Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßvergleich. Auslegung. Abgrenzung zwischen Streit um Erledigung eines vorangegangenen Rechtsstreits durch Prozeßvergleich und Auslegung dieses Vergleichs. Auslegung eines auf gerichtlichen Vorschlag zustandegekommenen Vergleichs. Bedeutung der Klausel: “Damit ist der Rechtsstreit erledigt”. Zivilprozeßrecht
Orientierungssatz
- Macht eine Partei geltend, ein von ihr geschlossener Prozeßvergleich habe den Rechtsstreit nicht erledigt, so muß sie dies grundsätzlich durch Fortsetzung des nach ihrer Auffassung nicht erledigten Rechtsstreits tun.
- Sind dagegen die Parteien darüber einig, daß der Vergleich den Rechtsstreit erledigt hat und streiten sie nur über die Auslegungsfrage, welche materiellen Ansprüche der Vergleich erfaßt, so ist dieser Streit in einem neuen Prozeß auszutragen.
- Der objektive Sinn des Wortlauts eines Prozeßvergleichs ist für seine Auslegung dann von besonderer Bedeutung, wenn der Vergleich nicht von den Parteien ausgehandelt wurde, sondern auf der Annahme eines gerichtlichen Vorschlags beruht.
- Vereinbaren die Parteien in einem Prozeßvergleich als Schlußklausel, der Rechtsstreit sei erledigt, so sind davon in der Regel mindestens die bei dem Gericht rechtshängigen Anträge und die mit ihnen verfolgten Ansprüche erfaßt. Dies gilt auch für eine anhängige Widerklage.
Normenkette
BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
LAG Hamm (Teilurteil vom 12.10.2000; Aktenzeichen 4 Sa 655/00) |
ArbG Detmold (Urteil vom 07.03.2000; Aktenzeichen 2 Ca 1452/99) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 12. Oktober 2000 – 4 Sa 655/00 – zu Ziff. 2) der Urteilsformel aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 7. März 2000 – 2 Ca 1452/99 – wird zurückgewiesen, soweit das Arbeitsgericht Detmold die Widerklage abgewiesen hat.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch über einen von der Beklagten erhobenen Auskunftsanspruch.
Der Kläger stand vom 1. Oktober 1996 bis zum 30. September 1999 als mitarbeitender Meister in den Diensten der Beklagten, die ein Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie betreibt. Während der Beschäftigung bei der Beklagten arbeitete der Kläger nebenberuflich als selbständiger Werkzeugkonstrukteur.
Mit Schreiben vom 17. April 1998 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Mai 1998. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage des Klägers hatte vor dem Arbeitsgericht Detmold Erfolg (Urteil vom 10. November 1998 – 2 Ca 786/98 –). Die Berufung der Beklagten wurde durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 20. Juli 1999 (– 11 Sa 161/99 –) rechtskräftig zurückgewiesen.
In einem weiteren Rechtsstreit (Arbeitsgericht Detmold – 2 Ca 246/99 –) machte der Kläger ua. Lohnansprüche für die Zeit vom 13. Juli 1998 bis zum 31. Dezember 1998 geltend. In diesem Rechtsstreit erhob die Beklagte mit Schriftsatz vom 6. August 1999 Widerklage mit dem Antrag, Auskunft über seine Einnahmen aus dem Konstruktionsbüro für die Zeit vom 1. Juni 1997 bis zum 31. Mai 1999 zu erteilen, die erteilte Auskunft zu belegen und ihre Richtigkeit und Vollständigkeit an Eides Statt zu versichern. Der Kläger, dem die Widerklage zugestellt wurde, erwiderte mit Schriftsatz vom 16. August 1999 und machte ua. Ausführungen zum Umfang seiner Nebentätigkeit. Das Arbeitsgericht verlegte daraufhin den ursprünglich auf den 17. August 1999 angesetzten Kammertermin auf den 24. August 1999 und unterbreitete den Parteien einen Vergleichsvorschlag. Für den Fall der Nichtannahme wurde der Beklagten aufgegeben, zum Schriftsatz des Klägers umgehend Stellung zu nehmen. Die Beklagte nahm den Vergleichsvorschlag mit Schriftsatz vom 20. August 1999 an und führte ua. aus:
“Es wird daher davon abgesehen, noch im einzelnen auf den Schriftsatz des Klägers vom 16. August 1999 zu erwidern. Sofern der vorgeschlagene Vergleich nicht zustandekommt, werden wir insoweit Schriftsatzfrist beantragen müssen.”
