Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld. keine rückwirkende Berechtigtenbestimmung nach § 64 Abs. 2 EStG. Änderung der Berechtigtenbestimmung nach vorheriger Aufhebung und Rückzahlung des Kindergelds

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Änderung der Berechtigtenbestimmung nach § 64 Abs. 2 EStG ist grundsätzlich nur für die Zukunft möglich.

2. Ist mit der durch die Familienkasse bewirkten Aufhebung der Festsetzung, Rückforderung und der entsprechenden Rückzahlung des Kindergeldes durch die Ehefrau das Kindergeld für einen zurückliegenden Zeitraum nicht mehr geregelt und ist der Kindergeldanspruch noch nicht verjährt, kann der rückwirkenden Antragstellung des Ehemanns nicht eine bereits erfolgte Berechtigtenbestimmung entgegengehalten werden.

 

Normenkette

EStG § 64 Abs. 1, 2 S. 2, § 67 S. 1, § 31 S. 3; AO § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.05.2016; Aktenzeichen V R 21/15)

 

Tenor

1. Unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 7. Juli 2009 und deren Einspruchsentscheidung vom 27. März 2012 wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Kindergeld für sein Kind J. in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum Dezember 2007 bis Juni 2008 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Kindergeldanspruch des Klägers für sein am 18.07.2004 geborenes Kind J. Für den hier streitigen Zeitraum von Dezember 2007 bis Juni 2008 hatte die Mutter von J. und Ehefrau des Klägers bereits Kindergeld beantragt gehabt und ausgezahlt erhalten, jedoch war mit bestandskräftigem Bescheid der Beklagten vom 19.06.2008 die Kindergeldfestsetzung aufgehoben worden; der gezahlte Betrag wurde zurückgefordert und von der Kindesmutter auch zurückgezahlt. Später wurde ihr dann auf am 22.08.2008 eingegangenen Antrag wieder ab Juli 2008 Kindergeld für J. bewilligt und gezahlt. Eine Zahlung für den hier streitgegenständlichen Zeitraum an die Ehefrau des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 03.06.2009 ab, da diese zuvor ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei und daher Kindergeld frühestens ab dem Monat, der dem früheren Aufhebungsbescheid vom 19.06.2008 folge, bewilligt werden könne.

Der Kläger stellte selbst einen Kindergeldantrag für J. am 17.12.2008 (sowie – hier nicht streitig – für ein weiteres Kind), den die Kindesmutter mit unterschrieb und in dem sie sich zur Auszahlung an ihren Ehemann einverstanden erklärte. Im Rahmen des oben geschilderten Kindergeldantrages der Ehefrau teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten mit, für J. kein Kindergeld für den hier streitigen Zeitraum zu gewähren; die Beklagte wertete dies als Bescheid und einen Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 16.12.2009, mit dem dieser ausdrücklich die rückwirkende Bewilligung des Kindergeldes begehrte, als Einspruch.

Mit Einspruchsentscheidung vom 27.03.2012 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück, wobei sie ausführte, dass vorliegend bereits Kindergeld an die Kindesmutter gezahlt worden sei, dem eine Berechtigtenbestimmung nach § 64 Abs. 2 Satz 2 EinkommensteuergesetzEStG – zugrunde gelegen habe, die rückwirkend nicht mehr zu ändern sei. Auf die inzwischen erfolgte Aufhebung der Kindergeldbewilligung und Rückzahlung durch die Kindesmutter komme es dabei nicht an.

Der Kläger hat am 30.04.2012 Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiter verfolgt.

Zur Begründung trägt er vor, dass die gegenüber der Kindesmutter ergangene Kindergeldaufhebung erfolgt sei, weil die Beklagte gerade nicht von deren Berechtigung ausgegangen sei; daher sei hier auch eine rückwirkende Änderung der Berechtigtenbestimmung zulässig bzw. liege eine solche gar nicht vor.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 7. Juli 2009 und deren Einspruchsentscheidung vom 27. März 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Kindergeld für sein Kind J. in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum Dezember 2007 bis Juni 2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die einschlägige Rechtsprechung zur Unzulässigkeit einer rückwirkenden Berechtigtenbestimmung. Die Aufhebung der Kindergeldbewilligung mit Bescheid vom 19.06.2008 sei wegen der fehlenden Mitwirkung der Kindesmutter erfolgt und habe keine Aussage über die Ablehnung eines Kindergeldanspruchs getroffen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf und die in der Gerichtsakte befindlichen Schriftsätze und die übersandten Kindergeldakten des Klägers und seiner Ehefrau Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung waren.

 

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung ergeht gemäß § 79a Abs. 3 Finanzgerichtsordnung – FGO – durch den Vorsitzenden an Stelle des Senats und gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 16.10.2012...

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