Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers
Leitsatz (redaktionell)
Auch Geschäftsführer einer GmbH, die an der Gesellschaft wirtschaftlich nicht beteiligt und in ihrer Geschäftsführung von den Weisungen der Gesellschafter abhängig und nach den §§ 2, 3 AVG versicherungspflichtig sind, zählen zu den Angestellten iS des § 1 AnKSchG.
Normenkette
BGB §§ 130, 174; AnKSchG § 2; AnKSchG § 1; BGB § 162 Abs. 1; GmbHG § 35 Abs. 1; KSchG § 14 Abs. 1
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 22.02.1984; Aktenzeichen 10 Sa 748/83) |
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 07.02.1983; Aktenzeichen 1/9 Sa 425/82) |
Tatbestand
Der am 27. Juni 1938 geborene Kläger trat am 1. November 1970 als kaufmännischer Angestellter in die Dienste der Beklagten. In § 8 des Anfang November 1970 schriftlich abgeschlossenen Anstellungsvertrags heißt es u.a., daß der Anstellungsvertrag nach Ablauf der Probezeit von 6 Monaten mit einer Frist von 3 Monaten zum 30. Juni und 31. Dezember eines jeden Jahres kündbar ist und jede Kündigung schriftlich erfolgen muß.
Im Februar 1973 wurde der Kläger zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Beklagten berufen und als solcher auch in das Handelsregister eingetragen. Ein schriftlicher Geschäftsführer-Vertrag wurde zwischen den Parteien nicht geschlossen. Der Kläger bezog für seine Geschäftsführertätigkeit zuletzt eine Jahresvergütung von 150.000,-- DM.
Weiterer alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beklagten war und ist Herr Andre S, der zugleich president directeur general und damit Alleinvertretungsberechtigter der französischen Muttergesellschaft und alleinige Gesellschafterin der Beklagten, der D S.A., ist.
Am Vormittag des 30. September 1982 wurde der Kläger in Paris durch den Präsidenten der französischen Muttergesellschaft Andre S aufgrund Gesellschaftsbeschlusses vom 30. September 1982 mit Wirkung vom 1. Oktober 1982 als Mitgeschäftsführer der Beklagten abberufen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer S der Beklagten am Vormittag des 30. September 1982 dem Kläger gegenüber auch die Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Anstellungsverhältnisses ausgesprochen hat. Als die Besprechung der Parteien vorübergehend für die Mittagspause unterbrochen wurde, erschien der Kläger abredewidrig nicht mehr zu deren Fortsetzung; vielmehr kehrte er am Nachmittag des 30. September 1982 unmittelbar in die Bundesrepublik zurück. Die Beklagte übersandte ihm daraufhin noch am gleichen Tage ein Telex und ein Schreiben, mit dem sie dem Kläger auch das Anstellungsverhältnis zum 31. Dezember 1982 aufkündigte. Dieses Schreiben traf am 4. Oktober 1982 beim Kläger ein und wurde von ihm mit Schreiben vom 5. Oktober 1982 vorsorglich gemäß § 174 BGB zurückgewiesen.
Der Kläger wurde ab Oktober 1982 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt und erhielt bis zum 31. Dezember 1982 seine Geschäftsführervergütung weiter.
