Leitsatz (amtlich)
Der III. Senat schließt sich auch für das Bewertungsrecht der für das Gewerbesteuerrecht vertretenen Auffassung des IV. und des I. Senats (vgl. Urteile IV R 20/67 vom 29. April 1970, BFH 99, 485, BStBl II 1970, 726, und I R 94/70 vom 14. Oktober 1970, BFH 100, 407, BStBl II 1971, 28) an, nach der ein Geschäftswert bei Verpachtung eines Gewerbebetriebs im Einheitswert des Betriebsvermögens des Verpächters nur anzusetzen ist, wenn er durch von der Raumpacht eindeutig abgrenzbare Pachtzahlungen konkretisiert ist. Der III. Senat teilt auch die vom I. Senat im Urteil I R 94/70 (a. a. O.) vertretene Auffassung, daß diese Voraussetzung bei Pachtzahlungen, die in Vomhundertsätzen des Umsatzes bemessen werden, in der Regel nicht erfüllt ist. An der in früheren Entscheidungen vertretenen gegenteiligen Auffassung hält der III. Senat nicht mehr fest.
Normenkette
BewG §§ 2, 95 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Bauunternehmens. Sie hat das Unternehmen seit dem 1. Januar 1957 an ihren Bruder verpachtet, der zuvor schon als Geschäftsführer in dem Betrieb tätig war. Als Pacht wurde eine Umsatzbeteiligung zwischen 3 und 6 v. H. vereinbart, deren Höhe vom Gewinn des Pächters abhängen sollte; als Garantiepacht waren feste Beträge nach der Höhe des Umsatzes vorgesehen. Der Pachtvertrag sollte am 31. Dezember 1985 enden. Eine Kündigung konnte im beiderseitigen Einverständnis, ferner beim Nachweis von Handlungen "in abweichender Art zu diesem Vertrag" und für den Pächter bei Gründung eines Eigenbetriebs erfolgen. Den Wert des verpachteten Inventars einschließlich der Vorräte gaben die Vertragschließenden in einer Bestandsaufnahme mit 80 000 DM an. Der Pächter war verpflichtet, einen Minderwert bei Pachtende zu ersetzen, in Höhe eines dann etwa vorhandenen Mehrwerts sollte er über das Inventar verfügen können. Der Pachtvertrag ist im März 1968 durch eine neue Vereinbarung ersetzt worden. Die Klägerin hat nach der Verpachtung nicht erklärt, daß sie den Gewerbebetrieb aufgeben wolle.
Nachdem das FA zunächst die Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens der Klägerin für den Stichtag vom 1. Januar 1960 und 1. Januar 1963 nach den Vermögenserklärungen der Klägerin festgestellt hatte, erließ es für diese Stichtage auf Grund der Feststellungen anläßlich einer im Jahre 1966 durchgeführten Betriebsprüfung berichtigte Einheitswertbescheide für diese Stichtage, in denen es u. a. als Wert des verpachteten Geschäftswerts jeweils 160 000 DM ansetzte. Diesen Wert setzte es auch bei der erstmaligen Einheitswertfestellung des Betriebsvermögens der Klägerin zum 1. Januar 1966 an. Auf die Einsprüche der Klägerin, mit denen sie sich gegen den Ansatz des Firmenwerts wandte, änderte das FA in der Einspruchsentscheidung die Wertansätze auf den 1. Januar 1960 auf 144 997 DM, auf den 1. Januar 1963 und auf den 1. Januar 1966 auf je 324 997 DM. Diesen Wert ermittelte das FA in der Weise, daß es auf den 1. Januar 1960 die Durchschnittspacht der Jahre 1957 bis 1962 und auf den 1. Januar 1963 und 1. Januar 1966 die Durchschnittspacht der Jahre 1963 bis 1968 zugrunde legte und dann von den durch Kapitalisierung mit 10 v. H. ermittelten Kapitalwerten lediglich den Buchwert des Inventars an den Stichtagen mit 7 DM absetzte.
Auf die Klage hob das FG die berichtigten Einheitswertbescheide auf den 1. Januar 1960 und 1. Januar 1963 auf, da es der Auffassung war, daß keine neuen Tatsachen im Sinne des § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO vorgelegen hätten. Den Einheitswert auf den 1. Januar 1966 setzte es um den mit 324 997 DM angesetzten Firmenwert auf 156 000 DM herab. Das FG-Urteil ist in Entscheidungen der FG 1971 S. 121 veröffentlicht.
Das FA beantragt mit der vom FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision, die Vorentscheidung hinsichtlich der Entscheidung über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1966 aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen. Es wird unrichtige Rechtsanwendung gerügt. Das FA ist der Auffassung, daß eine Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des BFH nicht gerechtfertigt sei und daß sich der Wert des vom FA angesetzten Firmenwerts im Rahmen dieser Rechtsprechung halte.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist im Ergebnis unbegründet.
