Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifauslegung. Begrenzung von Überbrückungsbeihilfe bei vorgezogenem Altersruhegeld. Begrenzung der Überbrückungsbeihilfe nach TV SozSich bis zum möglichen Bezug von vorgezogenem Altersruhegeld. Benachteiligung von Frauen?
Leitsatz (amtlich)
Nach § 8 Nr. 1 Buchst. c TV SozSich wird Überbrückungsbeihilfe nicht gezahlt für Zeiten nach Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die Voraussetzungen zum Bezug des vorgezogenen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt. Wenn eine Arbeitnehmerin mit der Vollendung ihres 60. Lebensjahres die Voraussetzungen eines vorgezogenen Altersruhegeldes nach § 237a SGB VI erfüllt, erlischt der Anspruch auf Zahlung der Überbrückungsbeihilfe, wobei unerheblich ist, ob die Arbeitnehmerin die Rente tatsächlich erhält oder beantragt hat.
Orientierungssatz
- Nach § 8 Nr. 1 Buchst. c TV SozSich wird Überbrückungsbeihilfe nicht gezahlt für Zeiten nach Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die Voraussetzungen zum Bezug des vorgezogenen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt.
- Wenn mit Vollendung des 60. Lebensjahres eine Arbeitnehmerin die sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Bezug eines vorgezogenen Altersruhegeldes nach § 237a SGB VI erfüllt, erlischt der Anspruch auf Zahlung der Überbrückungsbeihilfe. Hierbei ist unerheblich, ob die Arbeitnehmerin die Rente tatsächlich erhält oder beantragt hat.
- Die Regelung verstößt nicht gegen Art. 3 GG und das Diskriminierungsverbot des § 612 Abs. 3 BGB. Sie knüpft nicht an das Geschlecht an, sondern an die Möglichkeit, vorgezogenes Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu beziehen. Die unterschiedliche Behandlung ist durch objektive Faktoren gerechtfertigt, die nichts mit der Diskriminierung auf Grund des Geschlechts zu tun haben. Die Überbrückungsbeihilfe soll ihrem Zweck nach nur solange gewährt werden, wie sie für eine Wiedereingliederung der Arbeitnehmer in den Arbeitsprozess notwendig ist. Ab dem Bezug eines vorgezogenen Altersruhegeldes wird der Lebensunterhalt des ehemaligen Arbeitnehmers durch die gesetzliche Rentenversicherung gewährleistet.
- Frauen, die nach dem 31. Dezember 1939 geboren sind, können unter bestimmten Voraussetzungen ab Vollendung des 60. Lebensjahres gemäß § 237a SGB VI zwar nicht mehr die normale, ungekürzte Altersrente beanspruchen, aber bereits vorzeitig Altersruhegeld in Anspruch nehmen. Dass mit dieser Besserstellung (früherer Renteneintritt) auch Nachteile (geminderte Rentenhöhe) verbunden sind, beruht auf der Entscheidung des Gesetzgebers. Zur Kompensation dieser Nachteile sind die Tarifvertragsparteien im Rahmen der ihnen zustehenden Tarifautonomie nicht verpflichtet.
Normenkette
SGB VI § 237a; BGB § 612 Abs. 3, § 611a; GG Art. 3 Abs. 3 S. 1; EG Art. 139, 141
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Überbrückungsbeihilfe.