In der Kammersitzung vom 24. August 1999 wurde der vorgeschlagene Vergleich unverändert wie folgt geschlossen und protokolliert:
“
- Die Beklagte kündigt das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen zum 30.09.1999.
- Der Kläger ist mit der Kündigung einverstanden.
- Die Beklagte zahlt dem Kläger den Lohn für die Zeit vom 13.07.1998 bis 30.09.1999 ohne Berücksichtigung von Mehrarbeitsstunden.
- Soweit Ansprüche an das Arbeitsamt übergegangen sind, ist die Beklagte berechtigt und verpflichtet an dieses zu zahlen.
- Die Parteien sind sich darüber einig, daß der Urlaubsanspruch des Klägers durch Freizeitgewährung abgegolten ist.
- Die Beklagte zahlt mit Rechtskraft dieses Vergleichs an den Kläger eine Abfindung gemäß den §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 9.000,00 DM.
- Die Parteien sind sich darüber einig, daß dieser Anspruch abtretbar und vererbbar ist.
- Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.
”
Nachdem die Beklagte keine Zahlungen leistete, hat der Kläger am 11. Oktober 1999 erneut Klage vor dem Arbeitsgericht Detmold erhoben und ua. Vergütungsansprüche für die Zeit vom 13. Juli 1998 bis zum 30. September 1999 geltend gemacht.
Die Beklagte hat widerklagend beantragt,
- Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang der Widerbeklagte Einkünfte, Umsätze aus dem von ihm betriebenen Konstruktionsbüro für den Zeitraum vom 13. Juli 1998 bis zum 30. September 1999 erzielt hat, in welchem Umfang und mit wem er in diesem Zeitraum Aufträge, die bis zum 30. September 1999 noch nicht abgewickelt gewesen sind, geschlossen hat sowie über sämtliche Angebote in diesem Zeitraum, unabhängig davon, ob sie bis zum heutigen Tag zum Auftrag geführt haben oder nicht;
- die erteilte Auskunft durch geeignete Unterlagen zu belegen, ebenso die Einkommenssteuererklärungen für die Kalenderjahre 1998 und 1999 vorzulegen;
- die Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Auskünfte an Eides Statt zu versichern.
Zur Begründung hat die Beklagte ausgeführt, ihr stehe ein Auskunftsanspruch wegen vom Kläger erzielter, nach § 615 Satz 2 BGB anrechenbarer Einkünfte zu. Der Kläger habe im fraglichen Zeitraum umfangreiche Nebentätigkeiten entfaltet, was ihm nicht erlaubt gewesen sei. Der Auskunftsanspruch sei nicht von dem vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleich erfaßt worden. Die Abschlußklausel im Vergleich (Ziff. 8) sei nichtssagend. Über die Widerklageanträge sei nicht verhandelt und die Sach- und Rechtslage im Termin nicht erörtert worden. Im Rubrum des Vergleichs sei auch der Kläger nicht als Widerbeklagter aufgeführt. Der damalige Prozeßbevollmächtigte der Beklagten könne bestätigen, daß die mit der Widerklage verfolgten Ansprüche gerade nicht Gegenstand des Vergleichs hätten sein sollen. Außerdem sei ein Teil der Einkünfte erst später realisiert worden.
Der Kläger hat Abweisung der Widerklage begehrt. Die Behauptung, der Geschäftsführer der Beklagten habe erst nach Vergleichsschluß Kenntnis über den wahren Umfang der nebenberuflichen Tätigkeit des Klägers erlangt, sei falsch. Der Beklagten sei die Nebentätigkeit von Anfang an bekannt gewesen. Durch den Vergleich seien die mit der Widerklage erhobenen Ansprüche erledigt worden. Dafür spreche auch, daß die Beklagte die aus ihrer Sicht nach wie vor anhängige Auskunftsklage nicht weiter betrieben, sondern die vorliegende Widerklage neu erhoben habe.
