Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilzeitarbeit. Überstunden. Mehrflugstundenvergütung
Leitsatz (redaktionell)
Die Tarifregelung des § 9 des Manteltarifvertrages Nr. 5 für das Cockpitpersonal (MTV-Cockpit Nr 5) der Deutschen Lufthansa AG idF vom 1.1.1999 zur Mehrflugstundenvergütung verstößt nicht gegen § 4 Abs. 1 TzBfG.
Normenkette
TVG § 1; TzBfG § 4 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1; EG Art. 141
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. November 2002 – 9 Sa 462/02 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Mehrarbeitsvergütung. Der Kläger ist bei der Beklagten als Flugzeugführer beschäftigt. Kraft beiderseitiger Tarifbindung finden auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge des fliegenden Personals der Deutschen Lufthansa AG Anwendung.
Der Kläger ist seit 1. Januar 2001 teilzeitbeschäftigt. Auf der Grundlage des Zusatzes zur Ergänzungsbetriebsvereinbarung „Erziehungsteilzeit” vom 8. Mai 2000 war der Kläger bis zum 30. Juni 2002 in einem Teilzeitmodell mit einer in jedem Kalendermonat um etwa die Hälfte reduzierten Arbeitszeit beschäftigt. Er erhielt eine Vergütung von 46,67 % eines Vollzeitbeschäftigten bei monatlich 34 Flugstunden.
Die Mehrstundenvergütung in diesem Teilzeitmodell berechnete sich nach der Betriebsvereinbarung wie folgt:
Individuelle GV + evtl. SFO-Zulage + Schichtzulage
34
Auslösegrenze: ab der 35. Stunde 100 % des individuellen Mehrflugstundensatzes
(Individuelle GV = Individuelle Grundvergütung; SFO-Zulage = Senior-First-Officer-Zulage)
Die Mehrflugstundenvergütung vollzeitbeschäftigter Flugzeugführer ist in § 9 MTV Nr. 5 für das Cockpitpersonal (MTV-Cockpit Nr. 5) in der Fassung vom 1. Januar 1999 geregelt:
„Gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erhalten die Mitarbeiter eine Mehrflugstundenvergütung.
A. Entstehen des Anspruchs
Mehrflugstundenvergütung wird nach mehr als 75 Flugstunden pro Kalendermonat gezahlt.
B. Berechnung der Mehrflugstundenvergütung
Für jeden Mitarbeiter wird ein Mehrflugstundensatz nach folgender Formel ermittelt:
individuelle Grundvergütung + eventuelle SFO-Zulage + Schichtzulage
75
Die Mehrflugstundenvergütung beträgt pro geflogener Mehrflugstunde
für die 76. bis zur 79. Flugstunde 125 %,
für die 80. bis zur 85. Flugstunde 140 % und
ab der 86. Flugstunde 150 % dieses Mehrflugstundensatzes.
C. Berechnung von Flugstunden
…
c) Für die Berechnung des Anspruchs auf Mehrflugstundenvergütung werden für jeden im Monat wegen Erholungsurlaub, unbezahlten Urlaubs oder gemäß § 15 ausfallenden Kalendertag 2,50 Flugstunden, im Monat jedoch insgesamt nicht mehr als 75 Flugstunden angerechnet.
…”
In der Zeit vom 1. Februar 2000 bis 31. März 2001 hat die Beklagte nach der Protokollnotiz II zum MTV Nr. 5 a für das Cockpitpersonal (MTV-Cockpit Nr. 5 a) Mehrflugstundenvergütung nach mehr als 73 Flugstunden gezahlt und hierbei folgende Vergütungsstaffel angewendet:
für die 74. und 75. Stunde 115 %,
für die 76. bis zur 79. Flugstunde 125 %,
für die 80. bis zur 85. Flugstunde 140 % und
ab der 86. Flugstunde 150 %
dieses Mehrflugstundensatzes.
Die Beklagte bezahlte dem Kläger in der Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 30. Juni 2002 ab der 35. Flugstunde 100 % des individuellen Mehrflugstundensatzes.
