Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbsverbot - Geltung vor Aufnahme der Tätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Vereinbaren Arbeitsvertragsparteien ein tätigkeitsbezogenes Wettbewerbsverbot, so ist im Zweifel davon auszugehen, daß es nur dann Gültigkeit erlangen soll, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit aufgenommen hat. Wird das Arbeitsverhältnis vor der Arbeitsaufnahme gekündigt und der Arbeitnehmer für die Dauer der Kündigungsfrist von der Arbeit freigestellt, besteht regelmäßig kein Anspruch auf Karenzentschädigung.
Normenkette
HGB § 74; BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien schlossen am 28. August 1989 einen schriftlichen Arbeitsvertrag. Danach sollte der Kläger als Diplom-Chemiker im Bereich Forschung und Entwicklung des Pflanzenschutzmittel produzierenden Betriebs der Beklagten gegen ein monatliches Bruttogehalt von 5.500,-- DM tätig sein. In dem Vertrag ist u.a. bestimmt:
"§ 9
Wettbewerbsverbot
a) Der Mitarbeiter verpflichtet sich, für die
Dauer von 2 Jahren nach Beendigung des Anstel-
lungsverhältnisses bei einem Konkurrenzunter-
nehmen nicht auf folgenden Gebieten tätig zu
werden:
Forschung, Entwicklung und Zulassung von
Pflanzenschutzmitteln.
b) Der örtliche Geltungsbereich des Wettbe-
werbsverbotes erstreckt sich auf West-Europa.
c) (Für technisch-naturwissenschaftliche Aka-
demiker:)
Für die Dauer des Wettbewerbsverbots zahlt die
Firma an den Mitarbeiter eine Karenzentschädi-
gung gemäß den Vorschriften des Akademiker--
Manteltarifvertrages.
...
§ 11
Probezeit; Vertragsdauer; Kündigung
Der Mitarbeiter nimmt seine Tätigkeit am
01.10.1989 auf.
Die ersten 3 Monate des Anstellungsverhältnisses
gelten als Probezeit, während derer von beiden
Seiten mit einer Frist von 6 Wochen zum Monatsen-
de gekündigt werden kann. Anschließend beträgt
die beiderseitige Kündigungsfrist 3 Monate zum
Quartalsende. Die Kündigung kann erstmalig erfol-
gen zum 30.09.91."
Im übrigen galten nach § 12 des Arbeitsvertrages die Vorschriften des Manteltarifvertrages für akademisch gebildete Angestellte in der chemischen Industrie vom 5. März 1976 i.d.F. vom 1. April 1982. Darin ist u.a. die Entschädigungshöhe für das Wettbewerbsverbot geregelt.
Vor Beginn der Arbeitsaufnahme verhandelte der Kläger im September 1989 mit Angehörigen der Beklagten und einer Firma F über die Einrichtung des für ihn vorgesehenen Labors, wobei Material- und Konstruktionsunterlagen ausgehändigt wurden. Die Beklagte kündigte dem Kläger vor Beginn der Beschäftigung mit Schreiben vom 25. September 1989 zum 30. November 1989 und stellte ihn bis dahin von der Arbeit frei. Sie zahlte dem Kläger das Entgelt für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, Auslagenersatz und eine Entschädigung in Höhe von 10.000,-- DM. Diese Leistungen hat der Kläger nicht für ausreichend gehalten. Er hat gemeint, er habe einen vertraglichen Anspruch auf Karenzentschädigung in Höhe von 5.500,-- DM monatlich. Die Dauer des Arbeitsverhältnisses sei ebenso ohne Bedeutung wie die Aufnahme der Tätigkeit. Außerdem sei er vor Beginn des Arbeitsverhältnisses für die Beklagte tätig gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 27.500,-- DM
abzüglich gezahlter 10.000,-- DM nebst 4 % Zinsen
von jeweils 5.500,-- DM ab 15. Dezember 1989,
15. Januar 1990, 15. Februar 1990, 15. März 1990
und 15. April 1990 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verlangt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, während die Beklagte Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Karenzentschädigung. Das Wettbewerbsverbot hat mangels Arbeitsaufnahme des Klägers in dessen vertraglich beschriebenem Aufgabengebiet keine Geltung erlangt.
