Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersatzanspruch eines Musikers wegen Beschädigung seines Violabogens
Leitsatz (amtlich)
Dem Verschulden des Musikers nach § 12 Abs. 3 des Tarifvertrags für die Musiker in Kulturorchestern vom 1. Juli 1971 (TVK) kann § 254 BGB entgegengehalten werden. Die Tarifnorm enthält keine abschließende Regelung in dem Sinne, daß Mitverschulden und Mitverantwortung aufgrund einer zu vertretenden Sach- oder Betriebsgefahr unberücksichtigt bleiben.
Normenkette
Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) § 11; Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) § 12; BGB §§ 611, 254, 276, 670
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 16. Juni 1998 – 5 Sa 167/97 – aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte Ersatz für einen beschädigten Violabogen zu leisten hat.
Der Kläger war seit dem 17. Juni 1992 als Bratschist an der D. beschäftigt. Gemäß dem schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 1. Juli 1971 in der jeweils geltenden Fassung und den ihn ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen.
Im Oktober 1995 entlieh der Kläger einen Violabogen im Wert von 6.000,00 DM. Dieser ging durch ein Verhalten des Klägers zu Bruch und verlor hierdurch jeglichen Handelswert. Der Kläger leistete deshalb den von dem Verleiher geforderten Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises von 6.600,00 DM.
Der Kläger hat behauptet, die Beschädigung sei am 10. Dezember 1995 bei einer dienstlichen Tätigkeit eingetreten. Vor der Vorstellung habe er beim Einspielen im Probenraum gemerkt, daß der Kontakt des Bogens auf den Saiten der Bratsche nicht optimal gewesen sei. Er habe den Bogen deshalb mit Kolophonium einstreichen wollen. Beim Zurücklegen des Bogens in den Kasten sei ihm der Bogen bei einer Drehbewegung der linken Hand entglitten und zu Boden gefallen. Hierbei sei der Bogen gebrochen. Es habe sich um ein völlig alltägliches Versehen und allenfalls um leichteste Fahrlässigkeit gehandelt.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte schulde Aufwendungsersatz in Höhe von 6.000,00 DM abzüglich einer Steuerersparnis von 2.762,75 DM aufgrund der steuerlichen Geltendmachung des Kaufpreises. Soweit § 12 TVK eine volle Haftung des Musikers auch für leichteste Fahrlässigkeit vorsehe, sei die Bestimmung unwirksam. Die Grundsätze über die Haftungserleichterungen und den Aufwendungsersatz im Arbeitsverhältnis seien aus verfassungsrechtlichen Gründen zwingend. Der TVK sehe insbesondere keinen wirtschaftlichen Ausgleich als Gegengewicht zur Haftungsverschärfung vor.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3.237,25 DM zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat bestritten, daß der Kläger am 10. Dezember 1995 mit einem unbeschädigten Violabogen in die Räume der D. gekommen sei und daß die Beschädigung während des Einspielens eingetreten sei. Der Kläger habe gegenüber dem Justitiar der D. erklärt, ihm sei der Bogen beim Ausführen von Bogenstrichen aus der Hand gefallen. Deshalb bestünden erhebliche Zweifel an der im Prozeß vorgetragenen Version. Im übrigen sei es beim Einspielen noch nie zu Beschädigungen gekommen. Der Kläger habe jedenfalls fahrlässig gehandelt, so daß Schadensersatz nach § 12 Abs. 3 TVK nicht zu leisten sei. Im Probenraum habe es weder Zeitdruck noch räumlich beengte Verhältnisse und damit keinen äußeren Anlaß gegeben, dem Umgang mit dem wertvollen Bogen nicht die erforderliche Sorgfalt und Aufmerksamkeit zu widmen. Die Tarifnorm gelte für jegliches Verschulden. Sie begegne keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung bei leichtester, mittlerer und grober Fahrlässigkeit seien dispositive Leitbilder, von denen jedenfalls durch Tarifvertrag abgewichen werden könne. Die Tarifvertragsparteien stünden sich mit gleicher Verhandlungsmacht gegenüber. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht oder gegen die Grundsätze von Treu und Glauben liege nicht vor.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klagantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§§ 564 Abs. 1, 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
A. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, dem Kläger stehe ein Anspruch bei entsprechender Anwendung des § 670 BGB nicht zu, auch wenn man von seinem tatsächlichen Vorbringen zum Schadenshergang ausgehe. Beim Eigenschaden des Arbeitnehmers liege eine erforderliche Aufwendung nur vor, wenn der Arbeitnehmer den Schaden nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt habe. Im Falle mittlerer Fahrlässigkeit komme eine Schadensquotelung in Betracht, bei leichter Fahrlässigkeit bestehe ein Aufwendungsersatzanspruch in voller Höhe. Die Gefahrgeneigtheit der Arbeit sei nicht maßgeblich. Ersatz für arbeitsadäquate Schäden, mit denen nach Art und Natur der Arbeit zu rechnen sei, scheide aus. Grundsätzlich hafte danach der Arbeitgeber, wenn der Arbeitnehmer ein eigenes Musikinstrument ohne besondere Vergütung einsetzen müsse.
Ob der Kläger einen arbeitsadäquaten Schaden erlitten habe, könne dahinstehen, denn § 12 Abs. 3 TVK schließe eine Haftung des Beklagten aus. Diese Vorschrift erfasse alle Grade der Fahrlässigkeit gem. § 276 BGB. Die Grundsätze der Rechtsprechung zur beschränkten Arbeitnehmerhaftung seien nicht zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht, sondern bis zu den in den §§ 276, 138, 242 BGB gezogenen Grenzen dispositiv. Der Aufwendungsersatzanspruch könne durch die Höhe des Arbeitsentgelts oder durch eine Risikoprämie ausgeschlossen werden. Die Regelungen in § 12 TVK seien ausgewogen und interessengerecht. Der Musiker, der eigene Instrumente benutze, treffe selbst deren Auswahl und bestimme damit selbst über die Höhe eines möglichen Schadens bei Beschädigung oder Verlust. Zu berücksichtigen sei, daß sich die eigenen Instrumente des Musikers ausschließlich und ständig in dessen Obhut befänden und der Arbeitgeber nicht verhindern könne, daß außerbetriebliche Obhutspflichtverletzungen in den Betrieb hineingetragen würden. Überdies komme das Instrument in nicht unerheblichem Umfang außerdienstlich, zB bei Nebentätigkeiten, zum Einsatz. Wenn der Arbeitgeber vor diesem Hintergrund tarifvertraglich verpflichtet sei, die Instandsetzungskosten (§ 12 Abs. 2 Satz 3 TVK) zu tragen, sei dies angesichts des hohen Wertes vieler Instrumente und der damit einhergehenden hohen Instandsetzungskosten ein wirtschaftlicher Ausgleich für die verschärfte Haftung des Arbeitnehmers.
B. Dem folgt der Senat nicht. Als Grundlage für einen Schadensersatzanspruch des Klägers kommt allein § 12 Abs. 3 Satz 1 TVK in Betracht. Das Landesarbeitsgericht hat diese Bestimmung nicht zutreffend gewürdigt, insbesondere die Anwendbarkeit von § 254 BGB übersehen.
I. Für die Beurteilung des Streitfalles sind folgende Bestimmungen des durch arbeitsvertragliche Bezugnahme anwendbaren TVK von Bedeutung:
„§ 11
Haftung
Der Musiker haftet dem Arbeitgeber aus vorsätzlichem oder fahrlässigem Verhalten auf Schadensersatz. § 12 Abs. 1 bleibt unberührt.