Die am 18. November 1943 geborene Klägerin war von Februar 1966 bis Juni 1994 bei den amerikanischen Stationierungsstreitkräften in H… beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand kraft Tarifgebundenheit der Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31. August 1971 (TV SozSich) Anwendung. Das Arbeitsverhältnis wurde wegen einer Personaleinschränkung iSv. § 2 Nr. 1 TV SozSich durch die Entlassung der Arbeitnehmerin beendet. Im Anschluss daran zahlte die Beklagte der Klägerin eine Überbrückungsbeihilfe in Höhe von zuletzt monatlich 1.662,52 Euro brutto. Die Beklagte stellte ihre Zahlung zum 30. November 2003 ein, da die Klägerin ab dem 18. November 2003 die Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente erfüllt. Die Beklagte berief sich dabei auf § 2 Nr. 2 Buchst d, § 8 Nr. 1 Buchst. c TV SozSich, in denen es heißt:
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Anspruchsvoraussetzungen
Anspruch auf Leistungen nach diesem Tarifvertrag haben Arbeitnehmer, die
…
2. im Zeitpunkt der Entlassung
…
d) die Voraussetzungen zum Bezug des Altersruhegeldes oder des vorgezogenen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfüllen, …
…
§ 8
Ausschluss der Zahlung und Rückforderung überzahlter Überbrückungsbeihilfen und Beitragszuschüsse
1. Überbrückungsbeihilfen und Beitragszuschuss werden nicht gezahlt für Zeiten,
a) …
b) …
c) nach Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die Voraussetzungen zum Bezug des vorgezogenen Altersruhegeldes oder der Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt
…”
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihr über den 30. November 2003 hinaus die Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich zu zahlen. Sinn und Zweck der Zahlung der Überbrückungsbeihilfe bestehe darin, ihren während eines langjährig durchgeführten Arbeitsverhältnisses entstandenen Lebensstandard aufrecht zu erhalten. Die Tarifvorschrift sei so auszulegen, dass auch bei einem früheren Altersrentenbezug ihr sozialer Status nicht gekürzt werden könne. Zudem benachteilige § 8 Nr. 1 Buchst. c TV SozSich Frauen. Die Vorschrift verstoße deshalb gegen Art. 3 GG und § 611a BGB.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin über den 30. November 2003 hinaus Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur Sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den US-Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die tariflichen Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Überbrückungsbeihilfe seien nicht mehr gegeben. § 8 Nr. 1 Buchst. c TV SozSich verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht. Die unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen folge aus den Vorschriften des SGB VI, die mit Art. 3 GG vereinbar seien.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage als unbegründet abgewiesen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der Überbrückungsbeihilfe über den 30. November 2003 hinaus. Der Anspruch ist gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. c TV SozSich erloschen.
Nach dieser Tarifbestimmung wird eine Überbrückungsbeihilfe nicht gezahlt für Zeiten, nach Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die Voraussetzungen zum Bezug des vorgezogenen Altersruhegeldes erfüllt. Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erfüllt die Klägerin seit der Vollendung ihres 60. Lebensjahres am 18. November 2003 die sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug der Altersrente für Frauen nach § 237a SGB VI. Der Anspruch auf Zahlung der Überbrückungsbeihilfe ist damit entfallen. Das Landesarbeitsgericht hat die Tarifbestimmung dahingehend ausgelegt, dass bereits die Möglichkeit des Bezugs der vorzeitigen Altersrente zum Wegfall des Überbrückungsbeihilfeanspruchs führt, unabhängig von der Höhe und davon, ob die Klägerin die Rente tatsächlich erhält oder beantragt hat. Diese Auslegung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
1. Die Auslegung eines Tarifvertrags durch das Berufungsgericht ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen (BAG 22. Oktober 2002 – 3 AZR 664/01 – AP TVG § 1 Auslegung Nr. 185, zu II 1a der Gründe). Sein normativer Teil ist nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln auszulegen. Zunächst ist vom Tarifwortlaut auszugehen. Zu ermitteln ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne an den Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist jedoch der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Zweck der Tarifnormen zu berücksichtigen, sofern und soweit dieser Wille in den Tarifnormen seinen Niederschlag gefunden hat. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, weil häufig nur aus ihm und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und nur bei Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Sinn und Zweck zutreffend ermittelt werden kann (st. Rspr. BAG vgl. 28. Mai 1998 – 6 AZR 349/96 – AP BGB § 611 Bühnenengagementsvertrag Nr. 52 = EzA TVG § 4 Bühnen Nr. 5, zu II 2a der Gründe). Noch verbleibende Zweifel können ohne Bindung an eine Reihenfolge mittels weiterer Kriterien wie der Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch der praktischen Tarifübung geklärt werden. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 5. Oktober 1999 – 4 AZR 578/98 – AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 15 = EzA TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 8).
