Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Berufsrecht Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Gegen den Beschluß des FG, durch den ein Gesuch um Ablehnung eines Richters für unbegründet erklärt wird, ist nicht die sofortige Beschwerde im Sinn des § 577 ZPO sondern die Beschwerde nach § 128 FGO gegeben. Das FG ist daher verpflichtet, vor der Vorlage der Beschwerde an den BFH zu prüfen, ob es der Beschwerde abhelfen will.
Normenkette
FGO §§ 51, 128 Abs. 1, § 130 Abs. 1; ZPO § 46 Abs. 2, § 57/3
Tatbestand
Das FG wies den Antrag der Gesellschaft, Finanzgerichtsrat Z. für befangen zu erklären, als unbegründet zurück.
Das FG legte die Beschwerde dem Bundesfinanzhof (BFH) vor, ohne darüber zu entscheiden, ob der Beschwerde abgeholfen werden sollte oder nicht.
Die Geschäftsstelle des erkennenden Senats bat das FG, "eine aktenkundige Beschlußfassung des Senats, daß die Beschwerde zu keiner Abhilfe führt", nachzuholen. Das FG erwiderte, an einer Abhilfe sei es schon deshalb gehindert, weil es sich bei dem Rechtsmittel der Gesellschaft um eine sofortige Beschwerde handele (§ 51 Abs. 1 FGO in Verbindung mit § 46 Abs. 2 ZPO). Damit sei hinsichtlich der Beschwerde im Sinne des § 128 Abs. 1 FGO "etwas anderes bestimmt". Nach § 577 Abs. 3 ZPO sei das Gericht bei einer sofortigen Beschwerde zu einer änderung seiner Entscheidung nicht befugt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde der Gesellschaft führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Die Gesellschaft rügt mit der Beschwerde zu Recht, daß das FG über ihr Gesuch um Ablehnung des ehrenamtlichen Richters Y nicht entschieden habe. Warum das FG die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch insoweit ausdrücklich dahingestellt sein ließ, ist nicht ersichtlich. Das Ablehnungsgesuch bezog sich offenbar zumindest auch auf den ehrenamtlichen Richter Y. Denn die Gesellschaft lehnte in ihrem Schriftsatz vom 21. April 1966 "die genannten Herrn", zu denen auch und nach dem Vorbringen der Gesellschaft in erster Linie Y gehörte, als befangen ab. Dafür spricht auch der Vortrag der Gesellschaft in der Beschwerdeschrift, die Annahme der gezielten Indiskretion habe sich nicht auf den Senatspräsidenten X, sondern auf Y bezogen. Die Vorentscheidung wird daher aufgehoben. Die Sache geht an das FG zurück, das über das den ehrenamtlichen Richter Y betreffende Ablehnungsgesuch entscheiden wird. Finanzgerichtsrat Z war bereits nach § 51 Abs. 2 FGO von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen, wie das FG in seinem Beschluß ausführte.
Der Senat ist vor der erneuten Entscheidung des FG gehindert, darüber zu befinden, ob dieses dem den Senatspräsidenten X betreffenden Ablehnungsgesuch zu Recht nicht stattgegeben hat. Denn die von der Gesellschaft in ihrem Gesuch um Ablehnung des Senatspräsidenten X und des ehrenamtlichen Richters Y vorgebrachten Gründe hängen so eng zusammen, daß über die Ablehnung beider Richter möglicherweise nur einheitlich entschieden werden kann.
Sollte gegen den erneuten Beschluß des FG wiederum Beschwerde eingelegt werden, wird das FG zu beachten haben, daß es vor der Vorlage der Beschwerde an den BFH darüber zu entscheiden hat, ob es der Beschwerde abhelfen will oder nicht (§ 130 Abs. 1 FGO).
Dem steht die durch § 51 Abs. 1 FGO, der die Ablehnung von Gerichtspersonen regelt, vorgeschriebene sinngemäße Anwendung der §§ 41 bis 49 ZPO nicht entgegen. Zwar sieht § 46 Abs. 2 ZPO als Rechtsmittel gegen den Beschluß, durch den das Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt wird, die sofortige Beschwerde vor, der das Gericht, das entschieden hat, nicht abhelfen darf (§ 577 Abs. 3 ZPO). Da die FGO aber das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nicht kennt, tritt überall dort, wo Bestimmungen der ZPO sinngemäß anzuwenden sind, die als Rechtsmittel die sofortige Beschwerde vorschreiben, an deren Stelle die - im Gegensatz zur ZPO (§ 569) fristgebundene (§ 129 Abs. 1 FGO) - Beschwerde im Sinn des § 128 FGO (vgl. Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Auflage, zu dem § 51 FGO entsprechenden § 54 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - Anm. 16; Redeker - von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Auflage Anm. 18 zu § 54; Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, zu § 174 des Sozialgerichtsgesetzes). Denn es wäre gesetzessystematisch nicht vertretbar, wollte man aus § 51 Abs. 1 FGO, der nur die sinngemäße Anwendung der §§ 41 bis 49 ZPO vorschreibt, schließen, daß damit auch die nach § 46 Abs. 2 ZPO gegebene sofortige Beschwerde, die der FGO unbekannt ist, in das finanzgerichtliche Verfahren eingeführt werden sollte. Damit wird auch das Argument des FG hinfällig, die - einfache - Beschwerde sei deshalb nicht gegeben, weil im Sinn des die Statthaftigkeit der Beschwerde regelnden § 128 Abs. 1 FGO "etwas anderes bestimmt" sei.
Da demnach im finanzgerichtlichen Verfahren auch in den Fällen, in denen ein Antrag auf Ablehnung eines Richters als unbegründet zurückgewiesen wird, entgegen der Auffassung des FG nicht die sofortige Beschwerde (§ 577 ZPO), sondern die Beschwerde nach § 128 FGO gegeben ist, ist das FG verpflichtet, vor der Vorlage der Beschwerde an den BFH zu prüfen, ob es dieser abhelfen will (§ 130 Abs. 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 412240 |
BStBl III 1966, 547 |
BFHE 1966, 505 |
BFHE 86, 505 |
StRK, FGO:51 R 2 |