Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung eines Disponenten/Lokleitung bei der Bahn
Leitsatz (redaktionell)
vgl. auch 17. April 2003 – 8 ABR 16/02 –
Orientierungssatz
1. Der Konzernentgelttarifvertrag des DB Konzerns, gültig ab 1. Juni 1999, hat den Entgelttarifvertrag der DB AG abgelöst. Damit können die Richtbeispiele des Entgeltgruppenverzeichnisses des Entgelttarifvertrages DB AG keine Anwendung mehr finden.
2. Eine Eingruppierung in Entgeltgruppe E 9 des Konzernentgelttarifvertrages kommt nur in Betracht, wenn die Tätigkeit objektiv einen fachhochschulakademischen Zuschnitt hat.
Normenkette
Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen des DB Konzerns (Konzern ETV) gültig ab 1. Juni 1999 §§ 2, 3; Entgeltgruppenverzeichnis
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 18. März 2002 – 11 TaBV 58/01 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
I. Die Antragstellerin (Arbeitgeberin – Beteiligte zu 1.) begehrt vom Beteiligten zu 2., der Betriebsrat für den nunmehrigen Wahlbetrieb C 2 der Antragstellerin in der Niederlassung B ist, die Ersetzung der Zustimmung zur Eingruppierung des Arbeitnehmers S W in die tarifliche Entgeltgruppe E 8 des Konzern-Entgelttarifvertrags (im folgenden: „Konzern ETV”).
Im Unternehmen der Arbeitgeberin finden – unabhängig von der Gewerkschaftszugehörigkeit des Arbeitnehmers – die bei der DB AG geltenden Tarifverträge kraft einzelvertraglicher Einbeziehung Anwendung.
Bis zum 31. Mai 1999 gehörte hierzu der Entgelttarifvertrag von 1994 für die Arbeitnehmer der DB AG, der ein Entgeltgruppenverzeichnis mit Richtbeispielen enthielt. Ein Richtbeispiel zur Entgeltgruppe E 9 war:
„Disponent/in für die Betriebsleitstelle, Betriebsüberwachung oder Lokdienstleitung”.
Der Entgelttarifvertrag wurde zum 1. Juni 1999 durch den Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen des DB-Konzerns (Konzern ETV) ersetzt. Die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale entsprechen wortgleich den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltgruppen des Vorgängerentgeltarifvertrags, die Richtbeispiele sind jedoch entfallen.
Am 18. März 1999 gaben die Tarifvertragsparteien zum Inkrafttreten des neuen ETV eine einvernehmliche Erklärung ab. Dort heißt es unter anderem:
„Da im KonzernETV keine Richtbeispiele vereinbart sind …”
Im weiteren vereinbarten die Tarifvertragsparteien Besitzstandsregelungen.
Die Antragstellerin beantragte mit Schreiben vom 6. Januar 2000, beim Betriebsrat am 18. Januar 2000 eingegangen, die Zustimmung zur Versetzung des Arbeitnehmers W vom Arbeitsplatz Streckenlokführer beim DB Cargo Bahnhof S auf den Arbeitsplatz Disponent Lokleitung beim DB Cargo Bahnhof S. Gleichzeitig beantragte sie die Zustimmung zur Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 8 nach dem Konzern ETV.
Mit Schreiben vom 20. Januar 2000 stimmte der Betriebsrat der Versetzung zu, er verweigerte jedoch die Zustimmung zur Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 8. Er hielt bezüglich des Disponenten Lokleitung die Entgeltgruppe E 9 für zutreffend.
Die Tätigkeiten des Disponenten Lokleitung umfassen die Disposition von Personal und Triebfahrzeugen sowie eine Sachbearbeitertätigkeit im Arbeitszeitmanagement. Der Arbeitsplatz ist als dreischichtiger Arbeitsplatz eingerichtet, der in jeder Schicht mit zwei Arbeitnehmern besetzt ist. Über die Zeitanteile der Einzeltätigkeiten streiten die Beteiligten, es besteht jedoch Einigkeit, daß die Tätigkeit des Einsatzplaners Lokleitung weit überwiegt. Der Vorgänger des Arbeitnehmers W war in die Entgeltgruppe E 9 nach dem zuvor geltenden ETV eingruppiert. Der Arbeitnehmer W verfügt nicht über einen Fachhochschulabschluß. Er war vor der Disponententätigkeit mehrere Jahre lang Lokführer bei der Antragstellerin.
Seit dem 1. August 2002 gilt ein neuer Konzern ETV mit im wesentlichen entsprechenden Regelungen.
Die Antragstellerin hat die Ansicht vertreten, daß nach dem ab 1. Juni 1999 geltenden Konzern ETV auf die in dem bis dahin geltenden ETV DB AG vom 27. Dezember 1993 aufgeführten Richtbeispiele nicht mehr zurückgegriffen werden könne, da diese im neuen Tarifvertrag nicht mehr enthalten seien. Die Zuordnung des Disponenten Lokleitung zur früheren Entgeltgruppe E 9 habe schon damals einen Systembruch dargestellt, den die Antragstellerin als Tarifvertragspartei in Kauf genommen habe, um die schwierige Anfangsphase nach der Privatisierung der DB AG nicht zu belasten. Die Entgeltgruppe E 9 des neuen ETV sei nicht zutreffend, da es sich bei der Tätigkeit des Disponenten Lokleitung nicht um eine Tätigkeit handele, zu der eine abgeschlossene Ausbildung an einer Fachhochschule benötigt werde. Die Entgeltgruppe E 9 erfordere zwar nicht, daß der Betreffende tatsächlich eine Ausbildung an einer Fachhochschule abgeschlossen habe, objektiv müsse aber eine Tätigkeit, die eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 9 rechtfertige, einen fachhochschulakademischen Zuschnitt haben. Auf der Position des Disponenten Lokleitung seien praxiserfahrene Arbeitnehmer vonnöten. Die Antragstellerin hat behauptet, daß beispielsweise ein Lokführer, der über eine Berufserfahrung von zwei bis drei Jahren verfüge, mit einer dreiwöchigen Einarbeitungszeit so ausgebildet werden könne, daß er die Arbeit als Disponent verrichten könne. Der Einsatz eines ausgebildeten Lokführers sei zweckmäßig, aber nicht zwingend.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung des Arbeitnehmers S W in die Entgeltgruppe E 8 zu ersetzen.
