Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung der Feiertagsvergütung im Freischichtenmodell
Leitsatz (redaktionell)
Nach § 2 Ziffer 3 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer der hessischen Eisen-, Metall- und Elektroindustrie idF vom 30. Juni 1984 entsteht bei einer Differenz zwischen Betriebsnutzungszeit und der individuellen Arbeitszeit ein Zeitausgleich nur für Tage, an denen der Arbeitnehmer arbeitet. Für Tage, an denen der Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung freigestellt ist, wird ein Zeitausgleich auch dann nicht begründet, wenn die ausgefallene Arbeitszeit im Umfang der Betriebsnutzungszeit zu vergüten ist (Anschluß an BAG Urteil vom 7. Juli 1988 - 8 AZR 198/88 = AP Nr 23 zu § 11 BUrlG und BAG Beschluß vom 18. Oktober 1988 - 1 ABR 34/87 -).
Normenkette
TVG § 1; FeiertLohnzG § 1 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin für an drei Wochenfeiertagen ausgefallene Arbeit die Vergütung für je 7,7 Stunden oder 8 Stunden zu zahlen ist.
Die Klägerin ist bei der Beklagten als Arbeiterin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund beiderseitiger Tarifbindung die tarifvertraglichen Bestimmungen für die Arbeitnehmer der hessischen Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Anwendung, insbesondere der Tarifvertrag vom 30. Juni 1984 über die Neuregelung und Verkürzung der Arbeitszeit. In Umsetzung der tariflichen Arbeitszeitregelung wurde für den Betrieb der Beklagten am 11. März 1985 eine Betriebsvereinbarung geschlossen. In ihr ist bei einer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden und einer nicht verminderten Betriebsnutzungszeit die Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden von Montag bis Freitag mit je acht Stunden festgelegt worden. Die Differenz sollte in Form von freien Tagen ausgeglichen werden. Die Betriebsvereinbarung besagt, daß gesetzliche Feiertage in der Ermittlung der Freischichten mit 7,7 Stunden berücksichtigt und auch mit 7,7 Stunden bezahlt werden.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Feiertage müßten mit acht Stunden bezahlt werden, weil sie ohne den Feiertag auch 8 Stunden hätte arbeiten müssen. Sie hat für drei Feiertage den der Höhe nach unstreitigen Betrag von 13,11 DM nebst Zinsen im vorliegenden Verfahren eingeklagt. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, sie habe die an den Feiertagen ausgefallene Arbeitszeit mit 7,7 Stunden zutreffend vergütet, weil, wie die Betriebsvereinbarung zulässig vorgesehen habe, für Feiertage nur 7,7 Stunden als Arbeitszeit angesetzt gewesen seien.
Beide Vorinstanzen haben die Klage für begründet angesehen. Die Beklagte erstrebt mit der Revision weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Klägerin steht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FeiertagslohnzahlungsG für die an den Wochenfeiertagen ausgefallene Arbeitszeit die Vergütung für jeweils 8 Stunden zu.
I. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FeiertagslohnzahlungsG ist für die Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, vom Arbeitgeber den Arbeitnehmern der Arbeitsverdienst zu zahlen, den sie ohne den Arbeitsausfall erhalten hätten. Zweck dieser gesetzlichen Regelung ist sicherzustellen, daß der Arbeitnehmer bei einem durch einen Feiertag bedingten Arbeitsausfall keinen Lohnausfall erleidet. Er wird lohnmäßig so gestellt, als ob kein Feiertag gewesen wäre. Das bedeutet, daß der Arbeitnehmer in einer Woche mit einem Feiertag bei gleichbleibender Entlohnung einen Tag weniger arbeitet als in einer Woche ohne Feiertag (BAGE 18, 213, 215 = AP Nr. 20 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu 1 der Gründe). Dabei ist entscheidend allein die für das einzelne Arbeitsverhältnis maßgebende Arbeitszeitregelung, die für den Feiertag gegolten hätte, wenn dieser ein Arbeitstag gewesen wäre. Auf die Möglichkeit, einen Verdienstausfall dadurch zu vermeiden, daß am Feiertag ausgefallene Arbeitszeit vor- oder nachgearbeitet wird, darf der Arbeitnehmer nicht verwiesen werden (BAGE 19, 92, 95 = AP Nr. 21 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu 3 b der Gründe; BAGE 42, 324, 327 = AP Nr. 39 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu I 2 der Gründe m.w.N.). Diesen Gesichtspunkt läßt Buchner (BB 1988, 1245, 1248) außer acht, wenn er meint, dem Feiertagslohnzahlungsgesetz würde dadurch genügt, daß der Arbeitnehmer den Ausgleich für die fehlenden 0,3 Stunden durch entsprechend zeitliches Hinausschieben der Freischicht, d.h. die entsprechende Gelegenheit zu vergüteter Tätigkeit wieder hereinholen könne. Nach der Rechtsprechung ist andererseits erforderlich, daß der Feiertag die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall gewesen ist (BAGE 38, 255, 257 = AP Nr. 36 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu 2 der Gründe). Jedoch kann der Arbeitgeber sich der gesetzlichen Verpflichtung aus § 1 FeiertagslohnzahlungsG nicht dadurch entziehen, daß er für den Feiertag von vornherein keine Arbeit einplant (BAG Urteil vom 26. März 1985 - 3 AZR 239/83 - AP Nr. 47 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu I 1 der Gründe).
II. Auf der Grundlage der vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung zur Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 FeiertagslohnzahlungsG steht der Klägerin für die Ende 1985 an drei Wochenfeiertagen ausgefallene Arbeitszeit die Bezahlung für je 8 Stunden zu. Dies ergibt sich im einzelnen aus folgenden Erwägungen:
1. Die Dauer der von der Klägerin einzuhaltenden Arbeitszeit ergibt sich aus der Betriebsvereinbarung vom 11. März 1985. Danach galt für sie eine individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden. Zugleich war jedoch festgelegt, daß sie weiterhin von Montag bis Freitag täglich 8 Stunden und wöchentlich 40 Stunden zu arbeiten hatte.
Diese Festlegung der Arbeitszeit konnte durch die Betriebspartner wirksam getroffen werden, weil der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der hessischen Eisen-, Metall- und Elektroindustrie vom 30. Juni 1984 die Festlegung der Arbeitszeit rechtswirksam den Betriebspartnern übertragen hat. Hierzu verweist der Senat auf den Beschluß des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 18. August 1987 - 1 ABR 30/86 - (AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG 1972, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt), dem er sich schon in seinem Urteil vom 2. Dezember 1987 - 5 AZR 602/86 - (DB 1988, 1224 = NZA 1988, 538, auch zur Aufnahme in die Amtliche Sammlung bestimmt) angeschlossen hatte (zustimmend ebenfalls der Achte Senat in dem Urteil vom 7. Juli 1988 - 8 AZR 198/88 - AP Nr. 23 zu § 11 BUrlG, zur Aufnahme in die Amtliche Sammlung bestimmt).
Der Manteltarifvertrag erlaubt die Festlegung der Arbeitszeit so, wie es durch die Betriebsvereinbarung vom 11. März 1985 geschehen ist. Aus § 2 Ziff. 1 in Verb. mit § 2 Ziff. 3 MTV ergibt sich, daß die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit zwischen 37 und 40 Stunden betragen kann, die Auslastung der betrieblichen Anlagen und Einrichtungen aus Anlaß der Neufestsetzung der Arbeitszeit nicht vermindert wird und bei einer Differenz zwischen Betriebsnutzungszeit und der Arbeitszeit für die einzelnen Arbeitnehmer der Zeitausgleich auch in Form von freien Tagen erfolgen kann.