2. § 8 Nr. 1 Buchst. c 1. Alt. TV SozSich knüpft nach seinem Wortlaut an die “Voraussetzungen zum Bezug des vorgezogenen Altersruhegeldes”, nicht aber an die tatsächliche Inanspruchnahme oder die Höhe des Altersruhegeldes an. Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung unterscheidet zwischen dem Stammrecht (Grundanspruch, Gesamtanspruch) und dem Recht auf die jeweils fällig werdenden Einzelleistungen. Das Stammrecht auf die Rente entsteht unabhängig von einer Antragsstellung des Berechtigten in dem Zeitpunkt, in dem alle materiellen Voraussetzungen für eine Rentenberechtigung vorliegen. Dieser Zeitpunkt ist auch nach dem Wortlaut des § 8 Nr. 1 Buchst. c TV SozSich maßgeblich; es ist nicht entscheidend, ob der Berechtigte das vorgezogene Altersruhegeld in Anspruch nimmt oder wenigstens beantragt hat (BAG 30. März 2000 – 6 AZR 645/98 – AP TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 33 = EzA TVG § 4 Stationierungsstreitkräfte Nr. 7; 1. Juni 1995 – 6 AZR 926/94 – BAGE 80, 158, 162). Die Vorschrift knüpft an das Vorliegen der Voraussetzungen für den Bezug des vorgezogenen Altersruhegeldes unabhängig von einer bestimmten Höhe an, denn sie setzt nach ihrem Wortlaut kein “unvermindertes Altersruhegeld” oder ein “Altersruhegeld ohne Rentenabschläge” voraus. Sie spricht nur von einem “vorgezogenem Altersruhegeld” und räumt dem Berechtigten kein Recht ein, zwischen der Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes oder der Fortzahlung der Überbrückungsbeihilfe bis zur Inanspruchnahme des regulären Altersruhegeldes zu wählen. Die Tarifvertragsparteien waren sich bewusst, dass der Bezug einer Altersrente stets mit einer Absenkung des Einkommens verbunden ist (BAG 10. Juli 2003 – 6 AZR 289/02 –; 30. März 2000 – 6 AZR 645/98 – aaO; 1. Juni 1995 – 6 AZR 926/94 – aaO). Dennoch schlossen sie den Anspruch auf Zahlung der Überbrückungsbeihilfe bei Vorliegen der Voraussetzungen für den Bezug des vorgezogenen Altersruhegeldes aus.
Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Bei einer Überbrückungsbeihilfe handelt es sich um eine außergewöhnliche, im Arbeitsleben wenig verbreitete Sonderleistung, durch die ein während eines Arbeitsverhältnisses oder der Arbeitslosigkeit auftretender Bedarf älterer Arbeitnehmer oder Arbeitsloser überbrückt, nicht aber ein nach Beendigung des Erwerbslebens zustehendes, als unzureichend empfundenes Altersruhegeld ergänzt werden soll (BAG 1. Juni 1995 – 6 AZR 926/94 – aaO). Trotz unterschiedlicher Rentenarten und möglicherweise unterschiedlicher Rentenhöhen haben die Tarifvertragsparteien den Ausschluss des Anspruchs auf Überbrückungsbeihilfe typisierend an die Berechtigung zum Bezug eines vorgezogenen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung geknüpft. Die Änderungen im gesetzlichen Rentensystem nahmen sie nicht zum Anlass, den Tarifvertrag zu ändern. Die Überbrückungsbeihilfe soll nach dem Willen der Tarifvertragsparteien dem Arbeitnehmer bis zur Wiedereingliederung bzw. dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben einen angemessenen Lebensunterhalt sichern. Sie soll für einen begrenzten Zeitraum die Überbrückung der Nachteile ermöglichen, die sich aus einem geringeren oder veränderten Erwerb ergeben. Nach § 3 Nr. 1 TV SozSich soll der Arbeitnehmer möglichst sofort wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert werden. Erfüllt er die Voraussetzungen für den Bezug eines vorgezogenen Altersruhegeldes, besteht kein Bedürfnis für die Zahlung der Überbrückungsbeihilfe zur Unterstützung der Wiedereingliederung in das Erwerbsleben. Soweit eine ausreichende Versorgung durch die gesetzliche Rente auf Grund etwaiger Rentenminderungen nicht besteht, ist die daraus entstehende Unterversorgung mit anderen Mitteln als der vom Arbeitgeber zu zahlenden Überbrückungsbeihilfe auszugleichen (BAG 10. Juli 2003 – 6 AZR 289/02 –; 30. März 2000 – 6 AZR 645/98 – AP TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 33 = EzA TVG § 4 Stationierungsstreitkräfte Nr. 7; 1. Juni 1995 – 6 AZR 926/94 – BAGE 80, 158, 162 f.).