Der Antragsgegner hat Zurückweisung des Antrags beantragt. Er hat behauptet, bei den Tarifverhandlungen zum neuen Konzern ETV sei zwischen den Verhandlungsführern der Arbeitgeber und der Gewerkschaft in einem Sechs-Augen-Gespräch vereinbart worden, daß die Richtbeispiele des alten ETV DB AG auch unter der Geltung des Konzern ETV weiter angewendet werden sollten. Der Wegfall der Richtbeispiele habe nur die Schaffung neuer Berufsbilder ermöglichen sollen. Daß der Disponent Lokleitung nach den früher ausdrücklich aufgeführten Richtbeispielen in die Entgeltgruppe E 9 einzugruppieren gewesen sei, sei als entstehungsgeschichtlicher Umstand bei der Auslegung zu berücksichtigen. Der Antragsgegner ist weiterhin der Auffassung gewesen, daß das in Anführungszeichen gesetzte Erfordernis „Ausbildung an einer Fachhochschule” durch Kenntnisse und Fertigkeiten, die im Rahmen eines betrieblichen Werdeganges erworben würden, erfüllt werden könne. Ein objektiver akademischer Zuschnitt der Tätigkeit sei deshalb nicht erforderlich. Zudem sei es systemwidrig, in dieser Vergütungsgruppe Tätigkeiten zu berücksichtigen, die einen Fachhochschulabschluß erfordern, wenn sich der Tarifvertrag in der Entgeltgruppe E 11 mit Tätigkeiten begnüge, die durch langjährige Berufserfahrung erworben werden können. Die Darlegung, daß die Tätigkeit des Disponenten keinen akademischen Zuschnitt aufweise, obliege der Antragstellerin.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung des Arbeitnehmers W in die Entgeltgruppe E 8 ersetzt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats.
Entscheidungsgründe
II. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat dessen Zustimmung zur Eingruppierung des Arbeitnehmers W in die Entgeltgruppe E 8 des Konzern ETV zu Recht ersetzt.
1. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, daß die Richtbeispiele des Vorgänger ETV wegen der sonst unverständlichen Besitzstandsregelung in der einvernehmlichen Erklärung und der fehlenden Schriftform eventueller anderweitiger Absprachen keine Anwendung mehr fänden. Die Tätigkeit des Disponenten Lokleitung sei durch höherwertige technische Aufgaben geprägt, die auf Grund einer betrieblichen Ausbildung verrichtet werden könnten. Die Merkmale der Ausgangsfallgruppe E 8 Konzern ETV seien damit erfüllt. Das Landesarbeitsgericht hat im weiteren unterstellt, daß sich die Tätigkeit eines Disponenten von den Tätigkeiten der Entgeltgruppe E 8 abhebt. Es fehle jedoch am dritten Tätigkeitsmerkmal, da es sich bei der Tätigkeit des Disponenten Lokleitung nicht um eine Tätigkeit, die einen Fachhochschulabschluß erfordert, handelt. Dieser akademische Zuschnitt werde in dem dritten Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe E 8 objektiv vorausgesetzt, wenn auch die Kenntnisse und Fähigkeiten subjektiv anders erlangt werden können.
2. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
a) Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts war zulässig. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, daß der Beschwerdegegner in der Beschwerdeschrift nicht korrekt bezeichnet war. Aus einer Rechtsmittelschrift muß sich ergeben, gegen wen das Rechtsmittel eingelegt wird, wobei es ausreicht, daß sich innerhalb der Rechtsmittelfrist die Person des Rechtsmittelgegners aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen ergibt. Ungenauigkeiten und Unrichtigkeiten in der Bezeichnung der Verfahrenssubjekte schaden nicht, wenn trotz dieser Mängel unzweideutig ersichtlich ist, gegen wen sich das Rechtsmittel richtet (BAG 10. April 1986 – 2 AZR 409/85 –; 28. Juni 1973 – 3 AZR 469/72 – AP ZPO § 518 Nr. 21 = EzA ZPO § 518 Nr. 6, zu II 1 a der Gründe; 16. Februar 1981 – 3 AZB 21/80 – AP ZPO § 518 Nr. 44 = EzA ZPO § 518 Nr. 27, zu II 1 der Gründe sowie BGH 25. September 1975 – VII ZB 9/75 – BGHZ 65, 114, 115 f.). So liegt der Fall hier. Den genannten Erfordernissen hat die Antragstellerin in der Beschwerdeschrift Genüge getan. Bei dem Beschwerdegegner handelte es sich zwar damals um den Betriebsrat mit der Bezeichnung „C.I.11”, so daß die Bezeichnung C.1.4. in der Beschwerdeschrift unzutreffend war. Diese falsche Bezeichnung ist aber ohne Bedeutung, da der Betriebsrat im weiteren mit seiner (damals) zutreffenden Bezeichnung „Betriebsrat der Niederlassung B” und unter genauer Angabe des Betriebsratsvorsitzenden bezeichnet war. Damit war unzweideutig ersichtlich, gegen wen sich die Beschwerde richtete.
