Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsstrafe - Wettbewerbsverbot
Orientierungssatz
Es gibt keinen Rechtssatz, daß eine Vertragsstrafe die Höhe des für die Kündigungsfrist zu zahlenden Gehalts nicht übersteigen darf. Die angemessene Höhe einer Vertragsstrafe kann nicht allgemein, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles bestimmt werden.
Normenkette
HGB § 75; BGB §§ 343, 339; HGB § 74a
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 17.06.1992; Aktenzeichen 9 Sa 34/92) |
ArbG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 28.02.1992; Aktenzeichen 5 Ca 306/91) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Vertragsstrafe.
Der Kläger war vom 1. Juni 1990 bis 31. August 1991 bei der Beklagten, einem Unternehmen der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung, als Büroleiter zu einem monatlichen Gehalt von 5.500,00 DM brutto angestellt. Im schriftlichen Anstellungsvertrag vom 9. Mai 1990 war u. a. bestimmt:
"§ 8
Scheidet der Arbeitnehmer aus den Diensten der
Firma R aus, gleichgültig
wodurch das Ausscheiden bewirkt wurde, so darf er
für ein Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhält-
nisses nicht in die Dienste eines Unternehmens
treten, das als Konkurrenz zu der Firma R
bezeichnet werden kann, sich
daran an Kapital beteiligen oder es in anderer
Weise unterstützen.
Er darf während der gleichen Frist kein selbstän-
diges Konkurrenzunternehmen gründen, betreiben
oder leiten.
Für die Dauer des Wettbewerbsverbotes hat die
Firma R H. Ru eine monat-
liche Entschädigung von 50 % seiner letzten Bezü-
ge zu zahlen. Die Entschädigung wird zugleich
dafür gezahlt, daß H. Ru auch nach Beendigung
des Arbeitsverhältnisses Geschäfts- und Betriebs-
geheimnisse wahrt, die während seiner Tätigkeit
bei der Firma R bekannt ge-
worden sind. Im übrigen gelten für das Wettbe-
werbsverbot und die Karenzentschädigung die §§ 74
bis 75 c HGB.
Handelt der Arbeitnehmer dem Wettbewerbsverbot
zuwider, so kann die Firma R
unbeschadet ihrer sonstigen Rechte, für jeden
Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe von
6 Bruttomonatlöhnen verlangen.
§ 9
Sonstige Vereinbarungen:
...
H. Ru erhält eine mtl. fixe Prämie von
DM 1000,-- für die Zeitdauer der Probezeit. Ab
1.1.91 werden neue Bedingungen vereinbart."
Der Kläger war für die Beklagte bereits ab 15. Mai 1990 zur Einarbeitung tätig. Die Parteien vereinbarten dazu, der Kläger solle für die bis zum 31. Mai 1990 geleistete Arbeit zusätzlichen "Urlaub" erhalten.
Der Kläger kündigte sein Arbeitsverhältnis schriftlich am 30. August 1991 zum 31. August 1991. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:
"Betr.: Fristlose Kündigung zum 31.08.91
Sehr geehrter Herr R ,
hiermit kündige ich, daß mit Ihnen bestehende Ar-
beitsverhältnis fristlos zum 31.08.91.
Gründe:
Nichteinhaltung des in § 9 vereinbarten neuen
Vertrages ab dem 1.1.91.
Nichtbezahlung von Urlaubsgeld
Nichtbezahlung von Vermögenswirksamer-Leistungen
Gleichzeitig weise ich daraufhin, daß ich auf die
Einhaltung des § 8 verzichte, und Sie hiermit
davon befreie."
Seit 1. September 1991 ist der Kläger bei einem Konkurrenzunternehmen der Beklagten tätig.
Der Kläger hat mit seiner Klage Urlaubsabgeltung i. H. von 6.500,00 DM für 26 Urlaubstage sowie von 3.000,00 DM für den "Urlaub" verlangt, den die Parteien für die im Mai 1990 geleistete Arbeit vereinbarten hatten. Außerdem hat er Zahlung einer zusätzlichen Prämie von 1.000,00 DM sowie vermögenswirksamer Leistungen i. H. von 52,00 DM begehrt.
Die Beklagte hat widerklagend eine Vertragsstrafe von 33.000,00 DM verlangt und insoweit beantragt,
den Kläger zu verurteilen, an sie 33.000,00 DM
nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 15. Oktober
1991 zu zahlen.
Der Kläger hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage zur Urlaubsabgeltung und zur vermögenswirksamen Leistung i. H. von insgesamt 9.552,00 DM entsprochen und sie im übrigen abgewiesen. Der Widerklage hat es i. H. von 16.500,00 DM stattgegeben. Auf die Berufungen beider Parteien hat das Landesarbeitsgericht den Kläger verurteilt, 33.000,00 DM an die Beklagte zu zahlen. Im übrigen hat es die Berufungen der Parteien zurückgewiesen. Mit seiner Revision verlangt der Kläger weiterhin die Abweisung der Widerklage. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Beklagte hat gegen den Kläger Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach § 339 Satz 2 BGB i. V. mit § 8 Abs. 4 des Arbeitsvertrages wegen des Verstoßes gegen ein Wettbewerbsverbot.
