Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung des Lohnausgleichs für eine tarifliche Arbeitszeitverkürzung auf eine übertarifliche Zulage
Leitsatz (amtlich)
Eine arbeitsvertragliche Abrede über die Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf eine übertarifliche Zulage berechtigt den Arbeitgeber auch gegenüber Stundenlohnempfängern nicht, den Lohnausgleich für eine tarifliche Arbeitszeitverkürzung auf die Zulage anzurechnen (Fortführung von BAG 3. Juni 1998 – 5 AZR 616/97 – AP TVG § 4 Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung Nr. 34).
Normenkette
BGB §§ 133, 157; TVG § 4
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 30. April 1998 – 3 Sa 538/97 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 19. Dezember 1996 – 2 Ca 236/96 – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 628,95 DM nebst 4 % Zinsen aus dem 539,10 DM brutto entsprechenden Nettobetrag seit dem 2. Mai 1996 und 4 % Zinsen aus dem 89,85 DM entsprechenden Nettobetrag seit dem 2. Mai 1996 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, eine Tariflohnerhöhung aus Anlaß der Verkürzung der tariflichen Wochenarbeitszeit mit einer übertariflichen Zulage des Klägers zu verrechnen.
Die Beklagte stellt heiztechnische Produkte her. Der Kläger ist in ihrem Werk L als Arbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die hessische Metallindustrie Anwendung.
Der Kläger ist eingruppiert in Lohngruppe 4 des Lohnrahmen-Tarifvertrages. Er arbeitet im Akkord. Nach der Lohntabelle zu § 3 Nr. 1 des Lohnabkommens vom 14. März 1995 betrug der tarifliche Akkordrichtsatz für diese Lohngruppe ab dem 1. Mai 1995 16,61 DM. Der betriebliche Akkordrichtsatz belief sich demgegenüber auf 17,34 DM. In einem an den Kläger gerichteten Schreiben der Beklagten vom 6. Juni 1995 heißt es ua.:
„Für die auszuführenden Arbeiten kommen in der Höhe unterschiedliche Werksakkordrichtsätze zur Anwendung. Die Differenz zwischen Werksakkordrichtsätzen und dem für die jeweilige Arbeit zutreffenden tariflichen Akkordrichtsatz ist eine über-tarifliche Zulage. Diese kann ganz oder teilweise auf zukünftige Tariferhöhungen angerechnet werden.”
Inhaltsgleiche Schreiben haben die Arbeitnehmer der Beklagten anläßlich jeder Tariflohnerhöhung erhalten.
Mit Wirkung vom 1. Oktober 1995 wurde die tarifliche Arbeitszeit in der hessischen Metallindustrie von 36 auf 35 Wochenstunden verkürzt. Zeitgleich wurden der tarifliche Ecklohn von 18,14 DM auf 18,66 DM und der für den Kläger gültige Akkordrichtsatz um 0,48 DM von 16,61 DM auf 17,09 DM erhöht. Bei den Angestelltengehältern trat zu diesem Zeitpunkt keine Veränderung ein. Zum 1. November 1995 wurden dagegen Löhne und Gehälter von Arbeitern und Angestellten um (weitere) 3,59 % erhöht.
Mit Schreiben vom 28. September 1995 hatte die Beklagte dem in ihrem Werk L gewählten Betriebsrat mitgeteilt, sie habe beschlossen:
„wegen der in den letzten Monaten gesunkenen Produktivität und wegen der in den nächsten Monaten zu erwartenden weiteren Verminderung der Produktivität die Erhöhung der Tariflöhne aufgrund der Arbeitszeitverkürzung zum 1. Oktober 1995 bei den gewerblichen Arbeitnehmern des Werkes Lollar in vollem Umfange auf die übertariflichen Lohnbestandteile anzurechnen”.
Die Arbeitnehmer wurden durch einen entsprechenden Aushang informiert.