b) Die Beschwerde der Antragstellerin war begründet. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, daß die vom Arbeitnehmer W ausgeübte Tätigkeit den Merkmalen der Entgeltgruppe E 8 und nicht der Entgeltgruppe E 9 Konzern ETV entspricht. Es hat deshalb die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 8 zu Recht ersetzt.
aa) Die Zustimmung des Betriebsrats gilt nicht bereits nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt.
Der Betriebsrat hat die Zustimmung formgerecht verweigert. Er hat sich schriftlich darauf gestützt, daß die vorgenommene Eingruppierung gegen den Konzern ETV verstoße, weil nicht die Entgeltgruppe E 8, sondern die Entgeltgruppe E 9 zutreffend sei. Das ist ausreichend, denn die Zustimmungsverweigerung läßt es als möglich erscheinen, daß einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG abschließend aufgezählten Gründe geltend gemacht wird (BAG 26. Januar 1988 – 1 AZR 531/86 – BAGE 57, 242 = AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 50 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 58). Da der Antrag der Arbeitgeberin am 18. Januar 2000 beim Betriebsrat eingegangen ist, hat der Betriebsrat mit der am 20. Januar 2000 erklärten Zustimmungsverweigerung die nach § 99 Abs. 3 BetrVG einzuhaltende Wochenfrist gewahrt.
bb) Der Zustimmungsersetzungsantrag ist begründet, weil die vom Arbeitgeber beabsichtigte Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 8 nicht gegen den Konzern ETV verstößt (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG).
(1) Eingruppierung ist die Einordnung einzelner Arbeitnehmer in ein kollektives Entgeltschema. Bei diesem Vorgang ist zu klären, welchen Merkmalen der im Betrieb geltenden Vergütungsordnung die jeweilige Tätigkeit entspricht. Das verlangt die Subsumtion eines bestimmten Sachverhalts unter eine vorgegebene Ordnung (BAG 27. Juli 1993 – 1 ABR 11/93 – BAGE 74, 10 = AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 110 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 116, zu B II 1 der Gründe). Dieser Vorgang erfolgt im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien zueinander. Eine Eingruppierung stellt keine Rechtsgestaltung dar, sondern einen gedanklichen Vorgang. Sie ist ein Akt der Rechtsanwendung und die Kundgabe des hierbei gefundenen Ergebnisses, daß die vom Arbeitnehmer zu verrichtenden Tätigkeiten den Tätigkeitsmerkmalen einer bestimmten Vergütungsgruppe entsprechen und daher der Arbeitnehmer in dieser Gruppe einzuordnen ist. An diesem Akt der Rechtsanwendung ist der Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 BetrVG beteiligt. Bei seinem Mitbestimmungsrecht handelt es sich um ein Mitbeurteilungsrecht im Sinne einer Richtigkeitskontrolle (st. Rspr. des BAG 27. Juni 2000 – 1 ABR 29/99 – ZTR 2001, 188; 20. Dezember 1988 – 1 ABR 68/87 – BAGE 60, 330 = AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 62 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 70; 20. März 1990 – 1 ABR 20/89 – BAGE 64, 254 = AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 79 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 87).
(2) Als kollektives Entgeltschema findet in den Betrieben der Antragstellerin unstreitig der Konzern ETV Anwendung, unabhängig von der Tarifbindung der betroffenen Arbeitnehmer. Nach § 2 Abs. 1 des Konzern ETV erhält der Arbeitnehmer ein Monatstabellenentgelt, das nach Entgeltgruppen (Anlage 2 zum ETV) bemessen wird. Nach § 3 Abs. 1 des Konzern ETV (der § 5 des ab 1. August 2002 gültigen Konzern ETV entspricht) richtet sich die Eingruppierung des Arbeitnehmers in einer Entgeltgruppe nach der von ihm ausgeführten und nicht nur vorübergehend übertragenen Tätigkeit und nicht nach seiner Berufsbezeichnung. Werden dem Arbeitnehmer Tätigkeiten übertragen, die verschiedenen Entgeltgruppen zuzuordnen sind, so gilt nach Abs. 2 des § 3 (§ 5) Konzern ETV diejenige Entgeltgruppe, die der überwiegenden Tätigkeit entspricht.
Nach der Anlage 2 zum Konzern ETV, Entgeltgruppenverzeichnis der DB AG, sind für die Eingruppierung ua. folgende Bestimmungen maßgebend:
„Entgeltgruppe E 9
Tätigkeiten,
die
- • durch höherwertige kaufmännische oder technische Aufgaben geprägt sind,
- • sich in ihrem Arbeitsinhalt von E 8 abheben und
- • die zu ihrer Ausführung eine abgeschlossene Ausbildung an einer Fachhochschule erfordern.
Die ‚Ausbildung an einer Fachhochschule’ kann durch
ersetzt werden.
Entgeltgruppe E 8
Tätigkeiten,
die
- • durch höherwertige kaufmännische oder technische Aufgaben geprägt sind und
• zu ihrer Ausführung
- • eine berufliche Spezialausbildung oder
- • eine entsprechende betriebliche Ausbildung
erfordern
oder
- die sich gegenüber E 7 durch gesteigerten Arbeitsinhalt abheben.”
