Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung eines Anzeigensachbearbeiters
Leitsatz (redaktionell)
1. § 2 Tarifvertrag über Einführung und Anwendung rechnergesteuerter Textsysteme für die Druckindustrie und Zeitungsverlage in der Bundesrepublik Deutschland vom 20. März 1978 (RTS-Tarifvertrag) enthält eine abschließende Zusammenstellung von Gestaltungs- und Korrekturarbeiten im rechnergesteuerten Textsystem. In der Tarifnorm nicht genannte Tätigkeiten werden davon nicht erfaßt.
2. Eine allgemeingültige branchenspezifische Differenzierung zwischen "standardisierten Anzeigen" und "nichtstandardisierten Anzeigen" besteht nicht. Daher sind diese Begriffe nach dem allgemeinen Sprachgebrauch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des RTS-Tarifvertrages abzugrenzen. Hiernach sind "standardisierte Anzeigen" nur die im Fließsatz hergestellten. Alle sonstigen sind als "nichtstandardisierte Anzeigen" im Sinne von § 2 Abs 1 Buchst a RTS-Tarifvertrag anzusehen.
Normenkette
TVG § 1
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 20.03.1985; Aktenzeichen 2 Sa 140/84) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 03.10.1983; Aktenzeichen 3 Ca 562/83) |
Tatbestand
Der Kläger ist seit mehreren Jahren bei der Beklagten beschäftigt, die einen Zeitungsverlag betreibt. Beide Parteien gehören den tarifschließenden Verbänden für die Verlage von Tageszeitungen in Nordrhein-Westfalen an.
Der Kläger war ursprünglich Maschinensetzer. Nach Einführung des rechnergesteuerten Textsystems in der Anzeigenherstellung der Beklagten wird der Kläger als Anzeigensachbearbeiter in der Arbeitsgruppe Auftragseingabe der Abteilung Anzeigenherstellung beschäftigt.
Die Abteilung Anzeigenherstellung ist zuständig für die Fertigung reproduktionsfähiger Anzeigenvorlagen entsprechend vorgegebener Anzeigenaufträge. Die Abteilung besteht aus den Arbeitsgruppen Auftragssteuerung, Auftragsbearbeitung, Auftragseingabe und Anzeigengestaltung.
Die Arbeitsgruppe Auftragssteuerung ist für die Anzeigenherstellung insgesamt verantwortlich. Sie koordiniert die verschiedenen Herstellungsprozesse und hat die Endkontrolle der hergestellten Anzeigen vorzunehmen. In der Arbeitsgruppe Auftragsbearbeitung werden die eingehenden Anzeigenaufträge nach Terminen, Ausgaben, Rubriken und typografischen bzw. grafischen Kriterien sortiert und eingeordnet. Die Anzeigenmanuskripte werden dann zur Auftragseingabe weitergeleitet. Die Auftragsbearbeitung hat ferner die terminliche und sachgerechte Zusammenführung von erfaßten Manuskripten, Korrekturbelegen, Reprovorlagen und Satzbelichtungen zu erledigen.
In der Arbeitsgruppe Auftragseingabe nimmt die Gruppenleitung die Anzeigenaufträge von der Auftragsbearbeitung entgegen und verteilt sie auf die einzelnen Arbeitsplätze. In dieser Arbeitsgruppe arbeitet der Kläger an seinem Arbeitsplatz mit einem Harris-Bildschirmgerät H-1720. Zu seinen Aufgaben gehört es, mit Hilfe einer Tastatur die ihm vorgelegten Anzeigenmanuskripte in der für die Produktion maßgebenden Form einzugeben. Dazu enthält das dem Kläger vorgelegte Manuskript in der Regel keine besonderen Angaben. Gelegentlich wird auf ein bei der Beklagten existierendes Anzeigen-Musterbuch ausdrücklich Bezug genommen. Die Eingabetätigkeit des Klägers beginnt mit dem Systemaufruf einer Auftragsmaske zur formatierten Dateneingabe. In die Maskenfelder werden die Steuerdaten eingeschrieben wie Ausgabe, Rubrik und Erscheinungsdatum. Danach wird der Anzeigentext aus dem Manuskript unter Verwendung typisierter Satzformate abgeschrieben, die der Kläger auswählt. Es handelt sich hierbei entweder um sogenannte Makroaufrufe (Befehlsketten) anhand von Formatbefehlen (Satzformat einschließlich Satzbreite, Schriftart und Schriftgröße) oder um einzelne Satzbefehle (Einzüge, Vorschübe, Schriftart, Schriftgröße usw.). Bei umfangreichen Texten mit tabellarischen Satzteilen (z. B. amtlichen Bekanntmachungen) hat der Kläger zusätzlich die horizontale Raumaufteilung zu errechnen. Auf dem vom Kläger bedienten Bildschirm erscheint die Anzeige nicht in ihrer späteren Gestaltung, so daß insoweit eine visuelle Kontrolle des Endprodukts nicht möglich ist. Nach Abschluß der Eingabe werden die eingegebenen Daten mit einem Systembefehl zum Rechner übertragen und dort gespeichert. Anschließend wird mit einem Druckbefehl ein Korrekturausdruck hergestellt, der im Korrektorat der Beklagten überprüft wird. Werden dort Fehler gefunden, so wird der Ausdruck zur Berichtigung an den Kläger geleitet.
Die Abteilung Anzeigenherstellung der Beklagten teilt die Anzeigenaufträge der Kunden betriebsintern in fünf Fertigungstypen ein:
1. Anzeigen im Fließsatz (Wortanzeigen)
2. Standardisierte Anzeigen, die im System
(RTS) komplett hergestellt werden können.
3. Teilweise standardisierte Anzeigen und
Einzelmontage, d. h. die Anzeigen können
nicht komplett im rechnergesteuerten
Textsystem hergestellt werden, etwa weil
Firmensymbole zu verwenden sind.
4. Nichtstandardisierte Anzeigen, die an dem
Gestaltungsbildschirm des Harris 2215 er-
stellt werden.
