Leitsatz (redaktionell)
Ein absoluter Revisionsgrund im Sinne des § 551 Nr. 7 ZPO liegt nicht vor, wenn das vollständige Berufungsurteil später als fünf Monate nach der letzten mündlichen Verhandlung, nicht aber später als fünf Monate nach der Verkündung der Geschäftsstelle übergeben wurde. Hinweise des Senats: Verringerung des Abfindungsanspruchs auf Null wegen Entstehung eines Anspruchs auf gesetzliche Altersrente für langjährig Versicherte (Bestätigung der Rechtsprechung aus den Urteilen vom 1. Juni 1995 - 6 AZR 926/94 - BAGE 80, 158 = AP Nr. 24 zu § 1 TVG Tarifverträge: DDR; vom 30. Januar 1997 - 6 AZR 695/95 - AP Nr. 31 zu § 1 TVG Tarifverträge: DDR und vom 20. März 1997 - 6 AZR 732/95 - nicht veröffentlicht); ohne Rentenantrag keine Entstehung des gesetzlichen Rentenanspruchs vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach dem Rentenüberleitungsgesetz (Fortsetzung der Rechtsprechung aus dem Urteil vom 30. Januar 1997 - 6 AZR 695/95 - aaO).
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin verlangt eine Abfindung wegen Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.
Die am 27. März 1932 geborene Klägerin war seit dem 23. Oktober 1958 als Lehrerin im Bereich des Schulamtes B beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der tarifgebundenen Parteien fand der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 Anwendung.
Die Parteien schlossen am 29. Juni 1992 einen Aufhebungsvertrag, demzufolge das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 30. September 1992 beendet wurde. In der Arbeitsbescheinigung vom 2. September 1992 beantwortete die Zentrale Gehaltsstelle des Beklagten/Außenstelle Mühlhausen die Frage, ob der Klägerin eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt worden oder noch zu zahlen sei, mit "nein". Dies korrigierte das Landratsamt B , indem es die mit "nein" bezeichnete Stelle durchstrich und seinerseits die Frage nach einer Abfindung mit "ja" beantwortete. Seit dem 1. Oktober 1992 hat die Klägerin Altersübergangsgeld nach § 249 e AFG bezogen. Einen Antrag auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung hat sie nicht gestellt.
Die Klägerin verlangte von dem Beklagten die Zahlung einer Abfindung nach dem Tarifvertrag zur sozialen Absicherung. Der Beklagte lehnte dies mit dem Hinweis ab, daß die Klägerin nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Altersrente beziehen könne und der Anspruch auf Abfindung somit ausgeschlossen sei.
Im TV soziale Absicherung heißt es:
"§ 2
Abfindung
(1) Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis gekündigt wird, weil
a) er wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbar ist oder
b) ...
erhält eine Abfindung. Das gleiche gilt, wenn ein Arbeitnehmer bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Kündigung nach Satz 1 aufgrund eines Auflösungsvertrages ausscheidet.
(2) Die Abfindung beträgt für jedes volle Jahr der Beschäftigungszeit (§ 19 BAT-O ohne die nach der Übergangsvorschrift Nr. 3 hierzu berücksichtigten Zeiten bzw. die vergleichbaren, für die Arbeiter geltenden Bestimmungen) ein Viertel der letzten Monatsvergütung ... . Sie darf den Betrag von 10.000,00 DM nicht übersteigen; ...
(3) Der Anspruch auf Abfindung entsteht am Tag nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. ...
...
(6) Tritt der Arbeitnehmer in ein Arbeitsverhältnis bei einem Arbeitgeber im Sinne des § 29 Abschn. B Abs. 7 BAT-O/BAT ein und ist die Zahl der zwischen der Beendigung des alten und der Begründung des neuen Arbeitsverhältnisses liegenden Kalendermonate geringer als die der Abfindung zugrunde liegende Anzahl von Bruchteilen der Monatsvergütung/des Monatslohnes (Absatz 2), verringert sich die Abfindung entsprechend. Überzahlte Beträge sind zurückzuzahlen.
(7) Absatz 6 gilt entsprechend, wenn innerhalb des gleichen Zeitraums ein Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung entsteht."