(3) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht nicht auf Richtbeispiele abgestellt. Nach den Richtbeispielen des Vorgänger ETV war der Disponent Lokleitung in die Entgeltgruppe E 9 eingruppiert. Entgegen der Auffassung des Betriebsrats können die Richtbeispiele des Vorgänger ETV, die in dem Konzern ETV nicht mehr enthalten sind, jedoch nicht mehr herangezogen werden.
Der Konzern ETV hat den ETV abgelöst. Nach dem ETV der DB AG galten Richtbeispiele. Anlage 1 zum ETV Entgeltgruppenverzeichnis der DB AG Vorbemerkungen lautete auszugsweise:
II. Tätigkeitsmerkmale/Richtbeispiele
Die Eingruppierung des Arbeitnehmers in eine Entgeltgruppe richtet sich grundsätzlich nach dem Oberbegriff der maßgebenden Entgeltgruppe. Die Richtbeispiele sind ergänzend und beispielhaft zugeordnet; sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und legen lediglich die Mindesteingruppierung fest. Das heißt, daß bei Erfüllung der höheren Anforderungen für die in den Richtbeispielen aufgeführten Tätigkeiten auch eine höhere Einstufung erfolgt.
Sind allgemein gefaßten Tätigkeitsmerkmalen in einer bestimmten Vergütungsgruppe konkrete Beispiele beigefügt, sind die Erfordernisse der betreffenden Vergütungsgruppe regelmäßig schon dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer eine den Beispielen entsprechende Tätigkeit ausübt. Durch konkrete Tätigkeitsbeispiele legen die Tarifvertragsparteien grundsätzlich fest, daß diese Tätigkeiten den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen der betreffenden Vergütungsgruppe entsprechen (vgl. BAG 15. November 2001 – 8 AZR 17/01 –; 8. Februar 1984 – 4 AZR 158/83 – BAGE 45, 121, 125 f. = AP TVG § 1 Auslegung Nr. 134). Nach den Vorbemerkungen des früheren Entgeltgruppenverzeichnisses gingen von diesen Grundsätzen auch die Tarifvertragsparteien des früheren Entgelttarifvertrages für die Arbeitnehmer der DB AG aus.
Der Konzern ETV löste jedoch ab 1. Juni 1999 den ETV der DB AG vollständig ab. Die Tarifvertragsparteien haben nunmehr vereinbart, daß nicht mehr auf die für die Praxis leichter handhabbaren und verständlicheren konkreten Richtbeispiele abzustellen ist, sondern nur noch auf die abstrakt formulierten, von unbestimmten Rechtsbegriffen gekennzeichneten Oberbegriffe. Nach dem Ablösungsprinzip („Zeitkollisionsregel”) findet wegen des gleichen Rangs beider Tarifverträge zueinander auch kein Günstigkeitsvergleich zwischen den bisherigen und den ablösenden Regelungen statt (BAG 20. März 2002 – 10 AZR 501/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Gebäudereinigung Nr. 12 = EzA TVG § 4 Gebäudereinigerhandwerk Nr. 4, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 28. Mai 1997 – 4 AZR 545/95 – AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 27; vgl. auch Wiedemann/Wank TVG 6. Aufl. § 4 Rn. 261). Eine Tarifnorm steht auch stets unter dem Vorbehalt, durch eine nachfolgende tarifliche Regelung verschlechtert oder ganz gestrichen werden zu können. Ein Vertrauensschutz besteht insoweit grundsätzlich nicht (BAG 8. September 1999 – 4 AZR 661/98 – BAGE 92, 259 = AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 33 = EzA TVG § 1 Rückwirkung Nr. 4).
Die Richtbeispiele können entgegen der Ansicht des Betriebsrats auch nicht auf Grund einer Auslegung der allgemeinen Tätigkeitsmerkmale noch angewandt werden.
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben Zweifel, können weitere Kriterien, wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG 20. März 2002 – 10 AZR 501/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Gebäudereinigung Nr. 12 = EzA TVG § 4 Gebäudereinigerhandwerk Nr. 4, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 15. November 2001 – 8 AZR 17/01 –; 5. Oktober 1999 – 4 AZR 578/98 – AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 15 = EzA TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 8).
Der neue Konzern ETV enthält nach seinem klaren Wortlaut keinerlei Richtbeispiele mehr. Auch ist die Vorbemerkung zum Entgeltgruppenverzeichnis des früheren ETV, welche das Verhältnis der Oberbegriffe und der Richtbeispiele betraf, im neuen Entgeltgruppenverzeichnis nicht mehr enthalten. Aus dem Wortlaut ergibt sich keinerlei Hinweis, daß die Tarifvertragsparteien gleichwohl bei den Oberbegriffen die Regelbeispiele fortführen wollten.
Gegen eine Fortgeltung der Richtbeispiele spricht weiter, daß verschiedene Tarifvertragsparteien die beiden Entgelttarifverträge abgeschlossen haben. Während der Vorgängerentgelttarifvertrag auf Arbeitgeberseite nur von der DB AG abgeschlossen worden ist, haben beim neuen ETV auf der Arbeitgeberseite diverse Unternehmen den Tarifvertrag abgeschlossen. Mag es sich dabei auch um Tochterunternehmen der DB AG handeln, kann doch ohne weitere, hier nicht vorliegende Umstände nicht angenommen werden, daß frühere, dh. inzwischen abgelöste Tarifverträge, an deren Zustandekommen die weiteren Unternehmen nicht beteiligt waren, noch Auswirkungen haben sollten.