5. Anzeigen, die als Reprovorlagen eingehen.
Der Kläger ist mit der Herstellung von Anzeigen der Fertigungstypen 1) bis 3) befaßt. Bei Aufträgen bezüglich des Fertigungstyps 3) spart er den Flächenbedarf für Firmenzeichen oder -symbole aus, die später in der Arbeitsgruppe Anzeigengestaltung ergänzt werden. Hinsichtlich der Fertigungstypen 4) und 5) gibt der Kläger nur den Text ein. Die Gestaltung der Anzeige wird dann am Bildschirmgerät Harris 2215 in der Arbeitsgruppe Anzeigengestaltung vorgenommen. Anzeigen des Fertigungstyps 1) nehmen nur einen geringen Teil der Arbeitszeit des Klägers in Anspruch. Welcher Teil der Arbeitszeit des Klägers auf die Herstellung von Anzeigen der Fertigungstypen 2) und 3) entfällt, ist zwischen den Parteien streitig.
Der Kläger erhält Vergütung nach Gruppe A 4 des Gehaltstarifvertrags für Angestellte in Zeitungsverlagen in Nordrhein- Westfalen.
Mit der Klage begehrt der Kläger für die Zeit ab 1. Januar 1983 Gehalt nach der Gruppe A 5 des Gehaltstarifvertrags. Dazu hat der Kläger vorgetragen, er erfülle ein Tätigkeitsbeispiel der Gehaltsgruppe A 5, da er Tätigkeiten gemäß § 2 Abs. 1 des RTS- Tarifvertrags ausübe. Denn er führe im rechnergesteuerten Textsystem Gestaltungsarbeiten aus, indem er im Sinne von § 2 Abs. 1 Buchst. a) RTS-Tarifvertrag nichtstandardisierte Anzeigen gestalte. Die von ihm zu bearbeitenden Anzeigenaufträge machten eine freie, in seinem Ermessen stehende Gestaltung erforderlich. Er lege in dem vom Kunden gewählten und bezahlten Rahmen den groben Aufbau der Anzeige fest. Anschließend müsse er etwaige vom Kunden vorgegebene Klischees oder Firmenzeichen von der Anzeigengröße abziehen und den hiernach verbleibenden Raum mit Hilfe von Makro- und Einzelbefehlen so aufteilen, daß die Anzeige in ihrer Gesamtheit ein Bild ergebe. Dazu lege er - passend zu etwa vorgegebenen Zeichen - Schriftart und Schriftgröße, Zeilenabstand, Links- oder Rechtsbündigkeit und das Zeilenende durch Formatbefehle fest. Auch dann, wenn er Makrobefehle verwende, müsse er regelmäßig korrigierend eingreifen, z. B. wenn eine Schlagzeile überlaufe. 70 v.H. seiner Tätigkeit entfielen auf die produktionsreife Herstellung von Anzeigen der Fertigungstypen 2) und 3), 30 v.H. seiner Tätigkeit beständen in der Zuarbeit für die Arbeitsgruppe Anzeigengestaltung. Aufgrund seiner besonderen Fachkenntnisse erfülle er auch die allgemeinen Voraussetzungen der Gehaltsgruppe A 5. Die Gehaltsdifferenz zwischen der Gehaltsgruppe A 4 und der Gehaltsgruppe A 5 betrage für die Monate Januar bis April 1983 je DM 115,-- brutto und damit insgesamt DM 460,-- brutto, auf die sich der Klageantrag zu 2) beziehe. Die Grundvergütung der Gehaltsgruppe A 5 betrage für ihn DM 2.728,-- brutto monatlich.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, ihn ab
1. Januar 1983 in die Gehaltsgruppe
A 5 des Gehaltstarifvertrags für Zei-
tungsverlage in Nordrhein-Westfalen
einzugruppieren und entsprechend zu
vergüten,
2. hilfsweise die Beklagte zu verurtei-
len, an ihn DM 460,-- brutto nebst
4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu
zahlen, sowie ihn ab dem 30. April
1983 monatlich entsprechend der Ge-
haltsgruppe A 5 Stufe 3 in Höhe von
DM 2.728,-- zu vergüten.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie meint, der Klageantrag zu 1) sei unzulässig, weil er nicht bestimmt genug sei. Im übrigen hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger sei zutreffend in die Gehaltsgruppe A 4 eingruppiert. Ihm obliege keine Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 RTS-Tarifvertrag. Er sei nicht mit der Gestaltung nichtstandardisierter Anzeigen befaßt. Nichtstandardisierte Anzeigen seien nur solche, die nach den individuellen Wünschen der Kunden bearbeitet würden, ohne daß dabei auf ein wiederholt verwendetes, vereinheitlichtes Grundmuster zurückgegriffen werden könne. Es dürfe also eine Gestaltung von Anzeigen im rechnergesteuerten Textsystem nicht über den Rückgriff auf eine in sich geschlossene Satzbefehlskette und die Festlegung der in dieser Befehlskette vereinbarten Satzparameter (Schriftgrad, Schriftart, Satzbreite, Satzhöhe usw.) möglich sein. Eine solche eigene kreative, Form oder Inhalt der Anzeige unmittelbar beeinflussende Einwirkung werde vom Kläger aber nicht gefordert. Auch bei der Herstellung der Anzeigen der Fertigungstypen 2) und 3) handele es sich nicht um nichtstandardisierte, sondern um standardisierte Anzeigen. In diesem Bereich sei das "Musterbuch - Standardisierte Anzeigengestaltung" Grundlage der Anzeigenherstellung. Das Musterbuch enthalte die Modalitäten der Gestaltung von standardisierten Anzeigen. Die darin enthaltenen Richtlinien seien für die Anzeigenherstellung auch dann gültig und verbindlich, wenn im Anzeigenauftrag nicht auf einen besonderen Anzeigentyp des Musterbuchs Bezug genommen werde. Jede rubrizierte Anzeige unterliege den Richtlinien des Musterbuchs. Der Rubrikenschlüssel sei in diesen Anzeigenaufträgen in jedem Falle genannt. Auch wenn in der Praxis auf das Musterbuch nur selten Bezug genommen werde, weil bei den damit befaßten Mitarbeitern Routine eingetreten sei, ändere dies nichts am Charakter des Fertigungstyps dieser Anzeigen. Lediglich im Rahmen der Anzeigen des Fertigungstyps 3) seien nichtstandardisierte Anzeigen herzustellen, etwa bei Bekanntmachungen, für die kein unbedingter Gestaltungsstandard bestehe. Jedoch entfielen nur ein Drittel der Aufträge des Fertigungstyps 3) auf nichtstandardisierte Anzeigen. Im übrigen sei der Kläger nicht während 70 v.H. seiner Arbeitszeit mit Arbeiten an den Fertigungstypen 2) und 3) beschäftigt. Vielmehr bestehe die Tätigkeit des Klägers weit überwiegend in reiner Texterfassung. Auch die allgemeinen Merkmale der Gehaltsgruppe A 5 des Gehaltstarifvertrags würden vom Kläger nicht erfüllt.