Das Arbeitsgericht hat dem Kläger die erhobenen Vergütungsansprüche zuerkannt und die Widerklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat über die Vergütungsansprüche noch nicht entschieden und durch Teilurteil ua. der Widerklage entsprochen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils, soweit damit die Widerklage abgewiesen wurde. Während des Revisionsverfahrens hat die Beklagte erklärt, auch nach ihrer Auffassung sei durch den Vergleich vom 24. August 1999 die Rechtshängigkeit ihrer seinerzeitigen Widerklage beseitigt worden, ohne daß davon allerdings der mit der Widerklage verfolgte materielle Anspruch berührt worden wäre. Vorsorglich habe sie die Widerklage vom 6. August 1999 zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung über die Widerklage wie folgt begründet: Der Kläger müsse sich auf seinen Anspruch aus Annahmeverzug nach § 615 Satz 2 BGB, § 11 KSchG anderweitigen Verdienst anrechnen lassen. Zur Durchsetzung dieses Rechts stehe der Beklagten ein selbständiger Auskunftsanspruch zur Seite. Das ergebe sich aus § 74c Abs. 2 HGB in entsprechender Anwendung. Bei unvollständig erteilter Auskunft könne der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach § 260 Abs. 2 BGB (analog) zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zwingen. Zu Unrecht meine der Kläger, die Parteien hätten sich über den Auskunftsanspruch bereits endgültig verglichen. Im Vergleich sei von den Auskunftsansprüchen nicht die Rede. Sei streitig, in welchem Umfang anrechenbare Zwischenverdienste vorlägen, so handele es sich dabei nicht um eine der Rechtskraft nach § 322 Abs. 2 ZPO fähige Aufrechnung, sondern es liege ein Fall der Vorteilsausgleichung bei einem Erfüllungsanspruch vor. Habe der Schuldner bei solcher Lage in Unkenntnis des Anrechnungspostens geleistet, könne er die rechtsgrundlos geleistete Zahlung als ungerechtfertigte Bereicherung zurückfordern. Eine von § 615 Satz 2 BGB abweichende Regelung müsse ausdrücklich und zweifelsfrei getroffen werden. Die Klausel “Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt” reiche dazu nicht aus.
B. Dem folgt der Senat nicht.
I. Die Widerklage ist zulässig.
1. Macht eine Partei geltend, ein von ihr geschlossener Prozeßvergleich habe den Rechtsstreit nicht erledigt, so muß sie dies grundsätzlich durch Fortsetzung des nach ihrer Auffassung nicht erledigten Rechtsstreits tun (st. Rspr. BAG 5. August 1982 – 2 AZR 199/80 – BAGE 40, 17; BGH 29. September 1958 – VII ZR 198/57 – BGHZ 28, 171; Baumbach/Lauterbach-Hartmann ZPO 61. Aufl. Anh. § 307 Rn. 37; Wieczorek/Schütze/Paulus ZPO 3. Aufl. § 794 ZPO Rn. 56; Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozeßrecht 15. Aufl. § 131 IV 1b). Einer neuen Klage mit den angeblich nicht erledigten Anträgen fehlt das Rechtsschutzbedürfnis (BGH 29. Juli 1999 – III ZR 272/98 – BGHZ 142, 253; Baumbach/Lauterbach-Hartmann ZPO 61. Aufl. Anh. § 307 Rn. 37; Wieczorek/Schütze/Paulus ZPO 3. Aufl. § 794 Rn. 58).
2. Diese Grundsätze führen im vorliegenden Fall jedoch nicht zur Unzulässigkeit der Widerklage. Die Widerklage vom 9. August 1999 ist in jedem Fall erledigt, entweder durch Vergleich oder durch Rücknahme. Auch die Beklagte macht Gegenteiliges nicht – mehr – geltend. Die Parteien streiten lediglich noch über den materiell-rechtlichen Inhalt des Vergleichs. Dies ist eine Frage der Auslegung, die nicht im Ursprungsverfahren, sondern in einem neuen Rechtsstreit zu klären ist (vgl. BGH 4. November 1976 – VII ZR 6/76 – WM 1977, 204).
