Entscheidungsstichwort (Thema)
Einteilung zu Nachtschichten kraft Direktionsrechts
Leitsatz (amtlich)
1. Der Arbeitgeber kann kraft seines Direktionsrechts die Anzahl der in Folge zu leistenden Nachtschichten festlegen, so weit durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag keine Regelung getroffen ist.
2. Es gibt keine gesicherten arbeitsmedizinischen Erkenntnisse darüber, ob eine kurze oder längere Schichtfolge die Gesundheit der Arbeitnehmer stärker beeinträchtigt.
Normenkette
BGB § 315; ArbZG § 6 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 26. Mai 1997 - 3 Sa 214/97 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Klägerin will erreichen, daß der Beklagte verpflichtet wird, sie auf ihren Wunsch zu sieben Nachtwachen in Folge einzuteilen.
Die Klägerin ist in der Rheinischen Landesklinik in B als Pflegerin beschäftigt. Sie war dort auch in Nachtwachen eingesetzt. Die Klägerin hat behauptet, sie sei regelmäßig zu acht Nachtwachen nacheinander eingeteilt worden, der Beklagte hat behauptet, die Klägerin sei nur bis zu sechs Nachtwachen in Folge eingeteilt worden.
Im Jahre 1996 ging der Beklagte dazu über, seine Mitarbeiter nur noch in bis zu höchsten vier Nachtwachen in Folge einzusetzen. Der Beklagte stützt sich hierzu auf einen Runderlaß des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen und entsprechende Rundschreiben des Staatlichen Amtes für Arbeitsschutz aus dem Jahre 1996. Darin ist die gesundheitliche Problematik der Nacht- und Schichtarbeit erörtert; eine Nachtarbeit mit mehr als vier Nachtdiensten in Folge wird als eine mit dem Arbeitnehmerschutz unvereinbarte Dienstplanung bezeichnet. Der Beklagte bezieht sich weiter auf Äußerungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sowie der Universität Karlsruhe, in denen ebenfalls kurze Wechsel bei Nacht und Schichtarbeit empfohlen werden.
Die Klägerin will eine Einteilung zur Nachtschicht bis zu höchstens vier Nachtwachen in Folge nicht hinnehmen. Sie hat geltend gemacht, für sie sei aufgrund ihrer besonderen Veranlagung und gesundheitlichen Situation ein kurzfristiger Wechsel von Tag- und Nachtschicht nicht zumutbar, sondern führe zu einer Beeinträchtigung ihrer Gesundheit. Hierzu hat sie eine Bescheinigung des Unabhängigen betriebsärztlichen Dienstes in Bonn vom 12. Juli 1996 vorgelegt, in der es heißt, es bestünden keine arbeitsmedizinischen Bedenken, die Klägerin maximal in sieben aufeinander folgenden Nachtwachen einzusetzen. Die Klägerin hat ferner eine Stellungnahme der Krankenhaus-Gesellschaft Nordrhein-Westfalen vom 3. Februar 1997 vorgelegt, in der es heißt, die einseitige Umsetzung einer Schichtfolge von zwei bis vier Wachen führe zu einer Mehrbelastung, die gesundheitliche Beeinträchtigungen und eine zusätzliche psycho-soziale Belastung auslöse.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß der Beklagte im Rahmen der Erstellung der Dienstpläne für Nachtwachen verpflichtet ist, ihre Wünsche, sieben Dauernachtwachen in Folge zu absolvieren, zu berücksichtigen,
hilfsweise,
den Beklagten zu verurteilen, sie auf ihren Wunsch im Rahmen des Pflegedienstes der Rheinischen Landesklinik in sieben Dauernachtwachen in Folge einzuteilen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat Bedenken gegen die Zulässigkeit des Hauptantrags erhoben und im übrigen die Auffassung vertreten, seine im Rahmen des Direktionsrechts getroffene Entscheidung, Nachtwachen nur bis zu viermal nacheinander anzuordnen, entspreche der Billigkeit.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Klägerin kann nicht verlangen, zu mehr als vier Nachtwachen in Folge eingeteilt zu werden.
I. Der Feststellungsantrag ist zulässig. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse, alsbald festgestellt zu wissen, ob sie mehr als vier Nachtwachen in Folge zu leisten berechtigt ist (§ 256 Abs. 1 ZPO). Die Feststellungsklage kann auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis beschränkt werden (BAG Urteil vom 19. Juni 1985 - 5 AZR 57/84 - AP Nr. 11 zu § 4 BAT; BAG Urteil vom 23. Juni 1992 - 1 AZR 57/92 - AP Nr. 1 zu § 611 BGB Arbeitszeit).
Die Möglichkeit einer Leistungsklage, wie mit dem Hilfsantrag erhoben, steht der Feststellungsklage nicht entgegen. Bei dem Beklagten, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, kann davon ausgegangen werden, daß er rechtskräftige Urteile staatlicher Gerichte auch ohne vollstreckbaren Titel vollzieht (BAG Urteil vom 27. November 1986 - 8 AZR 163/84 - AP Nr. 13 zu § 50 BAT).
