Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristeter Arbeitsvertrag mit wissenschaftlichen Mitarbeitern
Leitsatz (redaktionell)
1. § 57b Abs 2 HRG enthält keine abschließende Regelung möglicher Befristungsgründe für die Arbeitsverhältnisse von wissenschaftlichen Mitarbeitern an Hochschulen.
2. Der Befristungsgrund des § 57b Abs 2 Nr 3 1. Altern HRG setzt voraus, daß der Arbeitnehmer besondere Kenntnisse in der Forschungsarbeit erwerben soll, die einer Tätigkeit außerhalb des bisherigen Arbeitsbereichs dienlich sind.
3. Die Befristung nach § 57b Abs 2 Nr 3 2. Altern HRG setzt voraus, daß der Mitarbeiter bereits außerhalb der jeweiligen Hochschule besondere Kenntnisse gesammelt hat, die er während seiner befristeten Beschäftigung in der Hochschule einbringen soll.
Normenkette
HRG §§ 57c, 57b Abs. 2 Nrn. 2-3, 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis wirksam bis zum 30. Juni 1994 befristet war.
Die Klägerin war seit dem 16. Oktober 1979 aufgrund von acht befristeten Arbeitsverträgen am Institut für Afrikanistik der Universität zu Köln beschäftigt. Überwiegend arbeitete sie an der Grammatikalisierung bestimmter afrikanischer Sprachen. Im Sommer 1989 schloß sie ihre Promotion ab und begann anschließend mit der Anfertigung ihrer Habilitationsschrift.
Nach § 4 des vorletzten Vertrages war die Befristung für die Zeit vom 1. September 1989 bis 30. Juni 1993 auf § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG gestützt. Auch nach dem letzten Vertrag vom 3. Juni 1993 wurde sie für die Zeit vom 1. Juli 1993 bis zum 30. Juni 1994 am Institut für Afrikanistik unter Hinweis auf § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG beschäftigt. § 4 des Vertrags verweist darauf, daß die Klägerin in einem zeitlich begrenzten Forschungsprojekt mitwirken und dieses zum Abschluß bringen sollte. § 1 des Vertrags enthielt außerdem eine Vereinbarung, nach der sie als Angestellte für Aufgaben von begrenzter Dauer im Sinne der SR 2y BAT eingesetzt werde.
Die Klägerin hält die Befristung des letzten Arbeitsvertrags wegen Überschreitens der Fünf-Jahres-Frist des § 57 c Abs. 2 HRG für unwirksam. Ungeachtet dessen fehle es an einem sachlichen Grund im Sinne des § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, daß das zwischen den Parteien
bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund
Befristung mit Ablauf des 30. Juni 1994 sein
Ende findet, sondern über den 30. Juni 1994
hinaus unbefristet fortbesteht,
2. sie über den 30. Juni 1994 hinaus als wissen-
schaftliche Mitarbeiterin im Institut für
Afrikanistik der Universität zu Köln mit der
Vergütungsgruppe II a BAT weiterzubeschäfti-
gen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es ist der Ansicht, die Befristung des letzten Arbeitsvertrags könne auch auf einen allgemeinen Befristungsgrund gestützt werden. Das Forschungsprojekt "Grammatikalisierung und serielle Verbkonstruktionen" sei eine abgrenzbare Teilaufgabe und als solche zum 30. Juni 1994 abgeschlossen worden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des beklagten Landes, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die Befristung des letzten Arbeitsvertrags der Parteien vom 3. Juni 1993 ist unwirksam. Der für diesen Vertrag vereinbarte Befristungsgrund des § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG liegt nicht vor. Die Befristung ist auch nicht durch sonstige Sachgründe gerechtfertigt.
1. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht nur den letzten zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag der Befristungskontrolle unterzogen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist bei mehreren aufeinander folgenden und vorbehaltlos geschlossenen Arbeitsverträgen nur die Befristung des letzten Vertrags auf ihre sachliche Rechtfertigung hin zu überprüfen (ständige Rechtsprechung BAG Urteil vom 24. Januar 1996 - 7 AZR 342/95 - AP Nr. 7 zu § 57 b HRG).
