Entscheidungsstichwort (Thema)
Klagebefugnis bei Vollbeendigung der Personengesellschaft; keine gewillkürte Prozessstandschaft im Finanzgerichtsprozess
Leitsatz (NV)
1. Bei der Vollbeendigung der Personengesellschaft im Rahmen eines Umwandlungsvorgangs geht die Klagebefugnis gegen Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nicht auf den Rechtsnachfolger über.
2. Für eine gewillkürte Prozessstandschaft ist im Finanzgerichtsprozess grundsätzlich kein Raum.
Normenkette
FGO § 40 Abs. 2, § 48 Abs. 1 Nr. 1; AO § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 183 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, ist im Februar 2000 aufgrund eines Umwandlungsvorgangs Rechtsnachfolgerin der G-KG geworden, die ihrerseits im Jahr 1994 durch Rechtsformwechsel aus einer weiteren GmbH hervorgegangen war. Im Januar 2000 legte die G-KG Einsprüche gegen die Bescheide des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) über die einheitliche und gesonderte Feststellung ihrer Einkünfte in den Streitjahren 1994 bis 1998 ein. Die Rechtsbehelfe richteten sich dagegen, dass das FA im Zusammenhang mit der Ermittlung des Übernahmeergebnisses aus dem Formwechsel des Jahres 1994 die Einlagefiktion des § 5 Abs. 2 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG 1995) auch auf den vom Kommanditisten K im Privatvermögen gehaltenen Geschäftsanteil angewendet hat, obwohl dieser aufgrund seines Wohnsitzes in der Schweiz nur beschränkt steuerpflichtig gewesen sei und abkommensrechtlich der Schweiz das Besteuerungsrecht für die in den vormaligen GmbH-Anteilen ruhenden stillen Reserven zugestanden habe.
Die Einsprüche wurden vom FA im April 2001 zurückgewiesen. Daraufhin erhob die Klägerin im Mai 2001 "als Rechtsnachfolgerin der … (G-KG)" Klage. Diese wurde vom Finanzgericht (FG) Köln mit Urteil vom 20. März 2008 15 K 2852/01 als unbegründet abgewiesen; das FG-Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1187 abgedruckt.
Die Klägerin beantragt die Zulassung der Revision gegen das FG-Urteil und stützt ihr Begehren auf die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) über die streitige Auslegung des § 5 Abs. 2 UmwStG 1995 zur Fortbildung des Rechts.
Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Ihr kann unabhängig vom Vorliegen des geltend gemachten Zulassungsgrundes kein Erfolg beschieden sein, weil die Klage mangels Prozessführungsbefugnis der Klägerin unzulässig ist.
1. Die angefochtenen Feststellungsbescheide sind gegenüber der G-KG als Empfangsbevollmächtigter der feststellungsbeteiligten Gesellschafter nach § 183 Abs. 1 der Abgabenordnung ergangen. In dieser Eigenschaft wäre der G-KG gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auch die Klagebefugnis in einem Klageverfahren gegen die Feststellungsbescheide zugekommen. Diese Klagebefugnis ist indes im Zuge der Umwandlung der G-KG, die zur Vollbeendigung der G-KG geführt hat, nicht auf die Klägerin übergegangen. Vielmehr besteht die Klagebefugnis der Personengesellschaft gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht mehr nach deren Vollbeendigung; die Prozessführungsbefugnis geht dann von der Personengesellschaft auf die durch den angegriffenen Bescheid beschwerten Gesellschafter über (BFH-Urteil vom 22. November 1988 VIII R 90/84, BFHE 155, 250, BStBl II 1989, 326; BFH-Beschluss vom 16. Januar 1996 VIII B 128/95, BFHE 179, 239, BStBl II 1996, 426; BFH-Urteile vom 28. März 2000 VIII R 6/99, BFH/NV 2000, 1074; vom 27. Juli 2005 II R 35/04, BFH/NV 2006, 18; vom 4. Oktober 2006 VIII R 7/03, BFHE 215, 183). Mithin durfte nach der Auflösung der G-KG die Klage nicht durch die Klägerin erhoben werden; nur die beschwerten Gesellschafter selbst hätten klagen können.
2. Eine Auslegung der Klage dahin, dass nicht die als solche auftretende Klägerin, sondern der vormalige Kommanditist K Kläger sei, ist nicht möglich. Zwar muss die Bezeichnung der Partei in der Klageschrift für die Beteiligtenstellung nicht in jedem Fall ausschlaggebend sein. Maßgeblich ist, welcher Sinn der in der Klageschrift gewählten Parteibezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist (BFH-Urteil vom 14. November 1986 III R 12/81, BFHE 148, 212, BStBl II 1987, 178). Auch bei scheinbar eindeutiger Bezeichnung hängt die Auslegung der Parteibestimmung in der Klageschrift von allen den Empfängern der Klageschrift, also FA und FG, bekannten oder vernünftigerweise erkennbaren Umständen tatsächlicher und rechtlicher Art ab (BFH-Beschluss vom 22. Mai 1995 VIII B 146/94, BFH/NV 1995, 1077, m.w.N.).
