Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachtarbeitszuschlag – betriebliche Übung
Normenkette
MTV für alle Arbeitnehmer der Futtermittelindustrie im Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg vom 24. August 1994 § 4 Ziff. 5, § 5 Ziff. 1 b, § 5 Ziff. 1 c
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 11. Oktober 2000 – 2 Sa 163/00 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger aus den Monaten Februar bis November 1999 einen Anspruch auf Zahlung von weiteren Nachtarbeitszuschlägen in Höhe von insgesamt 518,59 DM gegen die Beklagte hat.
Auf Grund Arbeitsvertrages vom 9. Oktober 1995 ist der Kläger im Werk E. der Beklagten als Anlagenfahrer/stellvertretender Schicht-Elektriker beschäftigt. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages gelten für das Arbeitsverhältnis der Parteien „die für S. gültigen tariflichen Bestimmungen”. An den Manteltarifvertrag für alle Arbeitnehmer der Futtermittelindustrie im Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg vom 24. August 1994, gültig ab 1. Januar 1993 (MTV), an den die S. GmbH in P. bereits infolge Verbandsmitgliedschaft gebunden war, wurde durch Anerkennungstarifvertrag vom 21. Oktober 1998 auch die Beklagte angebunden. Der MTV gilt für das Arbeitsverhältnis der Parteien nun auf Grund beiderseitiger Tarifbindung. Für Nacht- und Schichtarbeit enthält der MTV folgende Regelungen:
„§ 4
Mehr-, Nacht-, Sonntags-, Feiertags- und Schichtarbeit
…
5. Unregelmäßige und ungeplante Nachtarbeit ist die in der Zeit von 20.00 bis 6.00 Uhr geleistete Arbeit, soweit es sich nicht um geplante Schichtarbeit handelt.
…
§ 5
Zuschläge für Mehrarbeit, Sonntags-, Feiertags-, Nacht- und Schichtarbeit
1. Die Zuschläge betragen für
…
b) |
unregelmäßige Nachtarbeit |
50 % |
c) |
Nachtarbeit als Schichtarbeit in der Zeit von 22.00 bis 6.00 Uhr |
25 % |
d) |
…” |
|
Im Werk E. wird im Zwei-Schichtsystem (Früh- und Spätschicht) gearbeitet. Ein Schichtplan mit Beginn und Ende der Früh- und Spätschichten wird wöchentlich für die Folgewoche im Betrieb ausgehängt. Der zeitliche Ablauf der Schichten ist – als Folge der jeweiligen Produktionsmengen – unterschiedlich. Ausweislich der vorgelegten Arbeitszeitpläne hat die Spätschicht zwischen 13.00 und 18.00 Uhr begonnen und zwischen 20.45 und 1.45 Uhr geendet. Für Nachtarbeitseinsätze hat die Beklagte dem Kläger von Anbeginn seiner Tätigkeit bis Januar 1999 einen Zuschlag von 50 % gezahlt.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Schichtarbeit im Betrieb der Beklagten sei nicht regelmäßig geplant. Gemäß § 1 seines Arbeitsvertrages könne die Beklagte ihn an den verschiedensten Arbeitsplätzen und mit unterschiedlichen Arbeitszeiten einsetzen. Er müsse jederzeit mit einem Wechsel seines Arbeitszeitregimes rechnen. In der wöchentlichen Bekanntgabe der Arbeitszeiten für die folgende Woche könne keine Planung gesehen werden. Planung bedeute das langfristige Festschreiben eines Schichtsystems mit festen Arbeitsbeginn- und Arbeitsendzeiten, auf die sich der Arbeitnehmer langfristig einstellen könne. Der Tarifvertrag berücksichtige dies insoweit, als er ausdrücklich regele, daß die Zuschläge fürunregelmäßige Nachtarbeit 50 % betrügen. Einen geringeren Zuschlag wollten die Tarifvertragsparteien nur dann in Ansatz bringen, wenn es sich um geplante Schichtarbeit mit regelmäßigen festen Anfangs- und Endzeiten handele. Im übrigen stelle § 5 Ziffer 1b MTV gar nicht darauf ab, daß die Nachtarbeit ungeplant sein müsse. Schließlich ergäben sich seine Ansprüche auf den vollen Zuschlag von 50 % schon aus einer betrieblichen Übung, weil die Beklagte diesen seit Beginn des Arbeitsverhältnisses gezahlt habe.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn
- 238,73 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 27. August 1999,
- 127,33 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 8. Oktober 1999 und
- 152,53 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 18. Januar 2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat zu ihrem Antrag auf Klageabweisung vorgetragen, die tariflichen Voraussetzungen für die Zahlung des Zuschlages von 50 % je geleistete Stunde für unregelmäßige Nachtarbeit seien nicht gegeben. Die Schichtarbeit im Werk E. sei langfristig geplant, so daß sich der Kläger in seinem Arbeitsrhythmus darauf einstellen könne. Der Kläger habe zwar von Beginn seines Arbeitsverhältnisses 1995 an für unregelmäßig geleistete Nachtarbeit einen Zuschlag von 50 % erhalten. Damals seien wegen „normaler Startschwierigkeiten” häufig unregelmäßige und ungeplante Nachtarbeitseinsätze angefallen. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung sei aber nicht gegeben, weil der Zeitraum hierfür zu kurz sei und überdies der geltende Tarifvertrag diesem Anspruch entgegenstehe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die von ihm zugelassene Berufung blieb erfolglos. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, bei der von dem Kläger geleisteten Nachtarbeit handele es sich zwar um unregelmäßige Nachtarbeit, zugleich aber um geplante Schichtarbeit im Sinne von § 4 Ziffer 5 MTV. Ein tariflicher Anspruch auf den Zuschlag von 50 % gemäß § 5 Ziffer 1b MTV bestehe deshalb nicht. Die Belastung durch Nachtarbeit, die ein Schichtarbeitnehmer vorhersehbar an bestimmten Tagen erbringen müsse, unterscheide sich deutlich von der, die ein Arbeitnehmer durch planwidrige Nachtarbeit habe, wenn er sonst nach Schichtplan in der betreffenden Nacht frei gehabt hätte. Der Kläger könne sich auf das Ende seiner Spätschichten in angemessener Weise einrichten, auch wenn diese zu unterschiedlichen Zeiten in der Nachtzeit endeten. Daß sich die Beklagte für den Einsatz des Klägers ein weites Direktionsrecht vorbehalten habe, sei insoweit ohne Bedeutung.
Ein Anspruch des Klägers auf den erhöhten Zuschlag ergebe sich auch nicht aus einer betrieblichen Übung. Auf das Arbeitsverhältnis habe gemäß § 2 des Arbeitsvertrages von Anfang an der MTV Anwendung gefunden. In diesem seien die Zuschläge geregelt. Ansprüche von Arbeitnehmern auf Grund betrieblicher Übung könnten jedoch nur entstehen, wenn dafür keine andere Anspruchsgrundlage in Gesetzen, Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen bestehe.
II. Dem folgt der Senat im Ergebnis und teilweise auch in der Begründung. Unter Berücksichtigung von § 4 Ziffer 5 MTV besteht für die streitige Zeit kein Anspruch des Klägers auf den Zuschlag von 50 % nach § 5 Ziffer 1b MTV. Auch eine betriebliche Übung hinsichtlich der Zahlung des erhöhten Zuschlags läßt sich nicht feststellen.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben sodann noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt(BAG 20. April 1994 – 10 AZR 276/93 – AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 11 mwN).
