Entscheidungsstichwort (Thema)
Versäumung der Revisionsfrist wegen innerdienstlicher Vorgänge
Leitsatz (NV)
Bei verspäteter Einlegung der Revision durch das Finanzamt ist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Fristversäumnis zu gewähren, wenn nicht dargelegt ist, wie und durch wen die Sendung - verwaltungsintern - erfolgt ist und worauf die Verspätung beruht.
Normenkette
BGB § 188 Abs. 2; FGO §§ 54, 56 Abs. 1-2, § 120; ZPO § 222 Abs. 1-2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) machte mit der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1982 bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Zinsen zur Grunderwerbsteuer als Werbungskosten geltend. Das lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ab, weil es sich um Anschaffungskosten des Grundstücks handele. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt.
Auf die Beschwerde des FA wegen Nichtzulassung der Revision hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluß vom 11. April 1986 IX B 67/84 die Revision zugelassen. Der Zulassungsbeschluß wurde dem FA am 23. Mai 1986 zugestellt. Das FA legte mit einem Schriftsatz, der das Datum vom 13. Juni 1986 trägt und in einem unfrankierten Briefumschlag am 24. Juni 1986 bei dem FG eingegangen ist, Revision ein. Das FA bittet wegen der Versäumung der Revisionsfrist um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die vom FA gefertigte Revisionsschrift sei am Mittwoch, dem 18. Juni 1986, vom zuständigen Sachbearbeiter der Oberfinanzdirektion (OFD), Steueramtsrat X, persönlich in deren Postausgangsstelle gebracht worden; er habe sich dort die Absendung durch den in der Absendestelle tätigen Sachbearbeiter, den Angestellten A, auf dem Bericht des FA bestätigen lassen, wozu außer einer persönlichen Erklärung des Steueramtsrats X ein Absendevermerk mit dem Kürzel ,,A" vom gleichen Tage in Fotokopie beigelegt wird. Da die Revisionsfrist zu diesem Zeitpunkt noch fünf Tage gelaufen sei, hätte von einem rechtzeitigen Eingang bei dem FG ausgegangen werden können. In der Sache rügt das FA eine Abweichung des Urteils des FG vom BFH-Urteil vom 16. Februar 1956 II 277/55 U (BFHE 62, 281, BStBl III 1956, 104).
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
Nach § 120 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) war die Revision bei dem FG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses einzulegen. Das FA hat die Revisionsfrist, die am 23. Mai 1986 in Lauf gesetzt wurde und am 23. Juni 1986 endete (§ 54 FGO i. V. m. § 222 Abs. 1 und 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO - sowie § 187 Abs. 1 i. V. m. § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -), versäumt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen dieser Fristversäumung kommt nicht in Betracht, da das FA nicht dargelegt und glaubhaft gemacht hat, daß es ohne Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten (§ 56 Abs. 1 und 2 FGO).
Auf eine Verzögerung der normalen Laufzeit bei der Deutschen Bundespost kann sich das FA nicht berufen, da nicht die Absendung mit der Post, sondern eine verwaltungsinterne Übermittlung, etwa durch Boten oder zusammen mit anderen Schriftstücken, gewählt wurde. Dies ergibt sich daraus, daß der Briefumschlag, in dem die Revisionsschrift enthalten war, nicht frankiert ist; auch der darauf befindliche handschriftliche Vermerk ,,über OFD" ist im selben Sinne zu verstehen. Die Versäumung der Revisionsfrist durch innerdienstliche Vorgänge bei der OFD muß sich das FA zurechnen lassen (Beschluß des BFH vom 23. August 1967 I R 55/67, BFHE 90, 93, BStBl III 1967, 785).
Auf das BFH-Urteil vom 28. März 1969 III R 2/67 (BFHE 96, 85, BStBl II 1969, 548) kann sich das FA schon deshalb nicht berufen, weil in dem dort entschiedenen Fall der mit der Absendung der Revisionsschrift betraute Bedienstete diese versehentlich verspätet bei der Deutschen Bundespost aufgegeben hatte. Dagegen steht hier weder fest, daß eine Absendung mit der Post verfügt worden wäre, noch wie die Übermittlung tatsächlich erfolgt ist, insbesondere wer sie durchgeführt hat. Das FA räumt selbst ein, daß sich nicht mehr aufklären lasse, aus welchem Grund die Revision erst am 24. Juni 1986 bei dem FG eingegangen ist. Diese Unklarheiten müssen sich zu Lasten des FA auswirken, weil sich nicht ausschließen läßt, daß die Fristversäumung auf Organisationsmängel zurückzuführen ist. Aus dem vom FA angeführten BFH-Beschluß vom 1. Oktober 1981 IV R 100/80 (BFHE 134, 220, BStBl II 1982, 131) ergibt sich nichts anderes.
Fundstellen
Haufe-Index 414863 |
BFH/NV 1987, 108 |