Mit seiner am 18. Oktober 1982 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung des Anstellungsverhältnisses gewandt. Er hat vorgetragen, am 30. September 1982 sei eine Kündigung nicht erfolgt, vielmehr sei lediglich darüber gesprochen worden. Nachdem am 30. September 1982 die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht erfolgt sei, habe er somit im Zeitpunkt des Kündigungszugangs am 4. Oktober 1982 wiederum die Stellung eines echten Arbeitnehmers innegehabt. Die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes und des Angestelltenkündigungsschutzgesetzes vom 9. Juli 1926 seien daher auf ihn anwendbar. Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt und hätte erst zum 30. Juni 1983 ausgesprochen werden können.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der
Parteien durch die Kündigung vom 30. Septem-
ber 1982 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Sie hat zunächst die sachliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts gerügt. Der Kläger sei im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gesetzlicher Vertreter ihres Unternehmens gewesen. Wegen seiner Geschäftsführerfunktion könne sich der Kläger gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG auch nicht auf einen ihm zustehenden Kündigungsschutz berufen. Die Kündigung des Anstellungsverhältnisses sei auch am 30. September 1982 gleichzeitig mit der Abberufung als Geschäftsführer erfolgt. Herr S habe sowohl das Abberufungsschreiben als auch das Kündigungsschreiben jeweils in Zeugengegenwart gegenüber dem Kläger verlesen, der Kläger habe jedoch die Entgegennahme dieses Schreibens abgelehnt. Im übrigen habe sie am 13. Juni 1983 erfahren, daß ihr der Kläger mindestens seit dem Jahre 1980 im Zusammenwirken mit der von ihm selbst eingestellten, mit ihm eng befreundeten Mitarbeiterin der Beklagten P in unlauterer Weise zu ihrem Nachteil geschäftliche Konkurrenz gemacht habe. Aus diesem Grunde habe sie dem Kläger mit Schreiben vom 13. Juni 1983 vorsorglich noch eine fristlose Kündigung ausgesprochen.
Der Kläger hat dem hilfsweise gestellten Auflösungsantrag der Beklagten nicht widersprochen und zur Frage der sachlichen Zuständigkeit erwidert, die Kündigung sei ihm erst zugegangen, als er wieder Arbeitnehmer gewesen sei. Zudem sei er als angestellter Geschäftsführer einer GmbH zumindest als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG anzusehen.
Gegen die dem Kläger mit Schreiben vom 13. Juni 1983 ausgesprochene fristlose Kündigung, dem Kläger zugegangen am 16. Juni 1983, hat der Kläger gleichfalls Klage erhoben. Dieses beim Arbeitsgericht Frankfurt/Main unter dem Aktenzeichen 1 Ca 190/83 anhängige Verfahren ruht jedoch zur Zeit.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß §§ 9, 10 KSchG zum 30. Juni 1983 aufgelöst und die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 60.000,-- DM zu zahlen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, hilfsweise festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 31. Dezember 1982 hinaus jedenfalls bis zum 16. Juni 1983 fortbestanden hat und nicht vor diesem Tage endete. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist teilweise begründet. Das zwischen den Parteien bestehende Anstellungsverhältnis ist durch die Kündigung der Beklagten vom 30. September 1982 jedenfalls nicht vor dem 16. Juni 1983 - dem Zeitpunkt des Zugangs, der noch nicht beschiedenen außerordentlichen Kündigung vom 13. Juni 1983 - beendet worden.
