Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer Revisionszulassung wegen Divergenz und wegen Verfahrensmangels
Leitsatz (NV)
1. Eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO wegen Divergenz setzt u.a. voraus, dass das angefochtene Urteil und die in der Beschwerdebegründung bezeichnete Divergenzentscheidung zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind.
2. Mit dem Vorbringen, das FG habe die Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung unzutreffend auf den Streitfall angewendet, wird lediglich ein Subsumtionsfehler behauptet, der als materieller Rechtsfehler im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich nicht berücksichtigt werden kann.
3. Eine schlüssig dargelegte Abweichung rechtfertigt die Zulassung der Revision nur dann, wenn sie für das angefochtene Urteil entscheidungserheblich ist. Daran fehlt es, wenn das FG seine Entscheidung auf mehrere Gründe gestützt hat, von denen jeder für sich gesehen die Entscheidung trägt, und die behauptete Abweichung nur einen dieser Gründe betrifft.
4. Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht, das FG habe einen angebotenen Zeugenbeweis nicht erhoben, muss zur Bezeichnung dieses Verfahrensmangels grundsätzlich vorgetragen werden, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt worden ist oder weshalb eine solche Rüge nicht möglich gewesen sein soll.
Normenkette
FGO §§ 76, 115 Abs. 2 Nrn. 2-3; UmwStG 1995 § 24; ZPO § 295
Verfahrensgang
Hessisches FG (Urteil vom 31.01.2007; Aktenzeichen 7 K 250/01) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- (Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) und des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (Verfahrensmangel) sind nicht gegeben.
1. Eine Zulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO wegen Divergenz setzt voraus, dass das Finanzgericht (FG) in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts, das über dieselbe Rechtsfrage entschieden hat, abgewichen ist, die abweichend beantwortete Rechtsfrage für beide Entscheidungen rechtserheblich war, die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind, die vom FG abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann und die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist (BFH-Beschluss vom 19. Oktober 2007 IV B 163/06, BFH/NV 2008, 212).
Allerdings ist nicht stets erforderlich, dass das FG den abweichenden Rechtssatz in den Urteilsgründen ausdrücklich formuliert hat. Er kann auch konkludent in scheinbar nur fallbezogenen Rechtsausführungen ausgesprochen sein. Eine Abweichung kann deshalb auch vorliegen, wenn das FG einem bestimmten Sachverhalt eine andere Rechtsfolge beigemessen hat als sie der BFH zu einem im Wesentlichen gleichen Sachverhalt ausgesprochen hat (BFH-Beschluss vom 19. Februar 2008 VIII B 49/07, BFH/NV 2008, 1158, m.w.N.).
2. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend machen, das FG sei von dem Beschluss des BFH vom 20. Dezember 2005 X B 128/05 (BFH/NV 2006, 704) abgewichen. Ob ein Wirtschaftsgut abweichend von dem Grundsatz des § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) einem anderen als dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen ist, bestimmt sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall (vgl. BFH-Urteil vom 7. November 2001 II R 32/99, BFH/NV 2002, 469). Eine Divergenz ist deshalb in einem solchen Fall nur gegeben, wenn der Sachverhalt der Vorentscheidung mit dem der angeführten Divergenzentscheidung in allen wesentlichen Einzelheiten übereinstimmt. Weder aus der Beschwerdebegründung noch aus den Gründen des Beschlusses in BFH/NV 2006, 704 ist jedoch ersichtlich, dass der BFH dort über die Frage der steuerrechtlichen Zurechnung eines unter Nießbrauchsvorbehalt übertragenen Grundstücks im Veranlagungszeitraum vor der Eigentumsumschreibung zu entscheiden hatte. Nur dann könnte dem angeführten BFH-Beschluss der Rechtssatz entnommen werden, dass bei unentgeltlicher Übertragung eines Grundstücks unter Vorbehalt des lebenslänglichen Nießbrauchs das wirtschaftliche Eigentum stets erst mit dem zivilrechtlichen Vollerwerb, d.h. erst mit der Eigentumsumschreibung im Grundbuch, auf den Erwerber übergeht.