Zudem ergibt sich aus der einvernehmlichen Erklärung der Tarifvertragsparteien zum Inkrafttreten des Konzern ETV vom 18. März 1999, daß die Tarifvertragsparteien selbst davon ausgingen, die Richtbeispiele sollten keine Anwendung mehr finden. Im Eingangssatz stellen die Tarifvertragsparteien nämlich fest: „1. Da im KonzernETV keine Richtbeispiele vereinbart sind …”.
Außerdem war Gegenstand der Gemeinsamen Erklärung die Schaffung von Besitzstandsregelungen, weil Richtbeispiele gerade nicht mehr gelten. Die Tarifvertragsparteien haben nämlich eine Fortgeltung der Eingruppierung für die bereits nach dem Vorgänger ETV Eingruppierten vereinbart, wenn sich an der Tätigkeit nichts ändert. Entgegen der Ansicht des Betriebsrats bezieht sich die Besitzstandsregelung der Gemeinsamen Erklärung auch nicht nur auf Lokomotivführer, sondern nach Ziffer 1 auf alle Arbeitnehmer. Diese Besitzstandsregelung wäre aber nicht erforderlich gewesen, wenn bereits die Auslegung der Entgeltgruppen ergäbe, daß die alten Richtbeispiele wegen der im Wortlaut unveränderten Oberbegriffe weiter Anwendung finden sollten. Die Besitzstandsregelung besagt somit gerade, daß sich bei einer Veränderung der Tätigkeit oder einer Neueingruppierung wegen Aufnahme einer neuen Tätigkeit die Eingruppierung nach dem neuen Konzern ETV richten soll. Aus der Tatsache, daß die Tarifvertragsparteien eine Besitzstandsregelung für nötig gehalten haben, um günstigere Entgeltgruppen für bereits eingruppierte Arbeitnehmer fortwirken zu lassen, ergibt sich, daß sie eine Verschlechterung durch den neuen Entgelttarifvertrag für möglich gehalten haben.
Die Richtbeispiele gelten letztlich nicht auf Grund des vom Betriebsrat angeführten Sechs-Augen-Gesprächs fort. Es bestehen schon Zweifel daran, ob die Tarifvertragsparteien dem Inhalt nach mündlich eine Fortgeltung der Richtlinien besprochen haben. Der vom Betriebsrat dargestellte Inhalt dieses Gesprächs behandelt nämlich nur den Grund für den Wunsch der Arbeitgeberseite, die Richtbeispiele entfallen zu lassen. Ein Gespräch über eine Motivationslage beinhaltet aber keine mündliche Zusage der Fortgeltung früherer Tarifregelungen. Der Inhalt des Gesprächs kann aber letztlich dahingestellt bleiben, denn er kann schon deshalb keine Berücksichtigung finden, weil er im Wortlaut des schriftlichen Tarifvertrags keinen Niederschlag gefunden hat (§ 1 Abs. 2 TVG). Vereinbarungen von Tarifvertragsparteien – unterstellt sie wurden im vorliegenden Fall getroffen – können bei Nichteinhaltung der Schriftform auch beispielsweise nicht als Vertrag zugunsten Dritter wirksam werden, da das Wirksamkeitserfordernis der Schriftform gerade dem Interesse der Parteien, der Normadressaten sowie Dritter an Klarstellung und Feststellbarkeit ihres Inhalts dient (vgl. Wiedemann TVG 6. Aufl. § 1 Rn. 228).
(4) Für die Eingruppierung des Arbeitnehmers W können damit nur die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppen E 8 und E 9 des Konzern ETV herangezogen werden.
Der Arbeitnehmer W ist überwiegend als Disponent für die Lokleitung und nicht als Sachbearbeiter im Arbeitszeitmangement tätig. Deshalb ist im Rahmen der Eingruppierung die Disponententätigkeit maßgebend (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Konzern ETV). Es ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit, daß die Tätigkeit eines Disponenten Lokleitung durch höherwertige kaufmännische oder technische Aufgaben iSd. Entgeltgruppe E 8 und E 9 geprägt ist. Damit ist das erste Tätigkeitsmerkmal gegeben. Mit dem Landesarbeitsgericht kann die Frage, ob sich die Tätigkeit vom Arbeitsinhalt der Entgeltgruppe E 8 abhebt (zweites Tätigkeitsmerkmal), offenbleiben, da das dritte Tätigkeitsmerkmal nicht erfüllt ist. Eine Eingruppierung in Entgeltgruppe E 9 kommt nämlich nur bei einer Tätigkeit, die objektiv eine abgeschlossene Ausbildung an einer Fachhochschule erfordert, in Betracht. Einen solchen Zuschnitt weist die Disponententätigkeit nicht auf.
Mit der Formulierung: „Tätigkeiten, … die zu ihrer Ausführung eine abgeschlossene Ausbildung an einer Fachhochschule erfordern” wird die Art und Weise der Tätigkeit näher beschrieben. Der Relativsatz läßt erkennen, daß eine Tätigkeit mit fachhochschulakademischem Zuschnitt vorliegen muß, damit eine Eingruppierung in Entgeltgruppe E 9 möglich ist. Trotz der Tatsache, daß der Fachhochschulzuschnitt erst als drittes Kriterium genannt wird, ist der sprachliche Sinn eindeutig. Alle drei Kriterien beschreiben die objektiven Anforderungen an die Tätigkeit, die vorliegen müssen, um eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 9 zu rechtfertigen. Es handelt sich dabei um kumulativ geforderte Voraussetzungen, wie durch die mit einem Komma getrennten ersten beiden Kriterien und durch die weitere Verknüpfung mit dem Wort „und” ersichtlich wird. Optisch wird die Aufzählung durch die jeweils voneinander abgesetzte Reihung verdeutlicht.
