Entscheidungsstichwort (Thema)
Streik um Firmentarifvertrag. Streik um Firmentarifvertrag gegen verbandsangehörigen Arbeitgeber. relative Friedenspflicht. Koalitionsfreiheit. tarifvertragliche Verpflichtung zur Übernahme eines besonderen Kündigungsschutzes in Arbeitsverträge. Verpflichtung des Arbeitgebers zum Verbleib im Arbeitgeberverband
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Streik ist nicht allein deshalb rechtswidrig, weil gegenüber einem verbandsangehörigen Arbeitgeber ein Firmentarifvertrag erzwungen werden soll.
2. Erkennbar abschließende verbandstarifliche Kündigungsschutzbestimmungen stehen während der tarifvertraglichen Laufzeit grundsätzlich der streikweisen Durchsetzung eines weitergehenden Kündigungsschutzes in einem Firmentarifvertrag mit einem verbandsangehörigen Arbeitgeber entgegen.
3. Ein Arbeitgeber kann sich nicht rechtswirksam gegenüber einer Gewerkschaft zur dauerhaften Beibehaltung seiner Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband verpflichten.
4. In einem Tarifvertrag kann der Arbeitgeber nicht verpflichtet werden, den tariflichen Kündigungsschutz mit den Arbeitnehmern auch einzelvertraglich zu vereinbaren.
Orientierungssatz
1. Auch der verbandsangehörige Arbeitgeber ist unabhängig von der Satzung des Verbands gemäß § 2 Abs. 1 TVG tariffähig.
2. Arbeitskämpfe zur Erzwingung von Firmentarifverträgen gegen einzelne verbandsangehörige Arbeitgeber sind nicht generell ausgeschlossen. Bei der Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit sind die für jeden Arbeitskampf geltenden Grenzen zu beachten.
3. Der verbandsangehörige Arbeitgeber ist durch die sich aus den Verbandstarifverträgen ergebende Friedenspflicht gegen die streikweise Inanspruchnahme auf den Abschluß von Firmentarifverträgen über dieselbe Regelungsmaterie geschützt.
4. Die verbandstariflichen Bestimmungen in §§ 53 ff. BAT, §§ 49 ff. BMT-G II, TV RatAng und TV RatArb regeln die Kündigung der den Verbandstarifverträgen unterfallenden Arbeitsverhältnisse erkennbar abschließend und stehen der streikweisen Durchsetzung eines firmentariflichen Kündigungsschutzes grundsätzlich entgegen.
5. Eine tarifvertragliche Verpflichtung des einzelnen Abeitgebers zur Aufrechterhaltung seiner Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband verstößt gegen die Koalitionsfreiheit. Ein darauf gerichteter Streik ist rechtswidrig.
6. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, den besonderen tarifvertraglichen Kündigungsschutz in Arbeitsverträge zu übernehmen, liegt außerhalb der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien. Eine derartige Verpflichtung kann nicht durch Streik erzwungen werden.
7. Die Rechtswidrigkeit einer Hauptforderung führt zur Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks.
8. Wird mit einer Leistungsklage einer von mehreren Schadensersatzansprüchen aus einem Streik geltend gemacht, so kann im Wege der Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO die Feststellung begehrt werden, die beklagte Partei sei verpflichtet, den durch den Streik entstandenen Schaden zu ersetzen.
Normenkette
GG Art. 9 Arbeitskampf
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 21. November 2001 – 5 Sa 816/01 – wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin vom Beklagten Schadensersatz wegen eines Streiks verlangen kann.
Die Klägerin, eine GmbH, betreibt eine Müllverwertungsanlage. Der Beklagte, eine in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins verfaßte Gewerkschaft, ist Rechtsnachfolger der zunächst beklagten Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV). Als Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen (KAV NW) wendet die Klägerin die Tarifverträge an, die zwischen der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände und der ÖTV abgeschlossen sind. Dazu gehören der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT), der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II), der Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte (TV RatAng) und der Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter (TV RatArb).
Die Gesellschaftsanteile der Klägerin wurden zunächst zu 100 % von der Stadt B. gehalten. Im November 1999 übertrug diese 93,5 % ihrer Anteile auf die S. GmbH (SWB-Holding). Aus diesem Anlaß forderte die ÖTV von der Klägerin Anfang 2000 Tarifverhandlungen über den Abschluß eines sog. Gleichstellungstarifvertrags. Dieser sollte im wesentlichen einem Personalüberleitungstarifvertrag entsprechen, den die Stadt B. mit der ÖTV am 22./23. Dezember 1998 aus Anlaß der privatisierenden Umwandlung des Eigenbetriebs Stadtwerke B. in die SWB-Holding geschlossen hatte. Der von der ÖTV vorgelegte Entwurf eines Tarifvertrags mit der – in dem Entwurf als MVA bezeichneten – Klägerin vom 10. April 2000 (TVE April 2000) enthielt ua. folgende Bestimmungen:
„§ 3 Besitzstandsgarantie
Die Stadt, SWB-Holding und MVA garantieren, dass den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch den Mehrheitsanteilserwerb seitens SWB-Holding, unter Garantie des bisherigen sozialen und rechtlichen Besitzstandes keine Nachteile entstehen werden. Insbesondere werden garantiert:
(…)
– die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft der MVA im kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen,
(…)
§ 4 Kündigungsschutz
4.1 Die Stadt, SWB-Holding und MVA werden auf Dauer keine betriebsbedingten Beendigungskündigungen gegenüber den gemäß § 1 erfassten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aussprechen. Eine Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Besitzstandes dieser Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch betriebsbedingte Änderungskündigung ist gleichermaßen auf Dauer ausgeschlossen.
4.2 MVA verpflichtet sich, den Kündigungsschutz nach Absatz 1 durch folgende in die Arbeitsverträge zu übernehmende Klausel einzelvertraglich zu gewährleisten: „Das Arbeitsverhältnis kann auf Dauer aus betriebsbedingten Gründen nicht gekündigt werden. Das Recht zur betriebsbedingten Änderungskündigung bleibt unberührt, soweit der wirtschaftliche Besitzstand dadurch auf Dauer nicht beeinträchtigt wird.” (…)”
Die Klägerin lehnte Tarifvertragsverhandlungen auf dieser Grundlage ab. Die ÖTV erklärte daraufhin die Verhandlungen für gescheitert und führte nach einer Urabstimmung ab dem 21. Juni 2000 einen Streik gegen die Klägerin durch. Ein Antrag der Klägerin auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung, durch welche der ÖTV Arbeitskampfmaßnahmen untersagt werden sollten, wurde vom Arbeitsgericht Bonn am 21. Juni 2000 wegen Fehlens eines Verfügungsgrundes zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Klägerin änderte das Landesarbeitsgericht Köln am 26. Juni 2000 den Beschluß des Arbeitsgerichts teilweise ab und untersagte der ÖTV, den Streik mit dem Ziel der Einbeziehung der Stadt B. und der SWB Holding zu führen. Im übrigen wies das Landesarbeitsgericht die Beschwerde der Klägerin zurück. Die ÖTV paßte daraufhin ihre Streikziele an und legte der Klägerin einen modifizierten Tarifvertragsentwurf vom 3. Juli 2000 (TVE Juli 2000) vor. In diesem waren keine Verpflichtungen der Stadt B. und der SWB-Holding mehr vorgesehen. Im übrigen entsprach der neue Entwurf im wesentlichen dem bisherigen. Die ÖTV setzte sodann den Arbeitskampf fort. Die Müllverwertungsanlage war während des Streiks stillgelegt. Am 4. August 2000 schlossen die Klägerin und die ÖTV unter Beteiligung des bei der Klägerin gebildeten Betriebsrats eine Vereinbarung, die weitgehend dem TVE Juli 2000 entspricht. Daraufhin wurde der Streik beendet.