3. § 8 Nr. 1 Buchst. c 1. Alt. TV SozSich verstößt nicht gegen das Benachteiligungsverbot des § 612 Abs. 3 BGB.
a) Das Benachteiligungsverbot wendet sich nicht nur an Behörden. Es erstreckt sich auch auf alle Tarifverträge, die die abhängige Erwerbstätigkeit kollektiv regeln und auf alle Verträge zwischen Privatpersonen (EuGH 27. Juni 1990 – C-33/89 – EuGHE I 1990, 2591). Die in Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie hat in Art. 139 EG gemeinschaftsrechtliche Anerkennung erfahren. Dies führt aber nicht dazu, dass tarifliche Regelungen, die gegen tragende Grundsätze des Gemeinschaftsrechts verstoßen – wie gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz – einer Überprüfung der nationalen Gerichte entzogen sind. § 612 Abs. 3 BGB setzt das in Art. 141 EG verankerte Entgeltgleichheitsgebot in nationales Recht um und ist somit grundsätzlich der vorrangige Prüfungsmaßstab für geschlechtsbedingte Entgeltunterschiede (BAG 20. November 1996 – 5 AZR 401/95 – AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 133 = EzA BGB § 612 Nr. 19; ErfK/Preis 6. Aufl. § 612 BGB Rn. 46 mwN). Das von der Revision gerügte allgemeine geschlechtsbezogene Benachteiligungsverbot des § 611a BGB tritt hinter das spezielle Benachteiligungsverbot in Entgeltfragen des § 612 Abs. 3 BGB zurück (vgl. ErfK/Schlachter § 611a BGB Rn. 5).
b) Gemäß § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB darf bei einem Arbeitsverhältnis für gleiche oder gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts des Arbeitnehmers eine geringere Vergütung vereinbart werden, als bei einem Arbeitnehmer des anderen Geschlechts.
Der Begriff der Vergütung entspricht dem in Art. 141 EG geregelten Entgelt, dh. Vergütung sind alle Leistungen, die der Arbeitgeber auf Grund des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar gewährt, unabhängig davon, ob sie im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen (EuGH 21. Oktober 1999 – C-333/97 – [Lewen] EuGHE I 1990, 7243; Übersicht bei ErfK/Preis § 612 BGB Rn. 51). Auf Grund des Arbeitsverhältnisses gewährte Leistungen sind auch dann ein Entgelt in diesem Sinne, wenn der Arbeitgeber mit ihnen soziale Zwecke verfolgt und die Leistungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt werden. Ein dem Arbeitnehmer beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gewährtes Übergangsgeld fällt grundsätzlich unter den Begriff des Entgelts iSd. § 612 Abs. 3 BGB. Es stellt eine Art aufgeschobenes Entgelt dar, auf das der Arbeitnehmer auf Grund seines Arbeitsverhältnisses Anspruch hat, das ihm aber erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird, um ihm die Anpassung an die dadurch entstandenen neuen Umstände zu erleichtern (EuGH 27. Juni 1990 – C-33/89 – EuGHE I 1990, 2591).
Ein geringeres Entgelt darf weder unmittelbar noch mittelbar auf Grund des Geschlechts gezahlt werden (BAG 14. März 1989 – 3 AZR 490/87 – BAGE 61, 226). Eine unzulässige mittelbare Diskriminierung liegt nach Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 97/80/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Beweislast bei Diskriminierung auf Grund des Geschlechts (ABI. EG Nr. L 14 vom 20. Januar 1998 S. 6) vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren einen wesentlich höheren Anteil der Angehörigen eines Geschlechts benachteiligen, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind angemessen und notwendig und durch nicht auf das Geschlecht bezogene sachliche Gründe gerechtfertigt. Eine geschlechtsbedingte Entgeltbenachteiligung liegt demnach vor, wenn sich die Entgelthöhe nach Merkmalen bestimmt, die von Arbeitnehmern eines Geschlechts tatsächlich wesentlich seltener erfüllt werden als von Arbeitnehmern des anderen Geschlechts, ohne dass die Verwendung dieser Merkmale durch ein wesentliches unternehmerisches oder sozialpolitisches Bedürfnis gerechtfertig wäre (EuGH 26. September 2000 – C-322/98 – [Kachelmann] EuGHE I 2000, 7505, 7514, zu Nr. 29; BAG 5. März 1997 – 7 AZR 581/92 – BAGE 85, 224, 229). Schon nach der früheren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH 13. Mai 1986 – Rs 170/84 – EuGHE 1986, 1607), der sich das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat (BAG 23. September 1992 – 4 AZR 30/92 – BAGE 71, 195 mwN), kann sich eine nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Lohngleichheit verbotene Benachteiligung der Angehörigen eines Geschlechts daraus ergeben, dass eine Regelung oder eine Maßnahme des Arbeitgebers zwar sowohl Männer als auch Frauen nachteilig betrifft, sich unter den Benachteiligten aber – im Vergleich zur Gesamtheit der betroffenen Arbeitnehmer – wesentlich mehr Angehörige eines Geschlechts befinden. Das Vorliegen einer mittelbaren Benachteiligung wird durch den statistischen Vergleich zweier Gruppen festgestellt.
