Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltung und Kündigungsschutzklage
Leitsatz (amtlich)
1. Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage hat regelmäßig nicht die Geltendmachung von Urlaubs- oder Urlaubsabgeltungsansprüchen zum Inhalt.
2. Mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses wandelt sich nach § 7 Abs. 4 BUrlG ein nach bis dahin noch nicht erfüllter Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers in einen Abgeltungsanspruch um, ohne daß es weiterer Handlungen des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers bedarf.
3. Einigen sich die Parteien nach Erhebung einer Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers in einem Vergleich über eine rückwirkende Auflösung des Arbeitsverhältnisses, ist der Abgeltungsanspruch bereits mit dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses entstanden. Sofern die Parteien keine abweichende Regelung getroffen haben, bestehen keine Schadenersatzansprüche des Arbeitnehmers für den infolge Fristablaufs erloschenen Urlaubsabgeltungsanspruch, wenn sich der Arbeitgeber nicht mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befunden hatte.
Normenkette
BGB § 779; BUrlG § 7 Abs. 3-4; KSchG §§ 4, 13
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 11. Mai 1998 – 11 Sa 1799/97 – aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 6. August 1997 – 5 Ca 78/97 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Schadenersatz für verfallenen Urlaub aus dem Jahre 1994 zu gewähren.
Die 1949 geborene Klägerin war von Oktober 1980 bis Dezember 1993 in einer Filiale der Beklagten in K./Hessen als Substitutin tätig. Ende 1993 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich. In dem von der Klägerin eingeleiteten Kündigungsschutzverfahren schlossen die Parteien im Oktober 1995 einen Vergleich. Danach ist das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien infolge einer ordentlichen Kündigung der Beklagten zum 30. Juni 1994 beendet worden. Die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin meldeten mit Schreiben vom 29. Dezember 1995 Gehaltsansprüche für die Zeit von Dezember 1993 bis Juni 1994 sowie „den Urlaubsgeldanspruch unserer Mandantin für das Jahr 1994” an. Die Beklagte teilte darauf am 29. Februar 1996 mit: „Der Jahresurlaub 1994 ist verfallen, da er nicht rechtzeitig geltend gemacht wurde”.
Mit der am 17. Februar 1997 erhobenen Klage verlangt die Klägerin Schadenersatz für 15 Urlaubstage aus dem Jahre 1994.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.480,70 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 11. Januar 1996 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Beklagte zur Zahlung der Klagesumme verurteilt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf 2.480,70 DM Schadenersatz. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den Schaden auszugleichen, der dadurch entstanden ist, daß der Anspruch auf Urlaubsabgeltung für das Jahr 1994 untergegangen ist.
1. Der Anspruch auf Abgeltung des Anspruchs der Klägerin auf Urlaubsabgeltung für das Jahr 1994 ist erloschen.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist aufgrund des zwischen ihnen geschlossenen Vergleichs (§ 779 BGB) mit Ablauf des 30. Juni 1994 beendet worden.
Mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses wandelt sich nach § 7 Abs. 4 BUrlG ein bis dahin noch nicht erfüllter Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers in einen Abgeltungsanspruch um, ohne daß es weiterer Handlungen des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers bedarf (BAG 17. Januar 1995 – 9 AZR 664/93 – BAGE 79, 92). Da nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien für das 1. Halbjahr 1994 15 Tage Urlaub zu gewähren waren, ist am 1. Juli 1994 ein entsprechender Abgeltungsanspruch entstanden.
Dieser Anspruch ist spätestens mit Ablauf der Übertragungsfrist des § 7 Abs. 3 BUrlG am 31. März 1995 untergegangen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Abgeltungsanspruch ein Ersatz für die wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr mögliche Befreiung von der Arbeitspflicht. Er setzt deshalb voraus, daß der geschuldete Urlaubsanspruch gewährt werden müßte, wenn das Arbeitsverhältnis fortbestünde (BAG 17. Januar 1995 – 9 AZR 664/93 – aaO, mwN).
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadenersatz für den untergegangenen Abgeltungsanspruch.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 5. September 1985 – 6 AZR 86/82 – AP BUrlG § 1 Treueurlaub Nr. 1 = EzA BUrlG § 7 Nr. 40; 26. Juni 1986 – 8 AZR 266/84 – BAGE 52, 258, 261; 17. Januar 1995 – 9 AZR 664/93 – aaO) kann ein Arbeitnehmer einen der Urlaubsabgeltung entsprechenden Geldbetrag als Schadenersatz für den zwischenzeitlich infolge Fristablaufs erloschenen Anspruch fordern, soweit er seinen Arbeitgeber zuvor in Verzug gesetzt hatte (§ 284 Abs. 1, § 286 Abs. 1, § 287 Satz 2, § 249 Satz 1 BGB).
b) Die Klägerin hat die Beklagte nicht in Verzug gesetzt.