Am 11. August 2000 hat die Klägerin beim Arbeitsgericht Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Streiks erhoben. Mit einem späteren Schriftsatz hat sie den ihr durch den Streik insgesamt entstandenen Schaden auf 5.985.356,22 DM beziffert und hiervon einen Teilbetrag von 50.000,00 DM eingeklagt, den sie auf den durch den Streik gestiegenen Heizölverbrauch gestützt hat. Sie hat die Auffassung vertreten, ein Arbeitskampf zur Durchsetzung eines Firmentarifvertrags sei gegenüber einem verbandsangehörigen Arbeitgeber unzulässig. Auch seien die geforderten Tarifregelungen überwiegend durch Arbeitskampfmaßnahmen nicht erzwingbar gewesen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
- festzustellen, daß der vom 21. Juni 2000 bis einschließlich 4. August 2000 geführte Streik der Mitglieder des Beklagten bei der Klägerin insgesamt rechtswidrig war, und
- den Beklagten zu verurteilen, an sie 50.000,00 DM nebst 5 % Zinsen über den Basiszinssatz seit dem 20. März 2001 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil dem Feststellungsbegehren entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten entsprechend dem von der Klägerin in der Berufungsverhandlung gestellten Antrag mit der Maßgabe zurückgewiesen, es werde festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin wegen des vom 21. Juni 2000 bis 4. August 2000 geführten Streiks der Mitglieder des Beklagten Schadensersatz zu leisten. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin den durch den Streik entstandenen Schaden zu ersetzen.
A. Der im Berufungsverfahren gestellte Feststellungsantrag ist zulässig.
I. Das Landesarbeitsgericht konnte über den Antrag ohne Berufungsanschlußschrift entscheiden. Allerdings war dem Landesarbeitsgericht durch die Berufung des Beklagten gegen das arbeitsgerichtliche Teilurteil lediglich der vom Arbeitsgericht beschiedene, auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Streiks gerichtete Klageantrag angefallen. Um einen anderen Streitgegenstand zur Entscheidung durch das Landesarbeitsgericht zu stellen, hätte es daher einer Anschlußberufung der durch das erstinstanzliche Teilurteil nicht beschwerten Klägerin bedurft. Diese Anschlußberufung hätte gemäß § 522 a Abs. 1 bis 3, § 518 Abs. 2, 4, § 519 Abs. 3, 5 ZPO (aF; vgl. § 26 Nr. 5 Satz 1 EGZPO) durch eine Berufungsanschlußschrift eingelegt und begründet werden müssen. Dabei kann das Fehlen der Anschlußschrift nicht durch einen in mündlicher Verhandlung gestellten Antrag ersetzt werden. Auch ist die Verletzung der Vorschriften über die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen grundsätzlich einer Heilung entzogen (vgl. etwa BGH 12. Dezember 1988 – II ZR 129/88 – NJW-RR 1989, 441, zu 2 b der Gründe mwN).
Eine Berufungsanschlußschrift war im Streitfall entbehrlich. Durch den von der Klägerin erstmals in der Berufungsverhandlung gestellten Antrag wurde kein anderer Streitgegenstand in das Verfahren eingeführt. Es handelte sich der Sache nach weder um eine zu einer objektiven Klagenhäufung iSv. § 260 ZPO führende Klageerweiterung noch, wie das Landesarbeitsgericht gemeint hat, um eine Klageänderung iSv. § 263 ZPO, sondern um eine der Klägerin im Rahmen der Berufung des Beklagten mögliche Erweiterung des Klageantrags iSv. § 264 Nr. 2 ZPO. Nach dieser Bestimmung ist es nicht als eine Änderung der Klage anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache erweitert wird. Die Ergänzung des lediglich auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Streiks gerichteten Klageantrags um einen auf die Feststellung der daraus folgenden Schadensersatzpflicht gerichteten Antrag stellte eine Erweiterung des Klageantrags in diesem Sinne dar. Es wurde nicht ein weiterer prozessualer Anspruch eingeführt oder der bisherige Anspruch durch einen anderen ersetzt, sondern der bereits anhängige Anspruch in der Hauptsache qualitativ erweitert.
II. Die Feststellungsklage ist jedenfalls als Zwischenfeststellungsklage iSv. § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Es kann dahin stehen, ob sie auch nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig wäre oder ob insoweit der Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage entgegenstünde (vgl. zu diesem prozeßwirtschaftlichen Grundsatz und seinen Ausnahmen BAG 20. März 2001 – 3 AZR 276/00 – BAGE 97, 205, 207, zu A 2 der Gründe; 11. Dezember 2001 – 9 AZR 435/00 – EzA ZPO § 256 Nr. 59, zu I der Gründe mwN; BGH 17. Juni 1994 – V ZR 34/92 – NJW-RR 1994, 1272, zu II 2 b der Gründe mwN). Vorliegend sind die Voraussetzungen des § 256 Abs. 2 ZPO gegeben. Die Entscheidung über die während des Rechtsstreits erhobene, auf Zahlung von 50.000,00 DM gerichtete Hauptklage hängt von der mit der Zwischenfeststellungsklage begehrten, auf das Bestehen der Schadensersatzpflicht gerichteten Feststellung ab. Der Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage steht nicht entgegen, daß zunächst eine selbständige Feststellungsklage erhoben und die Hauptklage erst im Laufe des Rechtsstreits nachgeschoben wurde (allgemeine Auffassung, vgl. etwa BGH – 6. Juli 1989 – IX ZR 280/88 – NJW-RR 1990, 318, zu B II 5 der Gründe mwN). Der Gegenstand der Hauptklage ist auch nicht identisch mit dem Gegenstand der Zwischenfeststellungsklage. Durch den Streik ist im Falle seiner Rechtswidrigkeit ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen den Parteien entstanden, das zwar auf einem einheitlichen Lebenssachverhalt beruht, aber durch verschiedene mögliche Schadensersatzansprüche gekennzeichnet ist (vgl. BAG 21. März 1978 – 1 AZR 11/76 – BAGE 30, 189, 196, zu I der Gründe). Einer dieser Schadensersatzansprüche wird von der Klägerin mit der auf den erhöhten Heizölverbrauch gestützten Hauptklage verfolgt.
B. Die Zwischenfeststellungsklage ist begründet. Der Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin den durch den Streik entstandenen Schaden zu ersetzen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stellt ein von einer Gewerkschaft geführter rechtswidriger Streik eine Verletzung des durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Er führt zu einem Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers, wenn die Organe der Gewerkschaft ein Verschulden trifft (vgl. BAG 9. April 1991 – 1 AZR 332/90 – AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 116 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 98, zu I der Gründe mwN). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.
I. Der Streik war während seiner gesamten Dauer rechtswidrig. Allein der Umstand, daß gegenüber der verbandsangehörigen Klägerin ein Firmentarifvertrag erzwungen werden sollte, führt allerdings noch nicht zur Rechtswidrigkeit des Streiks (1.). Die Gewerkschaft hat aber die Friedenspflicht verletzt (2.). Außerdem hat sie mit dem Streik rechtswidrige Ziele verfolgt (3.).
