Leitsatz (amtlich)
1. Hatte der Steuerpflichtige beim FG keine Zulassung der Revision beantragt und hat das FG sie auch nicht von Amts wegen ausgesprochen, so kann der Steuerpflichtige sie nicht noch nachträglich über einen Antrag auf Urteilsergänzung nach § 109 FGO erreichen.
2. Ein eindeutiger Antrag auf Zulassung der Revision im Wege der Urteilsergänzung nach § 109 FGO kann nicht ohne weiteres in eine auf § 115 Abs. 3 FGO gestützte Nichtzulassungsbeschwerde umgedeutet werden.
Normenkette
FGO §§ 109, 115 Abs. 3
Tatbestand
In der Einkommensteuersache 1962 und 1963 der Beschwerdeführerin (Steuerpflichtigen) hob das FG durch Urteil vom 10. November 1967 den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1962 ersatzlos auf, während es die Einkommensteuer für das Jahr 1963 herabsetzte. Nach dem Erlaß des Urteils beantragte die Steuerpflichtige, durch Urteilsergänzung nach § 109 FGO die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen. Das FG wies diesen Antrag durch Urteil vom 26. Januar 1968 mit im wesentlichen folgender Begründung zurück:
Selbst wenn die Steuerpflichtige einen förmlichen Antrag auf Zulassung der Revision gestellt gehabt hätte, was ausweislich der Akten nicht geschehen sei, könne das Urteil nicht ergänzt werden. Eine Urteilsergänzung setze nämlich voraus, daß ein Antrag versehentlich übergangen worden sei, was im Streitfall nicht zutreffe. Das Gericht habe durch Schweigen im Urteil auf Nichtzulassung erkannt. Diese Entscheidung könne nicht über § 109 FGO geändert werden. Der Antrag auf Urteilsergänzung könne auch nicht in eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision umgedeutet werden, weil sein Erklärungsinhalt eindeutig sei. Außerdem sei die Steuerpflichtige über die Möglichkeit der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde schriftlich belehrt gewesen.
Die Steuerpflichtige hat gegen dieses Urteil Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO die Revision gegen beide Urteile des FG zuzulassen. Die Urteilsergänzung sei beantragt worden, um die Zulassung zur Revision gegen das Urteil vom 10. November 1967 zu erreichen. Beide Urteile seien von der Rechtsprechung des BFH abgewichen: 1. Das Urteil vom 10. November 1967 vom Urteil des BFH VI R 240/66 vom 12. April 1967 (BFH 88, 417, BStBl III 1967, 420) dadurch, daß es die Vermietung eines Grundstücks als ruhenden Gewerbebetrieb angesehen habe, 2. das Urteil vom 26. Januar 1968 vom Beschluß des BFH VI B 16/67 vom 23. Juni 1967 (BFH 89, 117, BStBl III 1967, 531), in dem eine Urteilsergänzung zwecks Revisionszulassung für statthaft gehalten worden sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Die Beteiligten sind sich darüber einig, daß ein Fall der Streitwertrevision (§ 115 Abs. 1 FGO) nicht gegeben ist, eine Revision also nur nach Zulassung statthaft ist. Das FG hat die Zulassung im Urteil vom 10. November 1967, zugestellt am 14. Dezember 1967, nicht ausgesprochen. Die Nichtzulassung einer Revision kann selbständig durch Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils angefochten werden (§ 115 Abs. 3 FGO). Die Nichtzulassungsbeschwerde der Steuerpflichtigen ist aber erst am 1. März 1968, also verspätet eingegangen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist weder beantragt worden, noch liegen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung ohne Antrag vor (§ 56 FGO).
Die angestrebte Zulassung der Revision gegen das Urteil vom 10. November 1967 könnte allenfalls noch dadurch erreicht werden, daß der Senat die Revision gegen das Urteil vom 26. Januar 1968 zuließe und auf die Revision dieses Urteil aufgehoben und auf Zulassung der Revision gegen das Urteil vom 10. November 1967 erkannt würde. Für die Zulassung der Revision gegen das Urteil vom 26. Januar 1968 liegen jedoch keine Gründe vor. Die von der Steuerpflichtigen behauptete Divergenz des Urteils vom 26. Januar 1968 zu dem Beschluß des BFH VI B 16/67 (a. a. O.) besteht nicht. Der Sachverhalt, der diesem Beschluß zugrunde lag, unterscheidet sich von dem hier gegebenen Sachverhalt. Dort war die Zulassung der Revision beim FG beantragt, über diesen Antrag aber versehentlich nicht entschieden worden. Im Streitfall war dagegen beim FG kein Zulassungsantrag gestellt worden. Die Steuerpflichtige behauptet selbst nicht, einen solchen Antrag gestellt zu haben. Sie hat die nachträgliche Zulassung der Revision vielmehr deshalb begehrt, weil das FG sich in den Gründen seines Urteils vom 10. November 1967 nicht mit der Rechtsansicht des BFH-Urteils VI R 240/66 (a. a. O.) auseinandergesetzt habe. Darin wäre aber nicht die Übergehung eines Antrags im Sinne des § 109 FGO, die eine nachträgliche Urteilsergänzung ermöglichte, zu erblicken, sondern allenfalls das Übersehen eines rechtlichen Gesichtspunkts. Darauf hätte gegebenenfalls eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 115 Absatz 2 Nr. 2 FGO, nicht aber ein Antrag auf Urteilsergänzung nach § 109 FGO gestützt werden können.
Ob eine nachträgliche Revisionszulassung im Wege der Urteilsergänzung nach § 109 FGO in jedem Fall ausgeschlossen ist, ist umstritten (vgl. v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, Anm. 3 zu § 109 FGO). Der Senat braucht diese Frage nicht zu entscheiden, da der Antrag auf Zulassung der Revision im Wege der Urteilsergänzung nach den vorstehenden Darlegungen jedenfalls zu Recht abgelehnt worden ist.
Zutreffend hat auch das FG den Antrag auf Urteilsergänzung nicht in eine Nichtzulassungsbeschwerde umgedeutet. Die Steuerpflichtige hat in ihrem Schriftsatz vom 22. Dezember 1967 eindeutig ihren Willen erklärt, die Zulassung der Revision "im Wege der nachträglichen Ergänzung des Urteils (§ 109 FGO)" zu beantragen. Daß auf diese Weise das erstrebte Ziel nicht erreicht werden konnte, rechtfertigt für sich allein nicht, den Antrag in ein zwar statthaftes, aber gar nicht gewolltes Rechtsmittel, nämlich in einer auf § 115 Abs. 3 FGO gestützte Nichtzulassungsbeschwerde, umzudeuten.
Fundstellen
Haufe-Index 67733 |
BStBl II 1968, 585 |
BFHE 1968, 422 |