Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertagungsantrag bei Beschlagnahmung von Unterlagen
Leitsatz (NV)
Ein erheblicher Grund für die Aufhebung eines Termins zur mündlichen Verhandlung liegt bei einer Beschlagnahmung von Unterlagen nur vor, wenn bis zur mündlichen Verhandlung vorgetragen und glaubhaft gemacht wird, dass die nach § 147 Abs. 2 StPO mögliche Akteneinsicht verweigert wurde.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 155; ZPO § 227; StPO § 147
Verfahrensgang
Hessisches FG (Urteil vom 04.09.2007; Aktenzeichen 6 K 1605/06) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Hat das Finanzgericht (FG) sein Urteil kumulativ begründet, d.h. auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, so muss wegen jeder der Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dargelegt werden und vorliegen (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. November 2007 XI B 101/06, BFH/NV 2008, 396; vom 22. April 2008 X B 64/07, BFH/NV 2008, 1345, m.w.N.). Das gilt auch, wenn ein Antrag als unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet abgewiesen wird (z.B. BFH-Beschluss vom 25. Januar 2006 X B 143/05, BFH/NV 2006, 809).
Im Streitfall hat das FG entschieden, die Klage sei unzulässig und im Übrigen auch unbegründet. In Bezug auf die zweite, die Entscheidung selbständig tragende Begründung, die Abweisung der Klage als unbegründet, liegt kein Zulassungsgrund vor.
a) Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) rügt insoweit als Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) die Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs durch ungerechtfertigte Ablehnung eines Vertagungsantrags (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 16, m.w.N.) liegt nicht vor.
aa) Der Kläger macht geltend, das FG habe zu Unrecht seinen Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung abgelehnt (Beschluss vom 3. September 2007) und deshalb verfahrensfehlerhaft in seiner Abwesenheit aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden. Insoweit erfordert die Rüge der Verletzung des Rechts auf Gehör zwar keine Ausführungen darüber, was bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen worden wäre und dass dieser Vortrag die Entscheidung des Gerichts hätte beeinflussen können (BFH-Beschluss vom 3. September 2001 GrS 3/98, BFHE 196, 39, BStBl II 2001, 802). Erforderlich ist aber die schlüssige Darlegung eines i.S. des § 155 FGO, § 227 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung erheblichen Grundes für die Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung. Daran fehlt es.
Der Kläger trägt vor, die Terminsverlegung sei im Hinblick auf die im Verfahren gegen ihn, den Kläger, als Geschäftsführer einer Steuerberatungs-GmbH wegen Insolvenzverschleppung beschlagnahmten Gegenstände und die Notwendigkeit der vorherigen Beiziehung der "in der Liste der beschlagnahmten Gegenstände auf Blatt 5 und 6 aufgeführten Gegenstände" erforderlich gewesen. Insoweit fehlt es schon daran, dass der Kläger bis zur mündlichen Verhandlung weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht hat, dass er bzw. der von ihm bestellte Verteidiger sich erfolglos um die grundsätzlich auch vor Abschluss der Ermittlungen mögliche (§ 147 Abs. 2 der Strafprozessordnung) Einsicht in diese Akten bemüht und ihn oder seinem Verteidiger trotz eines entsprechenden Antrages insoweit Akteneinsicht verweigert worden wäre.
bb) Die Verlegung des auf den 4. September 2007 angesetzten Termins zur mündlichen Verhandlung war auch nicht deswegen geboten, weil --wie der Kläger vorträgt-- ihm die Besteuerungsgrundlagen vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) nicht mitgeteilt worden seien und der Umsatzsteuerbescheid für 2002 sich bei den beschlagnahmten Unterlagen befinde. Insoweit bestand für den Kläger ohne weiteres die Möglichkeit, sich vor der mündlichen Verhandlung im Wege der Akteneinsicht Gewissheit über den Inhalt des Steuerbescheides zu verschaffen. Von der ihm vom Gericht antragsgemäß --mit Verfügung vom 8. September 2006 und nochmals vom 20. Oktober 2006-- eingeräumten Möglichkeit der Einsicht in die Akten, in denen sich sowohl der Umsatzsteuerbescheid als auch die Einspruchsentscheidung befinden, hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht. Im Übrigen hat das FA im Klageverfahren mit Schriftsatz vom 28. Februar 2007 die Grundlagen für die Schätzung im Einzelnen erläutert und sich der Kläger --trotz mehrfacher Aufforderung durch das FG-- hierzu nicht geäußert.
b) Soweit der Kläger die Zulassung der Revision wegen angeblicher Fehler des FA begehrt, hat die Beschwerde schon deshalb keinen Erfolg, weil Fehler, die dem FA angeblich im Besteuerungsverfahren oder im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren unterlaufen sind, keine Verfahrensmängel im Sinne des Revisionsrechts sind (z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 77, mit Rechtsprechungsnachweisen).
Fundstellen