§ 12
Instrumente
(1) Der Musiker ist verpflichtet, jedes ihm zur Benutzung zugewiesene Instrument pfleglich zu behandeln. Der Arbeitgeber trägt die erforderlichen Instandsetzungskosten. Der Musiker haftet für die Beschädigungen und den Verlust bei einem Gebrauch des Instrumentes außerhalb des dienstlichen Interesses auch ohne Verschulden, im übrigen nur bei eigenem Verschulden.
(2) Soweit dem Musiker ein Instrument nicht zur Verfügung gestellt worden ist, hat er ein gutes Instrument in tadellosem und spielfertigem Zustand zu benutzen. Der Arbeitgeber hat ihm für die Abnutzung ein Instrumentengeld zu gewähren; die Höhe des Instrumentengeldes wird durch besonderen Tarifvertrag bestimmt. Der Arbeitgeber trägt ferner die als erforderlich nachgewiesenen Instandsetzungskosten, wenn sie in angemessenem Verhältnis zum Zeitwert des Instrumentes stehen.
(3) Der Arbeitgeber haftet in den Fällen, in denen er dem Musiker ein Instrument nicht zur Verfügung gestellt oder die Benutzung eines eigenen Instrumentes gestattet hat, für die Beschädigungen und den Verlust der zu dienstlichen Zwecken im Betrieb befindlichen Instrumente (einschließlich der Behälter) des Musikers, es sei denn, daß der Musiker die Beschädigungen oder den Verlust verschuldet hat. Dasselbe gilt für die Beschädigungen oder den Verlust bei einer Beförderung des Instrumentes auf Veranlassung oder im Interesse des Arbeitgebers sowie bei einem Wegeunfall im Sinne der Reichsversicherungsordnung, auch ohne daß der Musiker einen Körperschaden erlitten hat.
Der Arbeitgeber haftet nur, wenn der Musiker den ihm wegen der Beschädigung oder des Verlustes des Instrumentes gegen einen Dritten zustehenden Schadensersatzanspruch an den Arbeitgeber abgetreten hat und soweit der Schaden nicht durch eine Versicherung gedeckt ist
(4) Werden durch eine von dem Arbeitgeber abgeschlossene Instrumentenversicherung andere oder weitere als die in den Absätzen 1 und 3 genannten Risiken versichert, kann im Arbeitsvertrage eine Beteiligung des Musikers an den Kosten der Versicherung vereinbart werden.
(5) Saiten, Felle, Rohre, Blätter, Schlegel und Bogenbezüge werden in Höhe des tatsächlichen Bedarfs ersetzt. Eine pauschale Abgeltung des regelmäßigen Bedarfs ist zulässig. Die Pauschbeträge werden durch besonderen Tarifvertrag bestimmt.”
II. Ob die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nach § 12 Abs. 3 TVK vorliegen, kann noch nicht abschließend beurteilt werden.
1. § 12 Abs. 3 Satz 1 TVK regelt eine Schadensersatzpflicht im Sinne der §§ 249 ff. BGB. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm und aus dem Zusammenhang mit § 11 TVK. Das Risiko der schuldlosen Beschädigung oder des schuldlosen Verlustes des Instrumentes, das der Musiker zur Entlastung des Arbeitgebers zu dienstlichen Zwecken in den Betrieb einbringt, wird auf den Arbeitgeber übertragen (BAG 17. September 1987 – 6 AZR 522/84 – BAGE 56, 129, 134 ff. = AP BGB § 611 Musiker Nr. 15, zu II 2 – 4 der Gründe, mit zust. Anm. Schimana).
2. Der Beklagte hat dem Kläger ein Instrument nicht zur Verfügung gestellt sowie die Benutzung des eigenen Instrumentes gestattet. Der Violabogen ist ein Instrument im Sinne des Tarifvertrags. Die Haftung des Arbeitgebers für die eingebrachten Instrumente „des Musikers” setzt nicht dessen Eigentum voraus. Der Musiker kann nach § 12 Abs. 2 Satz 1 TVK ein fremdes, zB geliehenes Instrument benutzen. Der Begriff „eigenes Instrument” kennzeichnet nur die Tatsache, daß das Instrument vom Musiker „in eigener Regie” beschafft und nicht vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt worden ist.