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr Anspruch auf Abfindung werde dadurch, daß sie Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen könne, nicht ausgeschlossen. Soweit bei Anwendung von § 2 Abs. 7 TV soziale Absicherung ein sechzigjähriger Mann trotz Bezugs von Altersübergangsgeld eine Abfindung beanspruchen könne, eine sechzigjährige Frau hingegen wegen der in § 39 SGB VI geregelten besonderen Altersgrenze nicht, werde sie wegen ihres Geschlechts benachteiligt. Eine derartige Auslegung des TV soziale Absicherung verstoße gegen Art. 3 Abs. 2 GG und gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 26/207 EWG vom 9. Februar 1976.
Die Klägerin hat beantragt,
1. das beklagte Land zu verurteilen, an sie 10.000,-- DM Abfindung gemäß Sozialtarifvertrag vom 16.6.1992 nebst 4 % Zinsen seit dem 1.10.1992 zu zahlen;
2. hilfsweise als dem Antrag zu 1. nicht stattgegeben wird, das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin 1.663,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1.10.1992 zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, ein Anspruch der Klägerin auf Abfindung scheide aus, da die Klägerin bereits an ihrem 60. Geburtstag und damit schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erworben habe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter und rügt neben der Verletzung materiellen Rechts, das Urteil des Landesarbeitsgerichts sei wegen verspäteter Absetzung als ein Urteil ohne Gründe im Sinne des § 551 Nr. 7 ZPO anzusehen. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsurteil ist nicht deshalb aufzuheben, weil es nicht mit Gründen versehen ist. Die auf auf § 551 Nr. 7 ZPO gestützte Rüge der Klägerin greift nicht durch.
1. Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat mit Beschluß vom 27. April 1993 (- GmS-OGB 1/92 - AP Nr. 21 zu § 551 ZPO) erkannt, daß abweichend von der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein bei Verkündung noch nicht vollständig abgefaßtes Urteil im Sinne von § 551 Nr. 7 ZPO als nicht mit Gründen versehen anzusehen ist, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt und von den Richtern unterschrieben der Geschäftsstelle übergeben worden sind. Dieser Rechtsprechung hat sich das Bundesarbeitsgericht angeschlossen (BAG Urteil vom 4. August 1993 - 4 AZR 501/92 - BAGE 74, 44 = AP Nr. 22 zu § 551 ZPO; Urteil vom 7. Oktober 1993 - 2 AZR 293/93 - n.v.; Urteil vom 24. November 1993 - 10 AZR 371/93 - und vom 16. Dezember 1993 - 8 AZR 114/93 - beide n.v.; Urteil vom 8. Februar 1994 - 9 AZR 591/93 - BAGE 75, 355 = AP Nr. 23 zu § 72 ArbGG 1979; Urteil vom 15. November 1995 - 2 AZR 1036/94 - AP Nr. 34 zu § 551 ZPO). Diese Frist ist gewahrt.
2. Das Berufungsurteil wurde am 4. Oktober 1995 verkündet und gelangte am 29. Februar 1996 und damit vor Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung vollständig abgefaßt und von allen Richtern unterschrieben zur Geschäftsstelle.
Der Klägerin ist zuzugeben, daß die Fünf-Monats-Frist überschritten wäre, wenn dem Zeitraum zwischen Urteilsverkündung und Übergabe des unterzeichneten Urteils an die Geschäftsstelle der Zeitraum zwischen der letzten mündlichen Verhandlung, die bereits am 7. Juni 1995 stattgefunden hatte, und der Verkündung hinzuzurechnen wäre. Dabei bliebe jedoch unberücksichtigt, daß das Berufungsurteil erst mit der Verkündung wirksam geworden ist, also bis zu diesem Zeitpunkt über seinen Inhalt hätte erneut beraten und befunden werden können. Zur Sicherung der durch das abnehmende richterliche Erinnerungsvermögen gefährdeten Beurkundungsfunktion des Urteils ist somit auf dessen Verkündung abzustellen, weil erst in diesem Zeitpunkt feststeht, welchen zu beurkundenden Inhalt das Urteil hat. Auch der Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. April 1993 (- GmSOGB 1/92 - AP Nr. 21 zu § 551 ZPO) betraf einen Fall, in dem die Verkündung nicht in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden war, sondern in einem späteren Termin erfolgt war. Dennoch wurde für den Beginn der Fünf-Monats-Frist auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung abgestellt. Verlängert sich der Zeitraum zwischen mündlicher Verhandlung und Urteilsverkündung, wie hier, durch zweimalige Verlegung des Verkündungstermins, können die Parteien sich mit der Beschwerde wehren, falls für die Terminsverlegung erhebliche Gründe im Sinne des § 227 ZPO nicht vorliegen.