2. Das Landesarbeitsgericht hat die Befristung des letzten Arbeitsvertrags bereits wegen Überschreitens der Fünf-Jahres-Frist des § 57 c Abs. 2 HRG für unwirksam gehalten. Ob diese Rechtsauffassung zutrifft, bedarf keiner Entscheidung. Denn die Befristung ist weder nach dem HRG noch aus einem sonstigen Sachgrund gerechtfertigt. Darüber kann der Senat anhand der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen abschließend befinden (§ 563 ZPO).
3. Ein sachlicher Befristungsgrund nach § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG hat nicht vorgelegen.
a) Nach § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG ist ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter gegeben, wenn der Mitarbeiter besondere Kenntnisse und Erfahrungen in der Forschungsarbeit erwerben (1. Alternative) oder vorübergehend in sie einbringen soll (2. Alternative). Der Wortlaut dieser Vorschrift läßt es zu, daß auch eine hochqualifizierte Wissenschaftlerin wie die Klägerin besondere Kenntnisse und Erfahrungen noch erwerben kann. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien sowie Sinn und Zweck der Norm ergibt, soll diese Regelung aber den Personalaustausch zwischen Hochschulforschung und der übrigen Forschung insbesondere in Industrie und Wirtschaft erleichtern (BT-Drucks. 10/2283, S. 10). Dadurch soll gewährleistet werden, daß über die Mitwirkung bereits qualifizierter Mitarbeiter an wissenschaftlichen Projekten die Grundlagenforschung und die anwendungsbezogene Forschung entscheidende Impulse erfahren (Buchner, RdA 1985, 258, 269). Sinn der 1. Alternative ist damit der Wissenschaftstransfer in Bereiche außerhalb des bisherigen Arbeitsbereichs der Hochschule nach entsprechendem Erwerb besonderer Kenntnisse und Erfahrungen. Das bestätigt der systematische Zusammenhang mit § 57 b Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 HRG. Die Vorschrift des § 57 Abs. 2 Nr. 1 HRG betrifft die grundsätzliche Weiterbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses an einer Hochschule. Für die 1. Alternative des § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG verbleibt ein eigenständiger Anwendungsbereich, wenn der Erwerb besonderer Kenntnisse in der Forschung der Fort- und Weiterbildung in einem Beruf dient, der außerhalb der jeweiligen Hochschule, wenigstens aber in einem anderen Bereich der Hochschule, ausgeübt werden soll. Demgegenüber setzt der Transfergedanke bei der 2. Alternative des § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG voraus, daß der Mitarbeiter bereits außerhalb der Hochschule oder in einer anderen Hochschule besondere Kenntnisse oder Erfahrungswissen gesammelt hat, die er im Rahmen seiner befristeten Beschäftigung in die Forschungsarbeit der Hochschule einbringen kann.
b) Die Voraussetzungen dieses Befristungsgrundes hat das beklagte Land nicht dargelegt. Die Klägerin war zum Zeitpunkt des Abschlusses des letzten Arbeitsvertrags als wissenschaftliche Mitarbeiterin seit mehr als neun Jahren am Institut für Afrikanistik im Forschungsbereich Grammatikalisierung tätig und ist innerhalb dieses Zeitraums nach dem Abschluß ihrer Promotion im Jahre 1989 durch zahlreiche Veröffentlichungen zu diesem Thema in Erscheinung getreten. Welche besonderen Kenntnisse und Erfahrungen sie im letzten Vertragsjahr für eine Tätigkeit außerhalb dieses Bereichs hätte erwerben können, wird nicht vorgetragen. Vielmehr war der gesamte berufliche Werdegang der Klägerin nicht auf eine Tätigkeit außerhalb ihres bisherigen Tätigkeitsbereichs ausgerichtet, sondern darauf, sich am Institut für Afrikanistik der Universität zu Köln dauerhaft in Forschung und Lehre zu betätigen. Auch die 2. Alternative des § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG trägt die Befristung des letzten Arbeitsvertrages nicht. Die Klägerin war seit 1979 im Institut des beklagten Landes beschäftigt. Ein Wissenschafts- oder Erfahrungstransfer aufgrund einer Tätigkeit außerhalb der Hochschule oder von einer anderen Hochschule liegt nicht vor.
4. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist es dem beklagten Land nicht verwehrt, sich zur Rechtfertigung der Befristung auf sonstige Sachgründe zu berufen, wenn im Arbeitsvertrag ein Befristungsgrund nach § 57 b Abs. 2 HRG vereinbart ist. Die Befristung des letzten Arbeitsvertrages ist allerdings nicht durch sonstige Sachgründe gerechtfertigt.
a) § 57 b Abs. 2 HRG enthält keinen abschließenden Katalog möglicher Befristungsgründe für die Arbeitsverhältnisse von wissenschaftlichem Personal. Das folgt aus dem Wortlaut des Abs. 1 dieser Vorschrift. § 57 b Abs. 1 HRG verlangt für die Befristung das Vorliegen eines Sachgrundes. Nach § 57 b Abs. 2 HRG können sachliche Gründe auch vorliegen, wenn einer der Tatbestände des § 57 b Abs. 2 bis 4 HRG erfüllt ist. Die nach allgemeinen Grundsätzen anerkannten Befristungsgründe werden demnach durch die besonderen Befristungsgründe des HRG nicht verdrängt, sondern ergänzt (vgl. KR-Lipke, 4. Aufl., § 57 b HRG Rz 2). Das entspricht auch der gesetzgeberischen Zielsetzung. Durch die Bestimmungen des HRG sollen die Möglichkeiten der befristeten Beschäftigung von wissenschaftlichem Personal abgesichert und im Verhältnis zu den bereits bestehenden und fortgeltenden Möglichkeiten der Befristung erweitert und erleichtert werden (BT-Drucks. 10/2283, S. 6).
b) Der Arbeitsvertrag vom 3. Juni 1993 verweist darauf, daß die Klägerin als Angestellte für Aufgaben von begrenzter Dauer im Sinne der Nr. 1 der SR 2y BAT im Rahmen des zeitlich begrenzten Forschungsprojektes "Grammatikalisierung und serielle Verbkonstruktionen in afrikanischen Sprachen" beschäftigt wird. In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist anerkannt, daß als Aufgaben von begrenzter Dauer auch die zeitlich beschränkte Mitarbeit in einem Forschungsprojekt in Betracht kommt und Sachgrund für die Befristung eines Arbeitsvertrags mit einem wissenschaftlichem Mitarbeiter sein kann (BAG Urteil vom 30. September 1981 - 7 AZR 467/79 - BAGE 36, 235, 239 = AP Nr. 62 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu 3 a der Gründe; ständige Rechtsprechung). Dazu muß im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, daß der durch das Projekt verursachte Arbeitskräftebedarf künftig entfällt. Diese Prognose hat der Arbeitgeber darzulegen und deren Grundlagen auszuweisen. Daran fehlt es vorliegend. Die Klägerin war zumindest seit dem 1. März 1984 am Institut für Afrikanistik des beklagten Landes fortlaufend im Bereich der Grammatikalisierungsforschung tätig. Dieses Forschungsgebiet gehörte zum ständigen Forschungsbereich des Instituts. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin war seit 1984 auf gleichartige Forschungsprojekte gerichtet. Für den projektbedingten Wegfall des Bedarfs an ihrer Arbeitsleistung nach dem 30. Juni 1994 fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dörner Steckhan Schmidt
U. Zachert Niehues
Fundstellen
Haufe-Index 441074 |
BAGE 00, 00 |
BAGE, 278 |
BB 1997, 686-687 (LT1-3) |
DB 1997, 1139 (L1-3) |
EBE/BAG Beilage 1997, Ls 55/97 (L1-3) |
ARST 1997, 118 (L1-3) |
JR 1997, 528 |
NZA 1997, 716 |
NZA 1997, 716-717 (LT1-3) |
RdA 1997, 189 (L1-3) |
AP § 57c HRG (LT1-3), Nr 11 |
AR-Blattei, ES 380 Nr 27 (LT1-3) |
ArbuR 1997, 166 (L1-3) |
EzA-SD 1997, Nr 5, 11 (L1-3) |
EzA § 629 BGB Hochschulen, Nr 9 (LT1-3) |
EzBAT, Hochschulen Forschungseinrichtungen Nr 25(LT1-3) |
WissR 1997, 363 |