I. Das Landesarbeitsgericht, das den Kläger gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG als arbeitnehmerähnliche Person angesehen und für das Revisionsgericht zwar entgegen § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG (BAG Urteil vom 9. Mai 1985 - 2 AZR 330/84 - zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts und in der Fachpresse vorgesehen), also gleichwohl nach § 73 Abs. 2 ArbGG (vgl. BAG 32, 187; BAG 41, 328) die sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte bejaht hat, hat im Zusammenhang mit dem Zugang der Kündigung vom 30. September 1982 ausgeführt, dieser sei im Sinne des § 130 Abs. 1 BGB zu einem Zeitpunkt erfolgt, als der Widerruf der Geschäftsführerbestellung des Klägers rechtlich noch nicht wirksam gewesen sei. Die am 30. September 1982 vormittags unbestritten erklärte Abberufung des Klägers aus seiner bisherigen Geschäftsführerposition sei nämlich nach dem Beschluß der Muttergesellschaft der Beklagten erst zum 1. Oktober 1982 erfolgt. Die von der Beklagten gleichzeitig beabsichtigte und zumindest auch erörterte Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses habe der Kläger vereitelt, indem er die Entgegennahme des vorbereiteten Kündigungsschreibens verweigert habe und zu der für 15.30 Uhr vereinbarten Gesprächsfortsetzung einfach nicht mehr erschienen und abredewidrig unmittelbar in die Bundesrepublik zurückgekehrt sei. Alle unstreitigen Umstände sprächen geradezu zwingend für eine von Anfang an bezweckte Zugangsvereitelung. Werde aber der rechtzeitige Zugang einer in Schriftform vorgeschriebenen Kündigung wider Treu und Glauben verhindert, so müsse sich der Kündigungsgegner in entsprechender Anwendung des § 162 Abs. 1 BGB so behandeln lassen, als ob ihm die Kündigung noch rechtzeitig zugegangen wäre, sofern sie der Kündigende nach Kenntnis aller Umstände unverzüglich nachhole. Letzteres sei mit Schreiben der Beklagten vom 30. September 1982 und dem ergänzenden Telex unstreitig geschehen. Die mit Schreiben vom 5. Oktober 1982 erklärte Zurückweisung der Kündigung habe im Hinblick auf die Ausnahmebestimmung des § 174 Satz 2 BGB keine Wirkung entfaltet. Denn für die Anwendung des § 174 Satz 2 BGB reiche es aus, wenn der die Kündigung aussprechende Vertreter eine Stellung bekleide, die üblicherweise mit entsprechender Vertretungsmacht ausgestattet sei. Dies sei aber bei dem Geschäftsführer Andre S, der das Kündigungsschreiben und das weitere Schreiben der Beklagten vom 30. September 1982 unterzeichnet habe, der Fall. Abgesehen davon sei der Kläger durch das Verlesen des Kündigungsschreibens nochmals im Sinne des § 174 Satz 2 BGB darüber unterrichtet worden, daß sein Mitgeschäftsführer S aufgrund des verlesenen Beschlusses der Muttergesellschaft zu dem Kündigungsausspruch konkret ermächtigt gewesen sei.
II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind nicht zu beanstanden.
1. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat gemäß § 561 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist dem Kläger am 30. September 1982 vormittags der Kündigungsbeschluß der alleinigen Gesellschafterin der Beklagten von dem Geschäftsführer Andre S verlesen worden. Die Entgegennahme dieses die Kündigung beinhaltenden Schriftstückes hat der Kläger jedoch verweigert, und er ist auch zur Fortsetzung des Gesprächs am Nachmittag nicht mehr erschienen. Dieser Sachverhalt rechtfertigt die Annahme, daß dem Kläger die von der Beklagten zum 31. Dezember 1982 ausgesprochene Kündigung am 30. September 1982 zugegangen ist.
2. Entgegen der Ansicht der Revision, die insoweit eine Verletzung der §§ 133, 157 BGB rügt, hat das Landesarbeitsgericht nicht von einer Auslegung des dem Kläger am 30. September 1982 verlesenen Kündigungsbeschlusses der alleinigen Gesellschafterin der Beklagten abgesehen. Unter Berücksichtigung des weiter festgestellten Sachverhalts hat das Landesarbeitsgericht vielmehr den Kündigungsbeschluß vom 30. September 1982, bei dem es sich um eine nicht typische Willenserklärung handelt und dessen Auslegung deshalb revisionsrechtlich nur beschränkt überprüfbar ist (vgl. BAG Urteil vom 17. April 1970 - 1 AZR 302/69 - AP Nr. 32 zu § 133 BGB), als eine Kündigungserklärung ausgelegt; es hat somit die rechtliche Qualität dieses Schriftstückes nicht offen gelassen (vgl. BAG Urteil vom 4. März 1961 - 5 AZR 169/60 - AP Nr. 21 zu § 611 BGB Gratifikation). Mit seiner Wertung des Kündigungsbeschlusses vom 30. September 1982 als Kündigungserklärung hat das Landesarbeitsgericht nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen; es hat auch nicht wesentliche Umstände außer acht gelassen.