Das Arbeitsgericht hat nach dem Hauptantrag des Klägers erkannt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden. Denn bei der Herstellung der Anzeigen der Fertigungstypen 2) und 3) gestaltet der Kläger entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts "nichtstandardisierte Anzeigen" im Sinne von § 2 Abs. 1 RTS-TV. Wenn diese Tätigkeit den überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit in Anspruch nimmt, ist er in Gruppe A 5 des Gehaltstarifvertrags eingruppiert. Dies wird das Landesarbeitsgericht noch aufzuklären haben.
Die Klage ist zulässig. Bei dem Hauptantrag handelt es sich nach seinem Wortlaut zwar um einen unbestimmten Leistungsantrag, weil das Gehalt, zu dessen Zahlung die Beklagte verurteilt werden soll, nicht beziffert ist, so daß aus dem Urteil insoweit nicht vollstreckt werden könnte. Nach dem gesamten Klagevorbringen ist aber mit dem Landesarbeitsgericht davon auszugehen, daß der Kläger in Wahrheit eine der auch in der Privatwirtschaft zulässigen und jetzt allgemein üblichen Eingruppierungsfeststellungsklagen hat erheben wollen, mit der er die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten begehrt, an ihn ab 1. Januar 1983 Vergütung nach Gruppe A 5 des Gehaltstarifvertrags zu zahlen (vgl. BAG 29, 416, 418 = AP Nr. 3 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG Urteil vom 20. Juni 1984 - 4 AZR 208/82 -, AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel). Der Kläger kann insoweit nicht auf den Weg der Leistungsklage verwiesen werden, da er die Höhe seiner künftigen Gehaltsansprüche, die vom Klageantrag zu 1) mitumfaßt werden, ziffernmäßig nicht bestimmen kann (BAG Urteil vom 20. Juni 1984, aaO).
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden der Tarifvertrag über Einführung und Anwendung rechnergesteuerter Textsysteme vom 20. März 1978 (RTS-TV) und der Gehaltstarifvertrag für die Verlage von Tageszeitungen in Nordrhein-Westfalen vom 1. Juni 1983 (GTV) kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Der Kläger übt im tariflichen Sinne eine Angestelltentätigkeit aus, da er im rechnergesteuerten Textsystem beschäftigt wird (§ 11 Abs. 1 Unterabs. 1 RTS-TV). Infolgedessen ist für seine Vergütung der GTV maßgebend. Danach ist für die Eingruppierung der Angestellten die tatsächlich verrichtete und überwiegend ausgeübte Tätigkeit maßgebend, wobei sich die Eingruppierung nach den Tätigkeitsmerkmalen der Gehaltsgruppe richtet und die Beispiele zu den Gehaltsgruppen nicht erschöpfend sind (B I Nr. 4 Abs. 1 GTV). Für die Eingruppierung des Klägers sind demgemäß folgende Merkmale der Gehaltsgruppeneinteilung (B II GTV) heranzuziehen:
Gruppe A 3
----------
Angestellte, die Tätigkeiten nach Anweisung ver-
richten, zu deren Erledigung Fertigkeiten oder
Kenntnisse erforderlich sind, die in der Regel
durch eine abgeschlossene Ausbildung, eine An-
lernzeit oder entsprechende längere Berufserfah-
rung erworben werden.
Tätigkeitsbeispiele:
--------------------
...
Texterfassung im rechnergesteuerten Textsystem
...
Gruppe A 4
----------
Angestellte, die schwierigere Tätigkeiten nach
allgemeinen Anweisungen verrichten, zu deren
Erledigung eine abgeschlossene entsprechende
Berufsausbildung und erweiterte Kenntnisse oder
mehrjährige Berufserfahrung erforderlich sind.
Tätigkeitsbeispiele:
--------------------
...
Sachbearbeiter im Anzeigenbereich (z. B. Be-
raten von Anzeigenkunden, Bearbeiten und Ab-
wickeln von Anzeigenaufträgen)
...
Telefonische Anzeigenaufnahme mit weitergehen-
der Sachbearbeitung oder RTS (ausgenommen
Fließsatz)
...
Gruppe A 5
----------
Angestellte, die schwierigere Tätigkeiten nach
allgemeinen Anweisungen verrichten, zu deren
Erledigung Spezial- oder besondere Fachkennt-
nisse erforderlich sind.
Tätigkeitsbeispiele:
--------------------
...
Tätigkeiten gemäß § 2 (1) des Tarifvertrages
über Einführung und Anwendung rechnergesteuer-
ter Textsysteme (RTS-Tarifvertrag)
...
Der in Bezug genommene § 2 Abs. 1 RTS-TV lautet:
Im rechnergesteuerten Textsystem werden Ge-
staltungs- und Korrekturarbeiten, d. h.
a) Gestaltung nichtstandardisierter Anzei-
gen,
b) Anzeigenseitenumbruch,
c) Anzeigenseitenschlußkorrektur,
d) Bildschirmkorrektur, jedoch mit Ausnahme
der mit dem Redigieren verbundenen Kor-
rekturvorgänge,
e) Textseitenumbruch
für einen Zeitraum von acht Jahren nach Um-
stellung der jeweiligen Tätigkeit durch ge-
eignete Fachkräfte der Druckindustrie, insbe-
sondere Schriftsetzer, ausgeübt.
