Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH: Haftung für auf den eigenen Arbeitslohn entfallende LSt
Leitsatz (NV)
- Der gesetzliche Vertreter einer Kapitalgesellschaft haftet auch für nicht abgeführte LSt, die auf den eigenen Arbeitslohn entfällt, wobei grundsätzlich angenommen wird, dass der Gesellschafter/Geschäftsführer einer GmbH über die von der Gesellschaft geschuldete Vergütung einschließlich der darauf entfallenden LSt bei deren Fälligkeit verfügen kann. Eine solche Verfügung kann auch in der Überlassung der Gehaltsanteile als Darlehen an die Gesellschaft liegen.
- Den Anschein bestehender Liquidität der GmbH im Fälligkeitszeitpunkt kann der Geschäftsführer entkräften, wenn er anhand geeigneter Unterlagen nachweist, dass der GmbH bereits während des Haftungszeitraums die zur Begleichung der LSt notwendigen Mittel gefehlt haben.
Normenkette
AO 1977 §§ 34, 69; FGO § 113 Abs. 2 S. 3, § 142; ZPO § 114 Abs. 1
Tatbestand
I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) wendet sich im Klageverfahren, für das er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) begehrt, gegen die Inanspruchnahme als Haftungsschuldner für Lohnsteuer und steuerliche Nebenleistungen einer GmbH.
Der Antragsteller war alleiniger Gesellschafter/Geschäftsführer einer GmbH, die ihm für den Zeitraum März 1992 bis Juni 1993 nur einen Teil seines Gehalts bzw. für Juli bis Oktober 1993 gar kein Gehalt ausbezahlt hat. Die nicht ausbezahlten Nettobeträge wurden aufgrund eines Kontokorrentdarlehensvertrages zwischen dem Antragsteller und der GmbH auf einem Verbindlichkeitenkonto der GmbH erfasst. Auf den Gehaltsabrechnungen des Antragstellers für Januar bis Oktober 1993 wurden jedoch die monatlichen Bruttogehälter einschließlich der Sachbezüge sowie die entsprechende Lohnsteuer/Kirchenlohnsteuer ausgewiesen. Außerdem stellte sich der Antragsteller für 1993 eine besondere Lohnbescheinigung aus, in der er den Einbehalt der Lohnsteuer/ Kirchenlohnsteuer in voller Höhe des ebenfalls bescheinigten Bruttoarbeitslohnes bestätigte; letzteren machte der Antragsteller in seiner Einkommensteuererklärung für 1993 wegen Ausfalls des Darlehens als nachträgliche Anschaffungskosten für seine GmbH-Beteiligung steuermindernd geltend. Für März bis Oktober 1993 hatte die GmbH die Lohnsteuer als einbehalten angemeldet, aber nicht an den Beklagten (Finanzamt ―FA―) abgeführt. Für den bis zum 20. Dezember 1993 aufgelaufenen Gesamtrückstand an Lohnsteuer/Kirchenlohnsteuer zzgl. Nebenleistungen in Höhe von insgesamt … DM nahm das FA ―nachdem ein am 22. November 1993 gestellter Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse abgelehnt worden war― den Antragsteller in Haftung. Der Einspruch gegen den Haftungsbescheid wurde als unbegründet zurückgewiesen; über die dagegen angestrengte Klage ist noch nicht entschieden.