II. Die Widerklage ist unbegründet. Die vom Kläger aus der mit der Widerklage bezeichneten Tätigkeit erzielten Verdienste sind nicht nach § 615 Satz 2 BGB, § 11 KSchG auf die mit der Klage verfolgten Vergütungsansprüche anzurechnen. Die Parteien haben die Anrechenbarkeit durch den Vergleich vom 24. August 1999 ausgeschlossen. Das ergibt die Auslegung des Vergleichs. Damit entfällt auch der entsprechende Auskunftsanspruch.
1. Bei dem Vergleich vom 24. August 1999 handelt es sich um einen Prozeßvergleich. Prozeßvergleiche können nach überwiegend vertretener Auffassung von den Revisionsgerichten unbeschränkt und selbständig ausgelegt werden (BAG 9. Oktober 1996 – 5 AZR 246/95 – AP SGB IX § 115 Nr. 9 = EzA AFG § 117 Nr. 11; 25. März 1992 – 5 AZR 254/91 – AP AFG § 117 Nr. 12 = EzA AFG § 117 Nr. 8; 28. April 1983 – 2 AZR 446/81 – AP AFG § 117 Nr. 3 = EzA AFG § 117 Nr. 3, zu II 1 der Gründe). Selbst wenn mit dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts (9. April 1981 – 6 AZR 501/78 – nv.; ebenso Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozeßrecht 15. Aufl. § 131 III 2h) die Auffassung vertreten würde, das Revisionsgericht könne die Auslegung von Prozeßvergleichen nur eingeschränkt daraufhin überprüfen, ob das Landesarbeitsgericht bei der Auslegung Denkgesetze und Erfahrungssätze verletzt oder gegen zwingende gesetzliche Auslegungsgrundsätze verstoßen hat, würde sich im Ergebnis nichts ändern. Denn die Auslegung des Landesarbeitsgerichts verstößt gegen §§ 133 und 157 BGB. Sie läßt wesentlichen Sachvortrag unberücksichtigt und wird auch dem eingeschränkten Prüfungsmaßstab nicht gerecht. Der Senat kann die Auslegung selbst vornehmen, da der Rechtsstreit entscheidungsreif ist (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO aF). Weiterer Vortrag der Parteien zur Frage der Auslegung ist nicht zu erwarten.
2. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung verstößt gegen §§ 133 und 157 BGB. Das Landesarbeitsgericht hat weder den wirklichen Willen der Parteien (§ 133 BGB), wie er im Vergleichstext zum Ausdruck kommt, noch die Umstände des Zustandekommens der Vereinbarung ausreichend berücksichtigt. Insoweit hat das Landesarbeitsgericht außer Acht gelassen, daß der objektive Sinn des Wortlauts einer Vereinbarung dann besondere Bedeutung hat, wenn die Vereinbarung von keiner der Parteien, sondern vom Gericht vorgeschlagen wird. Äußerungen des Gerichts sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen (vgl. BFH 12. Juni 2001 – XI R 58/99 – BFHE 195, 503; MüKo/Mayer-Maly 3. Aufl. § 133 Rn. 4, 34a; Palandt BGB 62. Aufl. § 133 Rn. 9). Außerdem hat das Landesarbeitsgericht entgegen § 157 BGB den Vertrag nicht so ausgelegt, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es gebieten.