II. Das Begehren der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Sie kann nicht verlangen, daß der Beklagte sie auf ihren Wunsch zu mehr als vier, und zwar bis zu sieben Nachtwachen einteilt.
1. Der Beklagte kann kraft seines Weisungsrechts die Lage der Arbeitszeit der Klägerin festlegen. Dieses Weisungsrecht ist hier weder durch Gesetz, Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag eingeschränkt (BAG Urteil vom 23. Juni 1993 - 5 AZR 337/92 - AP Nr. 42 zu § 611 BGB Direktionsrecht; BAG Urteil vom 24. April 1996 - 5 AZR 1031/94 - AP Nr. 48 zu § 611 BGB Direktionsrecht).
a) Wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, ergibt sich eine solche Einschränkung nicht aus § 6 ArbZG. Nach § 6 Abs. 1 ArbZG ist die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen. Es ist nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht vorgetragen, daß es gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse gibt, die für eine Schichteinteilung in der von der Klägerin geforderten Weise sprechen. Aus den von den Parteien zu den Akten gereichten Unterlagen geht vielmehr hervor, daß es zu der Frage, welche Schichtfolge die Gesundheit weniger belastet, unterschiedliche Auffassungen gibt. Während das zuständige Ministerium in Nordrhein-Westfalen und das Staatliche Amt für Arbeitsschutz in Nordrhein-Westfalen sich die Ansicht zu eigen gemacht haben, bei Nachtarbeit müsse der Schichtwechsel möglichst kurz sein, da hierdurch der menschliche Organismus am wenigsten belastet werde, vertritt die Krankenhaus-Gesellschaft den gegenteiligen Standpunkt; sie betont, durch einen kurzen Schichtwechsel würden individuelle psychologische und psycho-soziale Belastungen nicht hinreichend berücksichtigt. Von gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen, die zugunsten der Klägerin sprächen, kanndaher nicht ausgegangen werden.
b) Es gibt auch keine tariflichen Vorschriften, durch die das Direktionsrecht des Beklagten in Bezug auf die Anzahl der Nachtschichtfolgen eingeschränkt wäre.
c) Schließlich ist das Direktionsrecht des Beklagten nicht durch den Arbeitsvertrag der Klägerin eingeschränkt.
Eine ausdrückliche Regelung im Arbeitsvertrag behauptet die Klägerin nicht; sie hat einen im öffentlichen Dienst üblichen Arbeitsvertrag abgeschlossen, in dem die Dienstpflichten des Arbeitnehmers nur dem Rahmen nach geregelt sind.
Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sich die vertragliche Regelung der Arbeitszeit auch nicht dahin konkretisiert, daß die Klägerin nunmehr nur noch verpflichtet wäre, sieben, oder jedenfalls mehr als vier Nachtwachen in Folge zu leisten. Insoweit kann dahinstehen, ob es zutrifft, daß die Klägerin, wie sie vorträgt, jahrelang zu sieben bis acht Nachtwachen in Folge eingeteilt worden ist. Eine Konkretisierung des Arbeitsvertrags, also eine Änderung der ursprünglich vereinbarten Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag hin zu einem einseitig nicht veränderbaren Vertragsinhalt, tritt nicht allein dadurch ein, daß der Arbeitnehmer längere Zeit in derselben Weise eingesetzt wurde. Zum reinen Zeitablauf müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, die erkennen lassen, daß der Arbeitnehmer nur noch verpflichtet sein soll, seine Arbeit ohne Änderung so wie bisher zu erbringen, hier also Nachtschichten nur in einer größeren Anzahl nacheinander zu leisten (BAG Urteil vom 19. Juni 1985 - 5 AZR 57/84 - AP Nr. 11 zu § 4 BAT; BAG Urteil vom 23. Juni 1992 - 1 AZR 57/92 AP Nr. 1 zu § 611 BGB Arbeitszeit).
Solche Umstände hat die Klägerin nicht vorgetragen. Es ist nicht zu erkennen, warum sie - persönlich - vertraglich berechtigt gewesen wäre, auf ihr Verlangen hin zu sieben Nachtwachen in Folge eingeteilt zu werden. Zudem betrifft die Anordnung der Anzahl der Nachtwachen eine organisatorische Frage, die sinnvollerweise nur einheitlich geregelt werden kann und üblicherweise auf kollektiver Ebene geregelt wird. In diesem Bereich kann ein Arbeitnehmer ohne besondere Anhaltspunkte in aller Regel nicht davon ausgehen, der Arbeitgeber wolle sich ihm gegenüber individualrechtlich durch eine Sonderregelung binden (vgl. BAG Urteil vom 21. Januar 1997 - 1 AZR 572/96 - AP Nr. 64 zu § 77 BetrVG 1972).