Von diesem ersten Satz deutlich abgetrennt folgt zwar sodann in Satz 2, daß die „Ausbildung an einer Fachhochschule” durch anderweitig erlangte Kenntnisse und Fähigkeiten „ersetzt” werden kann. Dies bedeutet jedoch entgegen der Auffassung des Betriebsrats nicht, daß der objektive Fachhochschulzuschnitt einer Tätigkeit nicht Voraussetzung für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 9 ist.
Dem Wortsinn nach bezieht sich, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, dieser Ersatz nämlich nur auf die subjektiv beim Arbeitnehmer geforderte Ausbildung und nicht auf den objektiven Zuschnitt der Tätigkeit. Die Auffassung des Betriebsrats, daß sich die Kompensationsmöglichkeit auch auf den objektiven Zuschnitt bezieht, da die Tätigkeit durch die Art der Ausbildung definiert werde und sodann die Ausbildung durch anderweitig erlangte Kenntnisse und Fähigkeiten ersetzt werden kann, ist schon vom Wortlaut her fernliegend, da bei dieser Annahme das Merkmal der Fachhochschulausbildung überflüssig wäre. Es hätte dann nämlich bei dem dritten Kriterium der Verweis auf die betriebliche Ausbildung oder die langjährige Berufsausbildung ausgereicht. Würde man den objektiven Zuschnitt der Tätigkeit auch mittels des Satzes 2 der Entgeltgruppe E 9 definieren, hätte der in Satz 1 geforderte fachhochschulakademische Zuschnitt keinerlei Bedeutung und wäre zudem durch jede betriebliche Ausbildung, auch eine solche von kürzester Dauer und gleich welchen Inhalts oder durch langjährige Berufserfahrung, wie sie auch schon für Entgeltgruppe E 4 ausreichen würde, zu kompensieren. Es ist aber nicht anzunehmen, daß die Tarifvertragsparteien ein bedeutungsloses Tätigkeitsmerkmal geregelt haben. Außerdem verlangt schon Entgeltgruppe E 6 und darauf aufbauend Entgeltgruppe E 7 eine abgeschlossene Berufsausbildung. Es ist nicht anzunehmen, daß die Tarifvertragsparteien in Entgeltgruppe E 9 eine geringerwertige Ausbildung als in Entgeltgruppe E 6 oder E 7 ausreichen lassen wollten.
Würde man keinen objektiven fachhochschulakademischen Zuschnitt der Tätigkeit in Entgeltgruppe E 9 verlangen, würden sich Entgeltgruppe E 8 und Entgeltgruppe E 9 hinsichtlich der Ausbildung überdies nicht in ihrer Wertigkeit unterscheiden, denn auch für die Entgeltgruppe E 8 ist eine betriebliche Ausbildung ausreichend. Abgrenzungsmerkmal wäre dann allein die jeweilige „Abhebung” von der niedrigeren Vergütungsgruppe, die in ihrer Art und Weise nicht näher konkretisiert ist. Allein durch den fachhochschulakademischen Zuschnitt läßt sich die für die Entgeltgruppe E 9 geforderte tarifliche Wertigkeit der Tätigkeiten näher bestimmen.
Der Verweis des Betriebsrats auf Entgeltgruppe E 11 geht fehl. Die Entgeltgruppe E 11 lautet auszugsweise:
Tätigkeiten,
– |
Die |
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… |
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• |
die Kenntnisse und Fähigkeiten verlangen, die |
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durch abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder |
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durch langjährige Berufserfahrung in einer Vortätigkeit oder |
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durch berufliche Zusatzqualifikation auf der Basis von Fachhochschulabschlüssen |
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erworben wurden. |
Bei verständiger Würdigung dieser gehobenen Fallgruppe ist nämlich anzunehmen, daß ein besonders qualifizierter Zuschnitt der Tätigkeit zwingende Voraussetzung ist. Hier wird nicht ein Weniger als in Entgeltgruppe E 9 gefordert. Das ergibt sich bereits aus der Tatsache der aufeinander aufbauenden Fallgruppen.
Entgegen der Auffassung des Betriebsrats läuft Satz 2 der Regelung in Entgeltgruppe E 9 auch nicht leer, wenn man die Regelung nur auf die subjektive Ausbildung bezieht. Der Betriebsrat ist der Auffassung, daß man wissenschaftliche Fähigkeiten und Kenntnisse nie in der Praxis erwerben könnte. Diese Auffassung ist unzutreffend, denn es kommt allein darauf an, wie die kompensatorische betriebliche Ausbildung ausgestaltet ist oder welche Fähigkeiten in der Vortätigkeit erworben wurden. Die Arbeitgeberin verweist insoweit zutreffend auf den Personalsachbearbeiter, der durch langjährige Berufserfahrung Fähigkeiten und Kenntnisse erlangt hat, die denen eines fachhochschulakademisch ausgebildeten Personalreferenten gleichkommen.
