Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung. Sozialauswahl. Betriebsbedingte Kündigung im öffentlichen Dienst (Outsourcing der Reinigungsaufgaben). Sozialauswahl: Vergleichbarkeit und Versetzbarkeit. vertragliche Beschränkung des Direktionsrechts bei ausdrücklicher Beschäftigung als “Reinigungskraft”?. erweitertes Direktionsrecht nach § 9 BMT-G-O im Verhältnis zur vertraglichen Festlegung der Tätigkeit
Orientierungssatz
- Der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden vergleichbaren Arbeitnehmer bestimmt sich in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also zunächst nach der ausgeübten Tätigkeit.
- Dabei kann im öffentlichen Dienst der tariflichen Eingruppierung besondere Bedeutung zukommen. An einer Vergleichbarkeit fehlt es jedoch, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht einseitig auf den anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann.
- Grundsätzlich können die Parteien die Reichweite des Direktionsrechts im Vertrag vereinbaren. Haben die Parteien keine bestimmte Tätigkeit, sondern lediglich eine allgemeine Beschreibung (zB Angestellter, Arbeiter) in den Vertrag aufgenommen, wie es besonders in den Musterverträgen des öffentlichen Dienstes häufig geschieht, so kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer grundsätzlich alle im Rahmen der vereinbarten Vergütungsgruppe liegenden Tätigkeiten zuweisen.
- Davon kann jedoch durch Vereinbarung einer konkreten Tätigkeit abgewichen werden. Auch die – zulässige – tarifvertragliche Erweiterung des Direktionsrechts (zB § 9 Abs. 2 BMTG-O) können die Parteien abbedingen.
- Soll eine solche Regelung getroffen werden, muss sich aus dem Vertrag ergeben, dass die im Arbeitsvertrag genannte Tätigkeit ohne Möglichkeit einseitiger Abänderung gelten soll. Die Tätigkeit muss genau bezeichnet werden. Dazu bedarf es eindeutiger, klar auf diesen Gegenstand bezogener Zusagen oder Absprachen.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 3, § 1; BMT-G-O § 9
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 13.07.2004; Aktenzeichen 9 Sa 79/04) |
ArbG Chemnitz (Urteil vom 10.09.2003; Aktenzeichen 2 Ca 1794/03) |
Tenor
- Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 13. Juli 2004 – 9 Sa 79/04 – aufgehoben.
- Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten vorrangig um eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung.
Die am 27. Mai 1965 geborene Klägerin war seit dem 12. Februar 1990 bei der beklagten Stadt (iF die Beklagte) beschäftigt. Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 1. Dezember 1991 wurde in § 1 die “Weiterbeschäftigung” der Klägerin als “Reinigungskraft” ab 1. Juli 1991 festgehalten. Ferner wurde die Anwendung des BMT-G-O sowie der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge vereinbart. Die Klägerin war im Kündigungszeitpunkt infolge Bewährungs- und Zeitaufstiegs in der Lohngr. 2a Fallgr. 2 des 2. Tarifvertrages zu § 20 Abs. 1 BMT-G-O vom 14. Mai 1991 in der Fassung vom 31. Januar 2003 – nachfolgend: Lohngruppenverzeichnis zum BMT-G-O – eingruppiert.
Im Dezember 2002 beschloss die Beklagte im Rahmen eines Haushaltssicherungskonzeptes, die Reinigungsleistungen künftig an ein Drittunternehmen zu übertragen. Die am 15. Januar 2003 vom Stadtrat beschlossene Haushaltssatzung sowie der genehmigte Stellenplan sahen den Wegfall sämtlicher Stellen für Reinigungskräfte zum 1. Januar 2003 vor.
Mit Schreiben vom 10. März 2003, das am 11. März 2003 beim Personalrat einging, wurde dieser zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung der Klägerin sowie weiterer 142 Arbeitnehmer angehört. Er erhob unter dem 24. März 2003 gegen die beabsichtigte Kündigung der Klägerin Einwendungen. Nachdem die Beklagte hierauf unter dem 26. März 2003 Stellung genommen hatte, kündigte sie mit Schreiben vom 27. März 2003 das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 30. September 2003.
Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben und ihre Weiterbeschäftigung verlangt. Ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Kündigung sei nicht gegeben. Außerdem rügt die Klägerin vor allem die fehlende Sozialauswahl, da sie mit anderen Mitarbeitern der Lohngr. 1 bis 3 vergleichbar sei, zB im Bereich der Küche oder Wäscherei. Sie sei zu Beginn ihrer Tätigkeit bei der Beklagten ca. ein Jahr als Küchenhilfe, danach 1 3/4 Jahr in der Wäscherei eingesetzt worden. Die Beklagte habe daher unter Einbeziehung der in den entsprechenden Lohngruppen beschäftigten Mitarbeiter eine Sozialauswahl durchführen müssen. Die Beschreibung ihrer Tätigkeit als “Reinigungskraft” im Arbeitsvertrag stehe einer Vergleichbarkeit nicht entgegen. Maßgeblich sei das in § 9 Abs. 2 Satz 2 BMT-G-O geregelte erweiterte Direktionsrecht des Arbeitgebers. Die Beklagte sei zur Weiterbeschäftigung verpflichtet, weil der Personalrat Einwendungen gemäß § 78 Abs. 1 Satz 3 SächsPersVG erhoben habe.
Die Klägerin hat – soweit noch von Interesse – beantragt,
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 27. März 2003, zugegangen am 27. März 2003, nicht aufgelöst worden ist,
2. die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin über den 30. September 2003 hinaus zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen bis zur Rechtskraft des Urteils weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und sich zur Begründung auf ihre in der Haushaltssatzung und im Stellenplan festgelegte unternehmerische Entscheidung berufen. Diese sei auch zum 1. Oktober 2003 umgesetzt worden. Freie Arbeitsplätze in der Lohngruppe 2a BMT-G-O seien bei der Beklagten nicht vorhanden. Einer Sozialauswahl habe es deshalb nicht bedurft. Die Klägerin sei vertraglich ausdrücklich als Reinigungskraft beschäftigt worden, so dass mangels entsprechender Versetzbarkeit auf einen anderen Arbeitsplatz keine Vergleichbarkeit mit Arbeitnehmern in anderen Tätigkeitsbereichen bestehe. Der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Eine Verletzung des Mitwirkungsrechts des Personalrats nach § 77 Nr. 3 SächsPersVG führe nicht zwingend zu einer Verletzung des Mitwirkungsrechts des Personalrats nach § 78 SächsPersVG. Nur dann wäre die Kündigung unwirksam gewesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag sowie dem Weiterbeschäftigungsantrag statt gegeben. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte den Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei wegen fehlerhafter bzw. unterlassener Sozialauswahl unwirksam. Aus der Festlegung der Tätigkeit einer Reinigungskraft folge keine Beschränkung des tariflichen Direktionsrechts nach § 9 BMT-G-O. Dem Arbeitnehmer könne eine andere Tätigkeit grundsätzlich auch dann zugewiesen werden, wenn im Arbeitsvertrag eine bestimmte Tätigkeit ausdrücklich vereinbart worden sei. Der Regelungsinhalt des § 9 Abs. 2 Satz 2 BMT-G-O liege im Interesse des Arbeitgebers, da er hierdurch seine Mitarbeiter flexibel einsetzen könne. Dass zwischen den Parteien auf Grund einer besonderen Entwicklung der Beschäftigung im öffentlichen Dienst etwas anderes habe gelten sollen, habe die Beklagte nicht ausgeführt. Die Klägerin sei zwar nicht mit sämtlichen Mitarbeitern in den Lohngr. 1 bis 3, jedenfalls aber mit denjenigen in der Lohngr. 2a vergleichbar. Da die Beklagte zu anderen vergleichbaren Arbeitnehmern in der Lohngr. 2a keine Ausführungen bezüglich der Sozialdaten gemacht habe, spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Sozialauswahl im Ergebnis sozialwidrig sei. Der Klägerin stehe sowohl ein allgemeiner Beschäftigungsanspruch als auch ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung nach § 78 Abs. 2 Satz 1 SächsPersVG zu.
B. Dem stimmt der Senat nicht zu. Ob die Kündigung wegen fehlerhafter Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG unwirksam ist, steht noch nicht fest.
I. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG aF ist eine Kündigung trotz Vorliegens betrieblicher Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, diese Voraussetzungen seien hier gegeben, wird von seinen tatsächlichen Feststellungen nicht getragen.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bestimmt sich der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden vergleichbaren Arbeitnehmer in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also zunächst nach der ausgeübten Tätigkeit. Dies gilt nicht nur bei einer Identität der Arbeitsplätze, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer auf Grund seiner Tätigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann. Die Notwendigkeit einer kurzen Einarbeitungszeit steht der Vergleichbarkeit nicht entgegen (“qualifikationsmäßige Austauschbarkeit”, Senat 2. Juni 2005 – 2 AZR 480/04 – AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 75 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 63, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 23. November 2004 – 2 AZR 38/04 – AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 70 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 61, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 5. Dezember 2002 – 2 AZR 697/01 – BAGE 104, 138; 17. Februar 2000 – 2 AZR 142/99 – AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 46 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 43). Dabei kann im öffentlichen Dienst der tariflichen Eingruppierung besondere Bedeutung zukommen (23. Februar 2006 – 2 AZR 38/05 –; 5. Dezember 2002 – 2 AZR 697/01 – BAGE 104, 138). An einer Vergleichbarkeit fehlt es jedoch, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht einseitig auf den anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann (“arbeitsvertragliche Austauschbarkeit”, Senat 2. Juni 2005 – 2 AZR 480/04 – aaO; 17. Februar 2000 – 2 AZR 142/99 – aaO; 5. Dezember 2002 – 2 AZR 697/01 – aaO; 23. November 2004 – 2 AZR 38/04 – aaO; BAG 24. Mai 2005 – 8 AZR 333/04 – EzA BGB § 613a Nr. 37; zusammenfassend ErfK/Ascheid 6. Aufl. § 1 KSchG Rn. 478 mwN; KR-Etzel 7. Aufl. § 1 KSchG Rn. 621 mwN).
2. Die Reichweite des Direktionsrechts bestimmt damit maßgeblich die Reichweite des Kündigungsschutzes mit. Ob das durch § 9 Abs. 2 BMT-G-O eröffnete tarifvertragliche Direktionsrecht durch die in § 1 des Arbeitsvertrages aufgenommene Tätigkeitsbeschreibung (“Reinigungskraft”) abbedungen ist, steht noch nicht fest.
a) Der Senat ist zwar nicht aus revisionsrechtlichen Gründen an der Vertragsauslegung gehindert. Die Parteien haben keinen individuell ausgehandelten Arbeitsvertrag geschlossen, sondern die Beklagte hat die hier in Rede stehende Formulierung in einer Vielzahl von Fällen verwendet (BAG 23. September 2004 – 6 AZR 442/03 – AP BMT-G II § 27 Nr. 1 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 21. Januar 2004 – 6 AZR 583/02 – BAGE 109, 207; 26. Juni 2002 – 6 AZR 50/00 –). Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts reichen jedoch zur Auslegung des Vertrags nicht aus.
aa) Grundsätzlich können die Parteien die Reichweite des Direktionsrechts im Vertrag vereinbaren. Haben die Parteien keine bestimmte Tätigkeit, sondern lediglich eine allgemeine Beschreibung (zB Angestellter, Arbeiter) in den Vertrag aufgenommen, wie es besonders in den Musterverträgen des öffentlichen Dienstes häufig geschieht, so kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer grundsätzlich alle im Rahmen der vereinbarten Vergütungsgruppe liegenden Tätigkeiten zuweisen. Davon kann jedoch durch Vereinbarung einer konkreten Tätigkeit abgewichen werden. Auch die – zulässige – tarifvertragliche Erweiterung des Direktionsrechts (zB § 9 Abs. 2 BMT-G-O) können die Parteien abbedingen. Soll eine solche Regelung getroffen werden, muss sich aus dem Vertrag ergeben, dass die im Arbeitsvertrag genannte Tätigkeit unabänderlich gelten soll. Die Tätigkeit muss genau bezeichnet werden (BAG 12. April 1973 – 2 AZR 291/72 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 24 = EzA BGB § 611 Nr. 12). Dazu bedarf es eindeutiger, klar auf diesen Gegenstand bezogener Zusagen oder Absprachen (29. Oktober 1997 – 5 AZR 573/96 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 51 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 19). Das wiederum setzt – soweit es um den Einsatzort geht – im Regelfall voraus, dass die Frage des dauerhaften Einsatzortes zwischen den Vertragspartnern offen thematisiert wurde (BAG 23. September 2004 – 6 AZR 442/03 – AP BMT-G II § 27 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611 Direktionsrecht Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 21. Januar 2004 – 6 AZR 583/02 – BAGE 109, 207; 26. Juni 2002 – 6 AZR 50/00 –; vgl. Friedrich/Kloppenburg RdA 2001, 293).
