Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen und Wirkungen einer vGA bei Pensionszusage
Leitsatz (NV)
- Ob die Erteilung einer Pensionszusage an einen Gesellschafter-Geschäftsführer durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, muss das FG anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilen. Seine Würdigung kann im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob sie gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt.
- Ist eine Pensionszusage durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, so rechtfertigt dies nicht die gewinnerhöhende Auflösung der Pensionsrückstellung. Vielmehr sind nur die im jeweiligen Veranlagungszeitraum erfolgten Zuführungen zur Pensionsrückstellung außerbilanziell rückgängig zu machen. Eine nachträgliche Korrektur von Zuführungen, die früheren Veranlagungszeiträumen zuzuordnen sind, ist nicht zulässig.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
FG des Saarlandes (EFG 2001, 1316) |
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten über die steuerrechtliche Berücksichtigung einer Pensionszusage.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, deren gesamtes Stammkapital sowohl im Streitjahr (1991) als auch in den Vorjahren von Frau B gehalten wurde. Geschäftsführer der Klägerin waren B sowie deren Ehemann (A). Dieser ist im Jahr 1995 verstorben.
Die Festgehälter der Geschäftsführer der Klägerin beliefen sich seit dem 1. Juli 1989 auf 11 000 DM (A) und 10 000 DM (B) monatlich. Außerdem hatte die Klägerin mit Vertrag vom 3. Dezember 1985 dem damals 54 Jahre alten A eine Altersversorgung zugesagt. Hiernach sollte A am 1. September des Jahres, in dem er sein 63. Lebensjahr vollendete, einen Ruhegehaltsanspruch erwerben. Das Ruhegeld sollte 75 v.H. desjenigen Bruttogehalts betragen, das mit A am letzten Bilanzstichtag der Klägerin vor dem Erwerb des Pensionsanspruchs vereinbart war. Bestandteil der Zusage war ferner eine Witwenpension in Höhe von 50 v.H. des dem A zustehenden Ruhegeldes. Zugleich hatte die Klägerin B ebenfalls ein Ruhegehalt in Höhe von 75 v.H. des letzten Bruttogehalts zugesagt; diese Zusage umfasste keine Hinterbliebenenversorgung.
Die Klägerin bildete in ihren Bilanzen Rückstellungen für die Pensionsverpflichtungen. Diese Rückstellungen beliefen sich zum 31. Dezember 1991 auf insgesamt 1 649 305 DM, wovon auf die Verpflichtung gegenüber A 1 197 529 DM und davon wiederum auf die Hinterbliebenenversorgung 116 375 DM entfielen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) erkannte im Anschluss an eine Außenprüfung die Rückstellungen nicht in vollem Umfang an: Er ging davon aus, dass die Pensionszusage zu Gunsten des A insoweit eine Überversorgung beinhalte, als sie auf eine Hinterbliebenenversorgung gerichtet sei; deshalb löste er die gebildete Rückstellung ―neben anderen Korrekturen― hinsichtlich eines Betrages von 116 375 DM gewinnerhöhend auf. Die dagegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen; sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1316 abgedruckt.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG). Sie beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die angefochtenen Bescheide in der Weise zu ändern, dass die Rückstellung für die Hinterbliebenenversorgung mit einem um 116 375 DM erhöhten Betrag berücksichtigt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Dieses hat zwar zu Recht entschieden, dass die streitige Zusage einer Hinterbliebenenversorgung zu verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA) i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG führt. Es hat jedoch die Folgen dieser vGA nicht zutreffend beurteilt.
1. Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats kann die Pensionszusage einer Kapitalgesellschaft zu Gunsten ihres Gesellschafter-Geschäftsführers zu einer vGA führen, die nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG das Einkommen der Gesellschaft nicht mindern darf. Dasselbe gilt für eine Versorgungszusage gegenüber einem Geschäftsführer, der nicht selbst Gesellschafter ist, aber einem Gesellschafter nahe steht. Zu den in diesem Sinne nahe stehenden Personen zählt u.a. der Ehegatte des Gesellschafters (Senatsurteil vom 15. Oktober 1997 I R 42/97, BFHE 184, 44, BStBl II 1999, 316).