Die von den Tarifvertragsparteien gewählte Regelungstechnik ist auch nicht ungewöhnlich. Wenngleich dort sprachlich anders gefaßt, entspricht sie inhaltlich den Eingruppierungsregelungen für den sogenannten „sonstigen Angestellten” im Bereich des BAT, der ohne entsprechende Ausbildung, aber unter Einsatz gleicher Fähigkeiten eine der Ausbildung entsprechende Tätigkeit ausübt (vgl. zB VergGr. IV b im Abschnitt E für Angestellte im Gartenbau, in der Landwirtschaft und im Weinbau des Teils II der Anlage 1 a zum BAT/BL).
Entgegen der Rechtsbeschwerdebegründung liegt in dieser Unterscheidung zwischen objektiven und subjektiven Tätigkeitsmerkmalen kein Widerspruch.
(5) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, daß für die Tätigkeit eines Disponenten Lokleitung keine Fachhochschulausbildung, beispielsweise zum Dipl.-Ing. FH, nötig ist.
Eine Tätigkeit entspricht dann einem Hochschulstudium in einem wissenschaftlichen Studiengang, wenn die aus der Ausbildung resultierenden Kenntnisse für die Tätigkeit nicht nur nützlich oder erwünscht, sondern zur Ausübung dieser Tätigkeit erforderlich oder notwendig sind, die Tätigkeit also einen akademischen Zuschnitt hat (BAG 12. August 1998 – 10 AZR 483/97 – ZTR 1999, 80; 23. Mai 1979 – 4 AZR 576/77 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 24; 24. Oktober 1984 – 4 AZR 518/82 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 97). Die Tätigkeit entspricht nur dann dem abgeschlossenen Hochschulstudium, wenn die Ausbildung das adäquate, zur Ausübung der konkreten Tätigkeit befähigende Mittel ist (vgl. BAG 28. September 1994 – 4 AZR 619/93 – AP BeschFG 1985 § 2 Nr. 38 = EzA BGB § 612 Nr. 17). Die Tätigkeit muß die Fähigkeit erfordern, wie ein einschlägig ausgebildeter Akademiker auf dem entsprechenden akademischen Fachgebiet Zusammenhänge zu überschauen und selbständig Ergebnisse zu entwickeln. Diese Voraussetzungen können schon dann erfüllt sein, wenn die Tätigkeit des Angestellten ohne unmittelbaren Bezug zu einer konkreten akademischen Fachdisziplin gleichwohl ein Urteilsvermögen eines ausgebildeten Akademikers, also eine nicht fachspezifische, sondern allgemein akademische Qualifikation erfordert (BAG 17. Dezember 1980 – 4 AZR 852/78 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 38; 2. Dezember 1992 – 4 AZR 126/92 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 30; 10. Oktober 1979 – 4 AZR 1029/77 – BAGE 32, 126 = AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 29; 23. Mai 1979 – 4 AZR 576/77 – aaO mwN; 18. Dezember 1996 – 4 AZR 319/95 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 221).
Für Fachhochschulen gilt entsprechendes, denn auch für sie gilt nach § 7 Hochschulrahmengesetz (HRG), daß Lehre und Studium den Studenten auf ein berufliches Tätigkeitsfeld vorbereiten und ihm die dafür erforderlichen fachlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Methoden dem jeweiligen Studiengang entsprechend so vermitteln sollen, daß er zu wissenschaftlicher oder künstlerischer Arbeit und zu verantwortlichem Handeln in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat befähigt wird. Fachhochschulen bereiten durch anwendungsbezogene Lehre auf berufliche Tätigkeiten vor, die die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden oder die Fähigkeit zu künstlerischer Gestaltung erfordern. Dabei vermitteln die Hochschulen eine vertiefte wissenschaftliche Ausbildung, während die Fachhochschulen in ihrem Studienangebot einen engen Bezug zur künftigen Berufspraxis aufweisen (BAG 10. Dezember 1997 – 4 AZR 264/96 – BAGE 87, 272 = AP BGB § 612 Diskriminierung Nr. 3 = EzA BGB § 612 Nr. 22; 30. November 1988 – 4 AZR 412/88 – ZTR 1989, 110; 21. Oktober 1998 – 4 AZR 574/97 – AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 11).
Das Landesarbeitsgericht ist von diesem Rechtsbegriff des fachhochschulakademischen Zuschnitts ausgegangen. Das Landesarbeitsgericht begründet ohne Verstoß gegen die Denkgesetze und allgemeinen Erfahrungssätze und unter Würdigung des beiderseitigen diesbezüglichen Parteivortrages, daß für die Tätigkeit des Arbeitnehmers W eine akademische Ausbildung nicht erforderlich ist und seiner Tätigkeit damit der tariflich geforderte „akademische Zuschnitt” fehlt. Rechtsfehler sind nicht erkennbar. Weder die Tätigkeitsbeschreibung noch der Sachvortrag beider Beteiligter lassen den Schluß auf die Erforderlichkeit eines wissenschaftlichen Studiums zu. Der Disponent disponiert im wesentlichen den Einsatz der Triebfahrzeugführer und der Triebfahrzeuge im Benehmen mit der CLS. Er regelt das operative Geschehen der Lokführer und des Triebfahrzeugeinsatzes. Er ist dem Teamleiter des Teams Triebfahrzeugbau und dem Disponenten der Cargoleitstelle (CLS) fachlich unterstellt. Die Wahrnehmung der Tätigkeiten eines Disponenten verlangt damit neben guten Kenntnissen über die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten eingehendes Wissen über die organisatorischen Abläufe im Lokfahrdienst, Kenntnisse über die notwendigen Zugführerscheine und Geschick im Umgang mit Mitarbeitern. Diese Voraussetzungen werden regelmäßig von Mitarbeitern erfüllt, die eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem gewerblichen oder kaufmännischen Beruf absolviert haben und die zusätzliche Kenntnisse über die betrieblichen Abläufe bei der Antragstellerin erworben haben.