3. Ob der Violabogen sich zum Zeitpunkt der Beschädigung zu dienstlichen Zwecken im Betrieb befand, ist zwischen den Parteien streitig geblieben. Der Kläger hat behauptet, der Schaden sei beim Einspielen im Probenraum eingetreten, der Beklagte hat dies bestritten. Das Landesarbeitsgericht muß dies gem. § 286 ZPO entscheiden. Der Kläger trägt insoweit die Beweislast. Beweiserleichterungen kommen ihm hier nicht zugute. Sollte das Landesarbeitsgericht nach Vernehmung der angebotenen Zeugen keine entsprechende Überzeugung gewinnen können, wäre ein tariflicher Anspruch nicht gegeben. Auch nach den allgemeinen Grundsätzen käme ein Ersatzanspruch dann nicht in Betracht, da die Tätigkeit, die zu dem Schaden geführt hat, nicht durch den Betrieb veranlaßt und aufgrund des Arbeitsverhältnisses geleistet worden wäre (vgl. BAG GS 27. September 1994 – GS 1/89 (A) – BAGE 78, 56, 67, zu C IV 2 der Gründe).
4. Hat sich der Schaden im Betrieb ereignet, kommt es auf § 12 Abs. 3 Satz 1 letzter Halbsatz TVK („es sei denn, daß …”) an. Die Haftung des Arbeitgebers steht hiernach unter dem Vorbehalt, daß der Musiker die Beschädigung oder den Verlust nicht verschuldet hat.
a) Die Tarifnorm enthält eine anspruchshindernde Einwendung des Schuldners. Die Darlegungs- und Beweislast für ein Verschulden liegt beim Arbeitgeber (BAG 17. September 1987 aaO, zu II 5 a der Gründe).
b) Ob § 12 Abs. 3 TVK, wie das Landesarbeitsgericht meint, jegliches Verschulden einschließlich der leichtesten Fahrlässigkeit im Sinne der Rechtsprechung zur Haftung im Arbeitsverhältnis betrifft, erscheint zweifelhaft. Verschulden ist hier wie bei § 12 Abs. 1 Satz 3 TVK zu verstehen. Zwar wird vom Wortlaut der Norm Vorsatz und Fahrlässigkeit gem. § 276 BGB gedeckt. Doch spricht der Zusammenhang mit § 11 TVK eher für eine Geltung der allgemeinen Haftungseinschränkungen. § 12 TVK stellt eine Sonderregelung gegenüber § 11 TVK dar und diese Norm begründet kein eigenständiges Haftungssystem. § 12 Abs. 3 TVK umfaßt dann nicht jede noch so leichte Fahrlässigkeit, sondern gerade nur ein nach der Verkehrssitte im Musikerbereich erhebliches Verschulden. Andererseits könnte der Sinn der Regelung auch dahin gehen, das Schadens- und Verlustrisiko in Bezug auf Musikinstrumente dem Musiker zuzuweisen, sofern ihn nur ein – wenn auch geringes – Verschulden trifft. Nicht ergiebig ist im Gegensatz zur Auffassung des Landesarbeitsgerichts jedenfalls der Zusammenhang mit der Regelung der Krankenbezüge gem. § 29 Abs. 1 TVK.