Werden - wie vorliegend - allgemein gefaßten Tätigkeitsmerkmalen konkrete Beispiele beigefügt, sind die Erfordernisse der Vergütungsmerkmale regelmäßig dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer eine den Beispielen entsprechende Tätigkeit auszuüben hat (BAG 45, 121 = AP Nr. 134 zu § 1 TVG Auslegung). Der Kläger hat sich insoweit darauf berufen, daß er das Tätigkeitsbeispiel "Tätigkeiten gemäß § 2 (1) des Tarifvertrages über Einführung und Anwendung rechnergesteuerter Textsysteme (RTS-Tarifvertrag)" der Gruppe A 5 erfüllt. Hierbei ist nach dem GTV erforderlich, daß er überwiegend solche Tätigkeiten ausübt (vgl. auch BAG Beschluß vom 14. Februar 1984 - 1 ABR 3/82 -, AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Druckindustrie).
Der Kläger ist als Maschinensetzer eine geeignete Fachkraft der Druckindustrie im Sinne von § 2 Abs. 1 RTS-TV. Er ist auch im rechnergesteuerten Textsystem tätig; denn seine Eingaben werden vom Rechner erfaßt, gespeichert und wieder ausgedruckt. Da das Tätigkeitsbeispiel der Gruppe A 5 GTV nur allgemein "Tätigkeiten" gemäß § 2 Abs. 1 RTS-TV erwähnt, genügt es ferner, wenn der Kläger nur eine oder mehrere der in § 2 Abs. 1 RTS-TV aufgeführten Tätigkeiten insgesamt überwiegend ausübt. Für den Kläger kommen insoweit Gestaltungsarbeiten in Betracht. Seine ursprüngliche Auffassung, daß er auch mit Korrekturarbeiten befaßt sei, hat er in der Berufungsinstanz nicht mehr aufrechterhalten. Diese Auffassung ist auch unrichtig. Der Kläger hat insoweit nur Korrekturen, die im Korrektorat der Beklagten auf vom Kläger hergestellten Anzeigentexten angebracht werden, in den Rechner einzugeben und damit einen neuen zutreffenden Text herzustellen. Das ist bloße Texterfassung.
Der Kläger macht geltend, die Anzeigenherstellung nach den Fertigungstypen 2) und 3), die 70 v.H. seiner Arbeitszeit in Anspruch nehme, sei eine Gestaltungsarbeit im Sinne von § 2 Abs. 1 RTS-TV. Da er bei dieser Tätigkeit durch die Texteingabe und Satzbefehle Umfang und Anordnung der Anzeige bestimme, handele es sich hierbei um eine gestalterische Tätigkeit. Das stellt auch die Beklagte nicht in Abrede. Damit sind nach Auffassung des Klägers bereits die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 RTS-TV erfüllt. Denn die unter den Buchstaben a) bis e) des § 2 Abs. 1 RTS-TV aufgeführten Tätigkeiten sieht der Kläger nur als Beispielstätigkeiten für Gestaltungs- und Korrekturarbeiten an, es handele sich hierbei nicht um eine abschließende Aufzählung, so daß eine Gestaltungsarbeit auch dann vorliegen könne, wenn ein Angestellter keine der in den Buchstaben a) bis e) des § 2 Abs. 1 RTS-TV aufgeführten Beispielstätigkeiten ausübe.
Dieser Auffassung des Klägers kann nicht gefolgt werden. Die Worte "das heißt" vor den Buchstaben a) bis e) des § 2 Abs. 1 RTS-TV können nur als Erläuterung der vorangestellten Begriffe aufgefaßt werden. Damit soll der Begriff der Gestaltungs- und Korrekturarbeiten näher umschrieben werden. Dies bedeutet aber zugleich, daß andere Tätigkeiten, die nicht von den Buchstaben a) bis e) erfaßt werden, keine Gestaltungs- und Korrekturarbeiten im Sinne von § 2 Abs. 1 RTS-TV darstellen. Hätten die Tarifvertragsparteien die Tätigkeiten der Buchstaben a) bis e) als eine nicht erschöpfende Aufzählung von Beispielen verstanden wissen wollen, hätten sie dies durch einen entsprechenden Zusatz (z. B., insbesondere, beispielsweise usw.) gekennzeichnet. Dies entspricht auch der Tarifpraxis. Eine solche Kennzeichnung ist unterblieben, so daß mit dem Landesarbeitsgericht von einer abschließenden Aufzählung der Gestaltungs- und Korrekturarbeiten in Buchstaben a) bis e) des § 2 RTS-TV auszugehen ist.
Dem Kläger ist zwar einzuräumen, daß nach dem Gesamtzusammenhang des RTS-TV den Fachkräften der Druckindustrie in erster Linie im rechnergesteuerten Textsystem die Arbeitsplätze für die Herstellung von Druckerzeugnissen vorbehalten bleiben sollen. So sind nach § 3 RTS-TV für die Texterfassung im rechnergesteuerten Textsystem vorrangig Fachkräfte der Druckindustrie zu beschäftigen, deren Arbeitsplatz durch die Einführung des rechnergesteuerten Textsystems entfällt. Wenn dann in § 2 RTS-TV geeigneten Fachkräften der Druckindustrie die Gestaltungs- und Korrekturarbeiten im rechnergesteuerten Textsystem vorbehalten bleiben, wollten die Tarifvertragsparteien damit ersichtlich die an die Texterfassung anschließenden qualifizierten Arbeiten den geeigneten Fachkräften der Druckindustrie vorbehalten. Das ändert aber nichts daran, daß mit den Worten "das heißt" eine abschließende Aufstellung der Gestaltungs- und Korrekturarbeiten angezeigt wird, die § 2 Abs. 1 RTS-TV erfassen will. Die übrigen Gestaltungs- und Korrekturarbeiten sind im Sinne des RTS-TV der Texterfassung nach § 3 RTS-TV zuzuordnen. Damit wird einerseits dem Willen der Tarifvertragsparteien Rechnung getragen, grundsätzlich alle Arbeitsplätze für die Herstellung von Druckerzeugnissen vorrangig den Fachkräften der Druckindustrie vorzubehalten, und andererseits berücksichtigt, daß § 2 Abs. 1 RTS-TV die von dieser Vorschrift erfaßten Gestaltungs- und Korrekturarbeiten unter den Buchstaben a) bis e) abschließend aufzählt. Die Gestaltung standardisierter Anzeigen ist danach im Sinne des RTS-TV der Texterfassung zuzuordnen.