Für das Klageverfahren begehrt der Antragsteller die Gewährung von PKH, die ihm das Finanzgericht (FG) versagt hat, weil die Prozessführung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Der Kläger hafte als Geschäftsführer der GmbH nach den Vorschriften der §§ 34, 69 der Abgabenordnung (AO 1977) auch für die auf sein Gehalt entfallende Lohnsteuer/Kirchenlohnsteuer. Die Steueransprüche seien auch entstanden, obwohl das Gehalt ganz oder teilweise nicht ausbezahlt worden sei. Als Geschäftsführer der GmbH habe der Antragsteller im Zeitpunkt der Fälligkeiten der Gehaltsansprüche auch darüber verfügen und entscheiden können, ob er die Beträge der GmbH als Darlehen überlasse. Die behaupteten Liquiditätsschwierigkeiten seien nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden, weil der Antragsteller keine Unterlagen vorgelegt habe, anhand derer für das FA Feststellungen über die finanzielle Situation der GmbH während des Haftungszeitraumes möglich gewesen seien. Die Behauptung, die erforderlichen Unterlagen befänden sich nicht in seinem Besitz, könne den Antragsteller nicht entlasten, weil der Sequester, bei dem sich die Unterlagen ursprünglich befunden haben sollen, längstens bis zur Ablehnung des Konkursverfahrens tätig gewesen sei. Der Einwand finanzieller Schwierigkeiten der GmbH befreie den Antragsteller ebenso wenig von dem Vorwurf der schuldhaften Pflichtverletzung im Hinblick auf die Nichtabführung der Lohnsteuer wie das Vorbringen, er sei davon ausgegangen, dass für das Geschäftsführergehalt mangels Auszahlung keine Lohnsteuer entstanden sei. Hier müsse sich der Antragsteller entgegenhalten lassen, dass er in der Lohnbescheinigung für März bis Oktober 1993 das volle Gehalt einschließlich der Lohnsteuer/Kirchenlohnsteuer ausgewiesen habe. Der Haftungsbescheid lasse auch im Übrigen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Inanspruchnahme auch für die Nebenleistungen in voller Höhe sei nicht zu beanstanden, weil nicht erkennbar sei, in welchem Umfang Liquiditätsprobleme der GmbH bestanden hätten und ob der Antragsteller für die Nebenleistungen den Grundsatz der anteiligen Tilgung beachtet habe. Die Berechnung der Säumniszuschläge bis zum 20. Dezember 1993 sei gerechtfertigt, weil erst bei Ergehen des allgemeinen Verfügungsverbotes am 18. Januar 1994 davon auszugehen gewesen sei, dass die GmbH die Steuerschulden nicht mehr werde begleichen können.
Entscheidungsgründe
II. Die gemäß Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze ―2.FGOÄndG― (BGBl I 2000, 1757) i.V.m. § 128 Abs. 1 und § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) a.F. zulässige Beschwerde gegen die Versagung von PKH ist unbegründet.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet ―wie das FG zutreffend erkannt hat― keine Aussicht auf Erfolg (§ 142 FGO i.V.m. § 114 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung ―ZPO―). Der Haftungsbescheid erweist sich bei der in diesem Verfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig. Der Senat hält die Ausführungen des FG zur Rechtmäßigkeit der Haftungsinanspruchnahme im Wesentlichen für zutreffend und nimmt auf sie Bezug (§ 113 Abs. 2 Satz 3 FGO). Die vom Antragsteller gegen den Haftungsbescheid erhobenen Einwendungen sind nicht geeignet, die Rechtsverfolgung des Antragstellers als hinreichend erfolgversprechend zu beurteilen.
Wie das FG in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, haftet der gesetzliche Vertreter einer Kapitalgesellschaft auch für nicht abgeführte Lohnsteuer, die auf seinen eigenen Arbeitslohn entfällt. Die Pflicht zur Entrichtung der Lohnsteuer obliegt dem Arbeitgeber (§ 41a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes ―EStG― i.V.m. § 43 AO 1977), mithin der vertretenen Gesellschaft. Aus der Sicht des Geschäftsführers handelt es sich um die Entrichtungsschuld des Vertretenen, d.h. um eine fremde Steuerschuld, für deren Entrichtung aus den verwalteten Mitteln der Antragsteller als Geschäftsführer zu sorgen hatte (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ―BFH―, vgl. Urteile vom 15. April 1987 VII R 160/83, BFHE 149, 505, BStBl II 1988, 167, und vom 12. Juli 1988 VII R 108-109/87, BFH/NV 1988, 764). Die Ausführungen des FG zur Verfügungsmacht des Antragstellers über das ihm zustehende Geschäftsführergehalt entsprechen der Rechtsprechung des BFH, wonach für beherrschende Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft ―der Antragsteller war alleiniger Gesellschafter/Geschäftsführer der GmbH― angenommen wird, dass sie über eine von der Gesellschaft geschuldete Vergütung einschließlich der darauf entfallenden Steuern mit deren Fälligkeit bzw. Gutschrift auch verfügen können (BFH-Urteil vom 14. Juni 1985 VI R 127/81, BFHE 144, 409, BStBl II 1986, 62, m.w.N.; zur Verfügungsmacht des Geschäftsführers über die zur Verfügung stehenden Mittel, vgl. auch Senatsurteile vom 26. Juli 1988 VII R 83/87, BFHE 153, 512, BStBl II 1988, 859, und vom 2. Februar 1988 VII R 90/86, BFH/NV 1988, 487).