Neben dem vom Kläger gewählten Teilzeitmodell bestand auch die Möglichkeit, im monatlichen Wechsel Vollzeit zu arbeiten und Freizeit zu haben. In diesem Blockteilzeitmodell mit monatlich wechselnder Arbeit und Freizeit erhielten Arbeitnehmer Mehrflugstundenvergütung, wenn sie in dem Kalendermonat, in dem sie arbeiteten, mehr als 75 bzw. 73 Flugstunden leisteten.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei durch die Vorenthaltung der Mehrflugstundenzuschläge als Teilzeitbeschäftigter benachteiligt worden. Da er an einzelnen Arbeitstagen bis zur höchstzulässigen Flugzeit zu arbeiten hatte, sei seine Belastung insoweit genauso groß gewesen wie die eines vollzeitbeschäftigten Flugzeugführers.
Der Kläger hat – soweit in der Revision noch anhängig – beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.349,47 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17. September 2001 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge in dem vom Kläger begehrten Umfange bestehe nicht. Der Tarifvertrag begründe die vom Kläger begehrten Zuschläge erst dann, wenn die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit überschritten werde. Diese Regelung sei wirksam, weil sie einen Ausgleich der durch die Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit entstehenden Belastungen der Flugzeugführer bezwecke.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Mehrflugstundenvergütung.
I. Ein tarifvertraglicher Anspruch besteht nicht. § 9 MTV gibt einen Anspruch auf Mehrflugstundenvergütung nur dann, wenn der Flugzeugführer mehr als 75 Flugstunden je Kalendermonat leistet. In der Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 31. März 2001 galt nach dem von der Beklagten angewendeten MTV-Cockpit Nr. 5 a eine Grenze von 73 Flugstunden. Der Kläger hat in dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 30. Juni 2002 in keinem Kalendermonat mehr als 57,59 Flugstunden gearbeitet.
II. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Mehrflugstundenvergütung nach § 4 Abs. 1 TzBfG iVm. § 612 Abs. 1 BGB zu. Die Tarifregelung zur Mehrflugstundenvergütung verstößt nicht gegen § 4 Abs. 1 TzBfG.
1. Tarifvertragliche Regelungen dürfen nicht gegen § 4 Abs. 1 TzBfG verstoßen. Dies folgt aus § 22 TzBfG. Nach dieser Vorschrift kann von § 4 TzBfG auch nicht durch Tarifvertrag zu Ungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden.
a) Mit § 4 Abs. 1 TzBfG ist § 4 Nr. 1 und 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit vom 6. Juni 1997 umgesetzt worden, die in die Richtlinie 97/81/EG vom 15. Dezember 1997 (ABl. EG Nr. L 14 vom 20. Januar 1998 S. 9) aufgenommen worden ist. Satz 1 des § 4 Abs. 1 TzBfG regelt das allgemeine Verbot der schlechteren Behandlung Teilzeitbeschäftigter gegenüber Vollzeitbeschäftigten wegen der Teilzeitarbeit, soweit hierfür nicht ein sachlicher Grund besteht. § 4 Abs. 1 TzBfG enthält ein spezielles Verbot der Ungleichbehandlung und damit einen Sonderfall des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes (Thüsing in Annuß/Thüsing Teilzeit- und Befristungsgesetz § 4 Rn. 16; ErfK/Preis 4. Aufl. § 4 TzBfG Rn. 8).
b) Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG ist einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG konkretisiert das allgemeine Benachteiligungsverbot des Satzes 1. Diese Regelung in Satz 2 des § 4 Abs. 1 TzBfG setzt § 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung um. Danach gilt der Pro-rata-temporis-Grundsatz, wo dies angemessen ist. Der Arbeitgeber soll nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) Teilzeitbeschäftigten bestimmte Vergütungsbestandteile (z.B. Sozialzulagen) nicht wegen der Teilzeit ohne sachlichen Grund versagen können (BT-Drucks. 14/4374 S. 16). Aus dem systematischen Zusammenhang von Satz 1 und 2 des § 4 Abs. 1 TzBfG und der Gesetzesbegründung folgt, dass § 4 Abs. 1 TzBfG ein einheitliches Verbot der sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung wegen der Teilzeitarbeit enthält (ebenso Thüsing in Annuß/Thüsing Teilzeit- und Befristungsgesetz § 4 Rn. 31; Boewer TzBfG § 4 Rn. 54; Hromadka BB 2001, 674, 675; Kliemt NZA 2001, 63, 69; Meinel/Heyn/Herms TzBfG § 4 Rn. 42; ErfK/Preis 4. Aufl. § 4 TzBfG Rn. 12; Richardi/Annuß BB 2000, 2201). Dem steht der Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG nicht entgegen. Daraus, dass dort nicht ausdrücklich eine sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung bei der Gewährung von Arbeitsentgelt oder anderen teilbaren geldwerten Leistungen zugelassen ist, kann nicht gefolgert werden, § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG verbiete ausnahmslos eine Ungleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten beim Arbeitsentgelt (aA Buschmann/Dieball/Stevens-Bartol TZA 2. Aufl. § 4 TzBfG Rn. 43; Däubler ZIP 2001, 217, 218; Rolfs RdA 2001, 129, 131; MünchArbR/Schüren Bd. 2 2. Aufl. § 161 Rn. 61 f.; Sievers TzBfG § 4 Rn. 14). Zweck dieser Bestimmung ist zu verdeutlichen, dass die Gleichbehandlung teilzeit- und vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer beim Arbeitsentgelt und anderen geldwerten Leistungen mindestens proportional zu erfolgen hat. Auch aus der Richtlinie 97/81/EG ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber beim Arbeitsentgelt ein absolutes Benachteiligungsverbot schaffen und in den übrigen Fällen sachliche Gründe für eine ungleiche Behandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten zulassen wollte. Danach soll der Pro-rata-temporis-Grundsatz nicht ausnahmslos gelten, sondern nur, wo dies angemessen ist.
c) § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG findet auf Überstundenvergütungen keine Anwendung. Bezugsgröße für die Bestimmung der Höhe der anteiligen Vergütung des Teilzeitbeschäftigten ist nach dieser Vorschrift die Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten. Das ist gemäß § 2 Abs. 1 TzBfG die regelmäßige Arbeitszeit. Diese bestimmt sich nach der vertraglichen Vereinbarung, den anwendbaren Tarifverträgen oder einer tatsächlichen Übung (Annuß in Annuß/Thüsing Teilzeit- und Befristungsgesetz § 2 Rn. 4 ff.; Boewer TzBfG § 2 Rn. 8 ff.). Vom Vollzeitbeschäftigten geleistete Überstunden gehören nicht zur regelmäßigen Arbeitszeit. Leistet der Arbeitgeber Überstundenzuschläge nur, wenn durch die Überstunden die regelmäßige Arbeitszeit Vollzeitbeschäftigter überschritten wird, ist deshalb allein nach Maßgabe der Grundnorm des § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG zu prüfen, ob hierdurch Teilzeitbeschäftigte wegen der Teilzeitarbeit benachteiligt werden.
2. In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze verletzt die tarifliche Regelung über die Mehrflugstundenvergütung nicht § 4 Abs. 1 TzBfG. Der Kläger wird nicht wegen der Teilzeitarbeit schlechter behandelt als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer.
a) Die Vergütung des Klägers verstößt nicht gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Hälfte der Vergütung, die ein vollzeitbeschäftigter Flugzeugführer für die doppelte Anzahl an Flugstunden erhalten hat. Der Pro-rata-temporis-Grundsatz findet auf Überstundenzuschläge keine Anwendung.
b) Die Regelung der Mehrflugstundenvergütung im MTV ist mit § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG vereinbar.