Die Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertariflichen Zulagen führte beim Kläger im Oktober 1995 zu einer Verdienstminderung um 89,85 DM. Mindestens dieselbe Differenz ist auch in den Folgemonaten entstanden. Mit seiner Klage verlangt er die Zahlung des Unterschiedsbetrags für die Zeit vom 1. Oktober 1995 bis zum 30. April 1996.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte habe seine Zulage in Höhe von 0,73 DM auf den tariflichen Akkordrichtsatz nicht um den tariflichen Lohnausgleich von 0,48 DM pro Stunde kürzen dürfen. Die Lohnerhöhung zum 1. Oktober 1995 stelle einen Ausgleich für die mit der Verkürzung der tariflichen Wochenarbeitszeit einhergehende Verdienstminderung dar. Da sie sich auf den effektiven Wochen- und Monatslohn nicht auswirke, liege eine Tariflohnerhöhung im eigentlichen Sinne nicht vor. Die nur in einem solchen Fall mögliche Kürzung der Zulage sei unzulässig. Zudem habe die Beklagte gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, da sie die Gehälter ihrer Angestellten nicht reduziert habe. Auch er sei ein „Monatslöhner”, wie sich aus § 13 Nr. 5 des Manteltarifvertrages vom 10. März 1994 in Verbindung mit den Lohnabrechnungsregelungen der Betriebsvereinbarung Nr. 1/1995 vom 7. Dezember 1994 ergebe. Außerdem habe die Beklagte das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates verletzt. Dieser habe der Zulagenkürzung – unstreitig – nicht zugestimmt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 628,95 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem 539,10 DM brutto entsprechenden Nettobetrag seit dem 2. Mai 1996 und 4 % Zinsen aus dem 89,85 DM brutto entsprechenden Nettobetrag seit dem 2. Mai 1996 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, auch eine Tariflohnerhöhung aus Anlaß einer Arbeitszeitverkürzung berechtige sie zur Kürzung übertariflicher Zulagen. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor. Die Angestellten würden unabhängig von der monatlich angefallenen Arbeitszeit bezahlt. Im Unterschied dazu werde der Kläger nach tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden vergütet. Daran habe der Umstand, daß er auf der Basis seiner festen Lohnanteile eine verstetigte Monatsabrechnung erhalte, nichts geändert. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehe nicht. Sie habe bei sämtlichen gewerblichen Arbeitnehmern die Tariflohnerhöhung zum 1. Oktober 1995 vollständig auf die jeweiligen Zulagen angerechnet. In diesem Fall gebe es keinen Regelungsspielraum.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, war die Beklagte nicht berechtigt, die Erhöhung der Tariflöhne zum 1. Oktober 1995 auf die übertarifliche Zulage des Klägers anzurechnen.
A. Grundlage des Klageanspruchs ist die Abrede der Parteien über die Zahlung einer übertariflichen Zahlung in bestimmter Höhe aus dem Jahre 1995. Mit Schreiben vom 6. Juni 1995 hat die Beklagte erklärt, die Differenz zwischen dem Werksakkordrichtsatz und dem tariflichen Akkordrichtsatz für die Lohngruppe des Klägers sei eine übertarifliche Zulage. Zwar wurde deren Höhe nicht ausdrücklich genannt. Sie konnte jedoch durch einen Vergleich der tariflichen Lohntabelle und der im Betrieb der Beklagten geltenden Richtsätze ohne Schwierigkeiten ermittelt werden. Sie betrug im Juni 1995 0,73 DM. Der Kläger hat das Angebot der Beklagten auf Zahlung der Zulage durch Entgegennahme des auf ihrer Grundlage berechneten Lohns konkludent angenommen.
B. Die Zulage ist seitdem individualrechtlich nicht wirksam gemindert worden. Die Beklagte leitet aus der Erhöhung der Tariflöhne für die gewerblichen Arbeitnehmer zum 1. Oktober 1995 die Befugnis zur entsprechenden Kürzung der Zulage des Klägers ab. Eine solche Befugnis steht ihr nicht zu. Der Kläger kann für die im streitbefangenen Zeitraum geleistete Arbeit eine Vergütung in ungeschmälerter Höhe verlangen.
I. Die Tarifvertragsparteien der hessischen Metallindustrie haben die Erhöhung der Tariflöhne zum 1. Oktober 1995 als Ausgleich für die Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 36 auf 35 Wochenstunden vereinbart. Dies ergibt sich aus den Umständen. Zum einen wurde die tarifliche Wochenarbeitszeit auch für Angestellte um eine Stunde verkürzt, ohne daß deren Gehalt herabgesetzt worden wäre. Zum anderen haben sich die Tariflöhne der gewerblichen Arbeitnehmer um eben den Prozentsatz – von 2,87 % – erhöht, um den die Arbeitszeit mit der Herabsetzung von 36 auf 35 Wochenstunden verkürzt wurde. Ersichtlich wollten die Tarifvertragsparteien auf diese Weise den effektiven Einkommensverlust ausgleichen, der bei einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit um eine Stunde unter Beibehaltung der geltenden Tariflöhne eingetreten wäre. Da nur die Löhne der gewerblichen Arbeitnehmer und nicht auch die Gehälter der Angestellten erhöht wurden, ging es den Tarifvertragsparteien um Lohnausgleich und nicht um effektive Lohnerhöhung. Diese folgte für beide Arbeitnehmergruppen erst einen Monat später.