Diese Umstände lassen im Streitfall indes --anders als die Klägerin meint-- nur den Schluss darauf zu, dass sich die Klägerin in der Annahme, als Rechtsnachfolgerin der G-KG sei auch die Prozessführungsbefugnis in Bezug auf die angefochtenen Bescheide auf sie übergegangen, in eigener Person am Rechtsstreit hat beteiligen wollen: Sowohl im Rubrum der Klageschrift als auch in den weiteren Schriftsätzen der Klägerin wird durchweg diese selbst als Klägerin bezeichnet; sie ist des Weiteren ausdrücklich "als Rechtsnachfolgerin" der G-KG aufgetreten; die vom erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten eingereichte Prozessvollmacht bezeichnet als "Mandant" die Klägerin "als Rechtsnachfolgerin der … (G-KG)"; die Vollmacht wurde auf dem Firmenstempel der Klägerin von deren Geschäftsführern unterzeichnet. Der Umstand, dass sich im Rubrum der Klageschrift nach der Erwähnung der G-KG der Zusatz "bestehend aus:" mit anschließender Bezeichnung der vormaligen Mitunternehmer befunden hat, lässt nicht den Schluss zu, dass dem dort (neben weiteren Mitunternehmern) namentlich aufgeführten K die Rolle des Klägers zukommen solle. Auch kann solches nicht daraus geschlossen werden, dass der materielle Streitpunkt des Verfahrens die Ergänzungsbilanzen des K bei der G-KG betraf.
Es besteht auch kein Anhalt dafür, dass FG und FA nicht die Klägerin, sondern K als Kläger angesehen haben könnten. Denn sowohl in Rubrum, Tatbestand und Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils als auch in den Schriftsätzen des FA wird durchweg und ausschließlich die Klägerin mit dieser Parteirolle belegt. Offenkundig haben auch FG und FA rechtsirrig angenommen, die Klagebefugnis der G-KG sei auf die Klägerin übergegangen. Etwas anderes kann --entgegen der Sicht der Klägerin-- nicht aus dem Umstand abgeleitet werden, dass das FG es unterlassen hat, K gemäß § 60 Abs. 3 FGO zum Rechtsstreit beizuladen. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass die unterlassene Beiladung auf der Annahme des FG beruhte, K sei schon als Kläger am Rechtsstreit beteiligt.
3. Soweit die Klägerin hilfsweise geltend macht, die Prozessführungsbefugnis komme ihr aufgrund einer Prozessstandschaft für K zu, weil sie ein eigenes schutzwürdiges Interesse am Ausgang des Rechtsstreits habe, kommt solches nicht in Betracht. Für eine gewillkürte Prozessstandschaft, bei der der Kläger als Sachwalter die Rechte eines Dritten im eigenen Namen geltend machen könnte, ist im Finanzgerichtsprozess --außer im Sonderfall des hier nach den obigen Ausführungen nicht einschlägigen § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO-- kein Raum (BFH-Beschluss vom 31. März 1981 VIII B 53/80, BFHE 133, 331, BStBl II 1981, 696; BFH-Urteil vom 11. April 1991 V R 86/85, BFHE 164, 219, BStBl II 1991, 729; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 40 Rz 57). Denn § 40 Abs. 2 FGO knüpft für die Klagebefugnis ausschließlich an die Verletzung eigener, gesetzlich begründeter Rechte durch den angefochtenen Verwaltungsakt an.
4. Sonach hätte das FG die Klage als unzulässig und nicht als unbegründet abweisen müssen. Der hierin liegende Verfahrensmangel (vgl. BFH-Urteil vom 21. Januar 1999 IV R 40/98, BFHE 188, 523, BStBl II 1999, 563) wurde von der Klägerin als Zulassungsgrund (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht geltend gemacht und ist deshalb im Beschwerdeverfahren unbeachtlich. Aber selbst bei erfolgter Rüge wäre der Senat nicht zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 oder § 116 Abs. 6 FGO gezwungen. Denn das Urteil des FG erweist sich im Entscheidungsausspruch aus anderen als den vom FG angenommenen Gründen als richtig, so dass die Revision nach § 126 Abs. 4 FGO, der im Beschwerdeverfahren entsprechend anzuwenden ist, nicht zuzulassen ist (vgl. BFH-Beschluss vom 20. November 2003 VII B 124/03, BFH/NV 2004, 362, m.w.N.).
5. Offen bleiben kann schließlich, ob das FG auf der Grundlage seiner offenkundigen Annahme, die Klägerin sei auch im Hinblick auf die Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO Rechtsnachfolgerin der G-KG geworden, K gemäß § 60 Abs. 3 FGO notwendig zum Rechtsstreit hätte beiladen müssen. Denn die Klägerin hat auch das Unterlassen der Beiladung nicht innerhalb der Frist des § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO als Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend gemacht. Eine solche Rüge ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde indes Voraussetzung für die Beachtlichkeit einer vom FG zu Unrecht unterlassenen notwendigen Beiladung (BFH-Beschlüsse vom 15. Dezember 1997 VIII B 28/97, BFH/NV 1998, 1105; vom 7. Oktober 2008 VIII B 9/08, juris; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Rz 110).
Fundstellen
Haufe-Index 2128282 |
BFH/NV 2009, 948 |