1. Trotz der Verbandszugehörigkeit eines Arbeitgebers können mit diesem Haustarifverträge abgeschlossen werden. Auch deren Erzwingung durch einen Streik ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
a) Die Verbandszugehörigkeit eines Arbeitgebers steht dem freiwilligen Abschluß von Firmentarifverträgen zwischen ihm und der Gewerkschaft nicht entgegen. Dies gilt auch, wenn die Satzung des Arbeitgeberverbands den Abschluß von Haustarifverträgen durch die Verbandsmitglieder untersagt.
aa) Tarifvertragsparteien sind nach § 2 Abs. 1 TVG Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber sowie Vereinigungen von Arbeitgebern. Während auf Arbeitnehmerseite nur Gewerkschaften Tarifverträge abzuschließen in der Lage sind, können dies auf Arbeitgeberseite sowohl Vereinigungen von Arbeitgebern als auch einzelne Arbeitgeber. Der einzelne Arbeitgeber besitzt die ihm gesetzlich zuerkannte Tariffähigkeit unabhängig von seiner Zugehörigkeit zu einem Arbeitgeberverband. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung verliert er die Fähigkeit, Partei eines Firmentarifvertrags zu sein, nicht durch den Beitritt zu einem Arbeitgeberverband (BAG 25. September 1996 – 1 ABR 4/96 – BAGE 84, 166, 186, zu B III 4 c der Gründe; 4. April 2001 – 4 AZR 237/00 – BAGE 97, 263, 268, zu II 1 b cc der Gründe; vgl. auch schon die Senatsentscheidung vom 4. Mai 1955 – 1 AZR 493/54 – BAGE 2, 75 in welcher die Tariffähigkeit des einzelnen Arbeitgebers trotz Verbandszugehörigkeit als selbstverständlich vorausgesetzt wird; Buchner DB Beilage 9/2001 S 1, 3, 4; ErfK/Dieterich 3. Aufl. Art. 9 GG Rn. 162; Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht Bd 1 S 524, 1007; Jacobs ZTR 2001, 249, 250, 251; Kissel Arbeitskampfrecht § 26 Rn. 115; Löwisch/Rieble AR-Blattei SD Arbeitskampf II 170.2 Rn. 6; Oetker in Wiedemann TVG 6. Aufl. § 2 Rn. 128; MünchArbR/Otto 2. Aufl. § 285 Rn. 66; Richardi Juristische Analysen 1971 Heft 2 S 3, 15 bis 18; Rieble NZA 2000, 225, 229; Rüthers in Brox/Rüthers Arbeitskampfrecht 2. Aufl. Rn. 137; Stein RdA 2000, 129, 136; Thüsing NZA 1997, 294; Waas ZTR 2000, 341, 342; Wiedemann in Wiedemann TVG § 1 Rn. 166; aA LAG Schleswig-Holstein 25. November 1999 – 4 Sa 584/99 – AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 157; Kleinke/Kley/Walter ZTR 2000, 499, 503; Matthes FS Schaub S 477, 481 ff.; Natzel SAE 2001, 43, 48, 49). Hieran hält der Senat fest. Die von der Gegenansicht vorgebrachten Argumente rechtfertigen keine Änderung der Rechtsprechung.
Bereits der Wortlaut des § 2 Abs. 1 TVG ist eindeutig. Danach wird dem einzelnen Arbeitgeber ohne Einschränkung die Tariffähigkeit zuerkannt. Eine Differenzierung nach der Verbandszugehörigkeit des Arbeitgebers sieht das Gesetz nicht vor. Die Gesetzessystematik spricht ebenfalls gegen eine Einschränkung der Tariffähigkeit einzelner Arbeitgeber. Denn während § 54 Abs. 3 Nr. 1 HandwO die Tariffähigkeit der Handwerksinnungen ausdrücklich auf die Fälle beschränkt, in denen der Innungsverband nach § 82 Satz 2 Nr. 3 HandwO keine einschlägigen Tarifverträge abgeschlossen hat, sieht das Tarifvertragsgesetz im Verhältnis von einzelnen Arbeitgebern und Arbeitgeberverbänden eine entsprechende Subsidiarität gerade nicht vor (vgl. Jacobs ZTR 2001, 249, 250; Rieble NZA 2000, 225, 229). Auch Sinn und Zweck des § 2 Abs. 1 TVG gebieten nicht dessen „teleologische Restriktion” (so aber insbesondere Matthes FS Schaub S 477, 482 ff.). Zutreffend ist zwar, daß die dem einzelnen Arbeitgeber in § 2 Abs. 1 TVG zuerkannte Tariffähigkeit der effektiven Verwirklichung der Tarifautonomie dient, indem sie verhindert, daß sich der Arbeitgeber durch Fernbleiben von oder Austritt aus einem Verband tarifunfähig macht und sich so der Inanspruchnahme auf den Abschluß von Tarifverträgen entzieht (vgl. etwa Kissel Arbeitskampfrecht § 26 Rn. 115 mwN in Fn. 250). Dieser Zweck entfällt daher, wenn der Arbeitgeber Mitglied eines tarifwilligen Arbeitgeberverbands ist. Gleichwohl rechtfertigt dies nicht die Reduktion des § 2 Abs. 1 TVG. Denn dessen Zweck erschöpft sich nicht darin, für die Gewerkschaft einen Verhandlungsgegner bereitzustellen. Vielmehr gehört die Tariffähigkeit des einzelnen Arbeitgebers zu dessen durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützter Betätigungsfreiheit (BAG 20. November 1990 – 1 ABR 62/89 – BAGE 66, 258, 263, zu B II 2 c der Gründe unter Bezugnahme auf BAG 14. Juli 1981 – 1 AZR 159/78 – BAGE 36, 131, 137, zu III 2 der Gründe). Diese wäre eingeschränkt, wenn der Arbeitgeber durch die Verbandszugehörigkeit seine Tariffähigkeit verlöre. Er wäre dann nämlich nicht einmal mehr in der Lage, freiwillig mit der Gewerkschaft Tarifverträge über Gegenstände abzuschließen, die durch Verbandstarifverträge nicht geregelt sind (vgl. Lieb DB 1999, 2058; Rieble NZA 2000, 225, 229 f.).
bb) Die Tariffähigkeit des einzelnen Arbeitgebers und die Wirksamkeit eines von ihm abgeschlossenen Tarifvertrags hängt auch nicht davon ab, ob nach der Satzung des Arbeitgeberverbands der Abschluß von Firmentarifverträgen durch einen verbandszugehörigen Arbeitgeber zulässig ist. Die Satzung begründet verbandsinterne Pflichten der Verbandsmitglieder. Sie vermag jedoch nicht deren Außenverhältnis zu Dritten zu gestalten. Deshalb ist auch ein gegen die Satzung des Arbeitgeberverbands verstoßender Tarifvertrag wirksam (BAG 4. April 2001 – 4 AZR 237/00 – BAGE 97, 263, 268, zu II 1 b cc der Gründe; Oetker in Wiedemann TVG 6. Aufl. § 2 Rn. 114 mit zahlreichen Nachweisen). Wie der Senat bereits im Urteil vom 4. Mai 1955 (– 1 AZR 493/54 – BAGE 2, 75) ausgeführt hat, kann der Arbeitgeber einem Streik die Legitimität nicht dadurch nehmen, daß er sich Dritten gegenüber verpflichtet, einen Tarifvertrag nicht abzuschließen. Hieran hält der Senat fest. Der einzelne Arbeitgeber kann seine Tariffähigkeit nicht durch schuldrechtliche Verpflichtungen beseitigen, die er gegenüber einem Arbeitgeberverband eingeht. Er ist rechtlich nicht in der Lage, über seine Tariffähigkeit zu disponieren. Diese ist nicht nur ein Recht, sondern zugleich eine dem Arbeitgeber auch im Interesse des sozialen Gegenspielers gesetzlich verliehene, unverzichtbare Eigenschaft. Es kann deshalb dahin stehen, ob und in welchem Umfang im Innenverhältnis zwischen dem Arbeitgeberverband und seinen Mitgliedern Satzungsbestimmungen zulässig sind, durch welche den Mitgliedern die Verpflichtung auferlegt wird, den Abschluß von Firmentarifverträgen – sei es überhaupt, sei es über im Verbandstarifvertrag geregelte Gegenstände – zu unterlassen (vgl. hierzu etwa Oetker in Wiedemann TVG 6. Aufl. § 2 Rn. 115, 116 mwN).
b) Arbeitskämpfe zur Erzwingung von Firmentarifverträgen sind gegen einzelne dem Arbeitgeberverband angehörende Arbeitgeber nicht generell ausgeschlossen.