3. Soweit die Kläger rügen, das FG sei von der ständigen Rechtsprechung des BFH zum Zeitpunkt der Gewinnrealisierung bei Grundstücksgeschäften abgewichen, haben sie zwar dargelegt, dass der BFH in den angeführten Urteilen den Rechtssatz aufgestellt habe, das wirtschaftliche Eigentum gehe grundsätzlich mit dem Erwerb von Besitz, Nutzungen, Gefahr und Lasten über. Aus dem angefochtenen Urteil des FG ergibt sich jedoch kein davon abweichender abstrakter Rechtssatz. Vielmehr machen die Kläger insoweit im Ergebnis nur geltend, das FG habe die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung unzutreffend auf den Streitfall angewendet. Darin läge jedoch allenfalls ein Subsumtionsfehler, der als materieller Rechtsfehler im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht berücksichtigt werden kann.
4. Die Kläger tragen ferner vor, das angefochtene Urteil weiche mit der Rechtsbehauptung, die von den Klägern beanspruchte Steuervergünstigung nach § 24 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) i.V.m. § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei zu versagen, weil die hierfür erforderliche Einbringungsbilanz und Eröffnungsbilanz nicht zeitnah aufgestellt worden sei, von dem Urteil des BFH vom 5. April 1984 IV R 88/80 (BFHE 141, 27, BStBl II 1984, 518) ab. Der BFH habe in dem genannten Urteil den Rechtssatz aufgestellt, der Einbringungsgewinn sei bei Einbringung einer freiberuflichen Praxis, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittele, auf der Grundlage einer Einbringungs- und Eröffnungsbilanz zu erstellen. Danach genüge es, wenn der Übergangsgewinn von der Einnahmen-Überschussrechnung zum Betriebsvermögensvergleich nach den Grundsätzen der Bilanzierungermittelt würde. Dies sei im Streitfall geschehen.
Der BFH hat in dem genannten Urteil indes keinen Rechtssatz mit dem von den Klägern behaupteten Inhalt aufgestellt. Vielmehr hat der BFH im Urteil in BFHE 141, 27, BStBl II 1984, 518 entschieden, dass die Steuervergünstigung des § 24 UmwStG i.V.m. § 34 EStG von Steuerpflichtigen mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nur beansprucht werden kann, wenn auf den Zeitpunkt der Einbringung eine Einbringungs- und Eröffnungsbilanz eingereicht wird.
5. Allerdings machen die Kläger zu Recht geltend, das FG sei mit dem von ihm aufgestellten Rechtssatz, für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung des § 24 UmwStG i.V.m. § 34 EStG müssten sowohl die Einbringungs- wie die Eröffnungsbilanz zeitnah eingereicht werden, von dem Urteil des Hessischen FG vom 17. Januar 2001 1 K 2654/97 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2001, 700) abgewichen. Es trifft zu, dass das Hessische FG in der genannten Entscheidung den Rechtssatz aufgestellt hat, für den Zeitpunkt der Ausübung des Wahlrechts nach § 24 Abs. 3 UmwStG bestehe mangels einer anderweitigen gesetzlichen Regelung keine Frist, so dass das Wahlrecht grundsätzlich bis zum Eintritt der formellen Bestandskraft des Steuerbescheids ausgeübt werden könne. Die nachträgliche Aufstellung und Vorlage der Einbringungs- und Eröffnungsbilanz sei insbesondere dann unbedenklich, wenn in der Buchführung der Personengesellschaft die stillen Reserven bereits aufgedeckt worden seien.