II. Auch auf die Sachrüge hat die Revision keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nach dem TV soziale Absicherung.
Ein möglicher Abfindungsanspruch der Klägerin nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a, Satz 2 TV soziale Absicherung hat sich nach § 2 Abs. 7 i.V.m. Abs. 6 TV soziale Absicherung auf Null verringert, weil unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch der Klägerin auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung entstanden ist.
1. Nach § 2 Abs. 6 TV soziale Absicherung verringert sich der Anspruch auf Abfindung, wenn der wegen mangelnden Bedarfs ausgeschiedene Arbeitnehmer wieder in ein Arbeitsverhältnis bei einem Arbeitgeber im Sinne des § 29 Abschn. B Abs. 7 BAT-O/BAT eintritt und die Zahl der zwischen Beendigung des alten und Begründung des neuen Arbeitsverhältnisses liegenden Kalendermonate geringer als die der Abfindung zugrunde liegende Zahl von Bruchteilen der Monatsvergütung (Abs. 2) ist. Die in diesem Fall eintretende entsprechende Verringerung der Abfindung bewirkt den völligen Wegfall des Abfindungsanspruchs, wenn das neue Arbeitsverhältnis unmittelbar an das alte anschließt.
Nach § 2 Abs. 7 TV soziale Absicherung gilt Abs. 6 entsprechend, "wenn innerhalb des gleichen Zeitraums" ein Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung entsteht. Mit dem "gleichen Zeitraum" im Sinne dieser Bestimmung ist, wie im Falle des Absatzes 6, ein mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses beginnender Zeitraum gemeint, der die tarifliche Rechtsfolge der Verringerung der Abfindung dann auslöst, wenn die Zahl der ihn umfassenden Kalendermonate die der Abfindung zugrunde liegende Anzahl von Bruchteilen der Monatsvergütung unterschreitet. An die Stelle der Begründung des neuen Arbeitsverhältnisses (Abs. 6) tritt in Abs. 7 die Entstehung des Anspruchs auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Der in § 2 Abs. 7 TV soziale Absicherung bezeichnete Zeitraum liegt also, ebenso wie der in Abs. 6 bezeichnete, nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (vgl. Urteile des Senats vom 1. Juni 1995 - 6 AZR 926/94 BAGE 80, 158 = AP Nr. 24 zu § 1 TVG Tarifverträge: DDR; vom 30. Januar 1997 - 6 AZR 695/95 - AP Nr. 31 zu § 1 TVG Tarifverträge: DDR und vom 20. März 1997 - 6 AZR 732/95 - n.v.).
2. Der Anspruch der Klägerin auf Altersrente ist unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden und hat daher den völligen Wegfall des Abfindungsanspruchs zur Folge.
a) Nach § 39 Satz 1 SGB VI haben versicherte Frauen Anspruch auf Altersrente, wenn sie das 60. Lebensjahr vollenden, nach Vollendung des 40. Lebensjahres mehr als 10 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und die Wartezeit von 15 Jahre erfüllt haben. Diese nach § 34 Abs. 1 SGB VI erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen waren bei der Klägerin unstreitig am 1. Oktober 1992 gegeben.
b) Der Rentenanspruch ist am 1. Oktober 1992 entstanden, obwohl die Klägerin die Rente nicht beantragt hat.
