Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit einer Untätigkeitsklage nach Änderungsbescheid
Leitsatz (NV)
1. Wird dem Klagebegehren in vollem Umfang durch einen Änderungsbescheid entsprochen, wird dieser nicht auf Antrag nach § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens.
2. Ein angeblicher Anspruch auf Prozeßzinsen begründet kein Rechtsschutzbedürfnis für die Aufrechterhaltung der in diesem Fall erledigten Klage.
3. Eine Untätigkeitsklage kann nach Ergehen eines Änderungsbescheids gegenüber dem ursprünglichen Bescheid auch dann nicht aufrechterhalten werden, wenn der Änderungsbescheid Gegenstand des fortzusetzenden Einspruchsverfahrens wird.
Normenkette
FGO § 68 S. 1; AO §§ 236, 366
Tatbestand
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhoben gegen den Einkommensteuerbescheid 1985 (Streitjahr) Einspruch und, als vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) über den Einspruch nicht entschieden wurde, Untätigkeitsklage. Sie beantragten, einen Kinderfreibetrag von ... DM zu gewähren. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, weil sie unzulässig sei.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil erhoben die Kläger Beschwerde.
Das FA änderte während des Beschwerdeverfahrens den angefochtenen Bescheid und gewährte den von den Klägern begehrten Kinderfreibetrag.
Die Kläger haben den deshalb ergangenen Änderungsbescheid nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens erklärt. Sie tragen vor, der eingeklagte Änderungsbescheid sei zwar ergangen; bei einer zulässigen Klage würden sie jedoch ... DM Prozeßzinsen erhalten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Es fehlt an einem Rechtsschutzbedürfnis.
1. Die von den Klägern nach Ergehen des Änderungsbescheides des FA vorgenommene Klageänderung ist unzulässig. Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Klageerhebung durch einen anderen Verwaltungsakt geändert, so wird dieser zwar nach § 68 Satz 1 FGO auf Antrag des Klägers Gegenstand des Verfahrens. Das gilt indes nicht, wenn der Änderungsbescheid die Hauptsache des Klageverfahrens materiell erledigt, weil er dem Klagebegehren in vollem Umfang Rechnung trägt (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 31. Oktober 1990 II R 45/88, BFHE 162, 215, BStBl II 1991, 102). Denn dann fehlt es in der Regel an einem Rechtsschutzbedürfnis für eine Fortsetzung des Verfahrens in Gestalt einer Anfechtung des Änderungsbescheides, so daß kein Anlaß besteht, dem Kläger eine diesbezügliche Klageänderung zu ermöglichen.
So liegt es hier. Der von den Klägern gestellte Antrag nach § 68 FGO bewirkt nicht, daß der Änderungsbescheid des FA, in dem ein Kinderfreibetrag von ... DM berücksichtigt ist, Gegenstand des (weiteren) Verfahrens wird. Denn die Berücksichtigung eines solchen Kinderfreibetrages entspricht in vollem Umfang dem Klagebegehren der Kläger. Es fehlt folglich an einem Rechtsschutzbedürfnis für die Fortsetzung des Klageverfahrens gegen den Änderungsbescheid und für die Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens, weil die Kläger ihr materiell-rechtliches Ziel -- ungeachtet der Abweisung ihrer Klage durch das FG -- erreicht haben.
2. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Fortsetzung des Verfahrens gegen den Änderungsbescheid ist auch aus dem vermeintlichen Zinsanspruch der Kläger nicht herzuleiten. Ob die Kläger einen Anspruch darauf haben, daß der ihnen infolge des Änderungsbescheides zu erstattende Steuerbetrag nach § 236 der Abgabenordnung (AO 1977) zu verzinsen ist, ist nicht Gegenstand des Klage- und Beschwerdeverfahrens.