c) Der Senat muß die oben unter b) aufgeworfene Rechtsfrage nicht abschließend entscheiden. Den Kläger trifft auch nach seiner eigenen Sachverhaltsdarstellung nicht nur eine besonders leichte, nach den allgemeinen Regeln ohne weiteres zum völligen Haftungsausschluß führende Fahrlässigkeit. Vielmehr liegt der Grad seiner Fahrlässigkeit angesichts des Wertes des Violabogens, der unstreitig weder beengten noch sonst schwierigen Verhältnisse im Probenraum und im Hinblick auf den fehlenden Leistungs- und Zeitdruck schon in einem mittleren Bereich. Insofern kommt die Wertung des Tarifvertrags zum Tragen, daß Musiker mit dem Instrument sorgfältig umzugehen haben. Ein Fallenlassen ohne ersichtlichen Grund kann deshalb nicht als unerhebliches, zu vernachlässigendes Verschulden angesehen werden. Der Senat kann den Sachvortrag des Klägers selbst abschließend in diesem Sinne bewerten, auch wenn das Landesarbeitsgericht zum Grad der Fahrlässigkeit des Klägers nichts ausgeführt hat. Der Kläger hat wiederholt gerade zu diesem Punkt mit großer Genauigkeit vorgetragen, nachdem schon das Arbeitsgericht mit Beschluß vom 20. Januar 1997 aufgegeben hatte, im einzelnen anzugeben, „wie und warum sich das Herunterfallen des Bogens ereignet hat”.
d) Damit ist die Haftung des Beklagten aber nicht ausgeschlossen. § 12 TVK läßt Raum für die Anwendung von § 254 BGB.
aa) Die Ersatzpflicht des Schädigers ist nach § 254 Abs. 1 BGB beschränkt, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat. Die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes hängt dann von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Über den Wortlaut des § 254 BGB hinaus wird diese Vorschrift auch dann angewandt, wenn den Geschädigten zwar kein Verschulden trifft, er für den entstandenen Schaden aber aufgrund einer von ihm zu vertretenden Sach- oder Betriebsgefahr mitverantwortlich ist, wenn er also bei der Entstehung des Schadens in zurechenbarer Weise mitgewirkt hat. Dabei ist anerkannt, daß sich eine nach Abwägung der Umstände im Einzelfall abgestimmte Schadensteilung zwischen der vollen Haftung des Schädigers und seiner vollen Entlastung bewegen kann. Diese Rechtsgrundsätze gelten auch im Arbeitsverhältnis und führen zu einer Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung (BAG GS 27. September 1994 aaO, zu C II der Gründe). Macht der Arbeitnehmer einen Aufwendungsersatzanspruch geltend, so kann er dem Einwand, ihn treffe ein Verschulden, ebenfalls mit § 254 BGB begegnen.
bb) § 254 BGB kann auch dem Verschulden des Musikers nach § 12 Abs. 3 TVK entgegengehalten werden. Die Tarifnorm enthält keine abschließende Regelung in dem Sinne, daß Mitverantwortung und Mitverschulden unberücksichtigt bleiben sollten. Hierfür besteht im Tarifvertrag kein Anhaltspunkt. § 254 BGB ist eine allgemeine Norm, die generell Berücksichtigung findet, ohne daß ein Tarifvertrag das eigens ausdrücken müßte. Der Arbeitgeber muß sich deshalb auch im tariflich geregelten Bereich der Haftung für Musikinstrumente seine Verantwortung für die Organisation des Betriebs und die Gestaltung der Arbeitsbedingungen im Rahmen einer Abwägung nach § 254 BGB in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zurechnen lassen; denn er organisiert den Betrieb und steuert den Arbeitsprozeß, kann Bedingungen für Schadensrisiken schaffen, beibehalten oder verändern oder das Risiko durch den Abschluß einer Versicherung häufig absichern.
cc) Ob und ggf. in welchem Umfang der Arbeitnehmer an den Schadensfolgen zu beteiligen ist, richtet sich im Rahmen einer Abwägung der Gesamtumstände, insbesondere von Schadensanlaß und Schadensfolgen, nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten. Zu den Umständen, denen je nach Lage des Einzelfalles ein unterschiedliches Gewicht beizumessen ist und die im Hinblick auf die Vielfalt möglicher Schadensursachen auch nicht abschließend bezeichnet werden können, gehören der Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens, die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Höhe des Schadens, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes oder durch Versicherung deckbares Risiko, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe des Arbeitsentgelts, in dem möglicherweise eine Risikoprämie enthalten ist. Auch können unter Umständen die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers, wie die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Lebensalter, seine Familienverhältnisse und sein bisheriges Verhalten zu berücksichtigen sein (vgl. BAG GS 27. September 1994 aaO, zu C IV 1 der Gründe mwN).