a) Die vom Gericht vorgeschlagene Vereinbarung ist mit “Vergleich” überschrieben. Hätte sie die im Zeitpunkt des Vorschlags rechtshängigen Ansprüche nicht vollständig erledigen sollen, so hätte es nahe gelegen, sie als “Teilvergleich” zu bezeichnen oder die Einschränkung anders zum Ausdruck zu bringen. Dies hätte der Üblichkeit bei arbeitsgerichtlichen Prozeßvergleichen entsprochen, die vom Gericht vorformuliert werden. Für das Gericht ist die Frage, ob ein Vergleich die rechtshängigen Ansprüche insgesamt oder nur zum Teil erledigt, wichtig, weil es danach sein weiteres Verfahren einzurichten hat. Das ist jedenfalls für anwaltlich vertretene Parteien auch ohne weiteres erkennbar. Daneben hat das Landesarbeitsgericht unbeachtet gelassen, daß nach Ziffer 8 des Vergleichs der “Rechtsstreit” erledigt werden sollte. Zum “Rechtsstreit” gehören alle Ansprüche, über die das Gericht bei Fortsetzung des Rechtsstreits entschieden hätte (BAG 17. Januar 1991 – 8 AZR 14/90 – nv.). Davon sind mindestens die bei dem Gericht, vor dem der Vergleich geschlossen wird, rechtshängigen Anträge und die mit ihnen verfolgten Ansprüche erfaßt. Nicht erfaßt sind anderweitig anhängige Anträge (BAG 9. April 1981 – 6 AZR 501/78 – nv.). Der Begriff “Rechtsstreit” ist im Wortlaut des Vergleichs mit keinerlei einschränkendem Zusatz versehen. Wenn das Landesarbeitsgericht seine Würdigung damit begründet, der mit der Widerklage erhobene Anspruch sei im Vergleich nicht ausdrücklich erwähnt worden, so ist das nur begrenzt richtig. Die Parteien haben auf Vorschlag des Gerichts eine pauschale Erledigungsklausel gewählt, indem sie nicht einzelne Anträge, sondern den – mit den erhobenen Ansprüchen geführten – gesamten Rechtsstreit für erledigt erklärt haben. Es kann keinen Unterschied machen, ob zur Bezeichnung einer Mehrheit von Gegenständen diese Gegenstände einzeln benannt werden oder ob eine Sammelbezeichnung benutzt wird, die alle der Mehrheit von Gegenständen angehörenden Einzelgegenstände umfaßt.
b) Auch der Vergleichsinhalt im übrigen bestätigt das gefundene Ergebnis. Das Landesarbeitsgericht hat außer Acht gelassen, daß der Kläger durch Abschluß des Vergleichs auf eine Reihe von bis dahin erhobenen Forderungen (insbesondere Vergütung von Mehrarbeit) verzichtete und sich vor allem mit der Beendigung des bei Vergleichsabschluß noch bestehenden Arbeitsverhältnisses einverstanden erklärte. Daß er dies tat, ohne für diesen nicht unerheblichen Rechtsverzicht eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten, liegt fern. Dagegen drängt sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nachgerade auf, daß mit dem Zurückstehen des Klägers von Teilen seiner Vergütungsforderung im Gegenzug ein Verzicht der Beklagten auf die Anrechenbarkeit anderweitigen Verdienstes verbunden sein sollte. Der Vergleich wäre, wenn er im Sinne der vom Landesarbeitsgericht vorgenommenen Auslegung zu verstehen wäre, abgesehen von der Abfindung allein zu Lasten des Klägers gegangen. Dafür bestand kein Anlaß, zumal die Unwirksamkeit der vorausgegangenen Kündigung gerade erst rechtskräftig festgestellt worden war. Die Beklagte konnte unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ebensowenig annehmen, der Kläger wolle eine solche Vereinbarung abschließen, wie der Kläger Anlaß zu der Befürchtung haben konnte, die Beklagte wolle ihm eine solche Verschlechterung seiner Lage als Vergleich zumuten.