2. Daraus folgt, daß für die Klägerin ab dem 1. April 1985 eine tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden und eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden verbindlich war. An den drei Feiertagen im November und Dezember 1985 hätte die Klägerin ebenfalls eine Arbeitszeit von 8 Stunden ableisten müssen. An diesen Tagen hat die Klägerin nur deshalb nicht gearbeitet, weil es sich um gesetzliche Wochenfeiertage handelte. Das ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte hat sich deshalb für verpflichtet angesehen, die Vergütung für diese Tage zu zahlen. Sie hat aber zu Unrecht den Lohn nur für 7,7 Stunden gewährt. Die Klägerin hätte an den drei Tagen eine Arbeitszeit von 8 Stunden gehabt. Diese Arbeitszeit ist durch den Feiertag ausgefallen und von der Beklagten zu entgelten.
III. Die Einwände, die die Beklagte gegen eine Bezahlung der Feiertage mit 8 Stunden vorgebracht hat, sind mit der gesetzlichen Regelung über die Lohnzahlung an Feiertagen nicht zu vereinbaren.
1. Richtig ist, daß nach Nr. 5.3 der Betriebsvereinbarung vom 11. März 1985 Wochenfeiertage (und Urlaubstage) für die Ermittlung der Freischichten nur mit 7,7 Stunden berücksichtigt und vergütet werden sollten. Wenn die vorgenannten Abreden dahin zu werten sind, daß für die Feiertage nur eine Arbeitszeit von 7,7 Stunden gelten sollte, wäre eine solche Regelung nach § 134 BGB nichtig, weil sie § 1 Abs. 1 Satz 1 FeiertagslohnzahlungsG widerspräche.
Die Feiertagslohnzahlung ist zwingend vorgeschrieben. Abreden, die dem Arbeitnehmer dem Grunde oder der Höhe nach die Bezahlung für die am Feiertag ausgefallene Arbeitszeit entziehen, sind unwirksam. Wenn für den Feiertag eine Arbeitszeit von 8 Stunden gegolten hätte, dann kann der Anspruch auf Vergütung dieser Zeit nicht dadurch beeinträchtigt werden, daß die Arbeitszeit nur wegen des Feiertages auf 7,7 Stunden festgelegt wird.
2. Im Zusammenhang mit diesen Erwägungen wird auch die Ansicht vertreten, bei der über die auf den Tag umgerechnete individuelle regelmäßige Arbeitszeit von 7,7 Stunden hinausgehenden Tätigkeit handele es sich um vorgeholte Arbeitszeit. An einem arbeitsfreien gesetzlichen Feiertag könne jedoch keine Arbeitszeit vorgearbeitet werden; deshalb falle am Feiertag nur die Arbeitszeit in Höhe der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit aus (so Klischan, DB 1987, 331, 332).
Diese Ansicht verkennt jedoch, daß das Feiertagslohnzahlungsgesetz die Vergütungspflicht allein davon abhängig macht, in welchem Umfange am Feiertag Arbeitszeit wegen des Feiertages ausgefallen ist. Insofern läßt sich nur darauf verweisen, daß ohne den Feiertag 8 Stunden gearbeitet worden wäre. Deshalb steht dem Arbeitnehmer auch die Vergütung für die entsprechende Arbeitszeit zu.
3.a) Der Beklagten kann auch insoweit nicht gefolgt werden, wie sie die Ansicht vertritt, bei einer Betrachtung der Jahresarbeitszeit erhalte die Klägerin, wenn die Feiertage mit 8 Stunden vergütet würden, im Verhältnis zu der für sie geltenden individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eine zu hohe Entlohnung. Bei der vorgenannten Auffassung wird verkannt, daß das Feiertagslohnzahlungsgesetz eine solche Betrachtungsweise nicht kennt, sondern die Vergütung für die ausgefallene Arbeitszeit allein danach zu bemessen ist, in welchem Umfange der Arbeitnehmer an dem Feiertag hätte tätig werden müssen.