aa) Eine Ungleichbehandlung iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG liegt vor, wenn bei gleicher Anzahl von Stunden, die auf Grund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden, die den Vollzeitbeschäftigten gezahlte Vergütung höher ist als die den Teilzeitbeschäftigten gezahlte (EuGH 15. Dezember 1994 – C-399/92 ua. – EuGHE 1994 I 5727 = AP BGB § 611 Teilzeit Nr. 7 = EzA EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 24). Erhalten Teilzeitbeschäftigte für die gleiche Anzahl geleisteter Arbeitsstunden die gleiche Gesamtvergütung wie Vollzeitbeschäftigte, besteht keine Ungleichbehandlung (vgl. BAG 20. Juni 1995 – 3 AZR 539/93 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Nährmittelindustrie Nr. 1 = EzA BeschFG 1985 § 2 Nr. 41; 20. Juni 1995 – 3 AZR 684/93 – BAGE 80, 173; 25. Juli 1996 – 6 AZR 138/94 – BAGE 83, 327; 23. April 1998 – 6 AZR 558/96 –; 21. April 1999 – 5 AZR 200/98 – BAGE 91, 262).
bb) Wird die Vergütung des Klägers mit der einem vollzeitbeschäftigten Flugzeugführer gezahlten Vergütung bei gleicher Anzahl von Flugstunden verglichen, liegt eine Ungleichbehandlung nicht vor. Der Kläger hat für die 35. bis zur 58. Flugstunde die gleiche Vergütung wie ein vollzeitbeschäftigter Flugzeugführer erhalten.
III. Die tarifliche Regelung der Mehrflugstundenvergütung verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Tarifvertrag eine Mehrflugstundenvergütung nur dann gewährt, wenn in einem Kalendermonat mehr als 75 bzw. 73 Flugstunden geleistet werden.
1. Der durch Art. 3 Abs. 1 GG gewährleistete Gleichheitssatz verbietet, gleiche Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln. Eine Ungleichbehandlung liegt vor, wenn sich für die vorgenommene Differenzierung ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund nicht finden lässt, wenn also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtung die Regelung als willkürlich anzusehen ist. Der Gleichheitssatz wird durch eine Tarifnorm verletzt, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken ausgerichteten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Die Tarifvertragsparteien haben hiernach eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Sie brauchen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen, vielmehr genügt es, wenn sich für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund ergibt. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste oder zweckmäßigste Lösung für ein Regelungsproblem gefunden haben (vgl. Senat 6. November 2002 – 5 AZR 487/01 – AP GG Art. 3 Nr. 300; BAG 18. Januar 2001 – 6 AZR 492/99 – AP BAT § 52 Nr. 8 = EzA GG Art. 3 Nr. 92).
Ob ein sachlich vertretbarer Grund für eine unterschiedliche Behandlung besteht, hängt vom Zweck der Leistung ab (vgl. BAG 20. Juni 1995 – 3 AZR 684/93 – BAGE 80, 173; 20. Juni 1995 – 3 AZR 539/93 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Nährmittelindustrie Nr. 1 = EzA BeschFG 1985 § 2 Nr. 41; 25. Juli 1996 – 6 AZR 138/94 – BAGE 83, 327). Der Leistungszweck ist aus den jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen, Ausschließungs- und Kürzungsregelungen zu ermitteln (vgl. BAG 19. Februar 1998 – 6 AZR 477/96 – AP BeschFG 1985 § 2 Nr. 68 = EzA BeschFG 1985 § 2 Nr. 57). Bei tariflichen Leistungen sind die Leistungszwecke maßgeblich, die mit der Tarifregelung verfolgt werden. Dabei kommt es nicht auf die denkbaren Zwecke an, die mit der betreffenden Leistung verfolgt werden können, sondern auf diejenigen, um die es den Tarifvertragsparteien bei der betreffenden Leistung nach ihrem im Tarifvertrag selbst zum Ausdruck gekommenen, durch die Tarifautonomie geschützten Willen geht. Dieser Wille ist durch Auslegung des Tarifvertrags zu ermitteln (BAG 20. Juni 1995 – 3 AZR 684/93 – aaO; 20. Juni 1995 – 3 AZR 539/93 – aaO; 25. Juli 1996 – 6 AZR 138/94 – aaO).