aa) In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum ist die Frage der Zulässigkeit eines gegen einen verbandsangehörigen Arbeitgeber zur Erzwingung eines Firmentarifvertrags geführten Streiks umstritten. Überwiegend wird angenommen, derartige Arbeitskämpfe seien grundsätzlich zulässig und nach den allgemeinen arbeitskampfrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen (vgl. etwa LAG Düsseldorf 31. Juli 1985 – 13 Sa 1082/85 – LAGE GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 21; LAG Hamm 8. August 1985 – 8 Sa 1498/85 – NZA 1985, 743 f.; LAG Köln 14. Juni 1996 – 4 Sa 127/96 – AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 149; Blanke PersR 2002, 227, 233 bis 235; ErfK/Dieterich 3. Aufl. Art. 9 GG Rn. 162; Hensche RdA 1971, 9; von Hoyningen-Huene ZfA 1980, 453; Jacobs ZTR 2001, 249, 252, 253 mit vielen Nachw. zu dieser Auffassung in Fn. 56; Kissel Arbeitskampfrecht § 26 Rn. 121; Oetker in Wiedemann TVG 6. Aufl. § 2 Rn. 131 bis 133; MünchArbR/Otto 2. Aufl. § 285 Rn. 66; Richardi Juristische Analysen 1971 Heft 2 S 3, 18 bis 23, 37, 38; Stein RdA 2000, 129, 139; Wendeling-Schröder NZA 1998, 624, 628). Demgegenüber verneinen das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (im Urteil vom 25. November 1999 – 4 Sa 584/99 – AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 157) und ein nicht unerheblicher Teil des Schrifttums generell die Zulässigkeit eines gegenüber dem Vollmitglied eines Arbeitgeberverbands zur Erzwingung eines Firmentarifvertrags geführten Streiks (vgl. etwa Boldt RdA 1971, 257; Buchner DB 1970, 2074, 2077; ders. DB Beilage Nr. 9/2001 S 1; Hanau/Thüsing ZTR 2002, 506., 509, 510; Heß Zulässigkeit, Inhalt und Erstreikbarkeit betriebsnaher Tarifverträge Dissertation 1973 S 53 ff.; Krichel NZA 1986, 731; Lieb DB 1999, 2058; Reuter NZA 2001, 1097; Rüthers in Brox/Rüthers Arbeitskampfrecht 2. Aufl. Rn. 137; Schleusener NZA 1998, 239).
bb) Der Senat hat die Frage im Urteil vom 25. September 1996 (– 1 ABR 4/96 – BAGE 84, 166, 186, zu B III 4 c der Gründe) ausdrücklich offengelassen. Er hat jedoch bereits im Urteil vom 4. Mai 1955 (– 1 AZR 493/54 – BAGE 2, 75) ausgeführt, daß ein Streik nicht deshalb rechtswidrig ist, weil der bestreikte Arbeitgeber, der einem Arbeitgeberverband angehört, diesem gegenüber satzungsmäßig verpflichtet ist, keinen Firmentarifvertrag abzuschließen. Dabei ist der Senat ersichtlich als selbstverständlich davon ausgegangen, daß allein die Verbandszugehörigkeit des Arbeitgebers der Rechtmäßigkeit eines derartigen Streiks nicht grundsätzlich entgegensteht. Hieran hält der Senat, nunmehr ausdrücklich, fest. Die grundsätzliche Zulässigkeit eines auch gegen einen einzelnen Arbeitgeber geführten Streiks beruht auf der den Arbeitnehmern durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Koalitionsfreiheit. Zu dieser gehört die Betätigung der Gewerkschaften zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Darunter fällt insbesondere der Abschluß von Tarifverträgen. Die Wahl der Mittel, die sie zur Erreichung dieses Zwecks für geeignet halten, überläßt Art. 9 Abs. 3 GG grundsätzlich den Koalitionen. Zu den geschützten Mitteln zählen Arbeitskampfmaßnahmen, die auf den Abschluß von Tarifverträgen gerichtet sind (BVerfG 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 – BVerfGE 84, 212, 224, zu C I 1 a der Gründe). Allerdings sind der Rechtmäßigkeit von Arbeitskämpfen Grenzen gezogen (vgl. dazu etwa ErfK/Dieterich 3. Aufl. Art. 9 GG Rn. 109 ff.). Diese für jeden Arbeitskampf geltenden Grenzen sind auch bei der Beurteilung eines um den Abschluß eines Firmentarifvertrags gegen einen einzelnen verbandsangehörigen Arbeitgeber geführten Streiks zu beachten. Die hierbei maßgeblichen Grundsätze führen nicht zur generellen Unzulässigkeit derartiger Streiks.
(1) Insbesondere steht der Zulässigkeit eines solchen Streiks entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (vgl. Hanau/Thüsing ZTR 2002, 506, 509; Lieb DB 1999, 2058, 2063; Rüthers in Brox/Rüthers Arbeitskampfrecht 2. Aufl. Rn. 137) nicht schon allgemein das Gebot der Arbeitskampfparität entgegen. Bei der Anwendung dieses auf dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beruhenden (vgl. dazu grundlegend BAG GS 21. April 1971 – GS 1/68 – BAGE 23, 292), auf die Herstellung und Bewahrung eines tatsächlichen Verhandlungs- und Kampfgleichgewichts abzielenden Prinzips ist eine abstrakttypisierende Betrachtung geboten (BAG 10. Juni 1980 – 1 AZR 822/79 – BAGE 33, 140, 164, zu A IV 2 der Gründe; ErfK/Dieterich 3. Aufl. Art. 9 GG Rn. 128). Diese rechtfertigt nicht die Annahme, bei einem von der Gewerkschaft gegen einen einzelnen verbandsangehörigen Arbeitgeber geführten Streik sei die Arbeitskampfparität typischerweise verletzt. Wie an der dem einzelnen Arbeitgeber in § 2 Abs. 1 TVG verliehenen Tariffähigkeit deutlich wird, geht der Gesetzgeber im Verhältnis zwischen Gewerkschaft und einzelnen Arbeitgebern jedenfalls grundsätzlich von einem Verhandlungs- und Kampfgleichgewicht aus. Könnte ein Tarifvertrag gegenüber einem einzelnen Arbeitgeber nicht erforderlichenfalls auch durch einen Streik erzwungen werden, würde § 2 Abs. 1 TVG seinen Zweck, auf jeden Fall auf Arbeitgeberseite die Existenz eines Tarifpartners sicherzustellen, nur unvollständig erfüllen. Dementsprechend hat es der Senat abgelehnt, die Tariffähigkeit des einzelnen Arbeitgebers an ein besonderes Erfordernis der Mächtigkeit zu knüpfen (BAG 20. November 1990 – 1 ABR 62/89 – BAGE 66, 258, 263, zu B II 2 c der Gründe; vgl. auch BVerfG 20. Oktober 1981 – 1 BvR 404/78 – BVerfGE 58, 233, 256, zu B II 2 der Gründe).
Ist aber bei einem Streik, der gegen einen einzelnen, keinem Verband angehörenden Arbeitgeber geführt wird, grundsätzlich von einem Verhandlungs- und Kampfgleichgewicht auszugehen, so kann bei einem Streik gegen einen verbandsangehörigen Arbeitgeber jedenfalls typisierend nichts anderes gelten. Denn dessen Verteidigungsfähigkeit ist typischerweise nicht geringer als die eines verbandsfremden Arbeitgebers. Durch den Beitritt zu einem Arbeitgeberverband wird der einzelne Arbeitgeber zumindest nicht schwächer. Ebenso wie ein verbandsfremder Arbeitgeber kann er auf Streikmaßnahmen – zum Beispiel bei einem Teilstreik – mit Abwehrmaßnahmen – etwa mit einer weitergehenden Aussperrung – reagieren. Darüber hinaus kann er die Unterstützung des Arbeitgeberverbands in Anspruch nehmen, wenngleich sich diese – sei es aus tatsächlichen, sei es aus rechtlichen Gründen – häufig auf die Beratung des Mitglieds beschränken dürfte.