II. Ob eine Tariflohnerhöhung individualrechtlich auf eine übertarifliche Zulage angerechnet werden kann, hängt von der zugrundeliegenden Vergütungsabrede ab. Haben die Arbeitsvertragsparteien dazu eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen, gilt diese. Andernfalls ist aus den Umständen zu ermitteln, ob eine Befugnis zur Anrechnung besteht. Eine Anrechnung ist möglich, sofern dem Arbeitnehmer die Zulage nicht als selbständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zugesagt worden ist. Allgemeine Zulagen, die nicht besondere Leistungen oder ähnliches abgelten sollen, werden regelmäßig deshalb gewährt, weil der Tariflohn den Parteien des Arbeitsvertrages als nicht ausreichend erscheint. Steigen anschließend die Tariflöhne, so ist mangels anderer Anhaltspunkte anzunehmen, daß eine entsprechende „Aufsaugung” der bisher übertariflichen Lohnanteile dem Willen der Parteien entspricht(BAG AP TVG § 4 -- Übertarifl. Lohn und Tariflohnerhöhung Nr. 10, 11; BAG 7. Februar 1996 – 1 AZR 657/95 – AP BetrVG 1972 § 87 -- Lohngestaltung Nr. 85; ausführlich Jacobs, Anm. zu BAG 3. Juni 1998 – 5 AZR 616/97 – SAE 1999, 199, 200).
Im Streitfall haben die Parteien ausdrücklich vereinbart, daß die übertarifliche Zulage „ganz oder teilweise auf zukünftige Tariferhöhungen angerechnet werden” kann. Zwar kann rechtlich nur umgekehrt eine Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage angerechnet werden. So ist die Abrede der Parteien aber zu verstehen.
III. Gleichwohl war die Beklagte nicht berechtigt, die übertarifliche Zulage des Klägers zu kürzen. Die Erhöhung der Tariflöhne zum 1. Oktober 1995 hat nicht zu einer Erhöhung des dem Kläger bei Erfüllung der tariflichen Wochenarbeitszeit tatsächlich geschuldeten Lohnes geführt. Der Kläger erhält für gleiche Leistungen wegen der 35-Stunden-Woche keine höhere Vergütung als zuvor bei 36 Wochenstunden zum alten Tariflohn. Sein effektiver Wochen- und Monatsverdienst ist für die Zeit vor und nach Inkrafttreten der Arbeitszeitverkürzung gleich geblieben. Es hat sich mit Blick auf den wöchentlichen und monatlichen Verdienst des Klägers nicht dessen Vergütung erhöht, sondern es hat sich die von ihm zu erbringende Leistung bei gleichbleibender Gegenleistung der Beklagten vermindert. Die Zulagenkürzung aufgrund einer solchen Verteuerung der Arbeit (gleicher Wochen- oder Monatslohn bei weniger Arbeitszeit) ist von einer einzelvertraglichen Klausel, die dem Arbeitgeber die Anrechnung von „Tariferhöhungen” auf eine übertarifliche Zulage gestattet, nicht erfaßt. Dies ergibt ihre Auslegung.
1. Für den Fall eines tariflich geschuldeten Wochenlohns hat der Senat das mit Urteil vom 3. Juni 1998(– 5 AZR 616/97 – AP TVG § 4 -- Übertarifl. Lohn und Tariflohnerhöhung Nr. 34) bereits entschieden. Für eine Beschränkung der Anrechnung auf die Fälle effektiver Lohnsteigerung spricht bei einem vereinbarten Wochenlohn schon der Wortlaut der Abrede. Danach ist unter einer Tariflohnerhöhung nur eine Erhöhung des tariflich geschuldeten Entgeltbetrages zu verstehen. Die bloße Steigerung des Wertes der Arbeitsleistung pro Zeiteinheit, zu welcher eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit ohne Minderung des wöchentlichen Arbeitsentgelts führt, läßt die bisherige Höhe der Vergütung lediglich unverändert, hebt sie aber nicht an. Von einer „Tariferhöhung” kann bei einem solchen Vorgang nicht gesprochen werden(so auch BAG 19. September 1995 – 1 ABR 20/95 – AP BetrVG 1972 § 87 -- Lohngestaltung Nr. 81; BAG 7. Februar 1996 – 1 AZR 657/95 – BAGE 82, 47). An dieser Auffassung hält der Senat fest.
