Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensmangel; Belehrungspflicht des FG gegenüber Zeugen; Ablehnung von Gerichtspersonen; Verletzung der Sachaufklärungspflicht
Leitsatz (NV)
1. Eine Belehrungspflicht nach § 84 Abs. 1 FGO über ein dem Zeugen zustehendes Auskunftsverweigerungsrecht besteht nur bei einer durch die Auskunft gegebenen objektiven Gefahr eines Straf- oder Bußgeldverfahrens. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn das gegen den Zeugen eingeleitete Strafverfahren bereits durch Einstellung abgeschlossen ist.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann grundsätzlich nicht auf die Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs im finanzgerichtlichen Verfahren gestützt werden.
Normenkette
AO 1977 § 103; FGO § 84 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3, § 124 Abs. 2, § 128 Abs. 2
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 11.12.2003; Aktenzeichen 6 K 2296/00 Z) |
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) hat die gegen einen Steuerbescheid gerichtete Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) abgewiesen, mit welchem Einfuhrabgaben für 202 Stangen unverzollter und unversteuerter Zigaretten gegen den Kläger festgesetzt worden sind. Das FG hat seine das klagabweisende Urteil tragende Feststellung, dass der Kläger die Zigaretten im Juli 1996 vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht habe, auf die Angaben der P gestützt, welche diese gegenüber der Polizei am 9. Juli 1996 sowie bei ihrer Vernehmung als Zeugin in der mündlichen Verhandlung vor dem FG am 11. Dezember 2003 gemacht hat, wonach sie die Zigaretten Anfang Juli 1996 vom Kläger erworben hatte.
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde, welche er auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt, rügt der Kläger im Wesentlichen, dass das FG die Zeugin vor der Vernehmung nicht über ihr Auskunftsverweigerungsrecht belehrt und dass es seinen in der mündlichen Verhandlung gestellten Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden und die Berichterstatterin des FG-Senats zu Unrecht abgelehnt habe.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Verfahrensmängel zum Teil nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert, jedenfalls aber nicht vorliegen.
1. Das FG hat seine sich aus § 84 Abs. 1 FGO i.V.m. § 103 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) ergebende Belehrungspflicht nicht verletzt. Das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 103 Satz 1 AO 1977 besteht nur bei einer durch die Auskunft gegebenen objektiven Gefahr eines Straf- oder Bußgeldverfahrens. Im Streitfall hat das FG die Zeugin P jedoch nur zu dem Erwerb der streitigen 202 Stangen Zigaretten befragt und die Zeugin, die auch nur zu diesem Thema Auskunft gegeben hat, hatte zuvor auf Befragen durch das Gericht angegeben, dass das gegen sie wegen des damaligen Erwerbs unversteuerter Zigaretten eingeleitete Strafverfahren rechtskräftig durch Einstellung abgeschlossen worden sei. Hinsichtlich des Erwerbs der 202 Stangen Zigaretten im Juli 1996 durch die Zeugin P war diese somit keiner Gefahr strafrechtlicher Verfolgung mehr ausgesetzt. Die Zeugin P hatte daher nach § 103 Satz 1 AO 1977 nicht das Recht, die Auskunft auf Fragen zu diesem Zigarettenerwerb zu verweigern, und es bestand deshalb auch keine entsprechende Belehrungspflicht des FG; es konnte die Angaben der Zeugin verwerten. Soweit die Beschwerde anzweifelt, dass das Strafverfahren gegen die Zeugin P rechtskräftig abgeschlossen sei, legt sie nicht dar, worauf diese Zweifel beruhen.