a) Zwar handelt es sich bei dem Beschluß der alleinigen Gesellschafterin der Beklagten vom 30. September 1982 zunächst nur um einen inneren Vorgang. Die Kündigung selbst bedurfte einer weiteren rechtsgeschäftlichen Erklärung der Beklagten gegenüber dem Kläger (vgl. RGZ 68, 381, 385; Hachenburg, GmbHG, 7. Aufl., § 38 Rz 18; Scholz, GmbHG, 6. Aufl., § 38 Rz 12). Dies ist durch den Generaldirektor der alleinigen Gesellschafterin der Beklagten und alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Beklagten Andre S auch geschehen. Die Bekanntgabe des Kündigungsbeschlusses durch den Herrn S konnte der Kläger nur als Kündigungserklärung verstehen.
b) Der Kündigungsbeschluß und nach dessen Vollzug ist dem Kläger durch den Generaldirektor S zwar vorgelesen worden, das Schriftstück ist ihm aber nicht, wie es die Wahrung der Schriftform gemäß § 8 Abs. 3 des Anstellungsvertrages erfordert hätte, übergeben worden. Gleichwohl muß sich der Kläger, der die Entgegennahme des Schriftstückes am 30. September 1982 verweigert hat, den Zugang der Kündigungserklärung zu diesem Zeitpunkt aus dem Gesichtspunkt der Zugangsvereitelung gegen sich gelten lassen. Die Voraussetzungen, die eine solche Annahme rechtfertigen, sind gegeben. Die Zugangsvereitelung liegt in der Sphäre des Klägers, da er die Entgegennahme des Schriftstückes bewußt verweigert hat. Die Beklagte hat auch nach der unerwarteten Reaktion des Klägers alles ihr nach der Sachlage Zumutbare und Erforderliche getan und sofort einen erneuten Zustellungsversuch unternommen (vgl. zu den Voraussetzungen im einzelnen: BAG Urteil vom 18. Februar 1977 - 2 AZR 770/75 - AP Nr. 10 zu § 130 BGB; BGH NJW 1983, 929, 930; Soergel/Hefermehl, BGB, 11. Aufl., § 130 Rz 25 ff.; RGRK-Krüger/Nieland, BGB, 12. Aufl., § 130 Rz 26 f.; MünchKomm-Förschler, BGB, § 130 Rz 31). Die Beklagte hat dem Kläger umgehend noch am 30. September 1982 den Kündigungsbeschluß zusammen mit einem Begleitschreiben per Einschreiben zugeschickt.
3. Das Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis auch zutreffend davon ausgegangen, daß die Kündigung nicht gemäß § 174 BGB unwirksam ist.
a) Allerdings kann schon zweifelhaft sein, ob die Vorschrift des § 174 BGB vorliegend überhaupt anwendbar ist. Die Kündigung des Anstellungsverhältnisses erfolgte nämlich im Zusammenhang mit der Abberufung als Geschäftsführer aufgrund eines Gesellschaftsbeschlusses. Für die Vertretung der Beklagten ist daher die D S.A. als alleinige Gesellschafterin zuständig, dessen alleinvertretungsberechtigter president directeur general Herr Andre S ist. Wenn aber die französische Aktiengesellschaft (Societe Anonyme) gesetzlich durch ihren Generaldirektor (president directeur general) vertreten wird (vgl. Jura Europae, Gesellschaftsrecht, Bd. II, 30.10, Anm. 80 ff.), dann wäre die Kündigung vom gesetzlichen Vertreter der Beklagten ausgesprochen worden und für die Anwendung des § 174 BGB infolgedessen kein Raum.
b) Aber auch dann, wenn lediglich von einer rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung des Mitgeschäftsführers S ausgegangen wird, ist die Kündigung nicht gemäß § 174 BGB unwirksam. Denn mit der dem Kläger bekannten Position des Mitgeschäftsführers S als president directeur general der D S.A. ist grundsätzlich die Geschäftsführung und damit auch die Vertretung der französischen Aktiengesellschaft verbunden (vgl. Jura Europae aa0). Ein Inkenntnissetzen von der Bevollmächtigung im Sinne des § 174 Satz 2 BGB liegt im Prinzip auch dann vor, wenn das einseitige Rechtsgeschäft von jemandem in einer solchen Stellung vorgenommen wird, mit der die Befugnis zur Vornahme dieses Rechtsgeschäfts in der Regel verbunden ist (BAG 24, 273). Da davon auszugehen ist, daß der Kläger Kenntnis von der Bevollmächtigung seines Mitgesellschafters S gehabt hat, kann er sich daher auf eine fehlende Vollmachtsurkunde nicht berufen.
