Entscheidungsstichwort (Thema)

Doppelbesteuerung bei Alterseinkünften

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Regelungen über die Besteuerung der Altersbezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Vorsorgeaufwendungen sind vor dem Hintergrund, dass auch gröbere Typisierungen und Generalisierung durch den Gesetzgeber zulässig sind, insgesamt verfassungsgemäß.

2. Kann der Steuerpflichtige nachweisen, dass es in seinem konkreten Einzelfall zu einer doppelten Besteuerung kommt, kann ihm aufgrund der besonderen Umstände seines konkreten Einzelfalls aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Anspruch auf eine Milderung des Steuerzugriffs in der Rentenbezugsphase zukommen.

3. Die erforderliche Vergleichs- und Prognoserechnung ist auf der Grundlage des Nominalwertprinzips vorzunehmen. Dieses ist verfassungsgemäß.

4. Im Rahmen der Vergleichs- und Prognoserechnung sind der voraussichtlichen steuerlichen Gesamtfreistellung der Alterseinkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung die entsprechenden steuerbelasteten Vorsorgeaufwendungen, die der Steuerpflichtige an die gesetzliche Rentenversicherung geleistet hat, gegenüberzustellen.

5. Umfangreiche Ausführungen zur Ermittlung der maßgeblichen Vergleichsgrößen im Streitfall.

 

Normenkette

EStG § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a) Doppelbuchst. aa), § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a) Doppelbuchst. bb), § 10 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Besteuerung von Alterseinkünften im Streitjahr 2018.

Die Kläger wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Neben anderen Einkünften erzielten die Kläger Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus Versorgungsbezügen und sonstige Einkünfte in Form von Leibrenten. Die Ehegatten heirateten am xx.xx 1984. Sie haben ein am xx.xx 1985 und ein am xx.xx 1987 geborenes Kind.

Die Kläger wurden außerdem in den Jahren 1988–1991, 1993–2001, 2010–2012 und 2015–2018 zusammenveranlagt. In den Jahren 2002–2009 sowie 2013–2014 wurden die Ehegatten getrennt veranlagt. Für die Jahre 1979–1987 und 1992 fehlen die Einkommensteuerbescheide. Im Übrigen liegen sie vor.

Der am xx.xx 1952 geborene Kläger war als Diplom-Mathematiker bis ins Jahr 2000 bei der Z in A tätig. Sein Versicherungsverlauf bei der Deutschen Rentenversicherung Bund weist ab dem xx.xx 1979 Pflichtbeitragszeiten auf. Vom xx.xx 1979 bis xx.xx 1982 und vom xx.xx 1987 bis xx.xx 1988 ergeben sich keine Beitragszeiten. Die Kläger gaben an, sie seien teilweise im Ausland beschäftigt gewesen und hätten deshalb teilweise keine Pflichtbeiträge geleistet. Ab Mitte des Jahres 2001 war der Kläger als IT-Berater in einer GmbH als deren Gesellschafter-Geschäftsführer tätig. Sein Versicherungsverlauf bei der Deutschen Rentenversicherung weist ab dem xx.xx 2001 keine Beitragszeiten mehr auf. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Versicherungsverlauf des Klägers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund vom xxx verwiesen.

Die Klägerin erzielte zum xx.xx 2018 eine monatliche Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung von x.xxx,xx EUR, eine monatliche Rente aus dem Versicherungsvertrag mit der B AG von xx,xx EUR und eine monatliche Rente von der C in Höhe von xxx,xx EUR. Außerdem übte sie ein Teilkapitalwahlrecht von 30 % gegenüber der B AG aus und erhielt im xxx 2018 x.xxx,xx EUR ausbezahlt. Aus xx.xxx EUR Fondsvermögen ergab sich mindestens eine monatliche Altersrente von xx,xx EUR. Der ausbezahlte Betrag von x.xxx,xx EUR entspricht damit einer monatlichen Altersrente von mindestens xx,xx EUR brutto.

Die Kläger wurden zunächst im Einkommensteuerbescheid 2018 vom 26. August 2019 veranlagt. Dagegen legten die Kläger durch Schriftsatz vom 8. September 2019 Einspruch ein und machten geltend, dass die Rentenansprüche bereits vor dem Jahr 2002 erworben worden seien. Ein steuerpflichtiger Rentenanteil von 76 % führe zu einer unzulässigen Besteuerung der bereits aus dem Nettoeinkommen gezahlten Rentenbeiträge. Auch der Gleichheitsgrundsatz werde verletzt. Denn bei Versicherungsnehmern, die ihre Beiträge bis zum Jahr 2005 entrichtet hätten und danach in Rente gegangen seien, werde ein geringerer Besteuerungsanteil von 50 % berücksichtigt.

Am 15. September 2020 erging ein nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderter Einkommensteueränderungsbescheid 2018, in dem die Einkommensteuer auf xx.xxx EUR festgesetzt wurde. Dem Kläger floss u.a. ab dem xx.xx 2018 eine Leibrente aus einer inländischen gesetzlichen Rentenversicherung von x.xxx,xx EUR monatlich zu. Insgesamt ergab sich ein Betrag von x.xxx EUR für das Jahr 2018, dessen steuerfreier Teil nach dem Einkommensteuerbescheid 2018 vom 15. September 2020 x.xxx EUR betrug. Der steuerpflichtige Teil betrug 76 %.

In der Einspruchsentscheidung vom 1. Juli 2021 wies das Finanzamt (FA) den Einspruch als unbegründet zurück.

Mit ihrer dagegen durch Schriftsatz vom 4. August 2021 eingereichten Klage machen die Kläger ...

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