dd) Das Landesarbeitsgericht hat § 254 BGB nicht berücksichtigt. Es ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, das Betriebsrisiko spiele im Rahmen der Tarifregelung keine Rolle. Damit wird die Eigenständigkeit der tariflichen Regelung überschätzt. Dementsprechend muß noch das Maß des Verschuldens des Klägers mit der Betriebsgefahr und den besonderen Umständen des Falles in dem oben dargestellten Sinne abgewogen werden. Insbesondere der Gesichtspunkt der Betriebsgefahr hat in der rechtlichen Beurteilung des Falles bisher keine Rolle gespielt. Weitere Feststellungen kommen zur Frage der Versicherbarkeit in Betracht. Zu prüfen ist, ob der Abschluß einer Versicherung durch den Arbeitgeber üblich und angemessen ist. Eine entsprechende Obliegenheit wäre im Rahmen des § 254 BGB zu Lasten des Beklagten zu berücksichtigen. Andererseits erscheint nach den Umständen des Falles (zeitlich begrenzte Ausleihe des Violabogens) auch eine Obliegenheit des Klägers zum Abschluß einer Versicherung möglich. Das Landesarbeitsgericht wird den Parteien Gelegenheit zum ergänzenden Vortrag geben und aufgrund einer abschließenden Abwägung entscheiden müssen.
ee) Die Übernahme der Instandsetzungskosten durch den Arbeitgeber (§ 12 Abs. 2 Satz 3 TVK) führt zu keinem anderen Ergebnis; denn die Tarifvertragsparteien haben weder ausdrücklich noch konkludent vereinbart, das Schadensrisiko solle wie bei einer Nutzung des Instruments im Eigeninteresse beim Arbeitnehmer verbleiben (vgl. Senat 17. Juli 1997 – 8 AZR 480/95 – AP BGB § 611 Gefährdungshaftung des Arbeitgebers Nr. 14 = EzA BGB § 611 Arbeitgeberhaftung Nr. 6, zu II 3 der Gründe). Immerhin ist auch die besondere Vergütung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 TVK im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen.
III. Neben § 12 TVK findet § 670 BGB keine Anwendung. Der Anspruch bei Verlust und Beschädigung von Musikinstrumenten ist tariflich eigenständig und abschließend geregelt. Freilich besteht im Ergebnis kein Unterschied bei Anwendung des Tarifvertrags und des Gesetzes. Die Tarifnorm unterliegt deshalb, soweit es entscheidungserheblich auf sie ankommt, keinen rechtlichen Bedenken.
1. Seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 8. Mai 1980 (– 3 AZR 82/79 – BAGE 33, 108) ist es ständige Rechtsprechung, daß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die ohne Verschulden des Arbeitgebers am Fahrzeug des Arbeitnehmers entstandenen Unfallschäden in entsprechender Anwendung des § 670 BGB ersetzen muß, wenn das Fahrzeug mit Billigung des Arbeitgebers in dessen Betätigungsbereich eingesetzt wurde. Um einen Einsatz im Betätigungsbereich des Arbeitgebers handelt es sich, wenn ohne den Einsatz des Arbeitnehmerfahrzeugs der Arbeitgeber ein eigenes Fahrzeug einsetzen und damit dessen Unfallgefahr tragen müßte. Die gleichen Grundsätze gelten, wenn der Arbeitnehmer sonstige Arbeitsmittel im Betätigungsbereich des Arbeitgebers einsetzt (vgl. etwa Senatsurteile 17. Juli 1997 – 8 AZR 480/95 – aaO, zu II 1, 2 der Gründe; 14. Dezember 1995 – 8 AZR 875/94 – AP BGB § 611 Gefährdungshaftung des Arbeitgebers Nr. 13 = EzA BGB § 611 Arbeitgeberhaftung Nr. 4, zu B I der Gründe; 7. September 1995 – 8 AZR 515/94 – nv., zu A I der Gründe; vgl. auch schon BAG GS 10. November 1961 – GS 1/60 – BAGE 12, 15).
