Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausbildungsvergütung für überbetriebliche Ausbildung
Orientierungssatz
1. Die Höhe einer Ausbildungsvergütung kann von den Vertragsparteien einzelvertraglich vereinbart werden (vergleiche BAG Urteil vom 22.4.1987 5 AZR 72/86).
2. Stammt die Ausbildungsvergütung aus einem Sonderprogramm (hier: Sonderprogramm des Landes Rheinland-Pfalz zur Schaffung und Finanzierung zusätzlicher überbetrieblicher Ausbildungsplätze), so hat der Auszubildende keinen Anspruch auf eine tarifliche Ausbildungsvergütung.
Normenkette
BBiG § 10
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 29.10.1987; Aktenzeichen 10 Sa 218/87) |
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 08.01.1987; Aktenzeichen 4 Ca 44/86 P) |
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 08.01.1987; Aktenzeichen 4 Ca 45/86 P) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der Ausbildungsvergütung.
Beide Kläger haben mit dem Beklagten einen Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen, wonach sie ab 1. Oktober 1985 zu Verkäufern ausgebildet werden. Das Ausbildungsverhältnis hat mit der erfolgreich bestandenen Abschlußprüfung im Januar 1987 geendet.
Der Beklagte ist eine gemeinnützige Sondergründung der Industrie- und Handelskammer Rheinland-Pfalz in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsmöglichkeiten für solche Jugendliche, die keinen betrieblichen Ausbildungsplatz gefunden haben. Der Beklagte führt die Schulung in seinem Ausbildungszentrum durch, ergänzt durch ein Ausbildungspraktikum in einem Einzelhandelsbetrieb. Die Mittel dafür stellt das Ministerium für Wirtschaft und Verkehr des Landes Rheinland-Pfalz zur Verfügung nach Maßgabe einer Verwaltungsvorschrift zur Förderung der überbetrieblichen Vollzeitausbildung vom 13. Juli 1984.
Danach gewährt das Land einmal einen Zuschuß in Höhe der Personalkosten für die Ausbilder und außerdem einen Zuschuß in Höhe der monatlichen Ausbildungsvergütung, höchstens jedoch im ersten Ausbildungsjahr 225,-- DM monatlich und im zweiten Ausbildungsjahr 250,-- DM monatlich. Darüber hinaus gibt das Land einen Zuschuß in Höhe der Sozialversicherungsbeiträge für die Auszubildenden, höchstens jedoch im ersten Ausbildungsjahr 81,-- DM und im zweiten Ausbildungsjahr 90,-- DM.
In dieser Höhe haben die Parteien eine Vergütung im Berufsausbildungsvertrag vereinbart und gleichzeitig den vorgedruckten Vertragswortlaut über die Anwendung der tariflichen Vergütungssätze gestrichen.
Die Kläger haben den betriebspraktischen Teil ihrer Ausbildung in der Kaufhalle GmbH in Zweibrücken erhalten.
Die Kläger halten die vereinbarte Ausbildungsvergütung für unangemessen niedrig und verlangen für die gesamte Zeit ihrer Ausbildung die tariflichen Mindestsätze des allgemeinverbindlichen Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz, der den fachlichen Geltungsbereich wie folgt abgrenzt:
"Für alle Betriebe des Einzel- und Versandhandels ein-
schließlich der Niederlassungen derjenigen Firmen, die
ihren Hauptsitz außerhalb von Rheinland-Pfalz haben
sowie für alle Betriebe des Floristen-, Tankstellen- und
Garagengewerbes".
Danach errechnen die Kläger eine rechnerisch unstreitige Differenz von jeweils 5.664,-- DM brutto und haben nach erfolglosem Schlichtungsverfahren beantragt,
an jeden Kläger DM 5.664,-- brutto nebst 4 % Zinsen
ab Rechtshängigkeit aus dem sich hieraus ergebenden
Nettobetrag zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, er sei kein Einzelhandelsbetrieb und unterliege nicht dem fachlichen Geltungsbereich des Gehaltstarifvertrages. Die Ausbildungsvergütung sei angemessen, weil die Mittel aus einem Förderungsprogramm stammen, das allein zum Nutzen der Kläger geschaffen worden sei, die sonst ohne Ausbildung gewesen wären. Der Beklagte habe die Kläger in Betrieben unterbringen müssen, die ihren eigenen Ausbildungsbedarf bereits erschöpft hatten.
Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen zurückgewiesen. Die Kläger verfolgen mit den Revisionen ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen sind nicht begründet. Die Vorinstanzen haben den Klägern zu Recht eine höhere als die vereinbarte Vergütung versagt. Die Kläger haben keinen Anspruch auf eine tarifliche Ausbildungsvergütung in gleicher Höhe wie sie die Auszubildenden aufgrund des allgemeinverbindlichen Gehaltstarifvertrages im Einzelhandel des Landes Rheinland-Pfalz erhalten.