III. Das Landesarbeitsgericht hat unter Bezugnahme auf die Senatsentscheidung vom 15. April 1982 - 2 AZR 1101/79 - (AP Nr. 1 zu § 14 KSchG 1969) ferner die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes verneint, weil der Kläger als Mitgeschäftsführer der Beklagten im Kündigungszeitpunkt lediglich arbeitnehmerähnliche Person, aber kein Arbeitnehmer gewesen sei und er deshalb auch nach § 14 Abs. 1 Ziff. 1 KSchG keinen Kündigungsschutz genieße. Dieser Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann nur im Ergebnis zugestimmt werden.
1. Gemäß § 14 Abs. 1 KSchG gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes nicht in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist. Das trifft auf den Geschäftsführer einer GmbH zu, da dieser gemäß § 35 Abs. 1 GmbHG die GmbH gerichtlich und außergerichtlich vertritt. Allerdings ist von dieser durch den Organisationsakt der Bestellung begründeten Organstellung als GmbH-Geschäftsführer das schuldrechtliche Vertragsverhältnis zu unterscheiden, das Rechtsgrundlage für die Bestellung ist und als "Anstellungsvertrag" bezeichnet wird. Wird der Geschäftsführer gegen Entgelt tätig, so ist sein Anstellungsvertrag als Dienstvertrag zu qualifizieren, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (§§ 611, 675 BGB); bei Unentgeltlichkeit ist Auftrag (§§ 662 ff. BGB) anzunehmen (vgl. Hachenburg/Mertens, GmbHG, 7. Aufl., § 35 Rz 41 und 84). Ob im Falle der Entgeltlichkeit der Anstellungsvertrag materiell-rechtlich auch ein Arbeitsvertrag, der Geschäftsführer also Arbeitnehmer der Gesellschaft sein kann, ist umstritten (gegen die Möglichkeit einer Arbeitnehmereigenschaft grundsätzlich insbesondere BGH in ständiger Rechtsprechung; vgl. AP Nr. 1 zu § 38 GmbHG und AP Nr. 14 zu § 622 BGB; ferner Hachenburg/Mertens, aa0, § 35 Rz 94; Hueck, ZFA 1985, 25; a.M. Müller, BB 1977, 723 und ZIP 1981, 578; Scholz/K.H. Schneider, GmbHG, 6. Aufl., § 35 Rz 130, 131). Die ein Arbeitsverhältnis stets ablehnende Meinung wird damit begründet, der Geschäftsführer nehme als Vertretungsorgan der Gesellschaft Arbeitnehmerfunktionen wahr.