I. Die Parteien haben wirksam eine Vertragsstrafe i. S. des § 339 Satz 1 BGB für den Fall vereinbart, daß der Kläger dem ebenfalls nach den §§ 74, 74 a HGB wirksam vereinbarten Wettbewerbsverbot zuwiderhandelt, § 339 Satz 2 BGB. Der Kläger hat seine Verpflichtung, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Wettbewerb zu unterlassen seit dem 1. September 1991 fortgesetzt verletzt.
1. Das Wettbewerbsverbot ist nicht nach § 75 Abs. 1 HGB unwirksam geworden. Wie das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat, war die vom Kläger ausgesprochene Kündigung aus wichtigem Grund nicht berechtigt, so daß die gleichzeitige Erklärung des Klägers, sich an die Vereinbarung nicht gebunden zu erachten, die Rechtsfolge der Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots nicht auslösen konnte.
2. Die Subsumtion der im Einzelfall vorgetragenen und festgestellten Tatsachen durch das Landesarbeitsgericht unter den Rechtsbegriff des wichtigen Grundes i. S. des § 626 Abs. 1 BGB, der an die Stelle der in § 75 Abs. 1 HGB genannten §§ 70, 71 HGB getreten ist, kann vom Revisionsgericht nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob das Landesarbeitsgericht alle in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls berücksichtigt hat und ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Die Gewichtung der für und gegen die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung sprechenden Umstände liegt weitgehend im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz. Hält sich die Bewertung im Rahmen des Beurteilungsspielraums, kann das Revisionsgericht die angegriffene Würdigung nicht durch eine eigene ersetzen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Urteil vom 20. Januar 1994 - 2 AZR 521/93 - NZA 1994, 548; Urteil vom 2. April 1987 - 2 AZR 418/86 - AP Nr. 96 zu § 626 BGB).
3. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer Überprüfung jedenfalls im Ergebnis stand. Der Kläger konnte sein Arbeitsverhältnis nicht deshalb außerordentlich kündigen, weil die Beklagte mit erheblichen Zahlungsverpflichtungen in Rückstand war.
a) Der Urlaubsabgeltungsanspruch für den Jahresurlaub 1991 entstand mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, § 7 Abs. 4 BUrlG, im Streitfall also frühestens mit Ablauf des 31. August 1991 und damit nach der Kündigung. Die Beklagte befand sich deshalb mit einem Abgeltungsanspruch nicht im Rückstand oder gar im Verzug.
b) Gleiches gilt für den Anspruch auf weitere Abgeltung. Die Revision übersieht, daß ein finanzieller Zeitausgleich für die besondere Urlaubsvereinbarung der Parteien zu Beginn der Beschäftigung des Klägers ebenfalls erst mit dem frühestmöglichen Beendigungstermin für das Arbeitsverhältnis entstanden ist. Bis zu diesem Zeitpunkt stand allenfalls ein Anspruch auf zusätzliche Freizeit. Der Kläger hat nicht einmal in der Revision behauptet, diesen Anspruch vor Ausspruch der Kündigung vergeblich geltend gemacht zu haben.
c) So war die Beklagte am 30. August 1991 allenfalls mit einem Betrag von 52,00 DM für vermögenswirksame Leistungen in Rückstand. Diese Pflichtwidrigkeit rechtfertigt keine außerordentliche Kündigung, zumal der Kläger zu keiner Zeit substantiiert vorgetragen hat, den fehlenden Betrag vergeblich angemahnt zu haben.
4. Die Kündigung aus wichtigem Grund war auch nicht deswegen berechtigt, weil die Beklagte ihrer Verpflichtung aus § 9 Satz 4 des Arbeitsvertrages nicht nachgekommen ist und ab 1. Januar 1991 keine neuen Bedingungen vereinbart hat. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht dazu ausgeführt, es fehle ein Vortrag darüber, wann der Kläger die Beklagte zu Verhandlungen aufgefordert und wann sich die Beklagte geweigert habe, Verhandlungen aufzunehmen. Die hiergegen gerichtete Revisionsrüge nach § 139 ZPO ist unbegründet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muß derjenige, der eine Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 139 ZPO rügt, im einzelnen angeben, welche Fragen das Berufungsgericht hätte stellen müssen und welche Antworten die befragte Partei gegeben hätte. Die Revisionsrüge muß das Angriffs- oder Verteidigungsvorbringen schlüssig machen. Erst dann ist dem Revisionsgericht die Beurteilung möglich, ob die Ausübung des Fragerechts zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (Senatsurteil vom 24. August 1993 - 9 AZR 498/91 - AP Nr. 36 zu § 59 KO). Diese Voraussetzungen erfüllt die Revision nicht. Der Kläger hat geltend gemacht, auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts hätte er vorgetragen, daß er die Beklagte wiederholt abgemahnt habe. Das genügt nicht. Dieser Vortrag enthält keine konkreten Tatsachen über Zeitpunkt und Inhalt der Erklärungen des Klägers, so daß nicht erkennbar ist, ob die Beklagte sich pflichtwidrig geweigert hat, Verhandlungen über eine Änderung der Arbeitsbedingungen aufzunehmen.