(2) Der Zulässigkeit eines gegen einen verbandsangehörigen Arbeitgeber um den Abschluß eines Firmentarifvertrags geführten Streiks stehen jedenfalls generell auch weder die individuelle Koalitionsfreiheit des einzelnen Arbeitgebers noch die kollektive Koalitionsfreiheit des Arbeitgeberverbands entgegen (so aber LAG Schleswig-Holstein 25. November 1999 – 4 Sa 584/99 – AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 157 sowie ein Teil des Schrifttums, vgl. etwa Boldt RdA 1971, 257; Buchner DB Beilage Nr. 9/2001; Lieb DB 1999, 2058; Reuter NZA 2001, 1097). Die für Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG garantierte Koalitionsfreiheit schützt als Doppelgrundrecht sowohl die Freiheit der potentiellen oder tatsächlichen Mitglieder einer Koalition als auch die Freiheit einer Koalition in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihrer koalitionsspezifischen Betätigung (vgl. etwa BVerfG 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 – BVerfGE 84, 212, 224, zu C I 1 a der Gründe).
Durch den gegen einen verbandsangehörigen Arbeitgeber um einen Firmentarifvertrag geführten Streik wird die individuelle Vereinigungsfreiheit des einzelnen Arbeitgebers jedenfalls nicht generell verletzt. Seine Freiheit, in dem Verband zu verbleiben oder aus ihm auszutreten, wird regelmäßig nicht beeinträchtigt. Etwas anderes gilt allerdings, wenn der Arbeitskampf gerade darauf gerichtet ist, den Arbeitgeber zum Verlassen des Verbands zu veranlassen. In einem solchen Fall kann der Streik eine mit Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG nicht zu vereinbarende Verletzung der positiven Koalitionsfreiheit des einzelnen Arbeitgebers und zugleich einen unzulässigen Angriff auf den Mitgliederbestand des Arbeitgeberverbands darstellen (vgl. zur Verletzung des Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG durch die gezielte Aussperrung von Gewerkschaftsmitgliedern BAG 10. Juni 1980 – 1 AZR 331/79 – BAGE 33, 195, 203, zu A II 1 a der Gründe). Bei einem allein auf die Gestaltung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen gerichteten Streik ist dies aber regelmäßig nicht der Fall.
Auch die kollektive Koalitionsfreiheit des Arbeitgeberverbands ist durch den um den Abschluß eines Firmentarifvertrags gegen ein Verbandsmitglied geführten Streik jedenfalls so lange nicht beeinträchtigt, wie der Verband seine Betätigungsfreiheit weder durch den Abschluß einschlägiger Tarifverträge, die noch gelten, wahrgenommen hat, noch wahrzunehmen beabsichtigt. Zumindest soweit bestimmte Arbeitsbedingungen durch Verbandstarifverträge weder geregelt sind noch demnächst geregelt werden sollen, rechtfertigt die kollektive Betätigungsfreiheit des Arbeitgeberverbands es nicht, der Gewerkschaft die kampfweise Durchsetzung eines Firmentarifvertrags gegenüber einem einzelnen Arbeitgeber zu untersagen. Die Koalitionsfreiheit des Arbeitgeberverbands verlangt nicht, daß eine Gewerkschaft Arbeitskämpfe nur gegen den Verband führt. Die umstrittene Frage, ob eine Gewerkschaft den Ablauf eines Verbandstarifvertrags zum Anlaß nehmen darf, Firmentarifverträge gegen einzelne Arbeitgeber zu erstreiken und diese so aus dem Arbeitgeberverband „herauszubrechen”, oder ob einem solchen Vorgehen die Betätigungsfreiheit des Arbeitgeberverbands entgegensteht (vgl. dazu etwa einerseits Boldt RdA 1971, 257, 262, andererseits Hensche RdA 1971, 9, 11 ff.), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Eine derartige Fallgestaltung liegt nicht vor.
2. Wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, war der Streik rechtswidrig, weil die ÖTV die relative Friedenspflicht verletzt hat.
a) Der verbandsangehörige Arbeitgeber ist durch die sich aus den Verbandstarifverträgen ergebende Friedenspflicht gegen einen Streik geschützt, der auf den Abschluß von Firmentarifverträgen über dieselbe Regelungsmaterie gerichtet ist. Die Friedenspflicht muß nicht besonders vereinbart werden. Sie ist vielmehr dem Tarifvertrag als einer Friedensordnung immanent (vgl. etwa BAG 21. Dezember 1982 – 1 AZR 411/80 – BAGE 41, 209, 219, zu A II 1 a der Gründe; Otto FS Wiedemann S 401, 408 mwN in Fn. 33; Wiedemann in Wiedemann TVG 6. Aufl. § 1 Rn. 665). Der Tarifvertrag ist in seinem schuldrechtlichen Teil, zu dem die Friedenspflicht gehört, zugleich ein Vertrag zugunsten Dritter und schützt die Mitglieder der Tarifvertragsparteien davor, hinsichtlich der tariflich geregelten Materie mit Arbeitskampfmaßnahmen überzogen zu werden (vgl. BAG 31. Oktober 1958 – 1 AZR 632/57 – BAGE 6, 321; 14. November 1958 – 1 AZR 247/57 – AP TVG § 1 Friedenspflicht Nr. 4). Dies gilt auch, wenn gegenüber einem verbandsangehörigen Arbeitgeber ein Firmentarifvertrag erstreikt werden soll (vgl. etwa ErfK/Dieterich 3. Aufl. Art. 9 GG Rn. 163; von Hoyningen-Huene ZfA 1980, 453, 466 bis 470; Oetker in Wiedemann TVG 6. Aufl. § 2 Rn. 134 ff.; Jacobs ZTR 2001, 249, 254 mit zahl. Nachw. in Fn. 90; aA Kempen/Zachert TVG 3. Aufl. § 2 Rn. 101).
Der Beschränkung des Streikrechts durch die Friedenspflicht steht die Europäische Sozialcharta (ESC, BGBl. 1964 II S 1262) nicht entgegen. Allerdings stellt die ESC eine von der Bundesrepublik eingegangene völkerrechtliche Verpflichtung dar, deren Regeln die Gerichte beachten müssen, wenn sie die im Gesetzesrecht bezüglich der Ordnung des Arbeitskampfes bestehenden Lücken anhand von Wertentscheidungen der Verfassung ausfüllen. Bei einer Begrenzung des in Teil II Art. 6 Nr. 4 ESC anerkannten Streikrechts dürfen sie daher nur solche Grundsätze aufstellen, die nach Teil III Art. 31 Abs. 1 ESC zulässig sind (BAG 12. September 1984 – 1 AZR 342/83 – BAGE 46, 322, 348, zu B II 2 c der Gründe). Nach Teil II Art. 6 Nr. 4 ESC anerkennen die Vertragsparteien, um die wirksame Ausübung des Rechts auf Kollektivverhandlungen zu gewährleisten, „das Recht der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber auf kollektive Maßnahmen einschließlich des Streikrechts im Falle von Interessenkonflikten, vorbehaltlich etwaiger Verpflichtungen aus geltenden Gesamtarbeitsverträgen”. Mit dieser Regel steht die aus der tarifvertraglichen Friedenspflicht abgeleitete Beschränkung des Streikrechts im Einklang. Die Friedenspflicht ist eine Verpflichtung aus einem Gesamtarbeitsvertrag iSv. Teil II Art. 6 Nr. 4 ESC. Auch der für die Kontrolle der Einhaltung der ESC durch die Vertragsstaaten zuständige „Ausschuß unabhängiger Experten” hat darauf hingewiesen, daß Art. 6 Abs. 4 ESC keine Grundlage biete, zu einem Streik aufzurufen, um die Existenz, die Wirksamkeit oder die Auslegung eines Tarifvertrags in Frage zu stellen (vgl. die Nr. 82 des Berichts des Regierungsausschusses der ESC (XIII-4) an das Ministerkomitee des Europarats, ArbuR 1998, 154 ff.). Er hat damit deutlich gemacht, daß Streikaktionen nicht zu Gegenständen möglich sind, die der tarifvertraglichen Friedenspflicht unterfallen (so auch Däubler ArbuR 1998, 144, 147).