Der Einwand des Antragstellers, der GmbH hätten zum Fälligkeitszeitpunkt der Gehaltszahlungen für ihn selbst keine Mittel zur Verfügung gestanden, so dass er der GmbH das bereits verdiente Gehalt als Darlehen habe überlassen müssen, weil eine Auszahlung nicht hätte erfolgen können, ist nach den bisherigen Feststellungen des FG so nicht nachvollziehbar. Das FA und ihm folgend das FG führen vielmehr aus, auf den Gehaltsabrechnungen des Antragstellers für Januar bis Oktober 1993 seien die monatlichen Bruttovergütungen einschließlich der Sachbezüge sowie die entsprechende Lohnsteuer/Kirchenlohnsteuer in voller Höhe ausgewiesen worden und überdies habe sich der Antragsteller in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH noch eine besondere Lohnbescheinigung für 1993 ausgestellt, in der der Einbehalt von Lohnsteuer/Kirchenlohnsteuer für das gesamte Jahr bestätigt worden sei. Das spreche dafür, dass der Antragsteller selbst von seiner Verfügungsmacht ausgegangen sei. Schließlich habe der Antragsteller im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für 1993 in Höhe des ebenfalls bescheinigten gesamten Bruttoarbeitslohnes den Ausfall der als Darlehen überlassenen Beträge als nachträgliche Anschaffungskosten für die Beteiligung an der GmbH steuerlich geltend gemacht. Der Antrag auf Konkurseröffnung wurde erst am 22. November 1993 gestellt. Bis zu diesem Zeitpunkt hat die GmbH jedoch nach den vorliegenden Umsatzsteuervoranmeldungen noch Umsätze erzielt. Angesichts dieser Feststellungen ist die Schlussfolgerung des FG, der Antragsteller habe über die Mittel ―wenn auch durch Überlassung seiner Gehaltsanteile als Darlehen an die GmbH― noch verfügen können und die Liquidität der GmbH hätte noch ausgereicht, um die fällig gewordenen Lohnsteuer/Kirchenlohnsteuerbeträge abzuführen, nicht zu beanstanden. Der Antragsteller hätte nunmehr diesen durch die Ausweisungen in der Gehaltsabrechnung und der Lohnbescheinigung selbst gesetzten Anschein nur dadurch entkräften können und müssen, dass er anhand einer Bestandsauf-stellung über die Eigen- und Fremdmittel der GmbH zu Beginn, sowie zu Art und Umfang der Geldbewegungen während des Haf-tungszeitraumes den Liquiditätsstatus der GmbH dargestellt hätte. Dies ist nicht geschehen, und es fehlt bis jetzt auch an einer Erklärung des Antragstellers, warum er trotz des ihm wieder eingeräumten Zugangs zu den Geschäftsräumen und der Mitteilung des Sequesters, dass dieser überhaupt keine Buchführungsunterlagen der GmbH an sich genommen habe und dies mangels Konkurseröffnung auch nicht zu tun beabsichtige, nicht in der Lage gewesen sein will, die geforderte Aufstellung der Mittelverwendung zu erbringen. Die sog. Sofortbilder, aus denen sich weder ein Aufnahmedatum noch ergibt, um welche Unterlagen es sich bei den in den Container geworfenen Aktenteilen gehandelt hat, lassen nicht den Schluss zu, dass es dem Antragsteller stets unmöglich war, die wesentlichen Buchführungsunterlagen an sich zu nehmen. Eine andere Beurteilung lässt auch der Inhalt des Schriftsatzes vom 3. Mai 2001 nicht zu, wonach der Vermieter "unmittelbar nach Auszug" den Zutritt zu den Räumen verwehrt hat. Es ist davon auszugehen, dass der Mieter bei Auszug zumindest die für ein Vermieterpfandrecht uninteressanten Geschäftsunterlagen mitnehmen kann. Die Aufklärung auch dieses Sachverhalts ist nur im Hauptsacheverfahren möglich.
