Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an den Anordnungsgrund für einstweilige Anordnung
Leitsatz (NV)
1. Ein Anordnungsgrund für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung auf Einstellung der Vollstreckung ist nicht gegeben, wenn nicht damit zu rechnen ist, daß das FA wegen der in Betracht kommenden Steueransprüche die Vollstreckung betreiben werde.
2. Die Pflicht zur Steuerzahlung begründet für sich noch keinen Anordnungsgrund im Sinne von § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO.
Normenkette
FGO § 114 Abs. 1, 3; ZPO § 920 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Gegen die Antragsteller war Grunderwerbsteuer in Höhe von je 5 505 DM festgesetzt worden. Die gegen diese Steuerfestsetzungen gerichtete Klage der Antragsteller ist durch rechtskräftiges Urteil des Finanzgerichts (FG) abgewiesen worden. Die Antragsteller beantragten Erlaß der Grunderwerbsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen unter Hinweis auf eine ihrer Ansicht nach unzulässige ,,Doppelbesteuerung" durch Grunderwerbsteuer und Mehrwertsteuer für den nämlichen Umsatz, wie sie sich bei der Beurteilung der sog. Bauherrenmodelle durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ergäbe. Diesen Antrag lehnte das Finanzamt - FA - ab. Über die Beschwerde ist noch nicht entschieden. Die Antragsteller beantragten beim FG, eine einstweilige Anordnung dahin zu treffen, daß das FA die eingeleitete Vollstreckung wegen der Grunderwerbsteuerfestsetzungen in Höhe von insgesamt 11 010 DM bis zum Abschluß des laufenden Erlaßverfahrens einstelle. Im Laufe des Antragsverfahrens erklärte das FA die Aufrechnung mit den Grunderwerbsteueransprüchen gegen Erstattungsansprüche der Antragsteller aus Einkommensteuerguthaben.
Das FG wies den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ab. Es hielt die Hauptsache entgegen der Ansicht des FA zwar nicht für erledigt, da der Streit über die Wirksamkeit der Aufrechnung noch nicht durch Erteilung eines Abrechnungsbescheides abgeschlossen sei, verneinte jedoch das Vorliegen sowohl eines Anordnungsanspruchs als auch eines Anordnungsgrundes. Ein Anordnungsgrund in Gestalt eines existenzgefährdenden oder sonstigen schwerwiegenden Nachteils sei unter Berücksichtigung des Nettoeinkommens des Antragstellers und des Kapitalvermögens der Antragstellerin nicht gegeben.
Mit der Beschwerde machen die Antragsteller geltend, eine Aufrechnung komme mangels Gegenseitigkeit nicht in Betracht, da hinsichtlich des Einkommensteuer-Erstattungsguthabens eine Gesamtgläubigerschaft der Eheleute nicht angenommen werden könne; ein Verrechnungsvertrag aufgrund der (mit dem Rechtsbehelf der Beschwerde angegriffenen) Umbuchungsmitteilungen der Finanzkasse, die im übrigen auch als Abrechnungsbescheide angesehen werden könnten, sei nicht zustande gekommen. Ferner legen die Antragsteller im einzelnen die Gründe dar, aus denen sich nach ihrer Auffassung die überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs ihres Antrags auf Erlaß der Grunderwerbsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen ergibt. Sie meinen, hieraus folge zugleich, daß eine vorläufige Regelung nötig sei.
