Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkünfte aus Kapitalvermögen: Zufluss der Zinseinnahmen
Leitsatz (NV)
- Zu den Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache, wenn behauptet wird, es bedürfe der Klärung, unter welchen Voraussetzungen der Zufluss von Zinseinnahmen aufgrund einer Kontokorrentabrede zu bejahen ist.
- Wird geltend gemacht, das FG habe seine Pflicht zur Sachaufklärung verletzt (hier: keine Vernehmung des angebotenen Zeugen), bedarf es der Darlegung, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt worden ist oder aus welchen Gründen der Beschwerdeführer an einer solchen Rüge gehindert war.
Normenkette
EStG §§ 11, 20; FGO §§ 76, 115-116
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 11.01.2005; Aktenzeichen 5 K 2193/01 E, F) |
Gründe
Die Beschwerde genügt nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Sie ist deshalb zu verwerfen.
1. Dies gilt zum einen für die Rüge, die Revision sei deshalb zur Fortbildung des Rechts sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), weil das Finanzgericht (FG) den Zufluss von Zinseinnahmen der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) aufgrund einer Kontokorrentabrede mit ihrem Ehemann bejaht habe, obwohl in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) weder geklärt sei, ob für den Ansatz von Einnahmen und Ausgaben nach § 11 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) identische Maßstäbe anzulegen seien, noch, ob der Zufluss von Einnahmen im Falle einer Schuldumschaffung (Novation) eine jederzeitige Zugriffsmöglichkeit des Gläubigers, an der es vorliegend gefehlt habe, voraussetze.
Der Vortrag ist nicht schlüssig. Die Klägerin verkennt nicht nur, dass der BFH bereits mehrfach entschieden hat, dass der Begriff des Leistens einer Ausgabe i.S. von § 11 Abs. 2 EStG (sog. Abfluss) mit demjenigen des Zufließens nach § 11 Abs. 1 EStG korrespondiert und demnach beide Tatbestände nach dem Merkmal des Übergangs der wirtschaftlichen Verfügungsmacht zu bestimmen sind (BFH-Urteil vom 6. März 1997 IV R 47/95, BFHE 183, 78, BStBl II 1997, 509; Schmidt/Heinicke, EStG, 24. Aufl., § 11 Rz. 12, m.w.N.). Sie hat darüber hinaus auch verkannt, dass die Frage, unter welchen Voraussetzungen das Kriterium der "Zugriffsmöglichkeit" des Darlehensgläubigers auf den Zinsbetrag für die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über die Darlehenszinsen von Bedeutung ist, jedenfalls im Hinblick auf die Ausführungen der Beschwerdeschrift keiner weiteren Klärung durch eine höchstrichterliche Entscheidung bedarf (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). In ständiger Rechtsprechung unterscheidet der BFH hierbei nach Sachverhaltsgruppen u.a. zwischen Barauszahlung, Gutschrift und Novation (vgl. BFH-Urteil vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480). Zwar erfordert der Zufluss in Fällen der Gutschrift des Zinsbetrags und dessen Umwandlung aufgrund einer Novationsabrede, die an die Stelle einer an sich geschuldeten Auszahlung tritt, die Zugriffsmöglichkeit des Gläubigers in dem Sinne, dass er den Leistungserfolg (Auszahlung des Zinsbetrags) ohne weiteres Zutun des im Übrigen leistungsbereiten und leistungsfähigen Schuldners herbeiführen kann (BFH-Urteile vom 30. Oktober 2001 VIII R 15/01, BFHE 197, 126, BStBl II 2002, 138; vom 22. Juli 1997 VIII R 57/95, BFHE 184, 21, BStBl II 1997, 755, m.w.N.). Hiervon zu trennen ist jedoch die Beurteilung des Sachverhalts, dass ―wovon das FG vorliegend ausgegangen ist― die Novation im Vorhinein (d.h. vor Entstehen des Zinsanspruchs) vereinbart wird. Der erkennende Senat hat hierzu im Urteil vom 7. Dezember 1999 VIII R 8/98 (BFH/NV 2000, 825) im Einzelnen erläutert, dass in dieser Fallgruppe die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die fälligen Zinsen auf den Gläubiger übergeht, wenn der Schuldner im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Novation kreditwürdig ist. Der Umstand, dass der Gläubiger aufgrund der vorab getroffenen Abrede die Auszahlung des Zinsbetrags nicht verlangen kann, steht der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über den Zinsbetrag nicht entgegen; vielmehr ist in dieser Vereinbarung die Vorausverfügung über den Zinsanspruch zu sehen (eingehend BFH-Urteil vom 24. März 1993 X R 55/91, BFHE 171, 191, BStBl II 1993, 499). Dieser Beurteilung hat sich der IX. Senat angeschlossen (BFH-Beschluss vom 24. Juni 2003 IX B 227/02, BFH/NV 2003, 1327).
2. Nicht durchzugreifen vermag ferner die Rüge, das FG habe gegen seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung verstoßen (§ 76 FGO), weil es im Hinblick auf den weiteren Streitpunkt der Anerkennung eines Disagios als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die von der Klägerin benannten Zeugen nicht vernommen habe. Der Vortrag ist bereits deshalb unschlüssig, weil die Klägerin es unterlassen hat, innerhalb der Begründungsfrist nach § 116 Abs. 3 FGO darzulegen, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt worden ist oder aus welchen Gründen sie an einer solchen Rüge gehindert war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 12. März 2004 XI B 114/02, juris, m.w.N.; zu den weiteren Anforderungen vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 120 Rz. 69).
Fundstellen
Haufe-Index 1523540 |
BFH/NV 2006, 1467 |