Von den in § 2 Abs. 1 RTS-TV erfaßten Gestaltungs- und Korrekturarbeiten kommt für den Kläger nur die Tätigkeit nach Buchstabe a) der Vorschrift in Betracht: "Gestaltung nichtstandardisierter Anzeigen". Da der Kläger mit seiner Tätigkeit nach den Fertigungstypen 2) und 3) Anzeigen gestaltet, kommt es insoweit nur noch darauf an, ob es sich hierbei um "nichtstandardisierte" Anzeigen handelt.
Hierzu meint das Landesarbeitsgericht, "standardisieren" heiße nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, etwas nach einem Muster vereinheitlichen. Andere Kriterien für eine Auslegung des Begriffs "standardisieren" seien vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere gebe es insoweit keinen branchenspezifischen Begriff der "nichtstandardisierten Anzeige". Danach habe der Kläger im wesentlichen standardisierte Anzeigen zu gestalten. Denn die große Mehrzahl der Anzeigen, die bei der Beklagten in Auftrag gegeben werde, seien auf ein bei der Beklagten häufig verwendetes und den Beschäftigten bekanntes Grundmuster zurückzuführen. Die Grundmuster ergäben sich aus dem bei der Beklagten vorhandenen Musterbuch der standardisierten Anzeigen. Dabei sei es unbeachtlich, daß die Kunden in der Regel nicht auf bestimmte Anzeigentypen des Musterbuchs bei der Vergabe des Auftrags Bezug nähmen. Denn den Angestellten seien die im Musterbuch enthaltenen Typen bekannt. Sie wählten mangels konkreter Wünsche der Kunden das dem jeweiligen Auftrag gemäße Anzeigenmuster aus. Standardisiert seien auch solche Anzeigen, die mit Hilfe einer Mehrzahl von Einzelbefehlen oder Befehlsketten gestaltet würden. Die Gestaltung der Anzeigen werde auch insoweit nach Maßgabe einzelner vorhandener Muster in der Weise durchgeführt, daß mit Hilfe von speziellen Befehlen oder Befehlsketten der eingegebene Text formatisiert und z. B. Schriftart und Schriftgröße gewählt, Zeilenabstände bestimmt und Freiräume für Firmensymbole berücksichtigt würden. Damit werde der tarifliche Anwendungsbereich zwar sehr eng, aber auch unter Berücksichtigung aller Kriterien der Tarifauslegung sei eine andere Auslegung des Begriffs der Standardisierung nicht möglich.
Dieser Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann nicht gefolgt werden. Das Landesarbeitsgericht räumt selbst ein, daß bei seiner Auslegung die Grenze zwischen standardisierten und nichtstandardisierten Anzeigen fließend sein kann. Auch bei sogenannten nichtstandardisierten Anzeigen im Sinne des Landesarbeitsgerichts, nämlich Anzeigen, die nach individuellen Wünschen der Kunden gefertigt werden, ist es unvermeidlich, daß bei der Herstellung auf Grundmuster, nämlich Satzbefehle über Schriftart, Schriftgröße usw., zurückgegriffen wird. Sonst könnte die Anzeige überhaupt nicht hergestellt werden. Im übrigen sieht das Landesarbeitsgericht richtig, daß bei seiner Tarifauslegung der Arbeitgeber durch Bereitstellung entsprechender Musterbücher die Grenzen zwischen standardisierten und nichtstandardisierten Anzeigen selbst festlegen könnte. Je umfangreicher das Musterbuch wäre, desto weniger nichtstandardisierte Anzeigen könnten anfallen. Damit bliebe letztlich dem Arbeitgeber die Grenzziehung zwischen standardisierten und nichtstandardisierten Anzeigen überlassen. Für eine solche ungewöhnliche Gestaltungsmöglichkeit des Arbeitgebers bietet der Tarifvertrag jedoch keinen Anhaltspunkt. Dies übersieht das Landesarbeitsgericht zwar nicht, zieht daraus aber nicht den naheliegenden Schluß, daß die von ihm vorgenommene Auslegung nicht tarifgerecht ist.
Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff der standardisierten oder nichtstandardisierten Anzeige im RTS-TV nicht näher umschrieben. Auch im GTV ist dies unterblieben. Auf die Rechtsterminologie oder branchenspezifische Fachbegriffe kann zur Begriffsbestimmung nicht zurückgegriffen werden. In der Rechtsterminologie ist der Begriff unbekannt. Auch einen für die Zeitungsverlage branchenspezifischen Begriff der standardisierten oder nichtstandardisierten Anzeige mit fest umrissenem Inhalt gibt es nicht. Insoweit haben die von dem Landesarbeitsgericht eingeholten Auskünfte der Tarifvertragsparteien ergeben, daß jede der Tarifvertragsparteien darunter etwas anderes versteht. Nach Auffassung der Arbeitgeberverbände ist eine Anzeige dann nicht standardisiert, wenn ihr kein vereinheitlichtes Grundmuster zugrunde liegt. Demgegenüber sieht die Industriegewerkschaft Druck und Papier alle Anzeigen, die nicht im Fließsatz zu erstellen sind, als nichtstandardisierte Anzeigen an. In der Praxis der Zeitungsverlage wird zwar der Begriff der standardisierten und nichtstandardisierten Anzeige verwendet, wohl im Hinblick darauf, daß die Tarifvertragsparteien diesen Begriff für Besetzungsregelungen und Vergütungsgruppen eingeführt haben und die Verlage den Begriff demgemäß in die Praxis umzusetzen haben. Eine übereinstimmende praktische Tarifübung bei den Verlagen hat das Landesarbeitsgericht aber nicht festgestellt. Im übrigen könnte eine praktische Tarifübung auch nur dann als Kriterium für die Auslegung einer Tarifnorm herangezogen werden, wenn sie mit Wissen und Billigung beider Tarifvertragsparteien praktiziert wird. Daran fehlt es hier. Andererseits berührt ein Dissens der Tarifvertragsparteien über den Inhalt des von ihnen verwendeten Begriffs der "nichtstandardisierten Anzeige" nicht die Gültigkeit der entsprechenden Tarifnormen (BAG 42, 86, 93 = AP Nr. 128 zu § 1 TVG Auslegung).