Im Streitfall geht es um eine Pensionszusage, die die Klägerin ihrem Geschäftsführer A erteilt hat. A war zwar nicht Gesellschafter der Klägerin, aber mit deren Alleingesellschafterin verheiratet. Angesichts dessen haben FA und FG die Zusage zu Recht unter dem Gesichtspunkt der vGA geprüft.
2. Voraussetzung für die Annahme einer vGA ist bei Pensionszusagen u.a., dass die Zusage im Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Das ist bei Zusagen zu Gunsten eines Geschäftsführers anzunehmen, wenn die Gesellschaft einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer unter ansonsten vergleichbaren Umständen keine entsprechende Zusage erteilt hätte (Senatsurteil vom 20. Dezember 2000 I R 15/00, BFHE 194, 191, BFH/NV 2001, 980, 981, m.w.N.). Maßstab für den hiernach anzustellenden Fremdvergleich ist das Handeln eines Geschäftsleiters, der gemäß § 43 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anwendet (Senatsurteile vom 8. November 2000 I R 70/99, BFHE 193, 422, BFH/NV 2001, 866, 867; vom 7. November 2001 I R 79/00, BFHE 197, 164, BFH/NV 2002, 287, 288).
3. Für die Beurteilung des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters hat der Senat speziell in Bezug auf Pensionszusagen eine Reihe von Kriterien entwickelt (vgl. hierzu Senatsurteil vom 29. Oktober 1997 I R 52/97, BFHE 184, 487, BStBl II 1999, 318, m.w.N.). Diese sind nicht im Sinne von Tatbestandsmerkmalen zu verstehen, die unabdingbar vorhanden sein bzw. fehlen müssen, damit die konkret zu beurteilende Pensionszusage dem Gesellschaftsverhältnis zugeordnet werden kann oder nicht. Sie haben vielmehr nur indizielle Bedeutung (vgl. Senatsurteile vom 23. Oktober 1996 I R 71/95, BFHE 181, 328, BStBl II 1999, 35; vom 29. Oktober 1997 I R 24/97, BFHE 184, 482, BStBl II 1998, 573). Entscheidend ist die einzelfallbezogene Gesamtbetrachtung, bei der alle konkret vorliegenden Umstände daraufhin abzuwägen sind, ob sie auf eine Veranlassung der Pensionszusage durch das Gesellschaftsverhältnis schließen lassen (Senatsurteil vom 19. Mai 1998 I R 36/97, BFHE 186, 226, BStBl II 1998, 689). Diese Würdigung vorzunehmen, ist Aufgabe des FG (vgl. Senatsurteil in BFHE 184, 482, BStBl II 1998, 573).
4. Im Streitfall hat das FG auf Grund einer Würdigung der maßgeblichen Verhältnisse die Überzeugung gewonnen, dass die dem A erteilte Pensionszusage u.a. insoweit durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war, als sie eine Hinterbliebenenversorgung zu Gunsten der Ehefrau umfasste. Dies hat es nicht nur aus dem von der Klägerin angesprochenen Gesichtspunkt der "Überversorgung" abgeleitet. Es hat vielmehr außerdem darauf abgestellt, dass A bereits nach einer Tätigkeitszeit von weniger als neun Jahren Versorgungsansprüche erwerben sollte; das ist ebenfalls ein Kriterium, welches nach der Rechtsprechung des Senats bei Beherrschungsverhältnissen für die Annahme einer Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis sprechen kann. Ferner hat das FG berücksichtigt, dass die erteilten Pensionszusagen in anderen Punkten unstreitig durch das Gesellschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und B geprägt waren. Wenn es aus diesen Umständen abgeleitet hat, dass auch die Zusage einer Hinterbliebenenversorgung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat, so liegt hierin kein Verstoß gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze. Angesichts dessen ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die genannte Würdigung seitens des FG gebunden.
5. Die hiernach zutreffende Annahme des FG, dass im Streitfall eine vGA vorliege, trägt jedoch nicht die (vollständige) Abweisung der Klage. Diese wäre nur dann gerechtfertigt, wenn entweder das FA die Rückstellung für die Hinterbliebenenversorgung zu Recht in vollem Umfang aufgelöst hätte oder sich aus anderen Gründen für das Streitjahr eine Gewinnerhöhung in Höhe des Auflösungsbetrags ergäbe. Beides ist indessen aus den Feststellungen des FG nicht abzuleiten.
a) Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Senats hat eine Kapitalgesellschaft keine außerbetriebliche Sphäre (Senatsurteile vom 4. Dezember 1996 I R 54/95, BFHE 182, 123, BFH/NV 1997, R 190; vom 22. Januar 1997 I R 64/96, BFHE 182, 530, BStBl II 1997, 548). Alle zivilrechtlich bestehenden Verbindlichkeiten sind deshalb bei ihr Betriebsschulden, alle hierauf gemachten Aufwendungen Betriebsausgaben. Dies gilt auch für Aufwendungen, die vGA darstellen. Die Rechtsfolge des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG besteht weder in der Versagung des Betriebsausgabenabzugs noch in einer Korrektur der Steuerbilanz, sondern in einer Gewinnzurechnung außerhalb der Bilanz. Deshalb bleibt eine in der Steuerbilanz gebildete Rückstellung, wenn und soweit die betreffende Verbindlichkeit besteht, vom Vorliegen einer vGA unberührt (Senatsurteil vom 29. Juni 1994 I R 137/93, BFHE 175, 347, BStBl II 2002, 366). Das alles gilt auch für vGA im Zusammenhang mit Pensionszusagen (Senatsurteile in BFHE 194, 191, BFH/NV 2001, 980; in BFHE 197, 164, BFH/NV 2002, 287).
b) Im Streitfall wäre die erfolgte teilweise Auflösung der Pensionsrückstellung deshalb nur dann gerechtfertigt, wenn die durch die Rückstellung abgebildete Versorgungsverpflichtung zivilrechtlich nicht bestanden hätte. Das wäre namentlich dann der Fall, wenn der entsprechende Teil der Versorgungszusage als Scheingeschäft i.S. des § 117 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu beurteilen wäre (vgl. dazu Buciek, Die Steuerberatung 2002, 1, 2). Eine dahin gehende Würdigung enthält das angefochtene Urteil jedoch nicht. Im Gegenteil setzt das FG, indem es die Versorgungszusage als vGA würdigt, eine bei der Klägerin eingetretene Vermögensminderung ―und damit den Fortbestand der Pensionsrückstellung― sogar voraus.
Liegt aber im Streitfall (nur) eine vGA vor, so sind zwar die im Streitjahr erfolgten Zuführungen zur Pensionsrückstellung rückgängig zu machen, soweit sie auf die Hinterbliebenenversorgung entfallen. Die gebotene außerbilanzielle Gewinnkorrektur kann jedoch nicht darin bestehen, dass in den Vorjahren erfolgte vGA bei der Veranlagung für das Streitjahr nachträglich berücksichtigt werden (Senatsurteil vom 12. Oktober 1995 I R 27/95, BFHE 179, 88, BStBl II 2002, 367). Die Regeln über den formellen Bilanzenzusammenhang greifen insoweit nicht ein, da sie nur die nachträgliche Berücksichtigung von Bilanzierungsfehlern betreffen und ein solcher im Fall der vGA nicht gegeben ist. Deshalb beschränkt sich bei Vorliegen einer vGA die vorzunehmende Korrektur darauf, dass diejenige Minderung des (Steuerbilanz-)Gewinns neutralisiert wird, die im jeweiligen Veranlagungszeitraum eingetreten ist (Senatsurteil vom 16. Dezember 1998 I R 96/95, BFH/NV 1999, 1125).
6. Inwieweit hiernach die vom FA vorgenommene Gewinnerhöhung gerechtfertigt ist, lässt sich den vom FG getroffenen Feststellungen nicht entnehmen. Das angefochtene Urteil enthält keine Aussage dazu, welcher Teil der im Streitjahr erfolgten Zuführungen zur Pensionsrückstellung auf die vereinbarte Witwenversorgung entfällt. Auch aus den vom FG in Bezug genommenen Unterlagen lässt sich dies nicht mit hinreichender Sicherheit ableiten. Deshalb müssen das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das FG zurückverwiesen werden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO), damit dieses die noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachholen kann. Dabei wird das FG zugleich prüfen müssen, ob die nicht revisionsbefangenen weiteren Korrekturen der Pensionsrückstellungen unter dem Gesichtspunkt der zeitlichen Zuordnung zutreffend waren oder ob die angefochtenen Bescheide (auch) unter diesem Gesichtpunkt zu Gunsten der Klägerin zu ändern sind.
Fundstellen
BFH/NV 2003, 347 |
HFR 2003, 391 |
StuB 2003, 659 |