Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung bei Hinweis auf Aufsatz des Prozessbevollmächtigten; Festsetzungsfrist für Folgebescheid
Leitsatz (NV)
- Die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage wird nicht in der vom Gesetz gebotenen Form "dargelegt", wenn lediglich auf einen vom Prozessbevollmächtigten des Klägers verfassten und in einer Fachzeitschrift erschienenen Aufsatz hingewiesen wird, der sich nicht mit den in der Rechtsprechung und Literatur zu dieser Frage vertretenen Auffassungen auseinandersetzt.
- Soweit und solange in offener Feststellungsfrist ein Grundlagenbescheid noch zulässig ergehen kann, ist der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Folgesteuer gehemmt.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3; AO 1977 § 171 Abs. 10
Verfahrensgang
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde kann keinen Erfolg haben.
1. Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) Divergenz rügen und eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für erforderlich halten, ist die Nichtzulassungsbeschwerde teils unzulässig, teils unbegründet.
a) Da nach § 115 Abs. 2 FGO nicht jede rechtsfehlerhafte Entscheidung im Einzelfall zu einer Zulassung der Revision führt (vgl. abschließende Aufzählung der Zulassungsgründe in § 115 Abs. 2 FGO), setzt eine ordnungsgemäße Divergenzrüge gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO voraus, dass sich aus der Beschwerdebegründung ergibt, in welcher konkreten Rechtsfrage das Finanzgericht (FG) nach Ansicht des Beschwerdeführers von der Rechtsprechung des BFH abgewichen ist (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rdnr. 42). Dem genügt es nicht, wenn ―wie im Streitfall― lediglich in einer tabellarischen Übersicht die jeweiligen Sachverhalte und die unterschiedlichen Ergebnisse einer BFH-Entscheidung und des vorinstanzlichen Urteils wiedergegeben werden.
b) Die Kläger haben auch nicht insoweit eine Divergenz in der vom Gesetz gebotenen Form dargelegt, soweit sie eine fehlerhafte Interpretation des BFH-Urteils vom 12. August 1987 II R 202/84 (BFHE 150, 319, BStBl II 1988, 318) rügen. Wie dem Katalog der Zulassungsgründe in § 115 Abs. 2 FGO zu entnehmen ist, kann die Revision "nur" in den dort genannten Fällen zugelassen werden. Eine ―behauptete― schlichte Fehlerhaftigkeit des Urteils ermöglicht daher keine Zulassung der Revision. Entsprechendes gilt für die umfangreiche "Kritik an den Entscheidungsgründen des FG-Urteils" durch die Kläger.
c) Soweit die Kläger durch Gegenüberstellung jeweils eines aus dem BFH-Urteil in BFHE 150, 319, BStBl II 1988, 318 und aus dem Beschluss vom 15. Oktober 1987 IV B 163/86 (BFH/NV 1998, 281) abgeleiteten Rechtssatzes ―konkludent― eine Divergenz darlegen, ist ihre Beschwerde unbegründet.
Der IV. Senat des BFH hat in der zuletzt genannten Entscheidung keinen von der Rechtsprechung des II. Senats abweichenden Rechtssatz aufgestellt, sondern unter Nr. 2. die Grundsätze des BFH-Urteils in BFHE 150, 319, BStBl II 1988, 318 angewendet.
2. Soweit die Kläger grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) geltend machen, ist die Nichtzulassungsbeschwerde mangels einer § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Beschwerdebegründung unzulässig.
Macht ein Beschwerdeführer grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO geltend, muss er konkret auf die Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Erforderlich ist ein konkreter und substantiierter Vortrag, aus welchen Gründen im Einzelnen die Klärung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung im allgemeinen Interesse liegt, also ein Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit. Der Beschwerdeführer muss ggf. darlegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und streitig ist. Das erfordert im Allgemeinen eine Auseinandersetzung mit den in Rechtsprechung und Literatur zu dieser Frage vertretenen Auffassungen. Hat der BFH bereits früher über die Rechtsfrage entschieden, muss der Beschwerdeführer ferner begründen, weshalb gleichwohl eine erneute Entscheidung des BFH zu dieser Frage erforderlich ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rdnr. 33, m.w.N.).
a) Dem entspricht die floskelhafte Behauptung, die Klärung der aufgeworfenen Fragen werde für eine Vielzahl gleich gelagerter Fälle bedeutsam sein, nicht. Auch der Hinweis auf einen vom Beschwerdeführer und seinem Prozessbevollmächtigten verfassten und in einer Fachzeitschrift erschienenen Aufsatz belegt noch nicht, dass die aufgeworfenen Rechtsfragen im Schrifttum strit-tig sind und ihre Beantwortung aus diesem Grund im allgemeinen Interesse liegt. Ebenso wenig reicht die bloße Behauptung, das Bundesministerium der Finanzen (BMF) weiche im Schreiben vom 1. Juli 2002 IV A 4 -S 0062- 11/02 (BStBl I 2002, 639, 641 Tz. 6) von der o.g. Entscheidung des BFH ab, aus. Die behauptete Abweichung ist auch nicht offenkundig.
b) Die Kläger hätten ferner darlegen müssen, aus welchen Gründen eine nochmalige Entscheidung der von ihnen aufgeworfenen Rechtsfrage durch den BFH notwendig ist.
Entscheidungserheblich ist im Streitfall die Frage, ob ein Folgebescheid, der zwar nach Ablauf der durch die Bekanntgabe eines Grundlagenbescheides nach § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung a.F. (AO 1977 a.F.) in Gang gesetzten Frist, aber vor Erlass eines weiteren geänderten Grundlagenbescheides ergeht, wegen Festsetzungsverjährung rechtswidrig ist. Diese Frage hat der BFH für einen vergleichbaren Fall mit Urteil in BFHE 150, 319, BStBl II 1988, 318 beantwortet. Danach bewirkt § 171 Abs. 10 AO 1977 a.F. nicht ―wie die Kläger meinen―, dass eine zunächst abgelaufene Festsetzungsfrist durch den Erlass eines Grundlagenbescheides im Umfang der von diesem ausgehenden Bindungswirkung wieder erneut in Lauf gesetzt wird. Soweit und solange in offener Feststellungsfrist ein Feststellungsbescheid, der für die Festsetzung einer Steuer bindend ist, noch zulässig ergehen kann, ist der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Folgesteuer im Ausmaß der Bindung dieses Grundlagenbescheides gehemmt und wird diese Hemmung durch § 171 Abs. 10 AO 1977 a.F. auf die Frist von einem Jahr nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheides ausgedehnt. Der Streitfall unterscheidet sich von dem Sachverhalt, über den der II. Senat des BFH zu entscheiden hatte, lediglich unmaßgeblich dadurch, dass hier zwei geänderte Grundlagenbescheide ergangen sind.
Ferner haben die Kläger mit einer ähnlichen Begründung im Rahmen der Anfechtung des gemäß § 175 AO 1977 ergangenen Einkommensteueränderungsbescheides für 1983 eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache behauptet. Diese hat der IV. Senat des BFH in BFH/NV 1998, 281 verneint. Auch vor diesem Hintergrund hätten die Kläger daher darlegen müssen, inwieweit eine Entscheidung derselben Rechtsfrage durch den erkennenden Senat im Interesse der Allgemeinheit notwendig ist.
Im Übrigen ergeht die Entscheidung mit Kurzbegründung (§ 116 Abs. 5 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 1131756 |
BFH/NV 2004, 905 |