Sie hat zwar im Januar 1994 Feststellungklage nach den §§ 4, 13 KSchG gegen die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom Dezember 1993 erhoben. Diese Klage hat jedoch keine Geltendmachung des Urlaubsanspruchs enthalten. Gegenstand dieser Klage war allein die rechtliche Wirkung der vom Arbeitgeber abgegebenen Kündigungserklärung auf das Arbeitsverhältnis, nicht jedoch die Feststellung von Ansprüchen aus dem mit der Kündigung zu beendenden Arbeitsverhältnis (BAG 1. Dezember 1983 – 6 AZR 299/80 – BAGE 44, 278, 282; 27. August 1986 – 8 AZR 582/83 – BAGE 52, 405, 408). Der Arbeitnehmer hat daher, einerlei ob es sich um ein ungekündigtes oder gekündigtes Arbeitsverhältnis handelt, den Arbeitgeber durch die Forderung der Urlaubsgewährung im Urlaubsjahr oder spätestens im Übertragungszeitraum in Verzug zu setzen, wenn er den Arbeitgeber für den mit Fristablauf eintretenden Verfall des Urlaubsanspruchs haftbar machen will.
Daran fehlt es hier.
c) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, mit der Kündigungserklärung habe die Beklagte zum Ausdruck gebracht, daß sie für die Zeit nach Zugang der außerordentlichen Kündigung keine Leistungspflichten mehr erfüllen wolle. Sie habe damit endgültig und ernsthaft die Gewährung der Urlaubsansprüche für das Jahr 1994 verweigert. Es sei deshalb sinnwidrig, von der Klägerin noch die Geltendmachung von Urlaubsansprüchen vor Abschluß des Kündigungsschutzprozesses zu verlangen.
Diese Auffassung hat der Senat bereits zurückgewiesen (vgl. BAG 17. Januar 1995 – 9 AZR 664/93 – BAGE 79, 92, 95). Daran ist festzuhalten. Auch im gekündigten Arbeitsverhältnis obliegt es dem Arbeitnehmer, die für die Festlegung des Urlaubs nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG maßgeblichen Urlaubswünsche zu äußern (vgl. BAG 17. Januar 1995 – 9 AZR 664/93 – aaO). Weder einer ordentlichen noch einer außerordentlichen Kündigungserklärung kann ohne weiteres der Inhalt beigemessen werden, der Arbeitgeber werde, wenn der Arbeitnehmer den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend mache, die für die Erfüllung des Urlaubsanspruchs nötige Freistellung von der Arbeitspflicht verweigern. Es liegt vielmehr im wohlverstandenen Eigeninteresse des Arbeitgebers, sobald der Arbeitnehmer Urlaub verlangt, ihn vorsorglich von der Arbeitspflicht in diesem Umfang zu befreien, um die Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen zu verhindern.
d) Wird das Arbeitsverhältnis aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs rückwirkend beendet, hindert das nicht das Erlöschen des Urlaubsabgeltungsanspruchs. Sofern die Parteien im Vergleich keine besondere Regelung getroffen haben, muß davon ausgegangen werden, daß kein Ersatz für den verfallenen Urlaubsanspruch gewährt werden soll (vgl. BAG 27. August 1986 – 8 AZR 582/83 – aaO).
e) Die Klägerin hat den Abgeltungsanspruch auch nicht außerhalb des Kündigungsschutzprozesses gegenüber der Beklagten rechtzeitig geltend gemacht. Die Schreiben vom 9. Februar 1996 und vom 29. Dezember 1995 enthielten die Aufforderung an die Beklagte, die Urlaubsgeldansprüche für das Jahr 1994 abzurechnen. Ob die Beklagte diese Schreiben der Klägerin als Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs auffassen mußte, kann dahingestellt bleiben. Denn der Abgeltungsanspruch war zu diesem Zeitpunkt bereits erloschen, weil auch bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Urlaubsanspruch aus 1994 spätestens am 31. März 1995 verfallen wäre.
II. Die unterlegene Klägerin hat nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Unterschriften
Leinemann, Reinecke, Düwell, Ott, Gaber
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 21.09.1999 durch Brüne, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436551 |
BAGE, 299 |
BB 2000, 881 |
DB 2000, 2611 |
DStR 2000, 1883 |
ARST 2000, 159 |
EWiR 2000, 435 |
FA 2000, 171 |
FA 2000, 188 |
NZA 2000, 590 |
SAE 2000, 167 |
ZIP 2000, 766 |
ZTR 2000, 329 |
AP, 0 |
AuA 2000, 393 |
MDR 2000, 771 |
AUR 2000, 196 |