Sofern von den Tarifvertragsparteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist, wirkt die Friedenspflicht nicht absolut, sondern relativ. Sie bezieht sich nur auf die tarifvertraglich geregelten Gegenstände (BAG 21. Dezember 1982 – 1 AZR 411/80 – BAGE 41, 209, 219, zu A II 1 a der Gründe; 27. Juni 1989 – 1 AZR 404/88 – BAGE 62, 171, 178, zu II 2 a der Gründe). Ihre sachliche Reichweite ist durch Auslegung der tariflichen Regelungen zu ermitteln (vgl. etwa Kissel Arbeitskampfrecht § 26 Rn. 81 ff.; MünchArbR/Löwisch/Rieble 2. Aufl. § 277 Rn. 5; Schumann in Däubler Arbeitskampfrecht 2. Aufl. Rn. 212; Wiedemann in Wiedemann TVG 6. Aufl. § 1 Rn. 682). Haben die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Sachmaterie erkennbar umfassend geregelt, ist davon auszugehen, daß sie diesen Bereich der Friedenspflicht unterwerfen und für die Laufzeit des Tarifvertrags die kampfweise Durchsetzung weiterer Regelungen unterbinden wollen, die in einem sachlichen inneren Zusammenhang mit dem befriedeten Bereich stehen (vgl. etwa Bartz Die Friedenspflicht der Gewerkschaft bei Verbandswechsel des Arbeitgebers Dissertation 2002 S 158, 161; Jacobs ZTR 2001, 249, 254; MünchArbR/Löwisch/Rieble 2. Aufl. § 277 Rn. 5; Otto FS Wiedemann S 401 ff., 414 ff.; Wiedemann in Wiedemann TVG 6. Aufl. § 1 Rn. 682).
b) Danach verletzte die Beklagte mit den in § 4 TVE April 2000 und TVE Juli 2000 geforderten Regelungen über einen besonderen Kündigungsschutz ihre Friedenspflicht. Zur Zeit des Streiks gab es zahlreiche von der ÖTV abgeschlossene, für die Klägerin auf Grund ihrer Verbandszugehörigkeit geltende tarifliche Regelungen über die Kündigung von Arbeitsverhältnissen. So regelten bereits damals § 53 BAT die ordentliche sowie § 54 BAT die außerordentliche Kündigung von Angestellten. § 55 BAT enthielt Regelungen über die Kündigung von nach § 53 Abs. 3 BAT „unkündbaren Angestellten” und sah ua. in Absatz 2 Satz 1 vor, daß andere wichtige Gründe, insbesondere dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung von Angestellten entgegenstehen, den Arbeitgeber nicht zur Kündigung berechtigen. Die §§ 49 – 54 BMT-G II regelten die Kündigung von Arbeitern und dabei in § 52 BMT-G II auch die ordentliche Unkündbarkeit. Der Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte vom 9. Januar 1987 (TV RatAng) enthielt in § 5 Regelungen über den besonderen Kündigungsschutz bei Rationalisierungsmaßnahmen. Für gewerbliche Arbeitnehmer sah der Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter vom 9. Januar 1987 (TV RatArb) in § 6 entsprechende Regelungen vor. In diesen verbandstariflichen Regelungen wurde zwischen ordentlichen und außerordentlichen Kündigungen unterschieden, nach dem Kündigungsgrund (Person, Verhalten, betriebliche Gründe) differenziert und ein besonderer, an Beschäftigungszeiten und Lebensalter sowie bestimmte Anlässe anknüpfender Kündigungsschutz normiert. Damit war zur Zeit des Streiks die Materie der Kündigung der den Verbandstarifverträgen unterfallenden Arbeitsverhältnisse erkennbar abschließend geregelt. Eben diese Materie betrifft § 4 TVE April 2000 und TVE Juli 2000, durch den ebenfalls ein besonderer Kündigungsschutz begründet und der verbandstarifliche Kündigungsschutz noch verstärkt werden sollte. Zumindest stehen die von der ÖTV geforderten Regelungen in einem engen sachlichen Zusammenhang mit dem durch die Verbandstarifverträge geregelten und für deren Laufzeit befriedeten Bereich.
Eine ganz ungewöhnliche, bei Abschluß der Verbandstarifverträge unvorhergesehene und von deren Regelungen offensichtlich nicht erfaßte Entwicklung, die es als möglich erscheinen ließe, die aus den Verbandstarifverträgen für den Bereich des besonderen tariflichen Kündigungsschutzes folgende Friedenspflicht entfallen zu lassen (vgl. hierzu Jacobs ZTR 2001, 249, 254), lag nicht vor. Allerdings stellte die Übertragung der großen Mehrheit der Anteile an der Klägerin von der Stadt B. auf die SWB-Holding keine im TV RatAng oder im TV RatArb geregelte Rationalisierung dar. Insbesondere lag keine Privatisierung im Sinne der Protokollnotiz Nr. 3 zu § 1 TV RatAng, bzw. zu § 2 TV RatArb vor (ebenso Blanke PersR 2002, 227, 231). Vielmehr war die Klägerin bereits vor der Übertragung der Gesellschaftsanteile eine privatrechtliche GmbH. Der Umstand, daß ein Anwendungsfall des TV RatArb bzw. des TV RatAng nicht vorlag, bedeutet aber nicht, daß deshalb deren friedenssichernde Funktion entfiele. Insbesondere lag nicht etwa eine ungewollte tarifliche Regelungslücke vor, welche einer ergänzenden tariflichen Vereinbarung bedurft hätte. Die Übertragung der Gesellschaftsanteile änderte an der Arbeitgeberstellung der Klägerin nichts. Auch die Arbeitsverhältnisse der bei der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmer und deren Rechte blieben unberührt. Für etwaige von der ÖTV oder den Arbeitnehmern für die Zeit nach der Übertragung befürchtete Rationalisierungsmaßnahmen gab es die weiterhin anwendbaren verbandstariflichen Sicherungen, darunter insbesondere die des TV RatAng sowie des TV RatArb.