c) Die Klägerin wird durch die Ausschlussnorm des § 8 Nr. 1 Buchst. c 1. Alt. TV SozSich nicht wegen ihres Geschlechts in unzulässiger Weise benachteiligt.
aa) Die Überbrückungsbeihilfe nach § 4 TV SozSich stellt zwar ein Übergangsgeld und damit ein Entgelt im Sinne der vorstehend zu b) genannten Definition dar. Der Ausschlusstatbestand des § 8 Nr. 1 Buchst c TV SozSich trifft dementsprechend eine Entgeltregelung nach § 612 Abs. 3 BGB, für die das spezielle Gleichbehandlungsgebot in Entgeltfragen gilt.
bb) Die Anwendung des § 8 Nr. 1 Buchst. c 1. Alt. TV SozSich dürfte auch zu einer mittelbaren Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen führen. Die Regelung knüpft nach ihrem Wortlaut nicht unmittelbar an das Geschlecht der Arbeitnehmer, sondern an die Voraussetzungen für den Bezug eines vorgezogenen gesetzlichen Altersruhegeldes an. Sie ist geschlechtsneutral formuliert und differenziert hinsichtlich der Zahlung der Überbrückungsbeihilfe nicht zwischen Frauen und Männern. Die Regelung stellt darauf ab, ob die Voraussetzungen für den Bezug eines vorzeitigen Altersruhegeldes vorliegen oder nicht. Sie erfasst neben der vorzeitigen Altersrente für Frauen nach § 237a SGB VI weitere vorzeitige Altersrenten, die zum Ausschluss der Überbrückungsbeihilfe führen. Während § 237a SGB VI nur Frauen die Möglichkeit der vorgezogenen Inanspruchnahme der Altersrente bietet, erfassen die anderen anspruchsausschließenden Rententatbestände Frauen und Männer. Der von der Klägerin geltend gemachte Nachteil ergibt sich somit mittelbar aus den rentenrechtlichen Bestimmungen. Statistisch dürften Frauen dabei wesentlich häufiger betroffen sein als Männer.
cc) Diese Differenzierung verstößt jedoch nicht gegen das Entgeltbenachteiligungsverbot des § 612 Abs. 3 BGB. Sie ist sachgerecht, weil der die Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich kennzeichnende sozialpolitische Überbrückungszweck lediglich bis zum Eintritt der Rentenberechtigung fortbesteht. Die Überbrückungsbeihilfe soll die Wiedereingliederung der aus den nach § 2 Nr. 1 TV SozSich genannten Gründen entlassenen Arbeitnehmer unterstützen. Sie dient dazu, diesen Arbeitnehmern für einen Übergangszeitraum laufende Einkünfte nach einer Bemessungsgrundlage zu gewährleisten, die auf die tarifvertragliche Grundvergütung Bezug nimmt. Nach ihrem Zweck soll die Überbrückungsbeihilfe nur solange gewährt werden, wie sie für eine Wiedereingliederung des Arbeitnehmers in den Arbeitsprozess notwendig ist (vgl. BAG 30. März 2000 – 6 AZR 645/98 – AP TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 33 = EzA TVG § 4 Stationierungsstreitkräfte Nr. 7; 1. Juni 1995 – 6 AZR 926/94 – aaO). Hieran fehlt es jedoch, wenn der Arbeitnehmer die Voraussetzungen für den Bezug eines vorgezogenen Altersruhegeldes erwirbt. Den Tarifvertragsparteien steht es im Rahmen ihrer Tarifautonomie frei, Ansprüche auf Zahlung einer Überbrückungsbeihilfe davon abhängig zu machen, ob eine Wiedereingliederung des Arbeitnehmers in den Arbeitsprozess notwendig ist, oder auf Grund der Möglichkeit des Bezugs eines vorgezogenen Altersruhegeldes und der damit verbundenen Sicherung des Lebensunterhalts von der Zahlung einer Überbrückungsbeihilfe abzusehen. Dementsprechend ist es in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, dass Leistungen, die einen sozialen Bezug aufweisen und Risiken des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt ausgleichen sollen, zulässigerweise dann entfallen können, wenn der ehemalige Arbeitnehmer zum Bezug eines