Gleichwohl rechtfertigt diese Abweichung nicht die Zulassung der Revision, weil sie für die Entscheidung des FG nicht entscheidungserheblich ist. Denn das FG hat die Tarifbegünstigung des § 24 UmwStG i.V.m. § 34 EStG aus mehreren Gründen versagt, von denen jeder für sich die Entscheidung trägt. In einem solchen Fall kann die Revision nur zugelassen werden, wenn für sämtliche der die Entscheidung tragenden Gründe Zulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 FGO gegeben sind (BFH-Beschluss vom 2. Mai 1974 IV B 3/74, BFHE 112, 337, BStBl II 1974, 524). Im Streitfall hat das FG die Voraussetzungen für die Steuervergünstigung des § 24 UmwStG i.V.m. § 34 EStG nicht nur deshalb verneint, weil die Kläger die Einbringungs- und Eröffnungsbilanz erst mehrere Jahre nach dem Zeitpunkt der Einbringung vorgelegt haben, sondern auch deshalb, weil in der Eröffnungsbilanz der GbR die eingebrachten Wirtschaftsgüter nicht mit dem Teilwert angesetzt worden seien. Denn die stillen Reserven des eingebrachten Betriebs seien nicht vollständig, sondern nur zu 94 % aufgedeckt worden. Hinsichtlich dieser Begründung des FG ist kein Zulassungsgrund ersichtlich.
Die insoweit erhobene Verfahrensrüge, das FG habe den angebotenen Zeugenbeweis nicht erhoben und damit seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) verletzt, greift nicht durch. Da es sich bei § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO um eine Verfahrensvorschrift handelt, auf deren Einhaltung der fachkundig vertretene Prozessbeteiligte --ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge in der mündlichen Verhandlung-- verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), muss zur Bezeichnung des Verfahrensmangels grundsätzlich vorgetragen werden, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt worden ist oder weshalb eine solche Rüge nicht möglich gewesen sein soll (BFH-Beschlüsse vom 30. Dezember 2002 XI B 58/02, BFH/NV 2003, 787; vom 28. Juli 2008 VIII B 189/07, juris). Von einem Rügeverzicht ist bereits dann auszugehen, wenn zur mündlichen Verhandlung kein Zeuge geladen worden ist und damit für den Kläger erkennbar ist, dass das FG die beantragte Zeugenvernehmung nicht durchzuführen beabsichtigt; wird dies in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt, so liegt darin ein Verzicht auf die Geltendmachung des Verfahrensverstoßes der unterlassenen Beweiserhebung (BFH-Beschluss vom 11. August 2006 VIII B 322/04, BFH/NV 2006, 2280, m.w.N.). Die Kläger haben hierzu innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist nichts vorgetragen. Auch aus dem angefochtenen Urteil und aus der Sitzungsniederschrift des FG vom 31. Januar 2007 ergibt sich eine derartige Rüge nicht.
6. Die Revision ist schließlich auch nicht wegen Abweichung des FG von dem Urteil des BFH vom 16. Februar 1995 IV R 29/94 (BFHE 177, 389, BStBl II 1995, 635) zuzulassen. In der genannten Entscheidung hat der BFH entschieden, im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG sei der Erlös aus dem Verkauf eines einzelnen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens erst im Jahr des Zuflusses des Veräußerungserlöses als Betriebseinnahme anzusetzen. Das FG hat im angefochtenen Urteil keinen davon abweichenden Rechtssatz aufgestellt. Denn der Streitfall betrifft nicht den Verkauf eines einzelnen Wirtschaftsguts, sondern die Einbringung einer freiberuflichen Einzelpraxis in eine Sozietät. Das FG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass sich in einem solchen Fall der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung nach der wirtschaftlichen Vertragserfüllung durch den Veräußerer bestimmt (vgl. auch BFH-Urteil vom 23. Januar 1992 IV R 88/90, BFHE 167, 78, BStBl II 1992, 525; Schmidt/Wacker, EStG, 27. Aufl., § 18 Rz 222).
Fundstellen