3. Der Streik war ferner deshalb rechtswidrig, weil die ÖTV mit ihm rechtswidrige Ziele verfolgte. Dies gilt zum einen für die in § 4.2 TVE April und TVE Juli 2000 vorgesehene Verpflichtung zur Übernahme des besonderen Kündigungsschutzes in die Arbeitsverträge, zum anderen für die in § 3 TVE April 2000 und TVE Juli 2000 enthaltene Verpflichtung der Klägerin zur Aufrechterhaltung ihrer Mitgliedschaft im KAV NW.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können Arbeitskämpfe nur zur Durchsetzung tarifvertraglich regelbarer Ziele geführt werden (vgl. etwa BAG 5. März 1985 – 1 AZR 468/83 – BAGE 48, 160, 168, zu II 3 b der Gründe; 7. Juni 1988 – 1 AZR 372/86 – BAGE 58, 343, 348, zu A I 1 der Gründe mwN; 27. Juni 1989 – 1 AZR 404/88 – BAGE 62, 171, 182, zu II 3 der Gründe). Dies folgt aus der Hilfsfunktion des Arbeitskampfes zur Sicherung der Tarifautonomie (vgl. dazu grundlegend BAG GS 21. April 1971 – GS 1/68 – BAGE 23, 292). Zugleich bedeutet dies, daß der Tarifvertrag, der kampfweise durchgesetzt werden soll, einen rechtmäßigen Inhalt haben muß. Ein auf eine gesetzwidrige tarifliche Regelung gerichteter Arbeitskampf ist nicht erlaubt (vgl. BAG 4. Mai 1955 – 1 AZR 493/54 – BAGE 2, 75; 21. März 1978 – 1 AZR 11/76 – BAGE 30, 189, 199, zu III 1 der Gründe; ErfK/Dieterich 3. Aufl. Art. 9 GG Rn. 111). Auch diese Beschränkung verstößt nicht gegen die ESC. Dabei mag die generalisierende Aussage, Arbeitskämpfe seien stets nur zur Durchsetzung tarifvertraglich regelbarer Ziele zulässig, im Hinblick auf Teil II Art. 6 Nr. 4 ESC einer erneuten Überprüfung bedürfen. Denn immerhin ist nach Meinung des Sachverständigenausschusses das Verbot aller Streiks in Deutschland, die nicht auf den Abschluß eines Tarifvertrags gerichtet sind und die nicht von einer Gewerkschaft ausgerufen oder übernommen worden sind, mit den Garantien von Art. 6 Abs. 4 ESC unvereinbar (vgl. die Nr. 82 des Berichts des Regierungsausschusses der ESC (XIII-4) an das Ministerkomitee des Europarats, ArbuR 1998, 154 ff.; vgl. auch Däubler ArbuR 1998, 144). Auch erteilte das Ministerkomitee des Europarats am 3. Februar 1998 der Bundesregierung die „Empfehlung”, „in angemessener Weise die negative Schlußfolgerung des Ausschusses unabhängiger Experten zu berücksichtigen” (ArbuR 1998, 156). Dies bedeutet aber nicht, daß nach der ESC Streiks für Tarifverträge mit rechtswidrigem Inhalt zulässig wären. Nach Teil III Art. 31 ESC darf die in Teil II vorgesehene Ausübung der in Teil I niedergelegten Rechte „anderen als den in diesen Teilen vorgesehenen Einschränkungen oder Begrenzungen nur unterliegen, wenn diese gesetzlich vorgeschrieben und in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutze der Rechte und Freiheiten anderer oder zum Schutze der öffentlichen Sicherheit und Ordnung … notwendig sind”. Eine derartige Begrenzung des Streikrechts iSv. Art. 31 ESC bildet auch das Verbot, durch einen Streik einen Tarifvertrag mit rechtswidrigem Inhalt zu erzwingen.
b) Vorliegend verlangte die Gewerkschaft sowohl mit § 4.2 TVE als auch mit § 3 TVE rechtswidrige Regelungen.
aa) Die in § 4.2 TVE vorgesehene Verpflichtung der Klägerin, den Kündigungsschutz durch eine in die Arbeitsverträge zu übernehmende Klausel auch einzelvertraglich zu gewährleisten, ist mit dem System des Tarifvertragsgesetzes unvereinbar.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG gelten die Normen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Die Rechtsnormen des Tarifvertrags überlagern die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen wie ein Gesetz (ErfK/Schaub 3. Aufl. TVG § 4 Rn. 31). Damit behalten die Tarifvertragsparteien die Dispositionsbefugnis über die Tarifnormen. Sie können diese abändern und durch andere ersetzen. Es gilt das Ablösungsprinzip. Dessen Geltung ist vom Willen des früheren Normgebers unabhängig. Dieser kann eine spätere Normsetzung nicht blockieren und die von ihm geschaffene Ordnung nicht von vornherein für unabänderlich erklären (vgl. Wank in Wiedemann TVG 6. Aufl. § 4 Rn. 261).
Durch die in § 4.2 TVE vorgesehene Verpflichtung zur Transformation des besonderen tariflichen Kündigungsschutzes in die einzelnen Arbeitsverträge wird diese Ebene des normativ wirkenden Tarifvertrags in unzulässiger Weise verlassen. Durch die Verankerung des tariflichen Kündigungsschutzes im Einzelarbeitsvertrag findet ein von den Tarifvertragsparteien nicht mehr umkehrbarer Wechsel der Rechtsquellen statt. Zugleich begeben sich die Tarifvertragsparteien insoweit dauerhaft ihrer Regelungsbefugnis. Wegen des Günstigkeitsprinzips des § 4 Abs. 3 TVG sind sie nicht mehr in der Lage, den in die Einzelarbeitsverträge transformierten besonderen Kündigungsschutz wieder zu beseitigen. Sie blockieren damit selbst eine spätere, ablösende Normsetzung und machen der Sache nach die von ihnen geschaffene Ordnung einer Abänderung – jedenfalls zum Nachteil der Arbeitnehmer – nicht mehr zugänglich. Damit werden zwingende Schranken des Tarifvertragsrechts überschritten.
bb) Rechtswidrig ist auch die in § 3 TVE April 2000 und TVE Juli 2000 vorgesehene Verpflichtung der Klägerin, ihre Mitgliedschaft im KAV NW aufrechtzuerhalten. Diese Regelung verstößt gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG. Nach dieser Vorschrift entfaltet Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG unmittelbare Drittwirkung in Verhältnissen privater Rechtssubjekte (vgl. ErfK/Dieterich 3. Aufl. Art. 9 GG Rn. 42). Auf die umstrittene Frage der Grundrechtsbindung von Tarifverträgen (vgl. dazu ErfK/Dieterich 3. Aufl. GG Einleitung Rn. 46 ff.) kommt es daher insoweit nicht an. Die durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG geschützte Koalitionsfreiheit schließt das Recht ein, einer Koalition fernzubleiben oder aus dieser auszutreten (vgl. etwa BVerfG 14. Juni 1983 – 2 BvR 488/80 – BVerfGE 64, 208, 213, zu B I der Gründe; BAG GS 29. November 1967 – GS 1/67 – BAGE 20, 175; ErfK/Dieterich 3. Aufl. Art. 9 GG Rn. 32; Wiedemann in Wiedemann TVG 6. Aufl. Einleitung Rn. 294). Zwar stellt nicht jeder tatsächliche Druck, einer Koalition beizutreten oder in dieser zu verbleiben, bereits einen unzulässigen Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit dar (vgl. BVerfG 15. Juli 1980 – 1 BvR 24/74 – BVerfGE 55, 7, 21 f., zu B II 2 a der Gründe; 14. Juni 1983 – 2 BvR 488/80 – aaO; BAG GS 29. November 1967 – GS 1/67 – aaO S 227, zu Teil IV, VIII 5 c der Gründe; ErfK/Dieterich 3. Aufl. Art. 9 GG Rn. 33; Wiedemann in Wiedemann TVG 6. Aufl. Einleitung Rn. 303). Die ausdrückliche Verpflichtung des Arbeitgebers in einem Firmentarifvertrag, die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft in einem bestimmten Arbeitgeberverband zu garantieren, verstößt aber gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 iVm. Satz 1 GG. Der Arbeitgeber verliert durch eine derartige Verpflichtung seine grundrechtlich garantierte Freiheit, aus dem Verband auszutreten. Dem kann nicht entgegengehalten werden, diese Freiheit werde auch durch die Satzung des Arbeitgeberverbands beschränkt. Denn zum einen sind der freiwilligen Beschränkung der negativen Koalitionsfreiheit enge Grenzen gesetzt. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden, die durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Freiheit, eine Koalition zu verlassen, dürfe nicht unangemessen durch zeitliche Austrittshindernisse erschwert werden; daher sei dem Mitglied einer Koalition lediglich eine „mäßige” Kündigungsfrist zuzumuten (BGH 4. Juli 1977 – II ZR 30/76 – AP GG Art. 9 Nr. 25; 22. September 1980 – II ZR 34/80 – AP GG Art. 9 Nr. 33). Zum andern sollte durch § 3 TVE die Klägerin nicht etwa nur zur Erfüllung der von ihr mit ihrem Verbandsbeitritt freiwillig eingegangenen Verpflichtung angehalten werden. Vielmehr sollte gerade eine darüber hinausgehende Pflicht zur dauerhaften Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft im KAV NW begründet werden.
