Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendbarkeit einer vertraglichen Schriftformklausel auf Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
Zur Auslegung einer Schriftformklausel für die „Aufhebung, Änderung und Ergänzung des Arbeitsvertrages”.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 125 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 13. Dezember 1996 – 2 Sa 650/96 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stendal vom 4. Juli 1996 – 6 Ca 795/95 – abgeändert und die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers durch Kündigung des Beklagten vom 16. November 1995 bereits am 15. Dezember 1995 oder erst zum 31. Dezember 1995 wirksam beendet worden ist.
Der Kläger war aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 20. März 1995 bei dem Beklagten zu einem Bruttostundenlohn von 13,00 DM in der 40-Stunden-Woche als Elektroinstallateur beschäftigt.
Ziffer 5 des vorformulierten Vertrages enthält diverse Bestimmungen über Probezeit und Kündigung. Ziffer 12 lautet auszugsweise:
„Der Arbeitnehmer versichert, daß alle bei der Bewerbung gemachten Angaben der Wahrheit entsprechen. Wissentlich falsche Angaben berechtigen den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung, ohne Einhaltung der Kündigungsfrist.
…
Die Aufhebung, Änderung und Ergänzung dieses Arbeitsvertrages müssen schriftlich festgehalten werden. Mündliche Vereinbarungen, sowie die mündliche Vereinbarung über die Aufhebung der Schriftform, sind nichtig.”
Am 16. November 1995 kündigte der Beklage das Arbeitsverhältnis des Klägers mündlich zum 14. Dezember 1995. Am 20. November 1995 erhielt der Kläger das Schreiben des Beklagten vom 16. November 1995, in dem dieser unter der Überschrift „Kündigung” erklärte:
„Sehr geehrter Herr L., mit heutigem Datum kündige ich Ihr Arbeitsverhältnis zum 14.12.1995.”
Mit seiner am 5. Dezember 1995 beim Arbeitsgericht Stendal eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewandt und beantragt
festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die mündliche und schriftliche Kündigung vom 16. November 1995 nicht mit dem 15. Dezember 1995, sondern erst mit dem 31. Dezember 1995 beendet wird.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat im Gegensatz zum Kläger die Ansicht vertreten, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses als einseitiges Rechtsgeschäft werde von der Schriftformklausel des Arbeitsvertrages nicht erfaßt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiterhin Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet und führt zur Abweisung der Klage.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die mündliche Kündigung vom 16. November 1995 sei mangels Einhaltung der vertraglichen Schriftformklausel gemäß § 125 Satz 2 BGB unwirksam gewesen. Mit dem Begriff „Aufhebung” erfasse Ziffer 12 Abs. 3 des Arbeitsvertrages auch Kündigungen. Daß Ziffer 5 Kündigungen nicht abschließend regele, ergebe sich bereits aus Ziffer 12 Abs. 1 des Vertrages. Aus Ziffer 12 Abs. 3 Satz 2 lasse sich nicht der Schluß ziehen, nichtig sein sollten lediglich mündliche Vereinbarungen, nicht aber Kündigungen. Ziffer 12 Abs. 3 Satz 2 bestimme vielmehr die Tragweite der Schriftformklausel näher dahin, daß sie nicht nur der Beweissicherung oder Klarstellung dienen solle. Daß auch der Beklagte die Klausel in diesem Sinne verstanden habe, belege sein Schreiben vom 16. November 1995, mit dem er nicht bloß die mündliche Kündigung schriftlich festgehalten, sondern eine schriftliche Kündigung erklärt habe. Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch diese schriftliche Kündigung wirksam erst zum 31. Dezember 1995 aufgelöst worden.
II. Dem folgt der Senat nicht. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wird als einseitiges Rechtsgeschäft von der Schriftformklausel in Ziffer 12 Abs. 3 des Arbeitsvertrages nicht erfaßt.
1. Die Parteien haben vorliegend einen Formular-Arbeitsvertrag verwendet, der für eine Vielzahl von Fällen gleichlautend erstellt wurde und deshalb in seiner Wirkung über das konkrete Arbeitsverhältnis hinausreicht. Insoweit besteht ein Bedürfnis nach einheitlicher Auslegung. Solch typische Verträge sind wie Rechtsnormen zu behandeln, ihre Auslegung (§§ 133, 157 BGB) kann daher vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden (u.a. BAG Urteil vom 5. Mai 1955 – 2 AZR 356/54 – AP Nr. 1 zu § 549 ZPO; BAGE 32, 6, 9 f. = AP Nr. 6 zu § 4 KSchG 1969, zu II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 20. Juni 1985 – 2 AZR 427/84 – AP Nr. 33 zu § 112 BetrVG 1972, zu B I 2 der Gründe; BAG Urteil vom 9. Mai 1996 – 2 AZR 438/95 – AP Nr. 79 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I 2 c aa der Gründe; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 73 Rz 15, m.w.N.).
2. Die Auslegung der Ziffer 12 Abs. 3 des Arbeitsvertrages durch das Berufungsgericht hält den Angriffen der Revision nicht stand. Die Revision rügt mit Recht, aus Satz 2 der genannten Vertragsbestimmung ergebe sich, daß nur Vereinbarungen, nicht aber Kündigungen als einseitige Rechtsgeschäfte dem Schriftformzwang unterfallen.
Dem Landesarbeitsgericht ist zuzugeben, daß der Bedeutungsumfang des Begriffs „Aufhebung” in Satz 1 bei isolierter Betrachtung auch Kündigungen erfassen könnte. Unter Berücksichtigung des vertraglichen Kontextes erweist sich diese Auslegung aber als nicht zutreffend. Satz 2 stellt nicht nur klar, daß die Einhaltung der Formvorschrift des Satzes 1 Wirksamkeitsvoraussetzung sein soll, sondern zugleich, daß mit „Aufhebung, Änderung und Ergänzung dieses Arbeitsvertrages” nur „Vereinbarungen”, d.h. zweiseitige Rechtsgeschäfte gemeint sind. Bestätigt wird dies dadurch, daß in Satz 2 – wenn auch für eine Beseitigung des Formzwanges – ebenfalls der Begriff „Aufhebung” verwendet wurde und dort zweifelsfrei nur „Vereinbarungen”, also zweiseitige Rechtsgeschäfte erfaßt werden. Wenn zugleich in Ziffer 12 Abs. 1 eine Regelung zur „Kündigung” getroffen ist, in Abs. 3 Satz 1 aber ebenso wie in Abs. 3 Satz 2 nur der Begriff „Aufhebung” Verwendung findet, so kann nicht angenommen werden, daß derselbe Begriff innerhalb desselben Absatzes einmal auch einseitige Rechtsgeschäfte mit umfassen soll, im anderen Fall dagegen nur Vereinbarungen. Hätten auch Kündigungen dem Schriftformzwang unterstellt werden sollen, hätte dies durch die Aufnahme des Begriffs „Kündigung” in den Katalog des Abs. 3 Satz 1 oder in anderer Weise klargestellt werden müssen.
Bedurfte danach die Kündigung nicht der Schriftform, so ist es unerheblich, daß der Beklagte am 16. November 1995 nicht nur mündlich, sondern unter demselben Datum auch schriftlich gekündigt hat. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde bereits durch die mündliche Kündigung aufgelöst, und zwar fristgerecht zum 15. Dezember 1995 (§ 622 Abs. 1 BGB).
Unterschriften
Etzel, Richter am BAG Bitter hat Urlaub. Etzel, Fischermeier, Kuemmel-Pleißner, Dr. Roeckl
Fundstellen