Zur Bestimmung des Begriffs der standardisierten Anzeige ist daher mangels anderweitiger Anhaltspunkte im Tarifvertrag vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen. Danach ist unter Standardisierung die "Vereinheitlichung von ganzen Erzeugnissen" zu verstehen (Brockhaus-Enzyklopädie, Bd. 18, 1973, S. 9); standardisieren heißt: "nach einem genormten Muster vereinheitlichen" (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 6, 1981, S. 2476), "technische Geräte, Verfahren oder ähnliches nach einer bestimmten Norm festlegen, vereinheitlichen, normen" (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 5, 1983, S. 891). Wollte man den Begriff der Standardisierung mit dem Landesarbeitsgericht und der Beklagten auf ein wiederholt verwendetes, vereinheitlichtes Grundmuster beziehen, wäre eine Unterscheidung zwischen standardisierter und nichtstandardisierter Anzeige nicht möglich und der von den Tarifvertragsparteien verwendete Begriff der "nichtstandardisierten Anzeige" injustitiabel. Denn einerseits gleicht auch nach den Grundmustern keine Anzeige stets und insgesamt einer anderen. Der wechselnde Umfang des Textes und der zur Verfügung stehende Raum für die Anzeige erfordern vielmehr Überlegungen über die Anordnung des Textes und die Erteilung entsprechender Satzbefehle. Sogenannte Grundmuster können insoweit nur Anregungen und Hilfestellungen geben. Andererseits können auch bei der nichtstandardisierten Anzeige, wie sie die Beklagte versteht und die auf besonderen Kundenwünschen beruht, bei der Herstellung im rechnergesteuerten Textsystem auf Anzeigen ähnlicher Art als Anregung und Muster zurückgegriffen und danach die Satzbefehle über Schriftart, Schriftgröße usw. ausgesucht werden. Im übrigen stehen auch bei der sogenannten nichtstandardisierten Anzeige die Größe der Anzeige und der Umfang des in ihr unterzubringenden Textes - möglicherweise auch Schriftart und Schriftgröße aufgrund von Kundenwünschen - fest. Nach diesen Vorgaben hat der Texteingeber die Satzbefehle auszuwählen, so daß auch insoweit seine Gestaltungsmöglichkeiten begrenzt sind. Die sogenannte nichtstandardisierte Anzeige, die nach besonderen Kundenwünschen hergestellt wird, unterscheidet sich von den sogenannten standardisierten Anzeigen danach nur durch den Grad der Vereinheitlichung.
Wo hierbei die Grenze zwischen standardisierter und nichtstandardisierter Anzeige gezogen werden könnte, läßt sich aus dem Begriff der Standardisierung nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht herleiten, objektive Kriterien, die eine nachvollziehbare Abgrenzung erlaubten, sind insoweit nicht ersichtlich. Die Begrenzung der standardisierten Anzeige auf in einem Betrieb verwendete sogenannte Grundmuster wäre willkürlich. Je nach der Zahl der in dem einzelnen Betrieb verwendeten Grundmuster könnte dann die gleiche Anzeige in dem einen Betrieb eine standardisierte Anzeige, in dem anderen Betrieb eine nichtstandardisierte Anzeige sein. Abgesehen davon geben die sogenannten Grundmuster dem Texteingeber nur eine Hilfestellung. Er hat im Einzelfall zu entscheiden, welches Grundmuster für die von ihm herzustellende Anzeige in Betracht kommt. Solche Hilfestellungen sind aber auch bei Anzeigen denkbar, die auf besonderen Kundenwünschen beruhen und die die Beklagte als nichtstandardisierte Anzeigen bezeichnet.
Demgegenüber ist eine sichere Abgrenzung zwischen standardisierter und nichtstandardisierter Anzeige möglich, wenn auf das Verfahren abgestellt wird, nach dem das rechnergesteuerte Textsystem die Anzeige herstellt. Danach sind standardisierte Anzeigen solche Anzeigen, die im rechnergesteuerten Textsystem durch sich stets wiederholende wenige Satzbefehle hergestellt werden. Das sind vorliegend nur die Anzeigen, die im Fließsatz hergestellt werden. Hier drückt der Texteingeber zunächst eine Taste, die dem Rechner befiehlt, im Fließsatz zu arbeiten. Bei der nachfolgenden Texteingabe hat der Texteingeber durch Tastendruck nur die Satzbefehle zu erteilen, welche Worte in Fettdruck und welche Worte in Magerdruck erscheinen sollen. Dies wiederholt sich bei jeder Anzeige. Bei allen anderen Anzeigen, auch den Anzeigen, die die Beklagte als standardisierte Anzeigen ansieht, weil insoweit auf das sogenannte Musterbuch zurückgegriffen werden kann, wechseln von Anzeige zu Anzeige Schriftart, Schriftgröße, Fettdruck, Halbfettdruck, Magerdruck, Einzug, Zeilenabstand und Verteilung des Textes auf bestimmte Zeilen. Dies alles ist durch Satzbefehle zu steuern, deren Anzahl und Reihenfolge für die einzelnen Anzeigen unterschiedlich ist. Insoweit gleicht z. B. noch nicht einmal eine Todesanzeige einer anderen.