Anders als die Beschwerde meint, bestand für die Zeugin P auch nicht die Gefahr anderweitiger strafrechtlicher Verfolgung wegen ihrer Angaben vor dem FG. Wenn die Beschwerde insoweit vorträgt, dass die Zeugin P bei wahrheitsgemäßer Aussage habe zugeben müssen, dass sie im Wesentlichen von Einkünften aus gewerbsmäßiger Hehlerei gelebt habe, dass sie aber diese Einkünfte mit Sicherheit nicht gegenüber dem Sozial- und Arbeitsamt erklärt und deshalb einen Betrug begangen habe, so handelt es sich zum einen um eine nicht näher begründete Vermutung, zum anderen ist die Zeugin P anlässlich ihrer Vernehmung durch das FG in keiner Weise zur Art ihrer damaligen Einkünfte befragt worden. Jedenfalls bestand in Anbetracht der bereits eingetretenen Verfolgungsverjährung (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 des Strafgesetzbuchs) kein Anlass anzunehmen, dass sich die Zeugin P mit ihrer Aussage der Gefahr einer Strafverfolgung wegen Betrugs aussetzen könnte. Eine für die Zeugin bestehende Gefahr der Strafverfolgung wegen noch nicht verjährter Straftaten zeigt die Beschwerde nicht auf.
2. Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen können nach § 128 Abs. 2 FGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Da dem Endurteil vorangegangene Entscheidungen, die nach der FGO unanfechtbar sind, nicht der Beurteilung der Revision unterliegen (§ 124 Abs. 2 FGO), kann eine Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich nicht auf die Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs gestützt werden. Geltend gemacht werden können nur solche Verfahrensmängel, die als Folge der Ablehnung des Befangenheitsgesuchs dem angefochtenen Urteil anhaften. Ein Zulassungsgrund liegt daher nur vor, wenn die Ablehnung gegen das Willkürverbot verstößt oder ein Verfahrensgrundrecht verletzt wird, wie der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) oder den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Das Verfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen Richter greift jedoch nur bei willkürlichen Verstößen gegen Verfahrensvorschriften ein. Deshalb hat eine Besetzungsrüge nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sich dem Beschwerdevorbringen entnehmen lässt, dass der Beschluss über die Zurückweisung des Ablehnungsgesuches nicht nur fehlerhaft, sondern greifbar gesetzwidrig und damit willkürlich ist (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. Januar 2003 III B 51/02, BFH/NV 2003, 640; vom 28. Mai 2003 III B 87/02, BFH/NV 2003, 1218; vom 22. Oktober 2003 III B 14/03, BFH/NV 2004, 224; Senatsbeschluss vom 27. Oktober 2003 VII S 20/03, BFH/NV 2004, 375).
Derartiges Vorbringen enthält die Beschwerde nicht. Sie macht lediglich geltend, dass das Ablehnungsgesuch des Klägers vom FG zu Unrecht zurückgewiesen worden sei, trägt aber keine Umstände vor, aus denen sich eine greifbar gesetzwidrige Ablehnung des Befangenheitsantrags und damit eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter ergeben könnte. Hierfür lässt sich im Übrigen dem mit nachvollziehbaren Gründen versehenen Beschluss des FG vom 11. Dezember 2003 auch nichts entnehmen.
3. Die gerügte Verletzung der sich aus § 76 Abs. 1 FGO ergebenden Pflicht des Gerichts zur Sachaufklärung, weil --wie die Beschwerde behauptet-- das FG angebotene Entlastungszeugen nicht gehört habe, ist nicht hinreichend dargelegt. Zur schlüssigen Darlegung des Verfahrensmangels eines übergangenen Beweisantrages gehört nach ständiger Rechtsprechung auch der Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2003 VII B 370/02, BFH/NV 2004, 843, m.w.N.). Hierzu fehlt im Streitfall jedes Vorbringen. Auch aus dem Sitzungsprotokoll des FG ergibt sich nichts Entsprechendes. Danach hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung weder einen Beweisantrag gestellt noch hat er sich auf frühere schriftsätzlich gestellte Beweisanträge bezogen und deren Übergehen durch das FG gerügt, sondern hat rügelos zur Sache verhandelt und den Klageantrag gestellt.
4. Die nach Ansicht der Beschwerde fehlerhafte Beweiswürdigung durch das FG ist kein Verfahrensmangel; vielmehr sind die Grundsätze der Beweiswürdigung dem materiellen Recht zuzuordnen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 82).
Fundstellen
Haufe-Index 1277717 |
BFH/NV 2005, 221 |