Aus den gleichen Gründen kommt auch entgegen der Auffassung der Klägerin eine betriebliche Übung zu ihren Gunsten nicht in Betracht. Ebenso wie bei der - individuellen - Konkretisierung des Arbeitsvertrags kommt es bei der betrieblichen Übung darauf an, ob die von einer bestimmten und längere Zeit wiederholten Verhaltensweise des Arbeitgebers betroffenen Arbeitnehmer nach Treu und Glauben annehmen können, ihnen sei eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer eingeräumt worden (vgl. BAG Urteil vom 21. Januar 1997 - 1 AZR 572/96 - AP Nr. 64 zu § 77 BetrVG 1972, m.w.N.).
Auch hieran fehlt es im Streitfall. Dabei kann ebenfalls zugunsten der Klägerin unterstellt werden, daß sie und viele andere Mitarbeiter des Beklagten seit mehreren Jahren für jeweils eine ganze Woche zu Nachtschichten eingeteilt worden sind. Es sind - abgesehen von der bloßen Handhabung - keine Umstände ersichtlich, die auf eine rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers zu einer unveränderten Weiterführung seiner Praxis schließen ließen.
2. Der Beklagte hat sein Weisungsrecht rechtsfehlerfrei ausgeübt.
a) Der Arbeitgeber, der von seinem Direktionsrecht Gebrauch macht, muß billiges Ermessen wahren (§ 315 BGB). Er darf nicht willkürlich vorgehen, sondern hat die Interessen beider Seiten zu berücksichtigen (BAG Urteil vom 24. April 1996 - 5 AZR 1031/94 AP Nr. 48 zu § 611 BGB Direktionsrecht).
b) Die Begrenzung der Nachtschichten der Klägerin auf maximal vier Einsätze in Folge verstößt nicht gegen die Grundsätze billigen Ermessens.
Auf Seiten des Beklagten ist anzuerkennen, daß er ein berechtigtes Interesse daran hat, durch seine Schichtplanung nicht in einen Konflikt mit den zuständigen Arbeitsbehörden zu geraten. Nachdem auf Veranlassung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen das Staatliche Amt für Gesundheitsschutz darauf hingewiesen hatte, daß mehr als vier Nachtschichten nacheinander als "mit dem Arbeitnehmerschutz unvereinbare Dienstplanung" angesehen würde, hätte der Beklagte bei einer abweichenden Handhabung Auseinandersetzungen zu befürchten gehabt.
Die Klägerin begründet ihr Interesse an der Verlängerung der Nachtschichtfolge über vier Nachtwachen hinaus ausschließlich mit der Behauptung, die Verkürzung habe für sie negative gesundheitliche Folgen. Eine nähere Begründung hat sie dazu nicht gegeben, sondern nur allgemein auf ihre "besondere Veranlagung" und "soziale Situation" hingewiesen. Welche besondere Veranlagung sie hat und welches ihre soziale Situation ist, hat sie nicht vorgetragen. Die vom medizinischen Dienst vorgelegte Bescheinigung bestätigt die von der Klägerin befürchtete gesundheitliche Beeinträchtigung nicht. Diese Bescheinigung bestätigt nur, daß in der Person der Klägerin keine arbeitsmedizinischen Bedenken gegen eine Schichtfolge von sieben Nachtwachen bestehen. Daraus läßt sich nicht schließen, weniger als sieben Nachtwachen in Folge seien für die Klägerin schädlich.
c) Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe das von der Klägerin beantragte Gutachten über die schädlichen Wirkungen der verkürzten Nachtschichtfolge gerade für sie einholen müssen, ist unbegründet. Da die Klägerin nicht mitgeteilt hat, welche besondere Veranlagung und welche soziale Situation in ihrem Falle vorlagen, hätte eine Begutachtung auf eine abstrakte Stellungnahme zu den dargestellten arbeitsmedizinischen Meinungsverschiedenheiten über die beste Einteilung von Nachtarbeit hinauslaufen müssen. Eine Beurteilung der konkreten Auswirkungen auf die Klägerin hätte eines substantiierten Sachvortrags bedurft. Da der Arbeitgeber nur gesicherte arbeitsmedizinische Erkenntnisse zu berücksichtigen hat (§ 6 Abs. 1 ArbZG), kann es nicht darauf ankommen, ob die Auffassung der Arbeitsschutzbehörden oder der KrankenhausGesellschaft zutrifft.
Unterschriften
Griebeling Reinecke Kreft Werner Schwefeß
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 11.02.1998 durch Clobes, Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436435 |
BB 1998, 1368 |
BB 1998, 644 |
DB 1998, 2325 |
DB 1998, 426 |
DStR 1998, 463 |
NJW 1999, 669 |
AiB 2011, 767 |
FA 1998, 165 |
NZA 1998, 647 |
RdA 1998, 254 |
SAE 1999, 39 |
ZAP 1998, 591 |
ZTR 1998, 328 |
ArbuR 1998, 284 |
ArbuR 1998, 342 |
ArztR 1999, 156 |
AuA 1998, 353 |
MedR 1998, 417 |
PersR 1998, 391 |
PersR 1998, 81 |
ZMV 1998, 193 |
GV/RP 2000, 201 |
KHuR 1998, 32 |
PflR 1999, 57 |
FuBW 1999, 717 |
FuHe 2000, 188 |
FuNds 1999, 645 |