Einen Zinsanspruch könnten die Kläger allenfalls aus § 236 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 herleiten. Denn § 236 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 scheidet als Anspruchsgrundlage von vornherein aus, weil der gegen die Kläger ergangene Einkommensteuerbescheid 1985 weder durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung noch aufgrund einer solchen Entscheidung geändert worden ist und daran auch die von den Klägern angestrebte Fortsetzung des Klageverfahrens nach Zulassung der Revision nichts mehr ändern könnte. Aus § 236 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 ergibt sich, daß ein steuerlicher Erstattungsbetrag zu verzinsen ist, wenn sich ein auf eine Herabsetzung einer festgesetzten Steuer durch gerichtliche Entscheidung oder aufgrund einer solchen Entscheidung gerichteter Rechtsstreit durch Änderung des angefochtenen Steuerbescheids er ledigt. Die Vorschrift schafft also einen Zinsanspruch für den Fall, daß das FA einer gerichtlichen Entscheidung über den angefochtenen Steuerbescheid zuvorkomnmt und ihn von sich aus ändert. Sie knüpft nicht an eine gerichtliche Entscheidung an, welche die Klägerin in dem vorliegenden Verfahren offenbar meinen um eines Zinsanspruches willen erstreiten zu müssen.
Die Kläger können für eine Fortsetzung des vorliegenden Verfahrens kein Rechtsschutzbedürfnis daraus herleiten, daß einem von ihnen erhobenen und auf § 236 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 gestützten Zinsanspruch bei einer Beendigung des Verfahrens durch Erledigungserklärung entgegengehalten würde, ihre Klage sei vom FG als unzulässig abgewiesen worden und es sei aufgrund dieser Entscheidung des FG ein -- nach dem Gesetz an sich gegebener -- Anspruch auf § 236 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 nicht durchsetzbar. Denn die Rechtsfolge der bei verständiger Würdigung der Verfahrenslage gebotenen Beendigung des Rechtsstreits durch Erledigungserklärung wäre, daß das Urteil des FG wirkungslos würde (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. Juli 1985 VIII R 47/84, BFH/NV 1987, 184; vom 30. November 1987 VIII B 3/87, BFHE 151, 354, BStBl II 1988, 183, und vom 6. September 1989 II R 70/85, BFH/NV 1990, 448). Die Abweisung der Klage durch das FG würde die Kläger also nicht daran hindern, in einem etwaigen Verfahren wegen der Verzinsung ihres Erstattungsanspruches nach § 236 AO 1977 -- für den die Erhebung einer zulässigen Klage allerdings Voraussetzung sein dürfte -- geltend zu machen, ihre Klage gegen den Einkommensteuerbescheid sei -- entgegen dem Urteil des FG -- nicht rechtmißbräuchlich gewesen.
3. Es kann dahinstehen, ob dem Vorbringen der Kläger zu entnehmen ist, daß sie hilfsweise das Verfahren gegen den geänderten Bescheid fortgesetzt wissen wollen. Denn auch dieser Antrag wäre unzulässig, weil gegenwärtig kein Rechtsschutzbedürfnis für die Untätigkeitsklage gegen den geänderten Bescheid besteht. Der geänderte Bescheid ist durch den Änderungsbescheid suspendiert worden und hat keine Rechtswirkung mehr. Es bedarf keiner Erörterung, ob der Änderungsbescheid, durch den dem Klagebegehren entsprochen worden ist, bestandskräftig ist oder ob er gemäß § 365 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 Gegenstand des fortzusetzenden Einspruchsverfahrens geworden ist, wovon das FA offenbar ausgeht. Denn der Rechtsschutz der Kläger ist ausreichend gewahrt, auch wenn der Änderungsbescheid nicht endgültig Bestand haben sollte und der geänderte Bescheid wiederauflebt (vgl. BFH-Beschluß vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231, und Senatsbeschluß vom 11. Februar 1994 III B 127/93, BFHE 173, 14, BStBl II 1994, 658), so daß er (erneut) Gegenstand des Einspruchsverfahrens wird.
Fundstellen
Haufe-Index 421675 |
BFH/NV 1997, 234 |