2. Bei der Verpflichtung des Arbeitgebers zum Aufwendungsersatz nach § 670 BGB ist in entsprechender Anwendung des § 254 BGB ein Verschulden des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Dabei kommen allerdings die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung (vgl. BAG GS 27. September 1994 aaO) zur Anwendung. Danach entfällt eine Mithaftung des Arbeitnehmers im Falle bloßer leichtester Fahrlässigkeit. Auf eine Gefahrgeneigtheit der Arbeit kommt es nicht an (Senatsurteil 17. Juli 1997 aaO, zu II 4 der Gründe).
3. Bei entsprechender Anwendung von § 670 BGB wäre demnach das Verschulden des Musikers mit dem in § 670 BGB zum Ausdruck kommenden Prinzip abzuwägen, daß den Arbeitgeber die Betriebsgefahr und damit die Verpflichtung zum Aufwendungsersatz trifft. Das entspricht der oben dargestellten Rechtslage aufgrund von § 12 TVK.
4. Demnach kommt es bei zutreffender Auslegung und Anwendung des TVK nicht darauf an, inwieweit die Tarifvertragsparteien oder sogar die Arbeitsvertragsparteien von den Haftungsgrundsätzen des Großen Senats des BAG abweichen dürfen (vgl. hierzu einerseits zB Peifer AR-Blattei SD Haftung des Arbeitnehmers Rn. 50; ders. ZfA 1996, 69, 74 f.; andererseits MünchArbR/Blomeyer § 57 Rn. 69; Preis Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht 1993 S 464 f.; Gamillscheg/Hanau Die Haftung des Arbeitnehmers 2. Aufl. S 36, 37 f.; Otto/Schwarze Die Haftung des Arbeitnehmers 3. Aufl. Rn. 641). Der erkennende Senat hat allerdings ausgeführt, die aus der entsprechenden Anwendung von § 254 BGB folgenden Regeln über die Haftung im Arbeitsverhältnis seien einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht; von ihnen könne weder einzel- noch kollektivvertraglich zu Lasten der Arbeitnehmer abgewichen werden (Senatsurteil 17. September 1998 – 8 AZR 175/97 – zVv. in der Amtl. Sammlung, zu B IV 1 der Gründe). Ob das so auch für den Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 670 BGB bei Eigenschäden des Arbeitnehmers gilt, bedarf keiner Entscheidung. Anders als etwa in den Mankofällen kann der Anspruch jedenfalls durch eine (Risiko)Vergütung ausgeschlossen werden, auch wenn diese im Einzelfall den eingetretenen Schaden nicht zu decken vermag; Voraussetzung ist nur, daß der Arbeitnehmer mit der Vergütung als Gegenwert für die Übernahme des Verlust- und Beschädigungsrisikos dieses Risiko versichern könnte.
§ 670 BGB gilt eben nicht für erforderliche Aufwendungen, wenn sich entgeltlich übernommene Risiken verwirklichen.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Schömburg, Zankl
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 27.01.2000 durch Schiege, Urkundsbeamter, der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436519 |
BAGE, 295 |
BB 2000, 1042 |
DB 2000, 1127 |
NJW 2000, 2224 |
FA 2000, 267 |
NZA 2000, 727 |
RdA 2001, 174 |
ZTR 2000, 320 |
AP, 0 |
AuA 2001, 428 |
PersR 2000, 345 |
ZUM-RD 2000, 403 |