Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilzeitbeschäftigter Lehrer mit Hauptberuf
Leitsatz (redaktionell)
Es kann hinsichtlich der Vergütung (Bezahlung nach Jahreswochenstunden statt anteiliger Vergütung nach dem BAT) einen sachlichen Grund im Sinne des § 2 Abs 1 BeschFG 1985 für eine unterschiedliche Behandlung darstellen, wenn ein in einem (Vollzeit-) Beamtenverhältnis oder einem dem Beamtenverhältnis ähnlichen (Vollzeit-) Dienstverhältnis Stehender nebenberuflich als teilzeitbeschäftigter Lehrer Unterricht erteilt.
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 12.09.1989; Aktenzeichen 16 Sa 734/89) |
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 18.05.1989; Aktenzeichen 11 Ca 6733/88) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit ab 1. Januar 1986 anteilige Vergütung nach der Vergütungsgruppe II a BAT zu zahlen.
Der am 27. Dezember 1942 geborene Kläger ist im Hauptberuf evangelischer Pfarrer. Sein Gehalt aus dieser Tätigkeit entspricht etwa den Bezügen eines Beamten der Besoldungsgruppe A 14 der Landesbesoldungsordnung NW.
Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit unterrichtet der Kläger seit August 1972 als nebenberufliche Lehrkraft im Fach Religion am G-Gymnasium in R. Seine Unterrichtszeit beträgt 6 Wochenstunden. Eine vergleichbare vollzeitbeschäftigte Lehrkraft unterrichtet 24 Wochenstunden. Die Vergütung des Klägers wird berechnet nach Einzelstunden (Jahreswochenstunden). Sie beläuft sich ab März 1988 auf einen Stundensatz von 35,03 DM je Unterrichtsstunde und liegt damit erheblich niedriger als der Stundensatz, den das beklagte Land an eine vergleichbare vollbeschäftigte Lehrkraft zahlt.
Grundlage für die Unterrichtstätigkeit des Klägers ist ein Schreiben des Schulkollegiums beim Regierungspräsidenten in D vom 24. Januar 1973. Darin heißt es:
"Betr.: Beschäftigung als nebenberufliche Lehrkraft
Bezug: Bericht der Schule vom 30.10.1972
Sehr geehrter Herr A ]
Wir stellen Sie hiermit mit Wirkung vom 7.8.1972
(frühestens jedoch vom Tage der Unterrichtsaufnahme an)
als nebenberufliche Lehrkraft für das Fach Religion an
dem vorgenannten Gymnasium ein.
Es werden Ihnen wöchentlich 6 Unterrichtsstunden über-
tragen.
Änderungen der Wochenstundenzahl behalten wir uns vor.
Die Vergütung bestimmt sich nach den jeweiligen Vor-
schriften des Kultusministers über die Vergütungssätze
für die Erteilung nebenberuflichen Unterrichts im
höheren Schuldienst. .....
Dieses Dienstverhältnis kann jederzeit von beiden
Seiten zum Schluß eines Kalendermonats gekündigt
werden; die Kündigung hat spätestens am 15. des Monats
zu erfolgen (§ 621 Abs. III BGB). § 184 Abs. 1 BGB
findet entsprechende Anwendung.
Die Versicherungspflicht richtet sich nach den gesetz-
lichen Bestimmungen.
Auf das Dienstverhältnis finden die für Lehrer an
höheren Schulen im Lande Nordrhein-Westfalen allgemein
geltenden Bestimmungen entsprechende Anwendung (ins-
besondere die Vorschriften über die Pflicht zur
Verschwiegenheit, Teilnahme an Konferenzen)."