Altersruhegeldes berechtigt ist (BAG 31. Juli 1996 – 10 AZR 45/96 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 103 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 86; 18. November 2003 – 9 AZR 122/03 – BAGE 108, 333, 343 mwN). Derartige Leistungen knüpfen an den Umstand an, dass mit der Möglichkeit des Bezugs einer vorgezogenen oder regulären Altersrente, das Bedürfnis für die Unterstützung der Wiedereingliederung entfallen ist. Dass mit der Besserstellung der Arbeitnehmer (früherer Renteneintritt) auch Nachteile (geminderte Rentenhöhe) verbunden sind, beruht auf der Entscheidung des Gesetzgebers, zu deren Kompensation die Tarifvertragsparteien im Rahmen der ihnen zustehenden Tarifautonomie nicht verpflichtet sind. Die unterschiedliche Behandlung weiblicher und männlicher Versicherter hinsichtlich der Altersgrenze für den Bezug des Altersruhegeldes beruht auf einer typisierenden Betrachtsweise des Gesetzgebers. Sie stellt keine durch das europäische Gemeinschaftsrecht verbotene Diskriminierung dar (EuGH 16. Februar 1982 – RS 19/81 – EuGHE 1982, 555) und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG 28. Januar 1987 – 1 BvR 455/82 – BVerfGE 74, 163).
4. Aus den dargestellten Gründen verstößt der Ausschluss der Überbrückungsbeihilfe bei Vorliegen der Voraussetzungen eines vorgezogenen Altersruhegeldes nach § 8 Nr. 1 Buchst. c 1. Alt. TV SozSich auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot wegen des Geschlechts nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG.
a) Gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. GG darf niemand wegen seines Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt werden. Tarifvertragsparteien haben bei der tariflichen Normsetzung dieses Verbot der Diskriminierung zu beachten. Zwar sind sie als Vereinigungen des privaten Rechts keine Grundrechtsadressaten iSd. Art. 1 Abs. 3 GG und nicht unmittelbar an Art. 3 Abs. 3 GG gebunden, ihre Bindung folgt aber aus der Schutzfunktion der Grundrechte, die Gesetzgebung und Rechtsprechung dazu verpflichtet, die Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien in einer Weise zu begrenzen, dass sachwidrige oder diskriminierende Differenzierungen weder unmittelbar noch mittelbar wirksam werden können (BAG 27. Mai 2004 – 6 AZR 129/03 – BAGE 111, 8; 24. Juni 2004 – 6 AZR 389/03 – AP BAT § 34 Nr. 10).
b) Die Differenzierung nach § 8 Nr. 1 Buchst. c TV SozSich ist angemessen und notwendig sowie auf Grund eines sachlichen Grundes gerechtfertigt. Die Überbrückungsbeihilfe soll nach ihrem Zweck nur solange gewährt werden, wie sie für eine Wiedereingliederung der Arbeitnehmer in den Arbeitsprozess notwendig ist (vgl. BAG 30. März 2000 – 6 AZR 645/98 – AP TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 33 = EzA TVG § 4 Stationierungsstreitkräfte Nr. 7 mwN). Der Anspruch wird durch die Berechtigung zum Bezug eines vorgezogenen Altersruhegeldes ausgeschlossen, da der Lebensunterhalt des ehemaligen Arbeitnehmers ab diesem Zeitpunkt durch die gesetzliche Rentenversicherung gewährleistet wird. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen unter 3c cc verwiesen.
Unterschriften
Fischermeier, Dr. Armbrüster, Koch, Augat
RiBAG Prof. Dr. Friedrich ist wegen Urlaubs verhindert, seine Unterschrift beizufügen.
Fischermeier
Fundstellen
Haufe-Index 1585546 |
BAGE 2007, 196 |
BB 2006, 2588 |
DB 2006, 2693 |
NWB 2006, 4465 |
FA 2006, 224 |
NZA 2007, 103 |
SAE 2006, 134 |
ZAP 2007, 68 |
EzA-SD 2006, 16 |
EzA-SD 2006, 3 |
EzA |
AUR 2006, 415 |
ArbRB 2006, 161 |