Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur schlüssigen Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht
Leitsatz (NV)
Die schlüssige Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG (§ 76 FGO) setzt für den Fall, daß der Kläger keine Beweise angeboten hat, u. a. die Darlegung voraus, wieso sich dem FG eine weitere Sachverhaltsermittlung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (Anschluß an BFH-Beschluß vom 23. April 1992 II B 174/91, BFH/NV 1993, 243 m. w. N.).
Fehler bei der Auslegung von Verträgen wie die Verletzung gesetzlicher Auslegungsregeln oder die Verletzung von Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen gehören nicht zu den Verfahrensmängeln, sondern zu den materiell-rechtlichen Gesetzesverstößen.
Normenkette
FGO §§ 76, 93, 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage, mit der der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Tarifbegünstigung des § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für den Gewinn aus der Veräußerung seiner Rechtsanwaltspraxis begehrte, als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der Beschwerde beantragt der Kläger die Zulassung der Revision wegen Verfahrensmängeln, und zwar Verletzung der §§ 76, 79, 93 und 96 der Finanzgerichts ordnung (FGO). Das FG habe seine Überzeugung aufgrund eines unvollständig ermittelten Sachverhalts gebildet. Es sei davon ausgegangen, daß er ausweislich des Praxisübertragungsvertrags sämtliche zum Zeitpunkt der Praxisübergabe vorhandenen Mandate zurückbehalten habe. Hierbei handle es sich um eine Überraschungsentscheidung, die seine Ausführungen in der Klageschrift und Einspruchsbegründung außer Betracht lasse. Das FG habe Abschn. IV des Übergabevertrags falsch interpretiert. Außerdem wäre die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen gewesen. In einer Vielzahl von Fällen der Veräußerung einer freiberuflichen Praxis trete naturgemäß immer wieder die Frage auf, ob und inwieweit der bisherige Praxisinhaber im Interesse einer möglichst reibungslosen Überleitung der Praxis auf den Erwerber mitwirken dürfe und könne, ohne die Steuervergünstigung eines Veräußerungsgewinns zu gefährden.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Begründungsanforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO.
Nach dieser Vorschrift ist, wenn die Beschwerde auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels gestützt wird (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), der Verfahrensmangel zu bezeichnen. Dafür genügt es nicht, die angeblich verletzte Rechtsnorm anzugeben. Es sind vielmehr genau die Tatsachen zu bezeichnen, aus denen sich der gerügte Mangel ergibt; außerdem ist schlüssig darzulegen, daß das angefochtene Urteil ohne den Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre (ständige Rechtsprechung, vgl. u. a. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 25. November 1992 II B 169/91, BFH/NV 1993, 258, und vom 9. März 1993 III B 32/91, BFH/NV 1993, 675). Hierzu hat der Kläger außer der Behauptung der Ursächlichkeit der gerügten Verfahrensmängel für die Entscheidung des FG nichts weiter ausgeführt. Sein Vorbringen läßt auch keine Verstöße des FG gegen Verfahrensvorschriften erkennen. Die schlüssige Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG (§ 76 FGO) setzt für den vorliegenden Fall, in dem der Kläger keine Beweise angeboten hat, u. a. die Darlegung voraus, wieso sich dem FG eine weitere Sachverhaltsermittlung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (vgl. BFH-Beschluß vom 23. April 1992 II B 174/91, BFH/NV 1993, 243 m. w. N.). Dazu läßt sich der Beschwerdebegründung nichts entnehmen.
Die ordnungsgemäße Rüge der Versagung des Rechts auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes -- GG --, § 96 Abs. 2 FGO) erfordert, daß der Kläger im einzelnen substantiiert darlegt, wozu er sich nicht hat äußern können und was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte (vgl. BFH-Beschluß in BFH/NV 1993, 258). Es ist nicht erkennbar, wozu sich der Kläger vor dem FG nicht hat äußern können. Abgesehen davon, daß grundsätzlich davon auszugehen ist, daß die Gerichte das Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben (vgl. BFH-Beschluß vom 3. Juni 1992 II B 192/91, BFH/NV 1993, 34), ergibt sich aus den Ausführungen in der Beschwerdebegründung, daß das FG das Vorbringen des Klägers in der Klageschrift, die Altakten mitübertragen zu haben, im Tatbestand des Urteils berücksichtigt hat.
Im Kern rügt der Kläger keine Verfahrensverstöße des FG, sondern daß dieses den Übergabevertrag falsch ausgelegt habe.
Fehler bei der Auslegung von Verträgen wie die Verletzung gesetzlicher Auslegungsregeln oder von Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen gehören zu den materiell- rechtlichen Gesetzesverstößen.
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht dargelegt. Hierzu muß der Kläger substantiierte und konkrete Angaben darüber machen, aus welchen Gründen die erstrebte Revisionsentscheidung der Rechtsklarheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung dienen kann (vgl. BFH-Beschluß vom 26. August 1992 II B 100/92, BFH/NV 1993, 662). Den Ausführungen des Klägers kann nicht entnommen werden, daß, in welchem Umfang und aus welchen Gründen die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage umstritten ist und worin die Bedeutung einer Entscheidung zu dieser Rechtsfrage durch den BFH für die Fortentwicklung des Rechts im Hinblick auf die Rechtsprechung -- insbesondere die des BFH -- oder auf gewichtige Auffassungen in der Literatur zu sehen ist. Hierfür genügt der bloße Hinweis darauf, daß die Frage in einer Vielzahl von Fällen immer wieder auftrete, nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 420632 |
BFH/NV 1995, 817 |