b) Soweit in diesem Zusammenhang weiter darauf verwiesen wird, ein Arbeitnehmer im Freischichtenmodell stehe bei Vergütung der Feiertage (und Urlaubstage) mit 8 Stunden besser da als ein Arbeitnehmer, der durchgehend im Umfange der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden tätig werde, führt das ebenfalls nicht dazu, das Klagebegehren als unbegründet anzusehen. Richtig ist zwar, daß sich Ungleichheiten in der Höhe der Vergütungspflicht zwischen den beiden Arbeitnehmergruppen ergeben können. Diese Ungleichheiten folgen jedoch nicht zwingend aus den Bestimmungen des Feiertagslohnzahlungsgesetzes, sondern beruhen auf der jeweiligen betrieblichen Entscheidung für die nach dem Manteltarifvertrag möglichen und zulässigen Arbeitsverteilungsregelungen. Die unterschiedliche Vergütung der Feiertage ist deshalb verknüpft mit der unterschiedlichen Regelung über die Arbeitszeit und im Verhältnis der Arbeitnehmergruppen zueinander nicht als sachfremd oder willkürlich anzusehen. Soweit der Arbeitgeber dadurch betroffen wird, daß er für die im Freischichtenmodell tätigen Arbeitnehmer mehr an Feiertagsvergütung aufbringen muß als für Arbeitnehmer, die entsprechend der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit arbeitstäglich 7,7 Stunden beschäftigt sind, kann auch dies nicht als sachwidrig angesehen werden. Denn den entsprechenden betrieblichen Arbeitszeitregelungen braucht ein Arbeitgeber nur zuzustimmen, soweit die Belange des Betriebes und der betroffenen Arbeitnehmer angemessen berücksichtigt sind (vgl. dazu BAG Beschluß vom 13. Oktober 1987 - 1 ABR 10/86 - AP Nr. 24 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu B II 3 c der Gründe, BB 1988, 270, 274, zur Aufnahme in die Amtliche Sammlung bestimmt; ebenso für die Berechnung des Urlaubsentgelts BAG Urteil vom 7. Juli 1988 - 8 AZR 198/88 - AP Nr. 23 zu § 11 BUrlG, auch zur Aufnahme in die Amtliche Sammlung bestimmt).
Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 2. Dezember 1987 - 5 AZR 602/86 - in diesem Zusammenhang erwogen hatte, eine vergütungsmäßige Besserstellung der im Freischichtenmodell arbeitenden Arbeitnehmer ließe sich auch dadurch vermeiden, daß den Arbeitnehmern für die an Feiertagen ausgefallene Arbeitszeit nicht zu vergütende Freizeitgutschriften gewährt würden, hält der Senat daran nicht mehr fest. Aus § 2 Ziff. 3 MTV ergibt sich, daß ein Zeitausgleich nur in Betracht kommt zwischen der festgelegten individuellen Arbeitszeit und der entsprechend der Betriebsnutzungszeit tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung (ebenso BAG Urteil vom 7. Juli 1988 - 8 AZR 198/88 -, aaO; BAG Beschluß vom 18. Oktober 1988 - 1 ABR 34/87 -, zur Veröffentlichung bestimmt).
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog
Polcyn Liebsch
Fundstellen
Haufe-Index 440400 |
BAGE 60, 300-305 (LT1) |
BAGE, 300 |
BB 1989, 1552-1553 (LT1) |
DB 1989, 1627-1628 (LT1) |
EBE/BAG 1989, 86-88 (LT1) |
JR 1989, 440 |
JR 1989, 440 (L1) |
NZA 1990, 277-278 (LT1) |
RdA 1989, 195 |
AP § 1 TVG, Nr 71 |
AR-Blattei, Arbeitszeit I Entsch 11 (LT1) |
AR-Blattei, ES 240.1 Nr 11 (LT1) |
EzA § 4 TVG Metallindustrie, Nr 57 (LT1) |