2. Für die Anwendbarkeit des KSchG auf GmbH-Geschäftsführer ist dieser Streit vorliegend jedoch ohne Bedeutung. Denn ungeachtet der vom Gesetzgeber in § 14 Abs. 1 KSchG vorgenommenen negativen Fiktion, nämlich der Herausnahme dieser genannten Personengruppen aus dem Anwendungsbereich des allgemeinen Kündigungsschutzes wegen ihrer organschaftlichen Stellung ohne Rücksicht darauf, ob das der Geschäftsführerbestellung zugrundeliegende Anstellungsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 1985 - 2 AZR 330/84 - zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts und in der Fachpresse vorgesehen; BAG Urteil vom 15. April 1982, aa0; KR-Becker, 2. Aufl., § 14 KSchG Rz 3; Herschel/Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 14 Rz 1), ist die Anwendung des KSchG nur dann zu bejahen, wenn zwischen dem Geschäftsführer und der GmbH zwei Rechtsverhältnisse bestehen, von denen eines ein dienstlich abgrenzbares Arbeitsverhältnis ist (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 9. Mai 1985, aa0; BAG Urteil vom 27. Oktober 1960 - 5 AZR 578/59 - AP Nr. 14 zu § 5 ArbGG 1953). Ferner ist das KSchG anwendbar, wenn die juristische Person mit dem Organvertreter nach der Beendigung der Organstellung ausdrücklich oder konkludent durch Weiterbeschäftigung des bisherigen Organvertreters ein Arbeitsverhältnis begründet, dieses kündigt und der nunmehrige Arbeitnehmer diese Kündigung angreift (vgl. BAG Urteil vom 22. Februar 1974 - 2 AZR 289/73 - AP Nr. 19 zu § 5 ArbGG 1953). Anwendbar ist das Kündigungsschutzgesetz schließlich auch dann, wenn der Organvertreter vor seiner Bestellung in einem Arbeitsverhältnis zur juristischen Person gestanden hat und sich durch seine Bestellung zum Organvertreter die Vertragsbedingungen nicht bzw. nicht wesentlich geändert haben. In einem solchen Falle ist davon auszugehen, daß das frühere Arbeitsverhältnis während der Geschäftsführertätigkeit lediglich ruht, also sachlich fortbesteht und nach der Abberufung als Geschäftsführer ohne besondere Vereinbarung wieder auflebt. Denn es wäre weder sach- noch interessengerecht anzunehmen, daß der ehemalige Arbeitnehmer allein aufgrund der Geschäftsführerbestellung, mit der für ihn keine wesentlichen vorteilhaften Veränderungen der Vertragsbedingungen verbunden sind, auf seine Rechte als Arbeitnehmer hat verzichten wollen. Davon kann nur ausgegangen werden, wenn die Parteien ausdrücklich etwas anderes vereinbart haben (so BAG Urteil vom 9. Mai 1985 - 2 AZR 330/84 - zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts und in der Fachpresse vorgesehen; ähnlich auch BAG 24, 383).
3. Bei sachgerechter Anwendung dieser dargelegten Grundsätze ergibt sich, daß das KSchG vorliegend nicht anwendbar ist. Denn bei Berücksichtigung aller Sachverhaltsumstände kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Parteien mit der Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer das bisherige Arbeitsverhältnis als ruhend fortbestehend angesehen haben. Vielmehr ist unter Ablösung des bisherigen Arbeitsverhältnisses die Anstellung des Klägers, seiner neuen Position und seiner größeren Verantwortung als Geschäftsführer Rechnung tragend auf eine neue Grundlage gestellt worden. Das ergibt sich deutlich erkennbar schon aus den wesentlich höheren Bezügen, die der Kläger gegenüber früher als Angestellter nunmehr als Geschäftsführer erhalten hat. Während der Kläger als Angestellter - neben einer Umsatzbeteiligung von 1 % des 1.500.000,-- DM übersteigenden Jahresumsatzes - ein monatliches Gehalt von 2.500,-- DM brutto (bei 13 Monatsgehältern mithin 32.500,-- DM brutto Jahreseinkommen) laut Arbeitsvertrag bezog, belief sich sein letztes Jahresgehalt nach eigenen Angaben zuletzt auf 150.000,-- DM, also auf mehr als das Vierfache der Bezüge. Das Arbeitsgericht hat seiner Berechnung für die dem Kläger verbliebene reine Angestelltentätigkeit ein fiktives Gehalt von 7.500,-- DM zugrundegelegt. Auf diese oder eine ähnliche Neuregelung der Bezüge, also einer Reduzierung des Geschäftsführergehaltes hätten sich die Parteien auch einigen müssen, wenn sie nach Ablösung als Geschäftsführer eine Weiterbeschäftigung des Klägers als Angestellter ins Auge gefaßt hätten.
Ist nach alledem das KSchG nicht anwendbar, so ist somit mangels anderweitig ersichtlicher Unwirksamkeitsgründe von der Beklagten die Kündigung am 30. September 1982 wirksam ausgesprochen worden.