bb) Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 1. Dezember 1991 ist die Klägerin als “Reinigungskraft” bezeichnet. Die durch Einbeziehung des Tarifvertrages in Bezug genommene Vorschrift des § 9 Abs. 2 BMT-G-O lautet:
“Diese Arbeiten haben sich ihrer Art nach grundsätzlich in dem Rahmen zu halten, der bei Abschluss des Arbeitsvertrages ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart worden ist. Sofern es ihm billigerweise zugemutet werden kann und sein allgemeiner Lohnstand dadurch nicht verschlechtert wird, hat der Arbeiter auch jede andere, seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechende Arbeit auszuführen. In Notfällen sowie aus dringenden Gründen des Gemeinwohls hat er vorübergehend jede ihm übertragene Arbeit zu verrichten, auch wenn sie nicht in sein Arbeitsgebiet fällt.”
b) Das Landesarbeitsgericht hat seine Würdigung, im Streitfall sei § 9 Abs. 2 BMT-G-O nicht abbedungen worden, darauf gestützt, für eine solche Annahme seien im Arbeitsvertrag keine Anhaltspunkte zu finden. Gegenteiliges könne weder daraus gefolgert werden, dass die Klägerin zuvor eine andere Tätigkeit ausgeübt habe, noch daraus, dass die Beklagte der Klägerin seit der Vereinbarung von 1991 ausschließlich Reinigungstätigkeiten zugewiesen habe. Insofern sei ein betrieblicher Nutzen einer Einschränkung des Direktionsrechts nicht erkennbar. Die weitere Entwicklung im öffentlichen Dienst sei bei Vertragsschluss noch nicht vorhersehbar gewesen.
c) Mit dieser Würdigung hat das Landesarbeitsgericht sowohl Vortrag der Beklagten als auch weitere bedeutsame Umstände außer Acht gelassen. Außerdem hat das Landesarbeitsgericht nicht genügend beachtet, dass bei der Auslegung von Verträgen nicht allein die objektive Aussage des Vertragstextes maßgeblich ist, sondern auch das – etwa aus Begleitumständen zu entnehmende – erkennbare, und uU von der objektiven Aussage des Vertragswortlauts abweichende Verständnis der Parteien maßgeblich sein kann (Senat 16. September 2004 – 2 AZR 628/03 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 78 = EzA BGB 2002 § 623 Nr. 2, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Gemäß § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Dabei ist nach § 133 BGB der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war (BAG 21. Januar 2004 – 6 AZR 583/02 – BAGE 109, 207; 26. September 2002 – 6 AZR 434/00 – AP BBiG § 10 Nr. 10 = EzA BBiG § 10 Nr. 6, zu I 3 der Gründe; 12. Juni 2002 – 10 AZR 323/01 – EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 110, zu II 1b der Gründe).
aa) Die Beklagte hatte vorgetragen, dass sie gegenüber Mitarbeitern, mit denen wie im vorliegenden Fall eine konkrete Tätigkeit vereinbart war, generell kein darüber hinausgehendes Weisungsrecht ausgeübt hat.
bb) Die Beklagte hatte behauptet, dass sie im Arbeiterbereich grundsätzlich die allein zu verrichtende Tätigkeit in den Arbeitsvertrag aufnimmt.
cc) Die Beklagte hatte außerdem dargelegt, dass bei einem Wechsel der Tätigkeit stets ein schriftlicher Nachtrag zum Arbeitsvertrag vereinbart wurde.