I. Die Kläger haben keinen Anspruch auf eine Vergütung in tariflicher Mindesthöhe für die Auszubildenden in Betrieben des Einzelhandels des Landes Rheinland-Pfalz. Der von ihnen herangezogene allgemeinverbindliche Gehaltstarifvertrag findet im Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien keine Anwendung, weil der Beklagte nicht dem fachlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages unterliegt. Er gilt nur für alle Einzelhandelsbetriebe des Landes Rheinland-Pfalz, nicht jedoch für das Bildungszentrum des beklagten Vereins. Es ist kein Gewerbebetrieb, sondern eine Sondergründung ausschließlich zu dem Zweck, durch ein Programm des Landes finanzierte Ausbildungsplätze in verschiedenen Berufen zu vermitteln.
II. Die Kläger können ihren Anspruch auch nicht auf § 10 des BBiG stützen, wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat. Danach hat der Ausbildende dem Auszubildenden eine "angemessene Vergütung zu gewähren". Das schließt nicht aus, daß die Höhe der Vergütung von den Vertragsparteien einzelvertraglich vereinbart werden kann. Das ist hier geschehen, denn sie haben sich auf eine Vergütung nur in Höhe des Ausbildungszuschusses geeinigt, den das Land dem Ausbildungszentrum zur Verfügung stellt.
Bei der Bemessung der Vergütung haben die Parteien im Rahmen des § 10 BBiG einen gewissen Spielraum, innerhalb dessen sie die Höhe der Vergütung festlegen können. Die Vergütung muß jedoch angemessen im Sinne des § 10 Abs. 1 BBiG sein. Was als angemessene Vergütung anzusehen ist, hat der Gesetzgeber nicht ausdrücklich festgelegt. Tariflich vereinbarte Vergütungssätze sind stets als angemessen anzusehen, denn diese Sätze sind zwischen Tarifpartnern ausgehandelt, und es ist anzunehmen, daß dabei die Interessen beider Seiten hinreichend berücksichtigt sind (nicht veröffentlichte Senatsurteile vom 25. April 1984 - 5 AZR 540/82 -, zu II 1 der Gründe und vom 22. April 1987 - 5 AZR 71/86 - sowie - 5 AZR 72/86 -). Hierauf kann aber im Rechtsstreit nicht zurückgegriffen werden, weil der Beklagte nicht dem fachlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages unterliegt.
Was in diesem Ausbildungsverhältnis als angemessen anzusehen ist, kann nur unter Abwägung der Interessenlage beider Vertragspartner und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles festgestellt werden. Danach können die Kläger nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wären sie Auszubildende eines Einzelhandelsbetriebes, wo sie die berufspraktische Ausbildung erhalten haben. Dieser Betrieb hat die Ausbildungsvergütung nicht aufgebracht, sondern sie stammt aus einem Sonderprogramm des Landes Rheinland-Pfalz zur Schaffung und Finanzierung zusätzlicher überbetrieblicher Ausbildungsplätze. Die Kläger hätten ohne dieses Programm und ohne die Hilfe des Beklagten keinen Ausbildungsplatz gefunden. Der Beklagte ist eine gemeinnützige Sondergründung und strebt keinen Gewinn an. Die Ausbildungsleistung kommt nicht ihm, sondern ausschließlich den Klägern zugute. Die dem beklagten Verein aus dem Sonderprogramm zur Verfügung gestellten Mittel hat er ungekürzt an die Kläger weitergegeben. Die Eigenart dieses Programms bringt es mit sich, daß der Beklagte Bewerber für verschiedenartige Berufsausbildungsplätze vermittelt und hierbei aufgrund der zur Verfügung gestellten Sondermittel nicht nach Art der Berufsausbildung unterschiedliche und an den Tarifvertrag angepaßte Ausbildungsvergütungen gewähren kann. Es ist zwar nicht zu verkennen, daß die Kläger eine geringere Ausbildungsvergütung erhalten haben als wenn sie unmittelbar mit einem Einzelhandelsbetrieb einen Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen hätten. Dieser hat die Kläger aber über seinen eigenen Bedarf hinaus ausgebildet. Die Forderung der Kläger würde darauf hinauslaufen, daß die finanziellen Mittel aus dem Sonderprogramm für alle hierdurch betreuten Jugendlichen beträchtlich erhöht werden müßten, jedoch haben darauf weder der Beklagte noch der Betrieb Einfluß, der ihnen die praktische Ausbildung ermöglicht hat.
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog
Dr. Florak Nitsche
Fundstellen