Der Senat folgt allerdings nicht der Auffassung des FG, daß der Ansatz eines Geschäftswerts bei der Verpachtung eines Unternehmens im Einheitswert des Betriebsvermögens des Verpächters zu einer im Bewertungsrecht unzulässigen Gesamtbewertung führt. Die Auffassung des FG beruht auf Gedankengängen, die auch im Schrifttum vertreten werden (vgl. z. B. Rössler-Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 8. Aufl., Bd. II, Anm. 14 zu § 95 BewG, S. 795 f.). Danach soll der Geschäftswert kein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut, sondern ein "wertsteigernder Faktor" sein, der zwar bei einer Gesamtbewertung des Unternehmens, nicht aber bei der nach § 109 Abs. 4 BewG vorgeschriebenen Einzelbewertung des Betriebsvermögens, die nur den reinen Substanzwert, nicht aber die Ertragskraft des Unternehmens erfasse, angesetzt werden könne. Demgegenüber hat der Senat bereits im Urteil III 342/61 U vom 19. Februar 1965 (BFH 82, 1, BStBl III 1965, 248) hervorgehoben, der Geschäftswert sei "ein von den persönlichen Eigenschaften des Unternehmers losgelöster, dem Unternehmen als solches innewohnender, im Geschäftsleben als Wirtschaftsgut anerkannter Wert, der mit dem Unternehmen veräußerlich und übertragbar ist". Er hat allerdings im Anschluß an die Rechtsprechung des BFH und auch an sein früheres Urteil III 65/62 U vom 27. Juli 1962 (BFH 75, 460, BStBl III 1962, 436) den Geschäftswert erst dann als ein bewertbares Wirtschaftsgut im Sinne des BewG angesehen, wenn er in irgendeiner Form nach außen in Erscheinung getreten und realisiert worden ist. Diese Einschränkung wurde damit begründet, daß eine "Bewertung vor der Realisierung zu willkürlicher und damit nicht vertretbarer Schätzung" führe. Es war damals der Gedanke maßgebend, daß es unmöglich sei, ohne äußeren Anhalt den Geschäftswert zu bewerten (so ausdrücklich Urteil des RFH III A 313/34 vom 25. Oktober 1934 (RStBl 1935, 25). Es ist einzuräumen, daß diese Begründung heute nicht mehr überzeugt, weil es, worauf Rössler-Troll (a. a. O.) mit Recht hinweisen, heute allgemein anerkannte Schätzungsmethoden zur Ermittlung des Geschäftswerts gibt.
Der Senat ist aber aus anderen Gründen weiterhin der Auffassung, daß der Geschäftswert vor seiner Realisierung kein bewertbares Wirtschaftsgut im Sinne des BewG ist. Denn bei allen Schätzungsmethoden wird der Geschäftswert als die Differenz zwischen dem Gesamtwert des Unternehmens und seinem Substanzwert ermittelt. Das verstößt gegen den Grundsatz der Einzelbewertung. Ist jedoch der Geschäftswert als geldwerte Realität in Erscheinung getreten, dann ist er ein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut, das auch bei der Einzelbewertung zu erfassen ist. Dem steht nicht entgegen, daß damit im Einheitswert des Unternehmens auch seine Ertragskraft erfaßt wird. Der Grundsatz der Einzelbewertung verbietet nur, die Ertragskraft eines Unternehmens zu erfassen, solange sie noch nicht durch Vereinbarungen konkretisiert ist, in denen nach Ausgleich der entgegengesetzt gerichteten Interessen der Vertragschließenden das Entgelt dafür festgelegt ist. Ist sie dagegen realisiert, dann ist sie wie jedes andere Wirtschaftsgut auch bei der Einzelbewertung zu erfassen.
Aus dieser Überlegung folgt allerdings weiter, daß auch bei der Frage, ob und in welcher Höhe ein Geschäftswert als geldwerte Realität in Erscheinung getreten ist, keine Schätzungsmethode angewandt werden kann, die gegen den Grundsatz der Einzelbewertung verstößt. Das schließt jedoch nicht aus, daß ein Geschäftswert auch bei der Verpachtung eines Unternehmens realisiert werden kann. Das ist z. B. immer dann der Fall, wenn im Pachtvertrag der Geschäftswert ausdrücklich als mitverpachtet aufgeführt und der auf ihn entfallende Pachtzins entweder genau angegeben wird oder doch einwandfrei von dem auf die anderen verpachteten Wirtschaftsgüter entfallenden Pachtzins abgegrenzt werden kann. Es kann aber ausnahmsweise auch dann der Fall sein, wenn die Überlassung des Geschäftswerts im Pachtvertrag zwar nicht ausdrücklich erwähnt ist, sich aber aus anderen Umständen eindeutig ergibt. Entcheidend ist, daß der Geschäftswert durch klar von der Pacht für andere Wirtschaftsgüter abgrenzbare Pachtzahlungen konkretisiert ist. Der Senat schließt sich insoweit auch für das Bewertungsrecht der für das Gewerbesteuerrecht vertretenen Auffassung des IV. und des I. Senats des BFH an (vgl. Urteile IV R 20/67 vom 29. April 1970, BFH 99, 485, BStBl II 1970, 726, und I R 94/70 vom 14. Oktober 1970, BFH 100, 407, BStBl II 1971, 28). Er teilt auch die im Urteil I R 94/70 vertretene Auffassung, daß diese Voraussetzung bei Pachtzahlungen, die in Vomhundertsätzen des Umsatzes bemessen werden, in der Regel nicht erfüllt ist. Das gilt insbesondere, wenn - wie im Streitfall - durch vorher nicht zu erwartende äußere Umstände eine erhebliche Umsatzsteigerung eingetreten ist, die zu einer entsprechend höheren Durchschnittspacht geführt hat. Soweit aus früheren Urteilen des Senats etwas anderes zu entnehmen ist, hält der Senat daran nicht mehr fest.
Die Vorentscheidung erweist sich schon aus diesem Grunde im Ergebnis als richtig, so daß der Senat auf die weiteren Ausführungen des FG nicht einzugehen braucht.
Fundstellen
Haufe-Index 69540 |
BStBl II 1971, 677 |
BFHE 1971, 573 |