Diese allein justitiable und deshalb allein rechtlich mögliche Abgrenzung zwischen standardisierter und nichtstandardisierter Anzeige ist nicht nur mit dem Wortlaut der tariflichen Regelung vereinbar, sondern entspricht auch dem für die Tarifauslegung maßgebenden Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelungen (vgl. BAG 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). Nach dem Sinn und Zweck des RTS-TV wird die Gestaltung standardisierter Anzeigen vom Begriff der Texterfassung im Sinne von § 3 RTS-TV mitumfaßt. Dann dürfen aber an die Gestaltung standardisierter Anzeigen keine Anforderungen gestellt werden, die wesentlich über die Texterfassung hinausgehen. Die Herstellung von Anzeigen im Fließsatz stellt keine wesentlich über die Texterfassung hinausgehenden Anforderungen und kann daher mit der Texterfassung gleichgesetzt werden. Dies entspricht auch dem ersichtlichen Willen der Tarifvertragsparteien des GTV. Wenn dort in dem Tätigkeitsbeispiel der Gruppe A 4 bei der telefonischen Anzeigenaufnahme mit RTS der Fließsatz ausgenommen ist, kann dies nur bedeuten, daß die Tarifvertragsparteien die telefonische Anzeigenaufnahme im Fließsatz der niedrigeren Gruppe A 3 zuordnen wollen, in der als Tätigkeitsbeispiel die Texterfassung im rechnergesteuerten Textsystem angeführt ist. Bei der Texterfassung sind die Satzbefehle dem Texteingeber vorgeschrieben. Bei der Anzeige im Fließsatz hat der Texteingeber nur die sich stets wiederholenden Satzbefehle (Mager- oder Fettdruck) selbst zu erteilen.
Diese Auslegung steht auch mit tariflichen Regelungen des GTV in Einklang. Danach ist die Texterfassung im rechnergesteuerten Textsystem als Tätigkeitsbeispiel der Gehaltsgruppe A 3 zugeordnet. In der Gruppe A 4 ist unter den Tätigkeitsbeispielen als Sonderfall die telefonische Anzeigenaufnahme mit weitergehender Sachbearbeitung oder RTS (ausgenommen Fließsatz) erwähnt. Der Fließsatz - und folglich die Gestaltung standardisierter Anzeigen - ist damit der Texterfassung zugeordnet. Unter telefonischer Anzeigenaufnahme mit RTS ist im Hinblick auf den in der ersten Alternative vorangestellten Begriff der "weitergehenden Sachbearbeitung" die Anzeigenaufnahme im rechnergesteuerten Textsystem zu verstehen, die im Textsystem mit einer weitergehenden Sachbearbeitung verbunden ist, z. B. mit der kaufmännischen Abrechnung (Rechnungserstellung, Verbuchung). Demgegenüber wird die Gestaltung nichtstandardisierter Anzeigen vom Tätigkeitsbeispiel der Gruppe A 5 "Tätigkeiten gemäß § 2 (1) RTS-TV" erfaßt. Damit sind die Tätigkeiten bei der Herstellung aller Anzeigen im rechnergesteuerten Textsystem von Tätigkeitsbeispielen des GTV erfaßt, während im Sinne der Beklagten die Gestaltung standardisierter Anzeigen von keinem Tätigkeitsbeispiel des GTV erfaßt würde, so daß auf die allgemeinen Merkmale der Gehaltsgruppen zurückgegriffen werden müßte. Dies wäre systemwidrig und entspräche ersichtlich nicht dem Willen der Tarifvertragsparteien.
Allein nach der vom Senat vorgenommenen Auslegung lassen sich die Begriffe der standardisierten und nichtstandardisierten Anzeige voneinander abgrenzen. Jede andere Abgrenzung wäre aus den dargelegten Gründen injustitiabel. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß Tarifvertragsparteien in einem Tarifvertrag injustitiable Begriffe verwenden wollen, die damit der Rechtsanwendung entzogen wären. Deshalb wird die Auslegung des Senats auch dem Grundsatz gerecht, daß im Zweifel derjenigen Tarifauslegung der Vorzug gegeben werden muß, die zu einer vernünftigen, gerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung mit weiteren Nachweisen).
Der Kläger hat bei der Herstellung der Anzeigen nach den Fertigungstypen 2) und 3) durch Texteingaben und Satzbefehle Tätigkeiten auszuüben, die über Texterfassung und Texteingabe im Fließsatz hinausgehen. Dies gilt auch, soweit er bei der Herstellung von Anzeigen sogenannte Makroaufrufe verwendet, mit denen eine Reihe von Befehlsketten in Gang gesetzt werden. Denn der Kläger hat hierbei zunächst zu entscheiden, welcher Makroaufruf überhaupt in Betracht kommt. Sodann hat er bei der Texteingabe jeweils durch Tastendruck zu bestimmen, wann der nächste Satzbefehl innerhalb des Makroaufrufs (z. B. Fettdruck, anderer Schriftgrad) eingreifen soll. Bei der Herstellung der Anzeigen nach den Fertigungstypen 2) und 3) handelt es sich damit um die Gestaltung nichtstandardisierter Anzeigen im Sinne von § 2 Abs. 1 RTS-TV. Nach der Behauptung des Klägers ist er während 70 v.H. seiner Arbeitszeit mit der Ausführung dieser Tätigkeiten befaßt. Da die Beklagte jedoch bestritten hat, daß die Tätigkeit des Klägers nach den Fertigungstypen 2) und 3) seine zeitlich überwiegende Tätigkeit darstellt, muß der Sachverhalt insoweit noch vom Landesarbeitsgericht aufgeklärt werden.
Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte nicht im Sinne eines prozessual bindenden Geständnisses zugestanden, daß der Kläger während des überwiegenden Teils seiner Arbeitszeit mit der Herstellung von Anzeigen nach den Fertigungstypen 2) und 3) befaßt ist. Das Arbeitsgericht hat zwar festgestellt, daß 70 v.H. der Gesamttätigkeit des Klägers auf die Anzeigenherstellung der Fertigungstypen 1) bis 3) entfielen, so daß die Tätigkeiten nach den Fertigungstypen 2) und 3) überwiegend anfielen, da der Kläger unstreitig Tätigkeiten nach dem Fertigungstyp 1) nur in unwesentlichem Umfang ausübe. Das Landesarbeitsgericht hat diese Feststellung des Arbeitsgerichts jedoch nicht bestätigen können und auch eine entsprechende Feststellung nicht getroffen. Vielmehr hat die Beklagte in der Berufungsinstanz ausdrücklich bestritten, daß die Tätigkeiten des Klägers nach den Fertigungstypen 2) und 3) den überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit in Anspruch nähmen. Die Feststellung des Arbeitsgerichts beruht darauf, daß das Arbeitsgericht in einem Protokoll über eine Augenscheinseinnahme am 3. Oktober 1983 eine entsprechende übereinstimmende Erklärung der Parteien aufgenommen hat. Diese Niederschrift stellt jedoch kein gerichtliches Geständnis im Sinne von § 288 ZPO dar, an das die Beklagte möglicherweise gebunden wäre, da es von der Beklagten nicht in einer mündlichen Verhandlung zugestanden ist. Vielmehr handelte es sich hierbei nur um eine Augenscheinseinnahme, die eine Beweisaufnahme darstellt. Die von dem Arbeitsgericht in das Protokoll aufgenommene Erklärung der Parteien ist von diesen auch nicht genehmigt worden. Die Beklagte hat vielmehr nach Erhalt des Protokolls eine Protokollberichtigung beantragt, über die das Arbeitsgericht jedoch nicht entschieden hat.
Andererseits kann entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht davon ausgegangen werden, daß die Klage unschlüssig ist, weil der Kläger seine Behauptung, 70 v.H. seiner Arbeitszeit entfielen auf die Herstellung von Anzeigen nach den Fertigungstypen 2) und 3), nicht weiter substantiiert hat. Die Behauptung des Klägers ist ausreichend substantiiert. Die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers ist eine feste Größe. 70 % hiervon lassen sich danach exakt rechnerisch bestimmen. Ob der Kläger während dieses Teils seiner Arbeitszeit mit der Herstellung von Anzeigen nach den Fertigungstypen 2) und 3) befaßt ist, kann Gegenstand eines Beweisbeschlusses und einer Beweisaufnahme sein. Es liegt hierbei im Rahmen der den Tatsachengerichten vorbehaltenen Sachaufklärung, ob das Landesarbeitsgericht den Kläger gemäß § 139 ZPO zu einem substantiierteren Vortrag anhalten will, um zu einer sicheren richterlichen Überzeugung zu kommen. Der Kläger wäre bisher nur dann zu einem substantiierteren Sachvortrag verpflichtet gewesen, wenn die Beklagte seine Behauptung hinsichtlich des Zeitanteils seiner Tätigkeit bei der Herstellung von Anzeigen nach den Fertigungstypen 2) und 3) substantiiert bestritten hätte. Die Beklagte hat jedoch insoweit substantiiert nur vorgetragen, daß 40,3 % der vom Kläger bearbeiteten Anzeigenaufträge auf die Fertigungstypen 2) und 3) entfielen. Dieser Vortrag der Beklagten ist völlig unerheblich und besagt nichts über die Zeitanteile der Tätigkeit des Klägers bezüglich der Fertigungstypen 2) und 3).
Die Klage wäre auch dann begründet, wenn der Kläger die allgemeinen Merkmale der Gehaltsgruppe A 5 GTV erfüllen würde. Insoweit hat das Landesarbeitsgericht aber mit Recht die Klage als unschlüssig angesehen. Es führt unter Bezugnahme auf die Senatsrechtsprechung zutreffend aus, daß bei Eingruppierungsfeststellungsklagen, bei denen eine Vergütung nach qualifizierenden Tätigkeitsmerkmalen in Anspruch genommen wird, der Kläger diejenigen Tatsachen vorzutragen habe, aus denen rechtliche Schlüsse dahin möglich sind, daß die im Einzelfall in Betracht kommenden qualifizierenden Tätigkeitsmerkmale, etwa die Schwierigkeit der Tätigkeit, erfüllt sind (BAG 34, 158 = AP Nr. 36 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Danach mußte der Kläger Tatsachen vortragen, aus denen ersichtlich ist, daß er gegenüber den Anforderungen der niedrigeren Vergütungsgruppen schwierigere Tätigkeiten nach allgemeinen Anweisungen verrichtet, zu deren Erledigung Spezial- oder besondere Fachkenntnisse erforderlich sind. Insoweit fehlt jedoch jeder Sachvortrag des Klägers, inwiefern er für seine Tätigkeit gegenüber der Tätigkeit nach niedrigeren Gehaltsgruppen (A 3, A 4) besondere Fachkenntnisse oder Spezialkenntnisse und nicht nur "erweiterte Kenntnisse" (Gehaltsgruppe A 4) benötigt. Es genügt insoweit nicht, daß der Kläger seine Tätigkeit beschreibt und darauf hinweist, daß er hierfür ein hohes Maß an Abstraktionsvermögen benötige und abstrakt kombinieren müsse. Das besagt über besondere Fachkenntnisse oder Spezialkenntnisse noch nichts. Der Kläger kann aber nach Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht seinen Tatsachenvortrag insoweit noch ergänzen.
Das Landesarbeitsgericht wird auch über die in der Revisionsinstanz entstandenen Kosten zu entscheiden haben.
Dr. Feller Dr. Freitag Dr. Etzel
Gossen Wax
Fundstellen
Haufe-Index 439114 |
RdA 1986, 407 |
AP § 1 TVG Tarifverträge - Presse (LT1-2), Nr 6 |
EzA § 4 TVG Presse, Nr 2 (LT1-2) |