IV. Dem Landesarbeitsgericht kann dagegen nicht gefolgt werden, soweit es die Anwendbarkeit des Gesetzes über die Fristen für die Kündigung von Angestellten vom 9. Juli 1926 (sog. Angestelltenkündigungsschutzgesetz - AngKSchG) auf den Kläger verneint hat.
1. Gemäß § 1 AngKSchG finden die Vorschriften des AngKSchG auf Angestellte Anwendung, die nach § 1 (jetzt §§ 2, 3) Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) versicherungspflichtig sind oder sein würden, wenn ihr Jahresarbeitsverdienst die Gehaltsgrenze nach § 3 AVG nicht übersteigen würde.
a) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AVG werden u.a. alle Personen in der Rentenversicherung der Angestellten versichert, die als Angestellte (§ 3 AVG) gegen Entgelt beschäftigt sind. In der beispielhaften Aufzählung von versicherungspflichtigen Angestellten in § 3 Abs. 1 AVG ist der GmbH-Geschäftsführer nicht mit aufgeführt. Da es sich hierbei nicht um eine abschließende Aufzählung handelt, läßt sich daraus jedoch nicht schließen, daß GmbH-Geschäftsführer keine versicherungspflichtigen Angestellten im Sinne von §§ 2, 3 AVG sein können, zumal in § 3 Abs. 1 a AVG - eingefügt durch das 3. RentenversicherungsÄndG vom 28. Juli 1969 (BGBl. I, 956) - ausdrücklich nur bestimmt ist, daß zu den Angestellten i.S. des Abs. 1 nicht die Mitglieder des Vorstandes einer AG gehören. Daraus wird teilweise gefolgert, GmbH- Geschäftsführer seien grundsätzlich Angestellte im Sinne der §§ 2, 3 AVG und übten eine versicherungspflichtige Tätigkeit aus, es sei denn, sie seien aufgrund ihrer gleichzeitig maßgeblichen Beteiligung am Stammkapital der Gesellschaft oder aus sonstigen Gründen weisungsfrei (LAG Hamm, GmbH-RdSch 1980, 131; Müller, BB 1977, 723, 725; Bauer, DB 1979, 2118; Neumann-Duesberg, Anm. zu AP Nr. 11 zu § 3 AVG u.F.; vgl. auch BAG Urteil vom 16. Februar 1983 - 7 AZR 118/81 - AP Nr. 8 zu § 2 AngKSchG). Das Bundessozialgericht geht dagegen bei der Frage der Versicherungspflicht eines GmbH-Geschäftsführers von dem allgemeinen Grundsatz aus, daß ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zwar persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber voraussetze (BSGE 20, 6, 8), diese aber auch durch die bei einem GmbH-Geschäftsführer übliche Wahrnehmung von Arbeitgeberfunktionen nicht ohne weiteres ausgeschlossen sei. Ist der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter, so soll es darauf ankommen, ob er nach seiner Kapitalbeteiligung (in der Regel 50 % des Stammkapitals) einen so maßgeblichen Einfluß auf die Entscheidungen der GmbH habe, um jeden Beschluß, insbesondere auch jede ihm nicht genehme Weisung des Dienstherrn verhindern zu können (BSGE 13, 196; 38, 53, 57; BSG BB 1972, 404; BSG BB 1975, 282; BSG BB 1984, 1049). Aus dieser Auffassung des BSG läßt sich jedoch nicht die Folgerung ziehen, daß als versicherungspflichtiger Angestellter immer derjenige Geschäftsführer anzusehen ist, der eine geringere oder gar keine Kapitalbeteiligung an der GmbH besitzt. Dann bedarf es vielmehr der Prüfung der persönlichen Abhängigkeit des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft. Bei einem sog. Fremdgeschäftsführer, also bei einem Geschäftsführer, der bei der Gesellschaft überhaupt nicht beteiligt ist, wird allerdings in der Regel eine persönliche Abhängigkeit zu bejahen sein, zumal dieser keinerlei Unternehmerrisiko trägt und normalerweise ein von der Ertragslage der GmbH unabhängiges Gehalt bezieht (BSG Urteil vom 15. September 1973 - 12 RK 24/72 - AP Nr. 11 zu § 3 AVG n.F.).