Daß der Lokführer, so er denn als Disponent eingesetzt wird, eine betriebliche Einweisung erhält, über deren Umfang und Länge die Beteiligten streiten, weist noch nicht auf die Notwendigkeit einer Ausbildung hin, die mit einem Fachhochschulabschluß vergleichbar ist. Davon gehen auch die Beteiligten aus.
So hat der Betriebsrat auch nur darauf verwiesen, daß seines Erachtens eine Vorbildung als Lokführer für die Ausübung der Stelle erforderlich sei. Er hat selbst erklärt, daß Fachhochschulabsolventen allenfalls in der Cargo Leitstelle als Planer für allgemeine Arbeitsabläufe eingesetzt werden und nicht als Disponenten Lokleitung. Sogar dort sind nach dem Vortrag des Betriebsrats überwiegend bloße Praktiker mit einer betrieblichen Ausbildung eingesetzt.
Soweit die Rechtsbeschwerde rügt, daß das Landesarbeitsgericht die Darlegungs- und Beweislast verkannt habe, ist das schon unzutreffend, weil das Landesarbeitsgericht nach der Feststellung, daß die Tätigkeit des Disponenten Lokleitung keinen akademischen Zuschnitt hat, nur ergänzend und zur Abrundung darauf hingewiesen hat, daß der Betriebsrat hierzu auch keine konkreten Ausführungen gemacht hat. Doch selbst wenn sich das Gericht auf das Vorbringen des Betriebsrats beschränkt hätte, wäre dies nicht rechtsfehlerhaft. Nach § 83 Abs. 1 ArbGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Die am Verfahren Beteiligten haben jedoch an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Das bedeutet zunächst, daß der Antragsteller die Tatsachen vorzutragen hat, aus denen er sein mit dem Antrag verfolgtes Begehren herleitet. Die Pflicht, an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken, trifft aber alle Beteiligten des Verfahrens. Die Antragstellerin hat, worauf das Landesarbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat, im einzelnen die Tätigkeit des einzugruppierenden Arbeitnehmers W dargelegt und ausgeführt, daß und warum es zur Ausübung dieser Tätigkeit keiner wissenschaftlichen, sondern lediglich einer praxisbezogenen Ausbildung bedarf. Wenn der Betriebsrat der gegenteiligen Auffassung ist, muß er im Rahmen einer auch im Beschlußverfahren geltenden abgestuften Mitwirkungspflicht darlegen, welche Tätigkeiten beim Disponenten anfallen, die eine wissenschaftliche Ausbildung erfordern. Hierzu wurde eine konkrete Auflage bereits vom Arbeitsgericht an beide Beteiligten erteilt. In beiden Tatsacheninstanzen sind die Beteiligten aber immer übereinstimmend davon ausgegangen, daß die Tätigkeit des Disponenten Lokleitung keinen akademischen Zuschnitt hat. Auch der Betriebsrat hat dies so gesehen.
(6) Dieser Auslegung der allgemeinen Tätigkeitsmerkmale in Entgeltgruppe E 9 steht nicht entgegen, daß nach dem früheren ETV der Disponent Lokleitung nach dem früheren Richtbeispiel in die Entgeltgruppe E 9 eingruppiert war. Es ist nämlich denkbar, daß Tarifvertragsparteien aus der Historie oder aus tarifpolitischen Kompromißgründen heraus bestimmte Tätigkeiten und Funktionen in einer bestimmten Art und Weise vergüten wollten und nunmehr Ausnahmen nicht mehr zulassen wollten. So hat die Antragstellerin unwidersprochen vorgetragen, daß sie der Einordnung des Disponenten Lokleitung in die Entgeltgruppe E 9 trotz der Widersprüche zu den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen zugestimmt habe, um die schwierige Anfangsphase der Privatisierung nicht durch einen Tarifstreit zu belasten. Der Betriebsrat hat seine Vermutung, mit der Zubilligung der Entgeltgruppe E 9 hätten die größeren fachlichen Kenntnisse und die Weisungsbefugnis der Disponenten gegenüber den Lokführern belohnt werden sollen, nicht näher belegt. Der Disponent Lokleitung ist entgegen der Auffassung des Betriebsrats keine automatische Aufstiegsposition für den Lokführer, denn die Ausbildung zum Lokführer war und ist nicht zwingende Voraussetzung für die Tätigkeit als Disponent Lokleitung.
cc) Die Eingruppierung des Arbeitnehmers W ist letztlich auch nicht auf Grund einer Gleichbehandlung mit anderen Disponenten gerechtfertigt, denn nach der nicht in Abrede gestellten Darlegung der Arbeitgeberin sind diese in Entgeltgruppe E 9 nur auf Grund der Besitzstandsregelung und nach den Regelungen des Vorgänger ETV eingruppiert, aber nicht auf Grund einer regelhaften übertariflichen Eingruppierungsentscheidung unter der Geltung des neuen Konzern ETV.
Unterschriften
Hauck, Dr. Wittek, Laux, Lorenz, Volz
Fundstellen
Haufe-Index 1134506 |
NZA 2004, 943 |
ZTR 2003, 621 |
NJOZ 2004, 3292 |