Das FA führt aus, wegen der auch ohne Erteilung eines Abrechnungsbescheides wirksamen Aufrechnung mit den Grunderwerbsteueransprüchen gegen die Einkommensteuer-Erstattungsansprüche der Antragsteller sei deren Antrag schon im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens unzulässig geworden. Ein Anordnungsgrund bestehe nicht, zumal eine Vollstreckung nicht drohe.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet, das FG hat den Antrag mit Recht abgewiesen. Wären die Steueransprüche, wegen deren Geltendmachung die einstweilige Anordnung beantragt worden ist, durch (wirksame) Aufrechnung - so das FA - oder durch Verrechnung erloschen, so wäre das Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller entfallen, ihr Antrag bereits aus diesem Grunde - dann als unzulässig - abzuweisen gewesen. Über die in diesem Zusammenhang sich ergebenden Fragen - die Wirksamkeit der Aufrechnung, insbesondere im Hinblick auf die erforderliche Gegenseitigkeit (vgl. zur Gläubigerstellung hinsichtlich überzahlter Lohnsteuer bei Zusammenveranlagung von Eheleuten, Senat, Urteile vom 19. Oktober 1982 VII R 55/80, BFHE 137, 146, 148 f., BStBl II 1983, 162, und vom 18. März 1986 VII R 104/82, BFH / NV 1986, 581, 583), gegebenenfalls das Vorliegen eines Verrechnungsvertrages - braucht jedoch nicht entschieden zu werden. Es kommt auch nicht darauf an, ob davon ausgegangen werden könnte, daß die Antragsteller eine Voraussetzung für die von ihnen begehrte einstweilige Anordnung, den Anordnungsanspruch - hier die überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs ihres Antrags auf Steuererlaß aus Billigkeitsgründen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 4. Juli 1986 VII B 56/86, BFH / NV 1987, 20, 22, und vom 2. Oktober 1986 VII B 4/86, BFH / NV 1987, 222) - glaubhaft gemacht haben, § 114 Abs. 1 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung, oder ob es, wie das FG ausgeführt hat, schon an dem erforderlichen Anordnungsanspruch fehlt. Jedenfalls konnte der Antrag, wie vom FG zutreffend entschieden, keinen Erfolg haben, weil die weitere Voraussetzung für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung, der Anordnungsgrund, nicht gegeben war. Ein solcher Grund für den Erlaß einer (Regelungs-)Anordnung liegt vor, wenn die einstweilige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 114 Abs. 1 Satz 2 FGO). Dies scheidet im Streitfalle jedoch aus, und zwar bereits deshalb, weil das FA von der Wirksamkeit der von ihm erklärten Aufrechnung ausgeht und keine Anzeichen dafür ersichtlich sind, daß es entgegen seiner Erklärung wegen der Grunderwerbsteueransprüche, die es für erloschen hält, gegen die Antragsteller die Vollstreckung betreiben werde. Unabhängig davon könnte selbst bei drohender Vollstreckung ein wesentlicher Nachteil oder ein gleichgewichtiger anderer Grund nicht ohne weiteres angenommen werden. Ein solcher Grund setzt vielmehr Nachteile voraus, die über den allgemeinen Nachteil der Steuerzahlung hinausgehen (ständige Rechtsprechung; vgl. Senat, Beschlüsse vom 4. Juli 1986 VII B 42/86, BFH / NV 1987, 39 f., und vom 6. Mai 1986 VII B 10/86, BFH / NV 1987, 96, 98; Bundesfinanzhof - BFH -, Beschlüsse vom 30. Juli 1986 V B 31/86, BFH / NV 1987, 42, und vom 4. August 1986 VIII B 97/86, BFH / NV 1987, 101 mit Nachweisen). Einer den Antragstellern günstigen Vorausbeurteilung des Anordnungsanspruchs, sollte sie hier in Betracht kommen, kann der Anordnungsgrund entgegen der Ansicht der Beschwerde nicht entnommen werden. Er muß vielmehr zusätzlich zum Anordnungsanspruch vorliegen (vgl. BFH, Beschlüsse vom 14. Juli 1971 II B 2/71, BFHE 102, 238, 241, BStBl II 1971, 633, und vom 14. Januar 1987 II B 102/86, BFHE 148, 440, 443, BStBl II 1987, 269). Daß er im Streitfalle nicht in Gestalt existenzgefährdender Nachteile für die Antragsteller gegeben ist, hat die Vorinstanz zutreffend entschieden. Insoweit macht auch die Beschwerde keine gegenteiligen oder neuen Gesichtspunkte geltend.
Fundstellen
Haufe-Index 415207 |
BFH/NV 1988, 162 |