Entscheidungsstichwort (Thema)
Inhaltliche Anforderungen an Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsatz (NV)
1. Zu der nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muß der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift konkret darauf eingehen, inwieweit eine Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist und ggf. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist.
2. Zur Bezeichnung der Divergenz ist es erforderlich, daß der Beschwerdeführer abstrakte Rechtssätze des vorinstanzlichen Urteils und abstrakte Rechtssätze aus den Entscheidungen des BFH so einander gegenüberstellt, daß eine Abweichung erkennbar wird.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Im Klageverfahren war streitig, ob eine im Ausland ansässige Unternehmerin zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, weil sie Lieferungen ausländischer Fachliteratur an einen deutlichen Unternehmer freiwillig der Deutschen Umsatzsteuer unterworfen hatte. Die Bücher waren jeweils vom Ausland aus versandt worden; die geltend gemachten Vorsteuern beruhten im wesentlichen auf Leistungen des deutschen Unternehmers an die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin). Die Klägerin berief sich auf Abschn. B - (2) des Erlasses des Bundesministers der Finanzen (BMF) IV A/3-S 7300-48/69 vom 28. Juni 1969 (BStBl I 1969, 349) i.V.m. dem BMF-Erlaß IV A/3-S 7302-II/68 vom 31. Januar 1968 (BStBl I 1968, 389). Nach dem letztgenannten Erlaß konnte zur Vermeidung von Schwierigkeiten beim Abzug der Einfuhrumsatzsteuer der Lieferer die von ihm entrichtete Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abziehen, wenn er die Lieferung der Umsatzsteuer unterwarf, d. h. wie eine Lieferung im Inland behandelte; dementsprechend sah der Erlaß vom 28. Juni 1969 vor, daß derartige Lieferungen als Inlands-Lieferungen i. S. des § 15 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) anzusehen seien; damit bestand die Möglichkeit, Vorsteuerbeträge geltend zu machen, die nicht mit diesen Lieferungen in Zusammenhang standen, sondern für andere Leistungen in Rechnung gestellt wurden.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) sah die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Verwaltungsregelungen als nicht erfüllt an. Die Klage hatte keinen Erfolg. Das UStG 1967/1973, so führte das Finanzgericht (FG) aus, biete für den geltend gemachten Vorsteuerabzug keine Grundlage. Ob die Voraussetzungen der erwähnten Erlasse als Billigkeitsregelungen erfüllt seien, könne auf sich beruhen, weil wegen der Zweigleisigkeit von Steuerfestsetzung und Erlaßverfahren die Prüfung dieser Frage im vorliegenden Verfahren nicht zulässig, sondern dem Erlaßverfahren vorbehalten sei. Die Revision hat das FG ausdrücklich nicht zugelassen.
Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und Divergenz.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist gegeben, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich dabei um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtstanwendung wichtige Rechtsfrage handeln (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. August 1986 II B 53/86, BFHE 147, 219, BStBl II 1986, 858, und vom 21. Juli 1977 VI B 16-17/77, BFHE 123, 48, BStBl II 1977, 760). In der Beschwerdeschrift ist die grundsätzliche Bedeutung darzulegen (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Fehlt eine solche Darlegung, so ist es dem Gericht verwehrt, auf die Frage der Begründetheit der Nichtzulassungsbeschwerde einzugehen (Beschluß des BFH vom 18. Januar 1968 V B 45/67, BFHE 90, 169, BStBl II 1968, 98).
Zur Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung sind substantiierte und konkrete Angaben darüber erforderlich, aus welchen Gründen die erstrebte Revisionsentscheidung der Rechtsklarheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung dienen kann (Beschlüsse des BFH vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, und vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625). Das bedeutet, daß der Beschwerdeführer konkret darauf eingehen muß, inwieweit die Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist und ggf. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist (Beschluß des Bundessozialgerichts - BSG - vom 2. März 1976 12/11 BA 116/73, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1976, 611).
Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdeschrift nicht. Die Klägerin begründet ihre Beschwerde im wesentlichen damit, daß die zu erwartende Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung deshalb erforderlich sei, weil davon auszugehen sei, daß es noch Fälle gebe, in denen die Anwendung der o.g. Erlasse noch nicht endgültig entschieden sei. Auch gehe es um die für alle Erlasse mit begünstigendem Charakter bedeutende Frage, in welchen Fällen eine Steuerfestsetzung als Billigkeitsentscheidung im Beschwerdeverfahren oder als sonstige Steuerfestsetzung im Einspruchsverfahren anzugreifen sei. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stelle sich auch insoweit, als es um die Auslegung der §§ 161, 227 der Abgabenordnung (AO 1977) gehe. Es stelle sich die grundsätzliche Frage, ob Regelungen wie die hier streitigen Verwaltungserlasse, die sich an eine Vielzahl von Personen wenden und die einen steuerbaren Tatbestand erst begründen, als Billigkeitsmaßnahmen im Sinne dieser Vorschrift aufgefaßt werden können.
Mit diesen Ausführungen hat die Klägerin nicht dargetan, daß eine für den Rechtsstreit erhebliche Rechtsfrage vorliege, die im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig sei. Insbesondere genügt hierfür nicht die Möglichkeit, daß die Anwendung der Verwaltungserlasse noch in anderen Fällen entscheidungserheblich sein könne, denn damit ist nicht dargetan, daß die Anwendung der Erlasse Rechtsfragen aufwerfe, die einer abschließenden höchstrichterlichen Entscheidung bedürften.
2. Soweit die Klägerin ihre Nichtzulassungsbeschwerde auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) stützt, hat sie zwar Entscheidungen des BFH angegeben, von denen das FG abgewichen sein soll. Damit ist aber die Divergenz nicht i. S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO bezeichnet. Hierzu wäre erforderlich gewesen, daß die Klägerin abstrakte Rechtssätze des vorinstanzlichen Urteils und abstrakte Rechtssätze aus den Entscheidungen des BFH so einander gegenüberstellt, daß eine Abweichung erkennbar wird (Beschluß in BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479).
Dies ist nicht geschehen. Die Klägerin hat zwar behauptet, daß die Regelung der Verwaltungserlasse, deren Anwendung sie begehrt, der in dem Urteil des BFH vom 25. Oktober 1986 VI R 15/81 (BFHE 145, 181, BStBl II 1986, 200) beurteilten Pauschbetragsregelung entspreche. Sie hat aber nicht erkennbar gemacht, welche rechtlichen Erwägungen für die Beurteilung der Pauschbetragsregelung durch den BFH maßgebend waren und inwieweit die rechtlichen Erwägungen des FG hiervon abweichen. Das gilt auch für das weitere von der Klägerin angezogene Urteil des BFH vom 14. August 1981 VI R 115/78 (BFHE 134, 139, BStBl II 1982, 24). Nicht maßgebend ist, ob die entschiedenen Sachverhalte oder Rechtsfragen nach Auffassung der Klägerin vergleichbar sind und ob das FG angesichts dessen falsch entschieden hat. Entscheidend ist vielmehr, ob und inwieweit das FG bei seiner Entscheidung von Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, die von den Rechtsgrundsätzen abweichen, die den Entscheidungen des BFH zugrunde liegen.
Fundstellen