Im übrigen verlangt die von Art. 9 Abs. 3 GG vorausgesetzte Gegenspielerposition der Tarifvertragsparteien, daß diese ihren Willen im Grundsatz unabhängig voneinander bilden können. Im Streitfall bedarf es keiner Entscheidung, welche gegenseitigen Bindungen mit dem Erfordernis der Gegnerunabhängigkeit dennoch vereinbar sind. Vorgaben hinsichtlich der Mitgliedschaft in einer Koalition können mit dem Gegenspieler jedenfalls nicht vereinbart werden. Andernfalls bekäme dieser Einfluß auf die Zusammensetzung und damit mittelbar auf die Ziele und Handlungen des gegnerischen Verbands, aus denen sich dessen Rolle als Koalition ergibt.
Für eine von Blanke (PersR 2002, 227, 237) befürwortete „geltungserhaltende Reduktion” des § 3 TVE ist kein Raum. Vielmehr ist eine firmentarifvertragliche Verpflichtung des Arbeitgebers zur Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband insgesamt unheilbar rechtswidrig.
4. Die Verletzung der Friedenspflicht und die Verfolgung rechtswidriger Ziele hat die Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks zur Folge. Die Frage, ob bei einem Streik, der um den Abschluß eines zahlreiche Regelungen umfassenden Tarifvertrags geführt wird, bereits die Rechtswidrigkeit einer nur untergeordneten Forderung zur Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks führt, bedarf keiner Klärung (offengelassen bereits in BAG 4. Mai 1955 – 1 AZR 493/54 – BAGE 2, 75). Jedenfalls dann, wenn es sich bei der die Friedenspflicht verletzenden oder rechtswidrigen Forderung um eine Hauptforderung handelt, führt dies zur Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks (BAG 4. Mai 1955 – 1 AZR 493/54 – aaO). Dies ist vorliegend der Fall. Sowohl bei den Regelungen über den gesteigerten Kündigungsschutz in § 4 TVE als auch bei der in § 3 TVE vorgesehenen Garantie der Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft der Klägerin im KAV NW handelte es sich nicht um unwesentliche Neben-, sondern um Hauptforderungen des Streiks.
II. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht ein Verschulden der Gewerkschaft iSd. § 823 Abs. 1 BGB bejaht.
1. Der Senat geht bei den an das Verschulden zu stellenden Anforderungen von den im Urteil vom 21. März 1978 (– 1 AZR 11/76 – BAGE 30, 189, 200, zu III 2 der Gründe) dargestellten Erwägungen aus. In den Urteilen vom 31. Oktober 1958 (– 1 AZR 632/57 – BAGE 6, 321) und vom 20. Dezember 1963 (– 1 AZR 429/62 – BAGE 15, 202) hatte der Senat ausgesprochen, daß derjenige, der bei zweifelhafter Rechtslage einen Arbeitskampf entfesselt oder unterstützt, damit rechnen muß, daß die von ihm vertretene Rechtsauffassung nicht zutrifft, und er dieses Risiko zu tragen hat, wenn er gleichwohl aktiv wird. Im Urteil vom 21. März 1978 hat der Senat diese Rechtsprechung weiterentwickelt und auf die gesellschaftliche Funktion hingewiesen, die den Koalitionen bei der Wahrung und Förderung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zukommt. Er hat ausgeführt, die Entwicklung des sozialen Lebens im Bereich der abhängigen Arbeit würde unangemessen behindert und gehemmt, wollte man jede Risikoübernahme auf diesem Gebiet als Schuld werten und dadurch mit erheblichen Haftungsfolgen belasten. Es kann einer Gewerkschaft nicht ohne weiteres zugemutet werden, auf eine von ihr angestrebte tarifliche Regelung, über deren rechtliche Zulässigkeit noch keine höchstrichterlichen Erkenntnisse vorliegen und zu der auch von namhaften Rechtswissenschaftlern unterschiedliche Auffassungen mit jeweils guten Gründen vertreten werden, allein deswegen von vornherein zu verzichten, weil die Gefahr besteht, daß die Gerichte später einen von ihrer Rechtsansicht abweichenden Rechtsstandpunkt einnehmen. Die Beantwortung der Zumutbarkeitsfrage setzt allerdings gerade bei einem Streik mit seinen Auswirkungen eine besonders sorgfältige Interessenabwägung voraus. Bei Zweifeln über die Rechtmäßigkeit der angestrebten tariflichen Regelung darf von dem äußersten Mittel des Streiks nur in maßvollem Rahmen und vor allem auch nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn für die Zulässigkeit der tariflichen Regelung sehr beachtliche Gründe sprechen und des weiteren eine endgültige Klärung der Rechtslage anders nicht zu erreichen ist (BAG 21. März 1978 – 1 AZR 11/76 – BAGE 30, 189, 200, zu III 2 der Gründe). Hieran hält der Senat fest.
2. In Anwendung dieser Grundsätze kann sich der Beklagte nicht erfolgreich damit verteidigen, der ÖTV könne nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie die Rechtswidrigkeit des Streiks nicht erkannt habe. Dabei kann dahin stehen, ob für die ÖTV ohne weiteres erkennbar war, daß die in § 4.2 TVE angestrebte Verpflichtung zur Übernahme tariflichen Kündigungsschutzes in die Einzelarbeitsverträge ein unzulässiges Regelungsziel war. Ebensowenig kommt es darauf an, ob der ÖTV klar sein mußte, daß die von der Klägerin verlangte Garantie zur Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft im KAV NW wegen Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG ein rechtswidriges Streikziel darstellte. Denn jedenfalls mußte die ÖTV ohne weiteres erkennen, daß auch für den gegen einen verbandsangehörigen Arbeitgeber zur Erzwingung eines Firmentarifvertrags geführten Streik die aus den Verbandstarifverträgen folgende relative Friedenspflicht die Grenze der Rechtmäßigkeit bildet. Ebenso mußte die ÖTV erkennen, daß die in BAT, BMT-G II, TV RatAng und TV RatArb enthaltenen Regelungen zum Kündigungsschutz grundsätzlich eine abschließende Regelung der Sachmaterie „Kündigungen” darstellen und deshalb – jedenfalls aus Anlaß der bloßen Übertragung von Gesellschaftsanteilen – kein weitergehender Kündigungsschutz im Wege eines Streiks erzwungen werden durfte. Für eine hiervon abweichende Beurteilung seitens der ÖTV gab es bei sorgfältiger Prüfung keine tragfähigen Gründe.
Das Verschulden entfiel auch nicht nachträglich durch die im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln vom 26. Juni 2000. Die ÖTV durfte auf Grund dieser Entscheidung nicht darauf vertrauen, der Streik sei in dem vom Landesarbeitsgericht nicht untersagten Umfang rechtmäßig. Das Landesarbeitsgericht hat sich in seiner ohnehin äußerst knapp begründeten Entscheidung mit der relativen Friedenspflicht überhaupt nicht auseinandergesetzt.
Ein mitwirkendes Verschulden der Klägerin bei der Entstehung des Schadens (§ 254 Abs. 1 BGB) ist nicht erkennbar. Vielmehr hat die Klägerin die ÖTV von Anfang an auf die Rechtswidrigkeit des Streiks hingewiesen und diesen sogar durch den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung abzuwenden versucht.
III. Daß durch den Streik ein – der Höhe nach noch streitiger – Schaden entstanden ist, wird vom Beklagten nicht bestritten.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Wißmann, Kreft, Linsenmaier, Wisskirchen, Peter Berg
Fundstellen
Haufe-Index 927709 |
BAGE 2004, 155 |
BB 2003, 1125 |
DB 2003, 1116 |
ARST 2003, 95 |
ARST 2004, 68 |
EWiR 2003, 863 |
FA 2003, 212 |
FA 2003, 213 |
FA 2003, 57 |
NZA 2003, 734 |
RdA 2003, 356 |
SAE 2003, 277 |
ZTR 2003, 334 |
ZTR 2003, 75 |
AP, 0 |
AuA 2003, 45 |
EzA-SD 2002, 4 |
EzA-SD 2003, 11 |
EzA |
JA 2003, 827 |
MDR 2003, 753 |
AUR 2003, 30 |
AUR 2004, 149 |
ArbRB 2003, 176 |
GuS 2003, 63 |
SPA 2003, 7 |