2. Für den Streitfall gilt im Ergebnis nichts anderes. Zwar schuldet die Beklagte dem Kläger keinen Wochen- oder Monatslohn, sondern eine Stundenvergütung. Für die Auslegung der Anrechnungsabrede macht dies jedoch keinen Unterschied.
a) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der Kläger nicht nach Monaten, sondern nach Stunden vergütet wird. Dies folgt bereits aus § 3 des Lohnabkommens und ergibt sich ferner aus diversen Bestimmungen des Manteltarifvertrages, die ausdrücklich von einem Stundenentgelt der gewerblichen Arbeitnehmer ausgehen, wie § 11 II Nr. 2 b, § 17 Nr. 2, 3, § 25 Nr. 1 MTV. Die Vorschrift des § 13 Nr. 5 MTV, auf die der Kläger seine gegenteilige Ansicht stützt, ermöglicht lediglich eine bestimmte Abrechnungsmethode. Bei unregelmäßiger Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit kann durch Betriebsvereinbarung festgelegt werden, daß der monatlichen Lohnabrechnung zunächst die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit und der tarifliche Stundenlohn oder Akkordrichtsatz zugrunde zu legen ist, während die variablen Entgeltanteile erst im Folgemonat berechnet und ausgezahlt werden. Durch die „Verstetigung” des monatlich zu vergütenden Arbeitsentgelts ist die Zeiteinheit, deren Vergütung die Beklagte tariflich schuldet, nicht verändert worden. Sie ist die Arbeitsstunde.
b) Obwohl der Kläger einen Stundenlohn erhält, ist die Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf seine übertarifliche Zulage nicht zulässig.
aa) Aus dem Wortlaut der Anrechnungsabrede und dem allgemeinen Sprachverständnis folgt dies allerdings nicht mit der gleichen Deutlichkeit wie im Falle eines Wochen- oder Monatslohns. Der Ausgleich für die Verkürzung der Arbeitszeit führte durchaus zu einer Anhebung des pro Zeiteinheit geschuldeten Arbeitsentgelts. Die tariflichen Stundenbeträge wurden mit ihrem bezifferten Betrag und nicht nur mittelbar rechnerisch erhöht. Damit ist es sprachlich nicht ausgeschlossen, darin eine „Tariferhöhung” im Sinne der arbeitsvertraglichen Anrechnungsabrede zu sehen. Zwingend ist dies wiederum nicht. Ein Wortgebrauch, dem zufolge von einer Tariferhöhung nur dann die Rede sein kann, wenn sich der bei Erfüllung der regelmäßigen Arbeitszeit zu erzielende Lohn auch effektiv erhöht, ist zumindest nicht ungewöhnlich.
bb) Der maßgebliche Wortsinn kann offen bleiben. Die Auslegung einer Willenserklärung hat nach §§ 133, 157 BGB nicht nur die sprachliche Bedeutung, sondern den wirklichen Willen des Erklärenden zu ermitteln. Dafür ist im Streitfall mangels anderer ausdrücklicher Erklärungen der Parteien auf Sinn und Zweck der Zulagengewährung und des Anrechnungsvorbehalts abzustellen.
Bei der dem Kläger gewährten übertariflichen Zulage handelt es sich um eine allgemeine Zulage. Sie dient der Aufstockung des als nicht ausreichend erachteten Tariflohns. Im Fall einer Tariflohn- und Tarifgehaltserhöhung bei gleichbleibender Arbeitszeit ist deshalb die Anrechnung der Erhöhung auf die Zulage selbst ohne ausdrückliche Absprache der Parteien als stillschweigend vereinbart anzusehen. Sie läßt die bisherige Wochen- und Monatsvergütung des Arbeitnehmers und die bisherige Belastung des Arbeitgebers unverändert.
Anders verhält es sich bei einer Kürzung der Zulage um eine Tariflohnerhöhung, die zum Zweck des Ausgleichs einer Arbeitszeitverkürzung erfolgt ist. Auch sie verringert zwar nicht die Belastungen des Arbeitgebers. Beim vollbeschäftigten Arbeitnehmer führt sie jedoch zu einer Einkommensminderung im Umfang der Vergütung für die weggefallenen Arbeitsstunden. So bekam der Kläger bis zum 30. September 1995 für jede der 36 Wochen- und 156 Monatsarbeitsstunden eine Zulage von 0,73 DM, das sind 26,28 DM bzw. 113,88 DM. Ab dem 1. Oktober 1995 erhielt er dagegen für 35 Wochen- und 151 Monatsarbeitsstunden nur noch eine Zulage von je 0,25 DM, das sind 8,75 DM bzw. 37,75 DM. Sein tariflicher Wochenlohn blieb aufgrund des Lohnausgleichs unverändert, der übertarifliche Stunden- bzw. Wochenlohn hat sich dagegen um zwei Drittel vermindert. Nach einer Anrechnung des Lohnausgleichs wird deshalb das Ziel der Zulage, das bisher tariflich erzielbare Entgelt auf ein bestimmtes, als interessengerecht angesehenes Maß zu erhöhen, nicht mehr erreicht.