Eine tarifvertragliche Bestimmung, die den Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge allein davon abhängig macht, dass über ein bestimmtes Tages- oder Wochenarbeitsvolumen hinaus gearbeitet wurde, bezweckt regelmäßig, eine grundsätzlich zu vermeidende besondere Arbeitsbelastung durch ein zusätzliches Entgelt auszugleichen (BAG 20. Juni 1995 – 3 AZR 684/93 – BAGE 80, 173; 20. Juni 1995 – 3 AZR 539/93 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Nährmittelindustrie Nr. 1 = EzA BeschFG 1985 § 2 Nr. 41; 25. Juli 1996 – 6 AZR 138/94 – BAGE 83, 327). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Tarifvertrag selbst Anhaltspunkte dafür enthält, dass andere Regelungszwecke im Vordergrund stehen. Ohne solche Anhaltspunkte kann nicht davon ausgegangen werden, dass es den Tarifvertragsparteien darum geht, durch Verteuerung der über die individuell geschuldete Arbeitsleistung hinausgehenden Arbeitszeiten den individuellen Freizeitbereich zu schützen. Dem steht nicht entgegen, dass der staatliche Gesetzgeber in den Arbeitszeitgesetzen zum Schutz vor physischer oder psychischer Überbelastung andere als die tarifvertraglichen Arbeitszeitgrenzen aufgestellt hat. Es steht den Tarifvertragsparteien frei, in ihrem Regelungsbereich einen zusätzlichen Ausgleichsanspruch bereits von einer geringeren Arbeitsbelastung an einzuräumen. Auch wenn mit Mehrarbeitszuschlägen zusätzliche arbeitsmarktpolitische Zwecke verfolgt werden sollten, dienen die Zuschläge aber stets einem finanziellen Ausgleich der Arbeitnehmer für Mehrbelastungen (BAG 20. Juni 1995 – 3 AZR 684/93 – aaO).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die tarifliche Regelung der Mehrflugstundenvergütung nicht zu beanstanden.
a) Die in § 9 MTV vorgesehene Mehrflugstundenvergütung dient dem Ausgleich besonderer Arbeitsbelastung in einem Kalendermonat. Dies folgt aus der Staffelung der Zuschläge, die bei Überschreiten der 75. Flugstunde 125 %, für die 80. bis zur 85. Flugstunde 140 % und ab der 86. Flugstunde 150 % des Mehrflugstundensatzes betragen. Die ansteigende und nicht gleichförmige Verteuerung der Mehrflugstunden verdeutlicht die Einschätzung der Tarifvertragsparteien, dass die Belastung mit zunehmender Arbeitszeit stetig zunimmt. Um diese zunehmende Belastung auszugleichen und nach Möglichkeit zu vermeiden, sind die Zuschläge gestaffelt.
Für diesen Leistungszweck der tariflichen Mehrflugstundenvergütung spricht ferner die Behandlung von Mehrflugstunden im Blockteilzeitmodell. Wenn ein Arbeitnehmer in dem Kalendermonat, in dem er tatsächlich arbeitet, mehr als 75 Flugstunden leistet, erhält er die gestaffelte Mehrflugstundenvergütung, weil eine solche monatliche Arbeitsbelastung besonders schwer wiegt und deshalb finanziell ausgeglichen werden soll.
b) Die Regelung der Arbeitszeit in der 2. DV LuftBO steht dem nicht entgegen. Die dort festgelegte Höchstarbeitszeit betrifft den Arbeitsschutz. Für die Vergütung von Mehrarbeitsstunden und die hiermit verfolgten Leistungszwecke lassen sich hieraus keine Schlüsse ziehen. Die Arbeitsvergütung einschließlich der Mehrflugstundenvergütung richtet sich demgegenüber nach den einschlägigen Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen.