Der Kläger sieht in der ihm gewährten anteilig geringeren Vergütung einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 und verlangt mit seiner Klage eine anteilige monatliche Vergütung nach der Vergütungsgruppe II a BAT. Er hat vorgetragen:
Für eine geringere Vergütung seiner Unterrichtstätigkeit fehle es an einem sachlichen Grund. § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 verbiete ausdrücklich eine unterschiedliche Behandlung, wenn hierfür kein sachlicher Grund zur Verfügung stehe. Da eine vergleichbare vollzeitbeschäftigte Lehrkraft nach Vergütungsgruppe II oder III BAT vergütet werde, müsse sein Gehalt ebenfalls entsprechend der von ihm geleisteten Stundenzahl anteilig nach den Vergütungsregelungen des BAT berechnet werden. Eine unterschiedliche Behandlung sei nicht schon deshalb gerechtfertigt, weil er im Hauptberuf Pfarrer sei. Als Lehrkraft in den Diensten des beklagten Landes stehe er in einem Angestelltenverhältnis. Er erbringe anteilig dieselbe Leistung wie eine vollzeitbeschäftigte Lehrkraft. Da seine Vergütung nicht auf dem Alimentationsprinzip beruhe, sondern entsprechend der von ihm erbrachten Leistung in einem Arbeitsverhältnis gewährt werde, müsse auch seine Bezahlung leistungsgerecht anteilig entsprechend der einer Vollzeitkraft erfolgen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß das beklagte Land verpflich-
tet ist, ihm für die Zeit ab dem 1. Januar 1986
eine anteilige monatliche Vergütung entsprechend
der geleisteten Stundenzahl nach der Vergütungs-
gruppe II a BAT zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen: Ein Verstoß gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 liege nicht vor. Teilzeitbeschäftigte mit weniger als der Hälfte der Pflichtstundenzahl erhielten neben der Vergütung für geleistete Unterrichtsstunden zusätzliche Vergütung für Zusatzleistungen, etwa für die Mitwirkung bei Konferenzen, Elternsprechtagen und dergleichen. Diese Mehrleistung außerhalb der eigentlichen Unterrichtstätigkeit sei in der Bezahlung der hauptberuflichen Lehrkräfte enthalten. Würde den Teilzeitbeschäftigten anteilig die gleiche Vergütung zugesprochen wie hauptberuflichen Lehrkräften, so würden die Teilzeitbeschäftigten letztlich besser bezahlt. Vor allem aber sei eine anteilig geringere Vergütung des Klägers aus sozialen Gründen wegen seiner gesicherten Lebensstellung (Gehalt und Pension) sachlich gerechtfertigt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Landes zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der das Land sein Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I. Das Landesarbeitsgericht ist in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Parteien davon ausgegangen, der Kläger stehe als teilzeitbeschäftigter Lehrer zu dem beklagten Land in einem Angestelltenverhältnis. Auf dieses von ihm angenommene Arbeitsverhältnis hat das Landesarbeitsgericht unter Anlehnung an die Rechtsprechung des Senats im Urteil vom 25. Januar 1989 (- 5 AZR 161/88 - AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen) die Vorschriften des § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 sowie des § 612 Abs. 2 BGB angewandt. Dabei ist es zu dem Ergebnis gelangt, das Verlangen des Klägers auf anteilige Vergütung nach der VergGr. II a BAT sei gerechtfertigt. Entscheidend hat das Landesarbeitsgericht darauf abgestellt, die wirtschaftlich abgesicherte Stellung des Klägers mit festen Gehalts- und Pensionsansprüchen könne eine unterschiedliche Behandlung gegenüber vollzeitbeschäftigten Lehrern nicht rechtfertigen. Das Arbeitsentgelt könne bei qualitativ gleicher Leistung nicht unterschiedlich danach bemessen werden, inwieweit der einzelne Arbeitnehmer hierauf mehr oder weniger angewiesen oder gar in seiner Existenz abhängig sei. Für gleiche Arbeit müsse gleicher Lohn gezahlt werden.
Dieser Begründung kann nicht gefolgt werden.
II. Nach § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 darf der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich behandeln, es sei denn, daß sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Das ist hier der Fall.
1. Zu den sachlichen Gründen im Sinne des § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 werden gerechnet Arbeitsleistung, Qualifikation, Berufserfahrung, unterschiedliche Arbeitsplatzanforderungen oder soziale Lage (vgl. die Beispielsaufzählung im Regierungsentwurf BT-Drucks. 10/2102, S. 24). Daß der unterschiedliche Umfang der Arbeitsleistung allein kein ausreichender sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung ist, hat der Senat bereits mehrfach entschieden (vgl. nur das oben angeführte Urteil vom 25. Januar 1989, aaO; ferner Urteil vom 6. April 1982, BAGE 38, 232, 241 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu III 1 b der Gründe; an diese Entscheidung lehnt sich die gesetzliche Regelung an: Wlotzke, NZA 1984, 217, 218; Löwisch, BB 1985, 1200, 1203). Dagegen wird die aus den Gesetzesmaterialien (s. o. BT-Drucks. 10/2102, S. 24) zu entnehmende Ansicht, die soziale Lage eines teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers könne eine unterschiedliche Behandlung sachlich rechtfertigen, auch in der Literatur vertreten. So hält Hanau es ebenfalls für richtig, daß die unverhältnismäßig geringe Bezahlung von Teilzeitarbeitnehmern gerechtfertigt sein kann, soweit die Tätigkeit typischerweise Nebenverdienst ist, von dem nicht die ganze Existenz abhängt (NZA 1984, 345, 347). Soweit Lipke grundsätzlich nur eine der verringerten Arbeitsleistung entsprechende Kürzung des Entgelts anerkennen will (GK-TzA, Art. 1 § 2 BeschFG 1985 Rz 87), gibt er hierfür keine eigene Begründung, sondern verweist auf die Entscheidung des Dritten Senats vom 6. April 1982 (BAGE 38, 232 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung). Dort ging es aber darum, ob Teilzeitarbeitnehmer von vornherein vollkommen von betrieblichen Versorgungsleistungen ausgenommen werden dürfen, die Vollzeitarbeitnehmer zugestanden werden. Daher verlangte der Dritte Senat für die Differenzierung einen sachlichen Grund und hielt diesen in der Eigenart der betrieblichen Verhältnisse für gegeben. Das ist jedoch eine besondere Fallgestaltung, die für die hier zu beantwortende Frage nichts hergibt.
