Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerdezulassung durch FG
Leitsatz (NV)
Läßt das FG weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen eines Beschlusses die Beschwerde zu, so spricht der Beweis des ersten Anscheins gegen eine Beschwerde zulassung, auch wenn in der dem Beschluß angefügten Rechtsmittelbelehrung der Hinweis enthalten ist, daß gegen den Beschluß Beschwerde innerhalb von zwei Wochen eingelegt werden könne.
Normenkette
FGO §§ 115, 128 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat den Antrag der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) gegen den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) wegen Aussetzung der Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheides 1988 abgelehnt, ohne die Beschwerde im Tenor oder in den Entscheidungsgründen zuzulassen. Allerdings enthält die Rechtsmittelbelehrung den Hinweis, daß gegen den Beschluß Beschwerde innerhalb von zwei Wochen eingelegt werden könne. Der Beschluß wurde der Antragstellerin am 18. März 1996 zugestellt. Sie legte am 27. März 1996 beim FG Beschwerde ein, der das FG nicht abgeholfen hat. In seinem Nichtabhilfebeschluß vom 2. April 1996 weist das FG darauf hin, daß der angefochtene Beschluß versehentlich mit einer falschen Rechtsmittelbelehrung versehen worden sei. Der Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Antragstellerin ist eine inländische Kapitalgesellschaft, der gegenüber das Bundeskartellamt durch Bescheid vom Juni 1989 ein Bußgeld festsetzte. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Die Antragstellerin bildete in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1988 eine Rückstellung in Höhe von ... DM. In Höhe dieses Betrages nahm sie einen Abschöpfungswert an. Das FA folgte dem nicht. Es behandelte sowohl in dem vorläufigen Körperschaftsteuerbescheid als auch in dem endgültigen Körperschaftsteuerbescheid 1988 vom 29. März 1994 die Geldbuße als einen steuerlich nicht abziehbaren Aufwand. Die Antragstellerin legte zunächst Einspruch und später Klage ein. Über die Klage ist noch nicht entschieden.
Die Antragstellerin bat das FA am 25. September 1995 um die Aufhebung der Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheides 1988. Dies lehnte das FA am 21. November 1995 ab. Deshalb beantragte die Antragstellerin am 6. Dezember 1995 beim FG die Aufhebung der Vollziehung. Über den Antrag entschied das FG wie eingangs dargelegt. Mit ihrer Beschwerde rügt die Klägerin die Verletzung von § 4 Abs. 5 Nr. 8 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Die Antragstellerin beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses vom 13. März 1996 dem Antrag vom 6. Dezember 1995 auf teilweise Aufhebung der Vollziehung des Körperschaftsteuerbescheides 1988 vom 29. März 1994 stattzugeben.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie war deshalb zu verwerfen.
1. Nach § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der seit dem 1. Januar 1994 geltenden Fassung (BGBl I 1992, 2109, BStBl I 1993, 90) ist die Beschwerde gegen die Entscheidung eines FG über einen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 und 5 FGO nur noch dann statthaft, wenn sie in der Entscheidung zugelassen worden ist. Für die Zulassung gilt § 115 Abs. 2 FGO. Die §§ 115 und 128 FGO regeln nicht, welche äußere Form bei der Zulassung der Beschwerde zu beachten ist. In Rechtsprechung und Schrifttum wird empfohlen, im Interesse der Klarheit die Zulassung im Urteils- bzw. Beschlußtenor auszusprechen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Rdnr. 40, m. w. N.). Sie soll aber auch wirksam sein, wenn sie sich aus den Gründen des Urteils bzw. des Beschlusses oder in Ausnahme fällen aus der Rechtsmittelbelehrung klar ergibt (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O.; vorsichtiger: Geist in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rdnr. 72). Der Bundesfinanzhof (BFH) hat letztere Möglichkeit in seinem Urteil vom 5. November 1971 VI R 284/69 (BFHE 103, 477, BStBl II 1972, 139) nur allgemein angesprochen, ohne sich jedoch mit ihren Voraussetzungen auseinanderzusetzen. Im Beschluß vom 12. April 1967 VI R 321/66 (BFHE 88, 361, BStBl III 1967, 396) hat er eine Revision als zugelassen behandelt, weil die Rechtsmittelbelehrung die Formulierung enthielt, daß "die Beteiligten gegen dieses Urteil Revision ... einlegen könnten, und zwar unabhängig von der Höhe des Streitwertes wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder wenn einer der in § 116 FGO genannten zulassungsfreien Revisionsgründe vorliege". Die Entscheidung wurde u. a. auf das BFH-Urteil vom 12. Februar 1965 VI 96/64 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -- HFR -- 1965, 557) gestützt, in der der BFH die Zulassung der Revision auf die vom FG ausdrücklich angenommene grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache stützte. In seinen Beschlüssen vom 26. September 1989 IV R 74/89 (BFH/NV 1990, 587) und vom 10. August 1994 I R 115/93 (BFH/NV 1995, 250) hat der BFH dagegen unter Bezugnahme auf weitere Entscheidungen die Auffassung vertreten, daß die Zulassung einer ausdrücklichen Entscheidung bedürfe. Die bloße Feststellung in der Rechtsmittelbelehrung, den Beteiligten stehe das Rechtsmittel der Revision (Beschwerde) zu, enthalte noch keine Zulassung (vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 16. Juli 1986 I R 169/85, BFH/NV 1987, 386; vom 2. September 1987 I R 43/87, BFH/NV 1988, 254; vom 17. Januar 1994 VIII R 50/93, BFH/NV 1994, 646).