Es kann nicht angenommen werden, daß die Parteien mit ihrer Anrechnungsabrede eine solche Zweckveränderung ermöglichen wollten. Hätten sie dies gewollt, hätte es nahegelegen, die entsprechende Befugnis für die Beklagte ausdrücklich zu vereinbaren. Die tatsächlich getroffene Vereinbarung konnte der Kläger dagegen nicht anders verstehen, als daß nur eine „Tariferhöhung”, die mit einer effektiven Lohnsteigerung verbunden ist, zur Anrechnung berechtigen sollte. Dies gilt um so mehr, als andernfalls nicht alle Arbeitnehmer gleichbehandelt würden. Bei Stundenlöhnern wäre die Anrechnung möglich, bei Gehaltsempfängern, Monats- und Wochenlöhnern dagegen trotz gleichlautender Abrede nicht, da bei ihnen die Reduzierung der Arbeitszeit das bisherige Gehalt bzw. den bisherigen Lohn auch ziffernmäßig unverändert läßt. Daß die Anrechnungsvereinbarung für ihn gleichwohl diese Auswirkung haben sollte, konnte der Kläger ihr auch aus diesem Grund nicht entnehmen. Die Kürzung seiner Zulage aus Anlaß der Tariflohnerhöhung vom 1. Oktober 1995 ist unzulässig.
c) Die Vereinbarung, daß eine „zukünftige Tariferhöhung” ganz oder teilweise auf eine übertarifliche Zulage angerechnet werden kann, berechtigt den Arbeitgeber damit regelmäßig auch gegenüber Stundenlohnempfängern nicht zur Anrechnung einer Tariflohnerhöhung, die dem Ausgleich einer Arbeitszeitverkürzung dient(so im Ergebnis auch Lund, Anm. zu BAG 3. Juni 1987 – 4 AZR 44/87 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 58, Bl. 716, 718; Meyer, DB 1990, 1086, 1088; Waltermann, Anm. zu BAG 7. Februar 1996 – 1 AZR 657/95 – SAE 1997, 312, 315; Jacobs, Anm. zu BAG 3. Juni 1998 – 5 AZR 616/97 – SAE 1999, 199, 203; anderer Ansicht Hoß, NZA 1997, 1129, 1131). Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgericht hat allerdings angenommen, eine vom Anrechnungsvorbehalt erfaßte Tariflohnerhöhung liege auch insoweit vor, als diese ausschließlich auf einer Arbeitszeitverkürzung beruhe(BAG 3. Juni 1987 – 4 AZR 44/87 – BAGE 55, 322; BAG 14. Juni 1989 – 4 AZR 116/89 – nv.). Der erkennende Senat hat schon im Urteil vom 3. Juni 1998 darauf hingewiesen, daß er der für die Auslegung der maßgeblichen Individualabsprache nach dem Geschäftsverteilungsplan nunmehr allein zuständige Senat ist und er an der Auffassung des Vierten Senats nicht festhält.
3. Darauf, ob die Beklagte gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen hat, weil sie weder die Arbeitszeitverkürzung zum 1. Oktober 1995 noch die „echte” Gehaltserhöhung zum 1. November 1995 zum Anlaß genommen hat, auch die übertariflichen Anteile in den Monatsgehältern ihrer Angestellten zu kürzen, kommt es nicht an. Ebensowenig kommt es darauf an, ob das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verletzt wurde.
Unterschriften
Griebeling, Müller-Glöge, Kreft, W. Hinrichs, Glaubitz
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 15.03.2000 durch Metze, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 507982 |
BAGE, 58 |
BB 2000, 1528 |
BB 2000, 1840 |
DB 2000, 1665 |
NWB 2000, 2611 |
ARST 2000, 236 |
EWiR 2000, 763 |
FA 2000, 233 |
NZA 2001, 105 |
SAE 2000, 312 |
ZAP 2000, 1057 |
ZIP 2000, 1265 |
AP, 0 |
MDR 2000, 1018 |
PERSONAL 2001, 327 |
RdW 2000, 746 |