Zwar wird die Altersrente nach § 39 SGB VI auf Antrag geleistet (vgl. § 19 SGB IV, § 115 Abs. 1 SGB VI). Unabhängig vom Antrag entsteht jedoch das Stammrecht auf die Rente schon in dem Zeitpunkt, in dem alle materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Berechtigung vorliegen. Allein auf diesen Zeitpunkt kommt es für die Rechtsfolge des § 2 Abs. 7 TV soziale Absicherung an. Dies hat der Senat bereits im Urteil vom 1. Juni 1995 - 6 AZR 926/94 - (aa0) ausführlich begründet.
c) Der Rentenanspruch der Klägerin ist nicht vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden, so daß dadurch die Verringerung der Abfindung nach § 2 Abs. 7 TV soziale Absicherung nicht ausgeschlossen wird (vgl. dazu den eine Berufsunfähigkeitsrente betreffenden Fall: Urteil des Senats vom 1. Juni 1995 - 6 AZR 926/94 - aaO).
aa) In der Zeit zwischen der Vollendung des 60. Lebensjahres am 27. März 1992 und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. September 1992 konnte der Rentenanspruch nach § 39 SGB VI nicht entstehen, weil die Klägerin weiterhin voll berufstätig war und somit die den Rentenanspruch ausschließende gesetzliche Hinzuverdienstgrenze überschritt. Nach § 34 Abs. 2 SGB VI besteht ein Anspruch auf Rente wegen Alters vor Vollendung des 65. Lebensjahres nur, wenn die Hinzuverdienstgrenze nach § 34 Abs. 3 SGB VI nicht überschritten wird. Die Einhaltung dieser Grenze ist negative Anspruchsvoraussetzung (vgl. KassKomm-Niesel, Stand November 1997, § 34 SGB VI Rz 5). Obwohl die Klägerin bereits das 60. Lebensjahr vollendet hatte, konnte sie, weil sie weiterhin in ihrem bisherigen Arbeitsverhältnis voll berufstätig war, bis zu dessen Beendigung am 1. Oktober 1992 den Rentenanspruch nach § 39 SGB VI nicht erwerben.
bb) Auch nach dem Gesetz zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Renten-Überleitungsgesetz - RÜG -) vom 25. Juli 1991 (BGBl. I S. 1606, 1663) ist ein Anspruch der Klägerin auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht entstanden.
Zwar haben nach diesem Gesetz Frauen in den neuen Bundesländern (vgl. Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 2 RÜG) für eine Übergangszeit bis zum 31. Dezember 1996 die Möglichkeit, wahlweise statt der Leistungen nach dem SGB VI Leistungen nach dem RÜG in Anspruch zu nehmen. Sie haben daher nach Art. 2 § 4 Abs. 1 RÜG mit Vollendung des 60. Lebensjahres Anspruch auf Altersrente, ohne daß es, wie bei der Altersrente nach § 39 SGB VI, auf die Einhaltung einer Hinzuverdienstgrenze ankommt (vgl. Klattenhoff in Hauck/Haines, SGB VI, Stand Oktober 1997, K § 34 Rz 12). Dennoch ist der Rentenanspruch nach dem RÜG vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht entstanden, weil die Rente der Klägerin nicht vor dem 1. Oktober 1992 begonnen hat.
Nach Art. 2 § 1 Abs. 1 Ziff. 3 RÜG setzt der Anspruch auf Rente voraus, daß die Rente in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 1996 beginnt (vgl. Diel in Hauck/Haines, SGB VI, Stand Oktober 1997, K-Ü § 1 RÜG Rz 6). Art. 2 § 44 RÜG bestimmt, daß die Vorschriften des SGB VI über den Beginn von Renten entsprechend anzuwenden sind. Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung, wie die Altersrente der Klägerin, von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Kalendermonats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird die Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird. Der Rentenanspruch nach dem RÜG hängt somit anders als der nach § 39 SGB VI vom Beginn der Rente und damit von der Stellung des Rentenantrags ab (BAG Urteil vom 30. Januar 1997 - 6 AZR 695/95 - aaO). Einen solchen hat die Klägerin nicht gestellt, so daß auch ein Rentenanspruch nach dem RÜG vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht entstanden ist.