2. Auf der Grundlage dieser Entscheidungskriterien ist für den Streitfall davon auszugehen, daß die Beschwerde nicht zugelassen wurde und deshalb unstatthaft ist. Dies ergibt sich zum einen aus dem Nichtabhilfebeschluß des FG vom 2. April 1996, wonach die Beschwerde nicht zugelassen werden sollte und der Beschluß nur irrtümlich mit der falschen Rechtsmittelbelehrung versehen wurde. Zwar kommt es für die Zulassung der Beschwerde nicht auf eine später abgegebene Erklärung des FG, sondern auf den objektiven Erklärungswert des Beschlusses vom 13. März 1996 an. Jedoch muß die vom FG nachträglich abgegebene Erklärung im Zusammenhang mit der Tatsache gesehen werden, daß auch die Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses vom 13. März 1996 keine ausdrückliche Zulassung der Beschwerde enthält. Insoweit ist zwischen der Zulassung der Beschwerde und der sich aus ihr für die Rechtsmittelbelehrung und -einlegung ergebenden Konsequenzen zu unterscheiden. Die Rechtsmittelbelehrung zum Beschluß vom 13. März 1996 besagt nur, daß gegen denselben Beschwerde eingelegt werden kann. Die Belehrung mag zwar nur vor dem Hintergrund einer Zulassung der Beschwerde in sich schlüssig sein. Deshalb spricht sie dieselbe jedoch nicht aus. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil nach der Praxis aller FG die Zulassung einer Beschwerde (Revision) so gut wie ausnahmslos entweder im Entscheidungstenor oder in den Entscheidungsgründen ausgedrückt zu werden pflegt. Dies entspricht den Empfehlungen des BFH und des einschlägigen Schrifttums (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., § 115 Rdnr. 40, m. w. N.). Die Zulassungsentscheidung wird regelmäßig zumindest kurz begründet. Es spricht deshalb der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß eine nur in der Rechtsmittelbelehrung und dort auch nur ohne Begründung konkludent zum Ausdruck kommende Zulassungsentscheidung in Wirklichkeit keine ist. Jedenfalls bringt der Hinweis auf eine mögliche Einlegung der Revision oder der Beschwerde die Zulassung des entsprechenden Rechtsmittels nicht ausreichend deutlich zum Ausdruck. Sie schließt nicht aus, daß die verwendete Formulierung lediglich auf der Beifügung eines falschen Vordrucks beruht, ohne daß das FG deshalb die Zulassung beabsichtigte. Solange aber eine Rechtsmittelbe lehrung die Zulassung als solche nicht zweifelsfrei zum Ausdruck bringt, ist sie ungeeignet, um aus ihr eine konkludente Zulassung abzuleiten.
3. So ist auch der Streitfall gelagert. Die dem Beschluß vom 13. März 1996 beigefügte Rechtsmittelbelehrung gibt die Zulassung der Beschwerde als Entscheidung des FG nicht unmittelbar wieder. Die Formulierung legt nur den Schluß nahe, daß das FG die Beschwerde zugelassen haben muß, weil die Rechtsmittelbelehrung andernfalls keinen Sinn macht. Ebenso kann jedoch die Formulierung in der Rechtsmittelbelehrung auf der Verwendung eines falschen Vordruckes beruhen. Damit fehlt es an einer eindeutigen und positiven Zulassungsentscheidung des FG. Deshalb ist davon aus zugehen, daß die Beschwerde nicht zugelassen wurde. Damit ist die Beschwerde unstatthaft. Sie war als unzulässig zu verwerfen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird gemäß § 8 des Gerichtskostengesetzes abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 421729 |
BFH/NV 1997, 189 |