II. Das vertragliche Wettbewerbsverbot entstand mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Da die außerordentliche Kündigung des Klägers das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat, konnte es am 1. September 1991 nicht entstehen. Da die Beklagte jedoch spätestens mit der Erhebung der Widerklage deutlich gemacht hat, daß sie die Kündigung des Klägers nicht akzeptieren wolle, aber am Wettbewerbsverbot festhalten wolle, ist das Wettbewerbsverbot in Kraft getreten, unabhängig davon, ob in der Erklärung der Beklagten eine außerordentliche Kündigung oder eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Parteien zu sehen ist (BAG Urteil vom 24. September 1965 - 3 AZR 223/65 - AP Nr. 3 zu § 75 HGB).
III. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, die Vertragsstrafe nicht herabzusetzen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Herabsetzung einer Vertragsstrafe nach § 343 BGB ist vom Revisionsgericht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob das Berufungsgericht von falschen Rechtssätzen ausgegangen ist oder die Umstände des Falles unrichtig, unvollständig oder widerspruchsvoll gewürdigt hat (BAG Urteil vom 26. Januar 1973 - 3 AZR 233/72 - AP Nr. 4 zu § 75 HGB; BAGE 23, 330 = AP Nr. 2 zu § 340 BGB; BAGE 19, 164, 181 = AP Nr. 1 zu § 75 b HGB, zu V 4 der Gründe und BAGE 15, 11, 15 = AP Nr. 2 zu § 67 HGB, zu IV der Gründe). Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts stand.
a) Entgegen der Auffassung der Revision gibt es keinen Rechtssatz, daß eine Vertragsstrafe die Höhe des für die Kündigungsfrist zu zahlenden Gehalts nicht übersteigen darf. Die angemessene Höhe einer Vertragsstrafe kann nicht allgemein, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles bestimmt werden (BGH Urteil vom 7. Oktober 1982 - I ZR 120/80 - NJW 1983, 941, 943).
b) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht auch davon ausgegangen, daß das Fehlen eines Schadens im Einzelfall die Herabsetzung einer Vertragsstrafe nicht rechtfertigt. Die Vertragsstrafe bezweckt in erster Linie, einen wirkungsvollen Druck auf den Schuldner zur Einhaltung seiner Verpflichtung auszuüben (BGH aaO; BGH Urteil vom 1. Juni 1983 - I ZR 78/81 - NJW 1984, 919, 920). Bei der Festsetzung der Höhe der Vertragsstrafe ist der Umstand, welchen Schaden der Vertragsbruch herbeiführen konnte, zu berücksichtigen. Damit hat sich das Landesarbeitsgericht eingehend auseinandergesetzt. Es hat ausgeführt, daß der Kläger die entscheidende Kontaktperson für die Arbeitnehmer gewesen sei und bei einem Unternehmen der Arbeitnehmerüberlassung Gefahr bestünde, daß mit dem Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen auch einzelne Unternehmen den Arbeitgeber wechseln. Es hat daher das Interesse der Beklagten an der Einhaltung des Wettbewerbsverbots als hoch eingestuft. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dagegen kann der Kläger auch nicht einwenden, ein Schaden habe nicht entstehen können, weil er solche vertragswidrigen Handlungen nie vorgenommen habe und dies auch in Zukunft nicht getan hätte. Auf konkrete Verletzungshandlungen kommt es nicht an.
c) Zu Unrecht macht die Revision weiter geltend, das Landesarbeitsgericht habe das Einkommen des Klägers und dessen Unterhaltspflichten nicht berücksichtigt. Der Kläger hat in den Tatsacheninstanzen nichts zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen und zu etwaigen Unterhaltsverpflichtungen vorgetragen. Die vom Kläger in diesem Zusammenhang erhobene Aufklärungsrüge ist ebenfalls unbegründet. Der Vortrag des Klägers in der Revisionsinstanz, er sei seiner Ehefrau und insgesamt drei Kindern unterhaltsverpflichtet, ermöglicht keine Beurteilung, ob die Vertragsstrafe ihn unverhältnismäßig hart trifft. Dazu wäre auch ein Vorbringen zu seinen allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen und zur Höhe der bei dem Konkurrenzunternehmen erzielten Vergütung erforderlich.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dörner Düwell Böck
Fr. Holze Schwarz
Fundstellen