Bei dieser Sachlage, von der das FG auszugehen hatte, käme eine Entlastung des Antragstellers nur in Betracht, wenn das Ergebnis einer eventuell durchzuführenden Beweisaufnahme eindeutig ergibt, dass der GmbH bereits während des Haftungszeitraumes die zur Begleichung der Lohnsteuer notwendigen Mittel fehlten, bzw. wenn der Antragsteller die angeforderten Unterlagen beibringt. Denn entgegen seiner Annahme trägt der Antragsteller und nicht das FA sowohl für die Behauptung, dass das Gehalt entgegen der Lohnsteueranmeldung und deren Ausweis auf der Lohnbescheinigung nicht verfügbar gewesen sei, wie für die Behauptung, die GmbH sei zum Fälligkeitszeitpunkt der Lohnsteuerabführungen illiquide gewesen, die Feststellungslast (vgl. Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 7. Aufl., § 69 Rz. 107, sowie Senatsurteil vom 12. Juli 1988 VII R 3/85, BFH/NV 1988, 7).
Der Antragsteller kann sich nach den bislang vorliegenden Erkenntnissen auch nicht darauf berufen, das FA treffe ein mitwirkendes Verschulden am Eintritt des Steuerausfalles, weil es bereits gepfändete Kraftfahrzeuge nicht bzw. nicht rechtzeitig verwertet habe, so dass der Vermieter das ihm zustehende Vermieterpfandrecht hätte geltend machen können. Zum einen würde selbst ein mitwirkendes Verschulden des FA nicht zu einer tatbestandsmäßigen Haftungsminderung führen, weil § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) im nach steuerrechtlichen Vorschriften zu beurteilenden Haftungsfall keine Anwendung findet (Klein/Rüsken, a.a.O., § 69 Rz. 103, sowie Senatsurteil vom 12. Juni 1986 VII R 135/80, BFH/NV 1988, 76), sondern allenfalls im Rahmen der Ermessensausübung berücksichtigt werden könnte (vgl. Senatsurteil vom 13. Juni 1997 VII R 96/96, BFH/NV 1998, 4, und Senatsbeschluss vom 19. März 1999 VII B 158/98, BFH/NV 1999, 1304). Zum anderen ist nicht ersichtlich, ob und in welchem Umfang eine Verwertung der gepfändeten Fahrzeuge für das FA möglicherweise deshalb nicht zu einer Realisierung der Steuerforderungen geführt hätte, weil vorrangige Ansprüche Dritter an den Pfandgegenständen bestanden haben.
Aus den dargestellten Gründen lässt sich für den Senat derzeit nicht absehen, ob der Antragsteller im Hauptsacheverfahren zu einer erfolgversprechenden Beweisführung Willens und in der Lage sein wird, so dass die begehrte Gewährung von PKH ―unabhängig davon, ob die nach § 114 ZPO erforderliche Mittellosigkeit des Antragstellers vorliegt― auch im Beschwerdeverfahren zu versagen war.
Fundstellen
Haufe-Index 604606 |
BFH/NV 2001, 1222 |
AO-StB 2001, 132 |