a) Bei Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze verbietet sich eine isolierte Betrachtung des Begriffs „unregelmäßige Nachtarbeit” in § 5 Ziffer 1b MTV. § 5 MTV knüpft, wie schon die Überschrift belegt, an § 4 MTV an. Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff der unregelmäßigen Nachtarbeit in § 4 Ziffer 5 MTV dahingehend definiert, daß diese die in der Zeit von 20.00 bis 6.00 Uhr geleistete Arbeit ist, soweit es sich nicht um geplante Schichtarbeit handelt. Soweit die Tarifvertragsparteien die Bestimmung tariflicher Begriffe selbst vornehmen, ist ein Rückgriff auf den allgemeinen Sprachgebrauch nicht geboten. Die Maßgeblichkeit der in § 4 Abs. 5 MTV vorgenommenen Definition der unregelmäßigen Nachtarbeit für die Zuschlagsregelung in § 5 Ziff. 1b MTV wird nicht dadurch beseitigt, daß die Definition den in der Zuschlagsregelung nicht wiederholten Zusatz „und ungeplante” enthält. Dieser Zusatz dient ersichtlich nur der Erläuterung und der Kennzeichnung des Gegensatzes zur „geplanten Schichtarbeit”. Entscheidend für den tariflichen Zuschlagsanspruch des Klägers ist deshalb, ob dieser in geplanter Schichtarbeit tätig und damit gerade nicht mit unregelmäßiger Nachtarbeit im Sinne des MTV eingesetzt war.
b) Allerdings ist der Begriff der „geplanten Schichtarbeit”, anders als der der „Wechselschichtarbeit” (§ 4 Ziff. 6 MTV), im MTV nicht definiert. Auch eine gesetzliche Regelung besteht insoweit nicht. Folglich ist der Begriff in seiner allgemeinen arbeitsrechtlichen Bedeutung heranzuziehen. Danach ist für das Vorliegen von Schichtarbeit wesentlich, daß eine bestimmte Arbeitsaufgabe über einen erheblich längeren Zeitraum als die tatsächliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers hinaus erfüllt und daher von mehreren Arbeitnehmern (oder Arbeitnehmergruppen) in einer geregelten zeitlichen Reihenfolge erbracht wird. Bei der Schichtarbeit arbeiten nicht sämtliche Beschäftigte eines Betriebes zur selben Zeit, sondern ein Teil arbeitet, während der andere Teil arbeitsfreie Zeit hat, wobei beide Teile sich regelmäßig nach einem feststehenden und überschaubaren Schichtplan ablösen. Dabei muß eine übereinstimmende Arbeitsaufgabe von untereinander austauschbaren Arbeitnehmern erfüllt werden(BAG 20. Juni 1990 – 4 AZR 5/90 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 6 = EzA TVG § 4 Großhandel Nr. 1; 24. Januar 2001 – 10 AZR 106/00 – nv.).
c) Bezogen auf den tariflich und gesetzlich nicht definierten Begriff der Schichtarbeit ist für das Erfordernis der „Regelmäßigkeit” auf den allgemeinen Sprachgebrauch zurückzugreifen. Danach bedeutet „regelmäßig” nach einer bestimmten Regel geschehend, in gleichen Abständen sich wiederholend(Wahrig Deutsches Wörterbuch 1997 S 1016). Vorliegend bestand bei der Beklagten nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die durchgehende Regel, daß in zwei Schichten (Früh- und Spätschicht) gearbeitet wurde. Daß die zeitliche Lage der beiden Schichten (Beginn und Ende) variierte, ändert nichts an der Regelmäßigkeit der Doppelschichtigkeit; für den Begriff der Schichtarbeit als solcher ist es nicht erforderlich, daß auch Beginn und Ende nach einer gleichbleibenden Regel festgelegt sind.
d) Die bei der Beklagten regelmäßig durchgeführte Schichtarbeit war auch im Sinne von § 4 Ziffer 5 MTV „geplant”. Der MTV selbst macht für dieses Erfordernis keine näheren Vorgaben. Deshalb ist auch insoweit auf den allgemeinen Sprachgebrauch abzustellen. Danach bedeutet „planen” einen Plan von etwas machen, wobei unter „Plan” in dem hier relevanten Sinn die Einteilung einer Arbeit verstanden wird(vgl. Wahrig aaO). Diesem Erfordernis genügte die bei der Beklagten übliche Bekanntgabe der – mitbestimmten – Arbeitszeitregelungen am Donnerstag oder Freitag für die jeweils folgende Woche. Ein längerer zeitlicher Vorlauf ist, anders als in dem im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 4. Juli 1973(– 4 AZR 475/72 – AP TVG § 1 Auslegung Nr. 122 = EzA TVG § 4 Nr. 37) zu beurteilenden Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer der Brauereien und selbständigen Handelsmälzereien, weder in den hier maßgeblichen tariflichen Regelungen gefordert, noch ist er nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein wesentliches Element der Begriffe „Plan” bzw. „geplant”.