c) Unzutreffend ist die Annahme des Klägers, er sei bei einer Arbeitsverpflichtung von elf Arbeitstagen je Kalendermonat im Einzelfall genauso belastet wie ein vollzeitbeschäftigter Flugzeugführer, der in diesem Zeitraum die geschuldeten 75 Stunden abgeflogen habe. Der Kläger übersieht, dass die Mehrflugstundenvergütung nicht für geleistete Arbeitstage gewährt wird, sondern für geleistete Flugstunden. Auch wenn in dem vom Kläger gebildeten Beispiel die Zahl der tatsächlichen Arbeitstage je Kalendermonat gleich ist, besteht im Hinblick auf die erbrachte Arbeitsleistung doch ein erheblicher Unterschied. Während der Kläger in dieser Zeit 34 Flugstunden leistet, arbeitet ein vollzeitbeschäftigter Flugzeugführer 75 Flugstunden. Dass die hiermit einhergehende Belastung des Vollzeitbeschäftigten deutlich höher ist, versteht sich von selbst.
d) Die tarifliche Mehrflugstundenvergütung führt auch nicht zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung, wenn der Kläger 44 Stunden im Monat fliegt und ein Vollzeitbeschäftigter, der während bereits festgelegter 40 Flugstunden in der ersten Hälfte des Kalendermonats arbeitsunfähig erkrankt, an den verbleibenden Tagen des Kalendermonats gleichfalls 44 Stunden fliegt. Der Kläger verkennt, dass ein arbeitsunfähiger Arbeitnehmer für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich nicht schlechter stehen darf, als hätte er gearbeitet. Daher ist es in dem vom Kläger gebildeten Beispiel nicht zu beanstanden, wenn der vollzeitbeschäftigte Flugzeugführer Mehrflugstundenzuschläge erhält und der Kläger nicht.
e) Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, alleiniger Zweck der Mehrflugstundenvergütung sei ein Ausgleich für den Verlust von Dispositionsmöglichkeiten der Arbeitnehmer, kann ihm nicht gefolgt werden. Die tarifliche Mehrflugstundenvergütung soll nicht den Freizeitverlust, sondern die erhöhten Arbeitsbelastungen ausgleichen, die sich bei einem Überschreiten von 75 bzw. 73 Flugstunden im Kalendermonat ergeben. Dass die tarifliche Regelung über den Mehrarbeitszuschlag nicht die individuelle Dispositionsfreiheit des Arbeitnehmers schützt, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass der Tarifvertrag bei der Regelung des Zuschlags nicht an die Lage der Arbeitszeit anknüpft. Deren Verschiebung, die am geschuldeten Arbeitsumfang nichts ändert, greift in gleicher Weise wie eine Verlängerung der individuellen Arbeitszeit in die Dispositionsfreiheit des Arbeitnehmers ein (ebenso BAG 20. Juni 1995 – 3 AZR 684/93 – BAGE 80, 173).
f) Es ist sachlich vertretbar, dass der Tarifvertrag für den Ausgleich der mit Mehrflugstunden verbundenen Belastungen auf den Kalendermonat abstellt. Dies ist ein vernünftiger Zeitraum zur Feststellung ausgleichspflichtiger Belastungen. Dieser Zeitraum ist insbesondere praktikabel, weil die Arbeitsvergütung kalendermonatlich abgerechnet wird. Dass auch andere Betrachtungszeiträume denkbar sind, steht dem nicht entgegen, weil die getroffene tarifliche Regelung lediglich vertretbar sein muss. Ob die Tarifvertragsparteien hiermit die gerechteste oder zweckmäßigste Lösung für das Regelungsproblem gefunden haben, unterliegt nicht der gerichtlichen Kontrolle.
IV. Ein Anspruch des Klägers aus Art. 141 EG besteht nicht. Die Voraussetzungen einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Auch nach den allgemein bekannten Zahlen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Gruppe der teilzeitbeschäftigten Flugzeugführer mehr Männer als Frauen umfasst und in der Gruppe der Vollzeitbeschäftigten das Zahlenverhältnis umgekehrt ist.
V. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck, Sappa, Zorn
Fundstellen
Haufe-Index 1480151 |
NZA 2005, 222 |
ZTR 2004, 195 |
AP, 0 |
EzA-SD 2004, 5 |
EzA |
SPA 2004, 4 |
SPA 2004, 7 |