Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründung des Auswahlermessens bei zwei Haftungschuldnern ‐ Divergenzrüge
Leitsatz (NV)
Das FG weicht nicht von der st. Rspr. des BFH ab, wenn es zur Überprüfung der Ermessensentscheidung des FA ausführt, einer näheren Begründung des Auswahlermessens bedürfe es bei zwei in Betracht kommenden Haftungsschuldnern im Haftungsbescheid und in der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung dann nicht, wenn dem Haftungsschuldner bei seiner Inanspruchnahme die gleichzeitige und gleichartige Haftungsinanspruchnahme des anderen Haftungsschuldners bekannt gewesen sei.
Normenkette
AO 1977 §§ 34, 69, 191 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Die mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision angefochtene Entscheidung des Finanzgerichts (FG) weicht mit ihren Ausführungen über die Notwendigkeit einer Begründung der bei der Inanspruchnahme eines Mitgeschäftsführers einer GmbH als Haftenden nach §§ 69 i.V.m. 34 der Abgabenordnung (AO 1977) zu treffenden Ermessensentscheidung nicht von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ab. Zwar enthalten die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen ―Haftungsbescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung―, wie auch das FG festgestellt hat, lediglich Ausführungen zum Entschließungsermessen, aber keine Ausführungen zu den Ermessenserwägungen des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ―FA―) hinsichtlich der Inanspruchnahme des zweiten Geschäftsführers neben dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger). Es fehlt somit an der Ausführung der bei der Ausübung des Verwaltungsermessens grundsätzlich notwendigen Erwägungen zum Für und Wider der Inanspruchnahme des Haftungsschuldners anstelle oder neben einer anderen, ebenfalls für die Haftung in Betracht kommenden Person und damit an der Darlegung der das Auswahlermessen der Verwaltungsbehörde bestimmenden Überlegungen. Nach der Rechtsprechung des BFH muß die vom FA zu treffende Ermessensentscheidung (§ 191 Abs. 1 AO 1977) wegen der Befugnis und Verpflichtung des Gerichts zur Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung, die dem Gericht keinen Raum für eigene Ermessenserwägungen läßt (§ 102 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―), im Haftungsbescheid, spätestens aber in der Einspruchsentscheidung begründet werden (vgl. § 121 Abs. 1, § 126 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO 1977), andernfalls sie im Regelfall fehlerhaft ist (BFH-Urteile vom 7. April 1992 VII R 104/90, BFH/NV 1993, 213, und vom 22. September 1992 VII R 73-74/91, BFH/NV 1993, 215). Auf diesen, vom BFH aufgestellten Rechtssatz weist der Kläger in seiner ordnungsgemäß vorgetragenen Divergenzrüge (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Satz 3 FGO) zutreffend hin.
Es entspricht aber ebenso der ständigen Rechtsprechung des BFH, daß es bei einer ordnungsgemäßen Darstellung des Entschließungsermessens einer Begründung zum Auswahlermessen nur insoweit bedarf, als ein weiterer Haftungsschuldner in Betracht kommt und nicht ausgeschlossen werden kann, daß das FA keine Erwägungen zur Frage der Inanspruchnahme des mithaftenden Geschäftsführers angestellt und damit für die Ermessensentscheidung wesentliche Umstände außer acht gelassen hat (Fall der Ermessensunterschreitung, vgl. Senatsbeschluß vom 23. Oktober 1990 VII S 22/90, BFH/NV 1991, 500, m.w.N.). Der BFH hat solche näheren Darlegungen zum Auswahlermessen zwischen mehreren Haftungsschuldnern bei Ausfall des Steuerschuldners in seinem ―auch vom Kläger als Divergenzentscheidung angeführten― Urteil in BFH/NV 1993, 215, 217 für entbehrlich gehalten, wenn solche Ausführungen lediglich eine nicht notwendige Formalität darstellen würden. Denn die an sich erforderliche Begründung des Auswahlermessens ist kein Selbstzweck, sondern dient der Überprüfung der Ermessensentscheidung. Gibt es in einem Haftungsfall nur eine Begründung ―daß nämlich auch der Mithaftende in Anspruch genommen werden kann― und kennt der in Anspruch genommene Haftungsschuldner aus den Umständen des Falles oder wegen der engen verwandtschaftlichen Beziehungen die tatsächlich vom FA vorgenommene Ermessensausübung der Inanspruchnahme beider als Haftungsschuldner in Betracht kommender Geschäftsführer, so ist es nach der Rechtsprechung des BFH nicht rechtsfehlerhaft, wenn das FA dies in seinem Bescheid nicht ausführt (BFH in BFH/NV 1993, 215, 218; vgl. auch Senatsbeschluß vom 9. September 1991 VII B 104/91, BFH/NV 1992, 289).
Von diesen Rechtsgrundsätzen ist die Vorinstanz in ihrer Entscheidung nicht abgewichen, wenn sie ausführt, daß dem Kläger die gleichzeitige und gleichartige Haftungsinanspruchnahme des Mitgeschäftsführers bereits im Vorverfahren bekannt gewesen sei, so daß es insoweit einer Begründung im Haftungsbescheid bzw. der Einspruchsentscheidung nicht mehr bedurfte (§ 121 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977).
Mit dem Vorbringen, das Urteil des FG weiche von dem Beschluß des FG Münster vom 18. Dezember 1996 15 V 2624/96 U (Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 647) ab, kann der Kläger eine Divergenz nicht begründen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO; vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 19; BFH-Beschluß vom 6. Februar 1991 II B 137/90, BFH/NV 1992, 175).
Fundstellen
Haufe-Index 170944 |
BFH/NV 1999, 1182 |