1. Das Landesarbeitsgericht hatte eine atypische, einzelfallbezogene Vertragsbestimmung über ein Wettbewerbsverbot auszulegen. Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Der Senat konnte nur untersuchen, ob das Berufungsgericht bei der Auslegung der nichttypischen Willenserklärungen allgemeine Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB verletzt hat, Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze vorliegen oder wesentlicher Auslegungsstoff unberücksichtigt geblieben ist.
2. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Berufungsurteil stand. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Parteien hätten in ihrem Anstellungsvertrag vom 28. August 1989 vereinbart, ein Wettbewerbsverbot gemäß den Vorschriften der §§ 74 ff. HGB solle nur dann Gültigkeit erlangen, wenn der Kläger die Arbeit aufgenommen hätte, verstößt nicht gegen die nach §§ 133, 157 BGB zu beachtenden Rechtsgrundsätze. Diese Würdigung der Willenserklärungen der Parteien entspricht vielmehr im Regelfall der Interessenlage der Parteien eines Vertrages mit Wettbewerbsverbot. Ein Wettbewerbsverbot wird im Zweifel nur für den von den Parteien vorausgesetzten und regelmäßigen Fall vereinbart, daß das Arbeitsverhältnis tatsächlich in das Erfüllungsstadium gelangt. Ein geschäftliches Interesse, das darüber hinausgeht und dem Arbeitnehmer vor Arbeitsaufnahme den Wettbewerb verbietet, wäre regelmäßig nicht schutzwürdig (BAG Urteil vom 3. Februar 1987 - 3 AZR 523/85 - AP Nr. 54 zu § 74 HGB). Das folgt aus § 74 a Abs. 1 Satz 1 HGB.
3. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision gehen fehl. Der Kläger hat die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zum Interesse der Parteien mißverstanden. Das Berufungsgericht hat keineswegs die geschäftlichen Interessen der Beklagten an der Loslösung eines wirksamen Wettbewerbsverbots höher eingeschätzt als die wirtschaftlichen Interessen des Klägers am Festhalten des Wettbewerbsverbots. Es hat sich auch nicht zu einer anfänglichen Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots geäußert. Das Landesarbeitsgericht hat vielmehr zur Ermittlung des wirklichen Willens der Vertragsparteien über den Beginn des Wettbewerbsverbots zutreffend darauf abgestellt, daß mit dem Wettbewerbsverbot die Weitergabe der im Unternehmen erlangten Kenntnisse und Erfahrungen verhindert werden soll. Die Weitergabe allgemeinen Wissens soll entgegen der Auffassung der Revision nicht beeinträchtigt werden. Weiter rügt der Kläger zu Unrecht, das Landesarbeitsgericht habe den Umfang des Wettbewerbsverbots verkannt. Entgegen der Auffassung der Revision haben die Parteien keine allgemeine oder unternehmensbezogene Konkurrenzklausel vereinbart, bei der es auf die Arbeitsaufnahme nicht ankommen könnte. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält vielmehr nur eine tätigkeitsbezogene Konkurrenzbestimmung.
4. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Kläger während seiner Tätigkeit vor Beginn des Arbeitsverhältnisses bei der Firma F keine wettbewerbsrelevanten Kenntnisse und Erfahrungen erlangen konnte. Diese Feststellungen sind von der Revision nicht angegriffen worden. Sie binden den Senat.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Leinemann Dr. Lipke Dörner
Dr. Wolter Beckerle
Fundstellen
Haufe-Index 441777 |
BB 1992, 1284 |
DB 1992, 2300 (LT1) |
BuW 1992, 664 (K) |
EBE/BAG 1992, 148 (LT1) |
ARST 1993, 28-29 (LT1) |
EWiR 1992, 1005 (L) |
NZA 1992, 976 |
NZA 1992, 976-977 (LT1) |
RdA 1992, 351 |
ZAP, EN-Nr 732/92 (S) |
ZIP 1992, 1763 |
ZIP 1992, 1763-1764 (LT1) |
AP § 74 HGB (LT1), Nr 63 |
AR-Blattei, ES 1830 Nr 167 (LT1) |
EzA § 74 HGB, Nr 54 (LT1) |
VersR 1993, 382-383 (LT1) |