dd) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass in mehreren Parallelverfahren sowohl erstinstanzlich als auch im Berufungsverfahren gleich lautende oder vergleichbare Formulierungen in Arbeitsverträgen – wie im vorliegenden Fall auch durch das Arbeitsgericht – dahingehend verstanden worden sind, dass das Direktionsrecht sich allein auf die Tätigkeit einer Reinigungskraft bezog. Das legt es nahe, dass eine übliche Vertragsgestaltung vorliegt, die jedenfalls im Bereich der Beklagten generell in diesem Sinne verstanden wurde.
ee) Die Beklagte hat vorgetragen, es sei bereits im Jahre 1991 absehbar gewesen, dass es in größerem Umfang zu Personalreduzierungen kommen würde und dass damit die Begrenzung des Direktionsrechts sehr wohl im Interesse der Beklagten gelegen haben kann.
d) Es kommt in Betracht, dass bei Berücksichtigung aller oder einiger der vorstehenden Gesichtspunkte die Auslegung des Vertrages die Vereinbarung einer Begrenzung des Direktionsrechts auf die im Vertrag genannte Tätigkeit ergibt. Ob das letztlich der Fall ist, kann erst beurteilt werden, wenn die Richtigkeit des teilweise streitigen Vortrags der Beklagten, der gegebenenfalls auch Gelegenheit zur Ergänzung einzuräumen sein wird, aufgeklärt ist. Dabei wird ein besonderes Augenmerk darauf zu legen sein, ob vom Standpunkt des Empfängers der durchweg von der Beklagten unterbreiteten Vertragsangebote die Absicht der Begrenzung des Direktionsrechts und des Ausschlusses von § 9 Abs. 2 BMT-G-O erkennbar war. Dies kann etwa dann der Fall gewesen sein, wenn auf Grund der bei der Beklagten gehandhabten und der Klägerin bekannten Praxis ein Wechsel der Tätigkeit stets oder in aller Regel mit einer Vertragsänderung einherging und die Klägerin dies wusste. Das kommt deshalb in Betracht, weil die Klägerin zuvor eine andere Tätigkeit ausgeübt und bei dem Wechsel der Tätigkeit eine auf die Tätigkeit bezogene Vertragsänderung mit der Beklagten vereinbart hat.
3. Sollte das Landesarbeitsgericht erneut zu dem Ergebnis kommen, dass eine konkrete Tätigkeit unter Ausschluss der tarifvertraglichen Erweiterung des Direktionsrechts nicht vereinbart worden ist, wird es die – bisher im Wesentlichen unterbliebene – Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung nachzuholen haben. Soweit es auf die Abgrenzung des Kreises der im Sinne der sozialen Auswahl vergleichbaren Arbeitnehmer ankommt, wird diese unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats zu prüfen sein. Das Landesarbeitsgericht wird beachten müssen, dass der Eingruppierung vor allem im öffentlichen Dienst Aussagekraft zukommt, die jedoch eingeschränkt ist, soweit es sich um eine Eingruppierung aufgrund Bewährungsaufstiegs handelt (vgl. Senat 2. Februar 2006 – 2 AZR 38/05 –)ei schließt eine unterschiedliche Eingruppierung die Vergleichbarkeit häufig aus, während die Zugehörigkeit zu der selben Vergütungsgruppe für die Vergleichbarkeit sprechen kann, ohne dass sie immer mit ihr verbunden sein müsste. Schließlich wird das Landesarbeitsgericht etwaigen Vortrag der Beklagten, aus dem sich ergeben kann, dass die Sozialauswahl jedenfalls im Ergebnis zutreffend war, zu würdigen haben.
II. Im Zusammenhang mit der erneuten Würdigung der Kündigungsgründe ist ggf. auch über den Beschäftigungsantrag erneut zu entscheiden. Insbesondere wird auch zu prüfen sein, ob die Einwendungen des Personalrats insoweit hinreichend konkret waren, um den gesetzlichen Mindestanforderungen zu entsprechen.
Unterschriften
Rost, Eylert, Schmitz-Scholemann, J. Lücke, Jan Eulen
Fundstellen
Haufe-Index 1553188 |
DB 2006, 1906 |
NJW 2006, 3514 |
FA 2006, 347 |
NZA 2006, 1350 |
AP, 0 |
EzA-SD 2006, 15 |
EzA |
PersV 2006, 477 |
RiA 2007, 15 |
ArbRB 2006, 332 |
PflR 2007, 97 |
SPA 2006, 3 |