3. Soweit die Revision auf das Wahlrecht von Bürgern aus dem Beitrittsgebiet zwischen einer Rente nach dem SGB VI und dem RÜG hinweist, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Das Bestehen dieses Wahlrechts ist für die jeweiligen Voraussetzungen der Entstehung des Rentenstammrechts ohne Bedeutung. Hierfür verbleibt es bei den jeweiligen Voraussetzungen nach dem SGB bzw. RÜG. Dies folgt bereits daraus, daß durch § 319 b SGB VI eine Regelung des Konkurrenzverhältnisses zwischen der Rente nach § 39 Satz 1 SGB VI und einer Rente nach den Vorschriften des RÜG geschaffen wurde. Eine solche Konkurrenzregelung wäre überflüssig, wenn dem Rentenantrag aufgrund des Wahlrechts eine das Rentenstammrecht begründende Funktion auch in Bezug auf eine Rente nach § 39 Satz 1 SGB VI zukäme.
4. § 2 Abs. 7 TV soziale Absicherung verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht, an das die Tarifvertragsparteien nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z.B. Urteil vom 28. März 1996 - 6 AZR 501/95 - BAGE 82, 344, 347 = AP Nr. 49 zu § 2 BeschFG 1985, zu II 2 c aa der Gründe; Urteil vom 7. März 1995 - 3 AZR 282/94 - BAGE 79, 236, 242 = AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu B II 2 a der Gründe) gebunden sind.
§ 2 Abs. 7 TV soziale Absicherung führt nicht zu einer geschlechtsspezifischen Diskriminierung. Die tarifliche Bestimmung bewirkt eine Anspruchsminderung bzw. den völligen Ausschluß eines Anspruchs auf Abfindung gleichermaßen bei weiblichen und männlichen Arbeitnehmern, wenn nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Rentenanspruch entsteht. Zweck der tariflichen Abfindungsregelung ist es, nur insoweit sozial abfedernd zu wirken, als der Arbeitnehmer nicht durch eine Rente oder anderweitiges Arbeitseinkommen im öffentlichen Dienst eine anderweitige soziale Absicherung erlangt, so daß insoweit nur ein geringerer, durch die Abfindung abzudeckender Versorgungsbedarf besteht (BAG Urteile vom 17. Mai 1988 - 3 AZR 400/86 - AP Nr. 27 zu § 5 BetrAVG, zu 4 der Gründe; vom 1. Juni 1995 - 6 AZR 926/94 - BAGE 80, 158, 163 = AP Nr. 24 zu § 1 TVG Tarifverträge: DDR, zu I 1 b bb der Gründe; vom 9. August 1995 - 6 AZR 133/95 - n.v., zu I 4 der Gründe). Die tarifliche Bestimmung knüpft damit nicht an die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht an, sondern an das Vorhandensein einer anderweitigen Quelle zur Sicherung des Lebensunterhalts. Insoweit werden alle Rententatbestände gleich behandelt. Auch eine mittelbare Frauendiskriminierung gemäß Art. 119 EG-Vertrag, Art. 3 Abs. 2 und 3 GG würde deshalb ausscheiden, weil die Unterscheidung auf objektiven Faktoren beruht, die mit der Diskriminierung auf Grund des Geschlechts nicht zusammenhängen (vgl. dazu die ständige Rechtsprechung des BAG, zuletzt: Urteil vom 3. Dezember 1997 - 7 AZR 490/93 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt, zu III 2 der Gründe).
5. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auch einen Anspruch der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Rechtsscheinhaftung abgelehnt. Als ein, einen Rechtsschein begründender Tatbestand kommt hier lediglich in Betracht, daß in der Arbeitsbescheinigung nach § 133 AFG seitens des Beklagten die Frage nach dem Bestehen eines Abfindungsanspruchs nachträglich mit "Ja" beantwortet wur- de. Diese Bescheinigung wurde aber erst nach Abschluß des Aufhe- bungsvertrages erstellt, so daß die in ihr etwa enthaltene Erklärung im Zeitpunkt des Vertragschlusses bei der Klägerin einen Rechtsschein nicht erzeugen konnte.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 440664 |
BB 1998, 2216 |
FA 1998, 222 |
NZA 1998, 1021 |
RdA 1998, 314 |
ZTR 1998, 415 |
ArbuR 1998, 335 |