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze und aufgrund des vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalts ist der Kläger als versicherungspflichtiger Angestellter im Sinne der §§ 2, 3 AVG anzusehen. Der Kläger war an der Beklagten nicht als Gesellschafter beteiligt. Er bezog ein regelmäßiges Gehalt von zuletzt 150.000,-- DM jährlich. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, es sei davon auszugehen, daß der Kläger seit seiner Bestellung zum Mitgeschäftsführer aufgrund eines stillschweigend praktizierten freien Dienstvertrages tätig gewesen sei, welcher sich inhaltlich, insbesondere hinsichtlich der internen Kompetenzen des Klägers, weiterhin an den Regeln des früheren Anstellungsvertrages orientiert habe. Diese Ausführungen sind auch von den Parteien nicht angegriffen worden. Zwar war der Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts befugt, Einstellungen ohne Einwilligung seines Mitgeschäftsführers bzw. der alleinigen Gesellschafterin vorzunehmen. Das besagt jedoch nicht, daß er nicht an Gesellschafterbeschlüsse gebunden war. Es sind auch ansonsten keine Anhaltspunkte ersichtlich, daß der Kläger trotz seiner Eigenschaft als Fremdgeschäftsführer vorliegend ausnahmsweise nicht in persönlicher Abhängigkeit zur Beklagten stand.
Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts unterliegt daher der Kläger, der als versicherungspflichtiger Angestellter im Sinne der §§ 2, 3 AVG anzusehen ist, den Vorschriften des Angestelltenkündigungsschutzgesetzes (LAG Hamm, DB 1980, 596; KR-Etzel, 2. Aufl., §§ 1, 2 AngKSchG Rz 7; Bauer, DB 1979, 2179; auch BAG 41, 374, das zwar ebenfalls die Angestellteneigenschaft nach §§ 2, 3 AVG für die Anwendbarkeit des AngKSchG genügen läßt, aber offen läßt, ob diese Frage unabhängig hiervon auch nach dem Zweck des AngKSchG zu beurteilen ist).
3. Der Kläger war seit dem 1. November 1970 bei der Beklagten beschäftigt und er ist am 27. Juni 1938 geboren. Da die Beklagte 9 Angestellte beschäftigt, beträgt somit die Kündigungsfrist des bei Ausspruchs der Kündigung 44 Jahre alten und seit 11 Jahren und 11 Monaten bei der Beklagten beschäftigten Klägers gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 AngKSchG fünf Monate. Ausgehend von der im ursprünglichen und insoweit auch weitergeltenden Regelung im Anstellungsvertrag, wonach eine Kündigung nur zum 31. Dezember bzw. 30. Juni eines Jahres ausgesprochen werden kann (vgl. § 2 Abs. 2 AngKSchG), konnte die Kündigung vom 30. September 1982 daher erst zum 30. Juni 1983 ausgesprochen werden. Nachdem jedoch die Beklagte am 13. Juni 1983 - dem Kläger am 16. Juni 1983 - eine fristlose Kündigung ausgesprochen hat und über die hiergegen vom Kläger angestrengte Klage noch nicht entschieden worden ist, hat das Dienstverhältnis der Parteien jedenfalls bis zum 16. Juni 1983 fortbestanden.
V. Nach alledem war daher nach dem Hilfsantrag der Revision mit der Kostenfolge aus § 91, 97 ZPO zu entscheiden.
Hillebrecht Prof. Dr. Röhsler Dr. Weller
Brenne Binzek
Fundstellen
Haufe-Index 437903 |
DB 1986, 2132-2133 (LT1) |
BR/Meuer AVG § 3, 27-06-85, 2 AZR 425/84 (LT1) |
RdA 1986, 267 |
RzK, I 3c Nr 5 (LT1) |
ZIP 1986, 1213 |
ZIP 1986, 1213-1217 (LT1) |
AP § 1 AngestelltenkündigungsG (LT1), Nr 2 |