2. Der Senat hält es für zulässig, die soziale Lage eines teilzeitbeschäftigten Lehrers dann als sachlichen Grund im Sinne des § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 zu werten, wenn er neben der Teilzeitbeschäftigung einer Haupttätigkeit nachgeht, aus der er für sich und seine Familie eine auskömmliche und gesicherte Existenzgrundlage gewinnt (vgl. insoweit auch das Senatsurteil vom 25. Januar 1989, aaO, zu II 2 der Gründe).
3. In den bisherigen Urteilen hat der Senat den Umstand, daß die jeweiligen Kläger in ihrem Anstellungsvertrag als nebenberufliche Lehrer bezeichnet wurden, nicht als sachlichen Grund für eine unterschiedliche Behandlung anerkennen können. Außer dem angeblichen nebenberuflichen Unterricht hatten die Kläger (es handelte sich stets um junge Lehrer) keine andere Tätigkeit, sondern waren auf die Erteilung des Teilzeitunterrichts als Haupttätigkeit angewiesen. Diese Arbeitsleistung war für sie die wesentliche berufliche Tätigkeit und damit die Grundlage ihrer Existenz. Das ist beim Kläger anders. Er steht als Pfarrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zu seiner Landeskirche. Dieses Rechtsverhältnis ist einem Beamten- oder Richterverhältnis im staatlichen Bereich jedenfalls insofern vergleichbar, als es sich um die soziale Sicherung für Unterhalt und Altersversorgung handelt. Es bedeutet einen erheblichen Unterschied, ob jemand zu seinem Vollzeitberuf (mit wirtschaftlicher Sicherung für sich und seine Familie, auch für das Alter) eine Nebentätigkeit ausübt, die zu Recht mit diesem Namen bezeichnet wird, oder ob jemand aus haushaltsrechtlichen Gründen trotz Erfüllung aller zu fordernden Voraussetzungen sich mit einem Teilzeitarbeitsverhältnis im Schulwesen zufriedengeben muß. Der Kläger ist vergleichbar einem Oberstudienrat, der über sein normales Lehrdeputat hinaus (etwa in Krankheitszeiten) vertretungsweise einspringen und dabei Überstunden leisten muß. Es kann keinen Rechtsverstoß bedeuten, wenn die Tätigkeit des Klägers der Überstundentätigkeit eines Oberstudienrates entsprechend abgegolten wird.
Demgegenüber vermag das Argument, "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" nicht zu überzeugen. Einmal handelt es sich bei diesem Prinzip um die Klarstellung, daß Frauen vergütungsmäßig nicht schlechter gestellt werden dürfen als Männer, wenn sie eine gleiche Tätigkeit ausüben (Gleichberechtigungsgrundsatz Art. 3 Abs. 2 GG oder Gleichbehandlungsprinzip des Arbeitsrechts). Zum anderen erbringt der Kläger eben nicht die gleiche Arbeitsleistung wie ein vollbeschäftigter Lehrer. Es liegt sachlich ein Unterschied vor, auch wenn der Kläger den Religionsunterricht (mindestens) so sachkundig erteilt, wie das ein vollzeitbeschäftigter Religionslehrer tun könnte.
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog
Liebsch Pallas
Fundstellen
Haufe-Index 440272 |
BAGE 66, 17-29 (LT1) |
BAGE, 17 |
BB 1991, 141 |
BB 1991, 141-142 (LT1) |
DB 1991, 285-286 (LT1) |
NZA 1991, 107-108 (LT1) |
RdA 1991, 61 |
SAE 1991, 114-116 (LT1) |
ZTR 1991, 78-79 (LT1) |
AP § 2 BeschFG 1985 (LT1), Nr 8 |
EzA § 2 BeschFG 1985, Nr 4 (LT1) |
MDR 1991, 279 (ST) |
ZfPR 1991, 116-117 (L) |