c) Zu demselben Befund führt die vom Landesarbeitsgericht unterlassene Berücksichtigung der Umstände, die zum Vergleich geführt haben einschließlich der bei Vergleichen im arbeitsgerichtlichen Verfahren üblichen Praxis. Der Kammervorsitzende hatte den Vergleichsvorschlag unterbreitet, nachdem die Widerklage erhoben und der Kläger darauf erwidert hatte. Er hatte mit Unterbreiten des Vergleichsvorschlags den auf den 17. August 1999 angesetzten Kammertermin um eine Woche verschoben. Der damit verbundene prozessuale Aufwand läßt auf die Erwartung des Gerichts schließen, den Streit der Parteien auf Grund des Vergleichsvorschlags insgesamt beseitigen zu können. Hätten die Widerklageansprüche nicht von der Erledigungsklausel umfaßt sein sollen, hätte es zumindest nahegelegen, die Parteien darauf hinzuweisen, daß der Rechtsstreit über die Widerklage in jedem Falle fortgesetzt werden mußte. Das Gericht hat aber ganz im Gegenteil der Beklagten nur für den Fall, daß der Vergleich nicht zustande käme, aufgegeben, zum Schriftsatz des Klägers vom 16. August 1999 vorzutragen. Auch den daraufhin eingereichten Schriftsatz des damaligen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten vom 20. August 1999 hat das Berufungsgericht zu Unrecht nicht gewürdigt. Er hatte auf den Vorschlag des Gerichts geantwortet, er werde zum Vorbringen des Klägers aus dem Schriftsatz vom 16. August 1999, das sich über die Widerklageansprüche verhielt, nicht erwidern, da er den Vergleich abschließen wolle; für den Fall, daß der Vergleich nicht zustandekommen würde, bat er um Schriftsatznachlaß. Das ist nur dann sinnvoll, wenn der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten annahm, der Vergleich mache eine Auseinandersetzung über die mit der Widerklage verfolgten Ansprüche überflüssig, diese würden also durch den Vergleich erledigt. Zumindest mußte der Kläger den Schriftsatz so verstehen.
d) Die durch Vernehmung ihres damaligen Prozeßbevollmächtigten unter Beweis gestellte Behauptung der Beklagten, die Widerklage habe durch den Vergleich nicht erledigt werden sollen, ist unerheblich. Wie ausgeführt, ist für die Auslegung der objektive Inhalt des vom Gericht vorgeschlagenen Vergleichswortlauts von maßgeblicher Bedeutung. Die weder verbal noch sonst zum Ausdruck gekommene Vorstellung des Prozeßbevollmächtigten, eine Vereinbarung solle einen anderen Inhalt haben als den, der sich aus ihrem Wortlaut ergibt, erweist sich als unbeachtlicher innerer Vorbehalt (vgl. BFH 9. November 1961 – IV 73/59 U – BFHE 74, 240). Dies gilt auch dann, wenn der damalige Prozeßbevollmächtigte der Beklagten – wie von der Revisionsführerin in der Verhandlung vor dem Senat angedeutet – seine Absicht, die Widerklageansprüche weiter zu verfolgen, aus Gründen der “Prozeßtaktik” für sich behielt.
e) Der von den Parteien im Vergleich vereinbarte Ausschluß der Anrechenbarkeit bezieht sich auch auf die – von der Widerklage vom 9. August 1999 nicht erfaßten – zwischen dem 1. Juni 1999 und dem 30. September 1999 vom Kläger etwa erzielten Nebenverdienste. Zum einen haben die Parteien im Vergleich nicht nach Zeiträumen differenziert. Das zeigt, daß hinsichtlich der Vergütungsansprüche eine einheitliche Regelung getroffen werden sollte. Außerdem ergibt sich aus der Widerklageschrift vom 6. August 1999, daß die Beklagte zwar ihren Antrag bis zum 31. Mai 1999 begrenzt hatte, in der Begründung aber geltend machte, der Kläger übe ungenehmigte Nebentätigkeit ständig aus und schränke möglicherweise auch seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ein. Wenn im Vergleich dann der angeblich erzielte anderweitige Verdienst nicht mehr erwähnt, wohl aber die Anrechnung des Arbeitslosengeldes ausdrücklich berücksichtigt ist, so kann das nur bedeuten, daß die Parteien auf die von der Beklagten verlangte Anrechnung insgesamt nicht mehr zurückkommen wollten.
C. Über die durch die Widerklage verursachten Kosten einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens muß das Berufungsgericht im Schlußurteil entscheiden.
Unterschriften
Rost, Eylert, Schmitz-Scholemann, Bühler, K. Schierle
Fundstellen
Haufe-Index 949216 |
DB 2003, 2500 |
AP, 0 |
EzA-SD 2003, 15 |
EzA |