrages nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist nicht zu gewähren, wenn die Einnahmen aus der Grundstücksüberlassung ungeachtet der Rechtsform des Steuerpflichtigen aufgrund einer Betriebsaufspaltung zu Einkünften aus Gewerbebetrieb im Sinne von § 15 EStG bzw. Gewerbeertrag im Sinne von § 7 GewStG führen.
- Für die personelle Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebskapitalgesellschaft als Voraussetzung einer kapitalistischen Betriebsaufspaltung reicht es aus, wenn die Besitzkapitalgesellschaft selbst beherrschende Anteilseignerin der Betriebskapitalgesellschaft ist.
- Auf die hinter der Besitzgesellschaft stehenden Anteilseigner kommt es in diesem Fall nicht an.
Normenkette
GewStG §§ 7, 9 Nr. 1 S. 2; EStG § 15
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft, deren Anteile sich im Streubesitz von ca. 140 Aktionären befinden; kein Aktionär ist mit mehr als 5%, der überwiegende Teil mit weniger als 1 % am Grundkapital beteiligt. Die Klägerin ist Eigentümerin mehrerer bebauter Grundstücke und Inhaberin diverser Beteiligungen. In den Streitjahren 2005 bis 2008 war die Klägerin mittelbar über eine zwischengeschaltete GmbH zu 100% an der M GmbH (M- GmbH) beteiligt. Die M- GmbH druckte eine Tageszeitung und stellte weitere Druckereiprodukte her. Die Klägerin überließ der M- GmbH einen Teil ihrer bebauten Grundstücke zur Miete, zum Teil auch im Wege einer Erbpacht. In ihren Gewerbesteuererklärungen machte die Klägerin von der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG) Gebrauch und wurde vom Beklagten entsprechend mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheiden (§ 164 Abgabenordnung -AO-) über den Gewerbesteuermessbetrag veranlagt. Nach einer steuerlichen Außenprüfung ging der Beklagte entsprechend der Ansicht des Prüfers davon aus, zwischen der Klägerin und der M - GmbH habe eine (kapitalistische) Betriebsaufspaltung bestanden, weshalb die erweiterte Kürzung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht in Anspruch genommen werden könne. Gegen die so geänderten Bescheide vom 9.10.2009 trägt die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 17.2.2011) vor:
Eine Betriebsaufspaltung liege nicht vor, weil nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) entscheidend sei, dass die hinter beiden Unternehmen (Besitz- und Betriebsunternehmen) stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen in beiden Gesellschaften durchsetzen könnten. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, weil kein Aktionär die Klägerin kapitalmäßig beherrsche und keine Stimmrechte gepoolt worden seien. Das Institut der Betriebsaufspaltung sei mangels gesetzlicher Grundlage abzulehnen. Die Nichtanwendung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG könne nur auf § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG gestützt werden, dessen Voraussetzungen nicht vorlägen.
Die Klägerin beantragt,
die Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2005 bis 2008 vom 9.10.2009 zu ändern, indem statt der darin enthaltenen Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gewährt wird;
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor:
Auf die hinter der Besitzkapitalgesellschaft stehenden Anteilseigner komme es nicht an, ausreichend sei, dass die Klägerin aufgrund ihrer kapitalmäßigen Beteiligung die M – GmbH beherrsche und ihr wesentliche Betriebsgrundlagen vermiete bzw. verpachte.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs.1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
Gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen abweichend von § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG nicht um 1,2 % des Einheitswerts der zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstücke, sondern um den Teil des Gewerbeertrags gekürzt, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt, wenn der Steuerpflichtige dies beantragt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, ist diese Vorschrift allerdings nicht nur unter den hier nicht erfüllten Voraussetzungen von § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG, sondern schon dann unanwendbar, wenn die Vermietungseinkünfte auch aus anderen Gründen als der Rechtsform des Steuerpflichtigen Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne von § 15 Einkommensteuergesetz bzw. Gewerbeertrag im Sinne von § 7 GewStG sind. Denn der Zweck der Norm besteht allein darin, Grundstücksunternehmen in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft entsprechenden - gewerbesteuerfreien - Personenunternehmen gleichzustellen (BFH – Urteil vom 1. August 1979 I R 111/78, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1980, 77; vom 15. April 1999 IV R 11/98, BStBl ...