e) War der Kläger somit im Sinne von § 4 Ziffer 5 MTV nach 20.00 Uhr in „geplanter Schichtarbeit” tätig, erfüllte er nicht die Voraussetzungen für den in § 5 Ziffer 1b MTV vorgesehenen Zuschlag von 50 % für unregelmäßige Nachtarbeit. Der Kläger konnte sich jeweils auf die für die kommende Woche geplante Schichtarbeit und die mit ihr verbundene Nachtarbeit einstellen und seine eigenen Planungen für die arbeitsfreie Zeit, wenn auch nur mit begrenztem zeitlichem Vorlauf, daran ausrichten. Daß die Beklagte auf Grund des ihr arbeitsvertraglich vorbehaltenen weitgehenden Direktionsrechts unter Umständen befugt gewesen wäre, den Kläger auch außerhalb der in der vorausgegangenen Woche aufgestellten Arbeitszeitplanung einzusetzen, ändert daran nichts. Die Belastung durch Nachtarbeit, die ein Schichtarbeitnehmer vorhersehbar an bestimmten Tagen erbringen muß, steht nicht derjenigen gleich, die ein Arbeitnehmer durch planwidrige Nachtarbeit hat, wenn er nach dem Schichtplan in der betreffenden Nacht an sich frei gehabt hätte(vgl. BAG 15. Oktober 1997 – 3 AZR 344/96 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Wohnungswirtschaft Nr. 1 = EzA TVG § 4 Wohnungswirtschaft Nr. 2 zu I 3 der Gründe). Wäre der Kläger tatsächlich außerhalb der Schichtplanung bzw. unter Überschreitung derselben in den Nachtstunden eingesetzt worden, hätte er auch den erhöhten Zuschlag von 50 % beanspruchen können. Auf einen solchen Sachverhalt hat er sich jedoch nicht berufen. Für die streitgegenständlichen Zeiträume bestand deshalb für den Kläger kein tariflicher Anspruch auf den erhöhten Zuschlag.
2. Auch die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung bei der Beklagten, den erhöhten Zuschlag für jegliche Nachtarbeit ungeachtet dessen zu bezahlen, ob dafür die tariflichen Anspruchsgrundlagen erfüllt waren, hat der Kläger nicht dargelegt.
a) Allerdings stand dem Entstehen einer entsprechenden betrieblichen Übung nicht schon die Regelung in § 5 Ziffer 1 MTV entgegen. Mit Recht macht der Kläger geltend, aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Juni 1985(– 6 AZR 392/81 – BAGE 49, 151) lasse sich entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht entnehmen, die bloße Regelung einer Leistung in Gesetzen, Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen schließe einen Anspruch auf zusätzliche Leistungen aus, der an gleiche Tatbestandsvoraussetzungen anknüpfe und betriebsüblich gewährt werde. Vielmehr ging es in jener Entscheidung um Urlaubstage, die auf Grund einer gültigen kollektivrechtlichen Regelung zu gewähren waren und gewährt wurden. Die kollektive Regelung hinderte lediglich das Entstehen einerinhaltsgleichen betrieblichen Übung. Zu der Frage, ob auf Grund einer betrieblichen Übung über die kollektive Regelung hinausgehende Leistungen zu gewähren sind, besagt dieses Urteil nichts.
b) Unter einer betrieblichen Übung ist ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers zu verstehen, aus dem die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden(ständige Rechtsprechung, vgl. zB BAG 5. Februar 1971 – 3 AZR 28/70 – BAGE 23, 213, 218 ff. mwN). Die betriebliche Übung gründet sich auf eine Willenserklärung des Arbeitgebers, die von den Arbeitnehmern konkludent angenommen wird (§ 151 BGB); dadurch entstehen arbeitsvertragliche Ansprüche der Arbeitnehmer auf die üblich gewordenen Leistungen. Für die Begründung eines solchen Anspruchs aus betrieblicher Übung kommt es dabei nicht darauf an, ob der Arbeitgeber einen Verpflichtungswillen hatte; maßgebend ist vielmehr, ob die Arbeitnehmer aus dem Erklärungsverhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie aller Begleitumstände auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften und das entsprechende Angebot stillschweigend annehmen konnten. Die Bindungswirkung tritt ein, wenn die Arbeitnehmer auf Grund des Verhaltens des Arbeitgebers darauf vertrauen dürfen, die Leistung solle auch für die Zukunft gewährt werden(BAG 26. Mai 1993 – 4 AZR 130/93 – BAGE 73, 191; 7. Mai 1986 – 4 AZR 556/83 – BAGE 52, 33, 49; 3. August 1982 – 3 AZR 503/79 – BAGE 39, 271, 276).
c) Dem Vorbringen des Klägers lassen sich vorliegend keine Anhaltspunkte entnehmen, aus denen er darauf hätte schließen dürfen, daß die Beklagte mit der Leistung eines Zuschlags von 50 % für alle Nachtarbeitsstunden sich nicht bloß normgemäß verhalten, sondern eine über § 5 Ziffer 1 MTV hinausgehende Leistung erbringen wollte.
aa) Der MTV fand auf das Arbeitsverhältnis der Parteien durchgehend Anwendung. Zwar war die Beklagte zunächst nicht gemäß § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden; die Tarifbindung wurde erst mit dem Anerkennungstarifvertrag vom 21. Oktober 1998 begründet. § 2 des Arbeitsvertrages erklärte jedoch die für „S.” geltenden tariflichen Bestimmungen für anwendbar. Bei Abschluß des Arbeitsvertrages galten gemäß § 3 Abs. 1 TVG lediglich für das mit der Beklagten im Konzern verbundenen Unternehmen in P. Tarifverträge, darunter der MTV. Sollte die Vertragsklausel aktuelle Wirkungen entfalten, konnten nur diese Tarifverträge gemeint sein. Dementsprechend hat das Landesarbeitsgericht die vertragliche Verweisungsklausel dahin ausgelegt, daß die für „S.” in P. geltenden Tarifverträge auch auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden sollten (§§ 133, 157 BGB). Diese Auslegung ist möglich und revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch die Beklagte hat § 2 des Arbeitsvertrages in diesem Sinne verstanden und – ohne daß der Kläger dies bestritten hätte – vorgetragen, die für die Konzernschwester in P. geltenden Tarifverträge hätten von Beginn des Arbeitsverhältnisses an Anwendung gefunden.
bb) Grundsätzlich kommt es zwar bei der Entstehung einer betrieblichen Übung nicht auf die subjektiven Vorstellungen des Arbeitgebers an. Eine irrtümliche Leistung des Arbeitgebers kann eine betriebliche Übung aber dann nicht begründen, wenn der Arbeitnehmer aus den Umständen den Irrtum erkennen konnte(BAG 26. Mai 1993 – 4 AZR 130/93 – aaO).
cc) Vorliegend gewährte die Beklagte für die von dem Kläger geleistete Nachtarbeit bis Januar 1999 stets einen Zuschlag, wie ihn der MTV in § 5 Ziffer 1b für unregelmäßige Nachtarbeit vorsieht. Der Kläger selbst nahm und nimmt immer noch an, daß es sich bei der von ihm geleisteten Nachtarbeit um unregelmäßige Nachtarbeit im Sinne der genannten Tarifbestimmung handelt. Er konnte und mußte deshalb davon ausgehen, daß sich auch die Beklagte bei der Vergütung von Nachtarbeit tarifkonform verhalten wollte. Unter diesen Umständen war die Beklagte nicht durch eine entgegenstehende betriebliche Übung gehindert, die tariflichen Voraussetzungen für den erhöhten Zuschlag zu überprüfen und die Praxis der bisherigen Zuschlagsgewährung der nach dem MTV gegebenen Rechtslage anzupassen(vgl. auch BAG 31. Januar 1969 – 3 AZR 439/68 – BAGE 21, 332; 26. August 1987 – 4 AZR 155/87 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Brotindustrie Nr. 1).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Freitag, Marquardt, Fischermeier, Thiel, Kay Ohl
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.07.2001 durch Brüne, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 643083 |
ARST 2002, 63 |
EzA |